von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 6. Dezember 2020

Es gibt wohl kaum ein anderes Unternehmen, dessen Bekanntheit im Jahr 2020 so stark gestiegen ist wie Zoom. Mit dem Einsetzen der Corona-Pandemie und damit verbundenem Home Office hat sich die Nachfrage auf Google in wenigen Wochen verzehnfacht:

Zoom bietet Software für Video-Kommunikation. Damit profitiert Zoom wie kaum ein anderes Unternehmen vom Wechsel in eine Arbeitswelt, in der zuhause Arbeiten immer wichtiger wird.

Ähnlich positiv ist Zooms Entwicklung an der Börse. Und dahinter ist Substanz: Hinter Zoom steckt ein gut funktionierendes Geschäftsmodell, das schon vorher profitabel war, heute noch profitabler ist und sich von Jahr zu Jahr im Umsatz verdoppelt.

Die Aussichten in dieser Zukunftsbranche sind also enorm positiv. Aber: Es gibt auch starke Konkurrenz der Tech-Riesen und einige Schönheitsfehler im Geschäftsmodell. Oder sind es doch gravierendere Mängel?

Finden wir es heraus. Unter anderem erfährst du in dieser Analyse:

  • Wie gut steht Zoom wirtschaftlich aktuell da?
  • Wie funktioniert das Geschäftsmodell und was macht es so stark?
  • Marktanalyse: Wie gut ist Zoom im Vergleich zur Konkurrenz aufgestellt?
  • Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken gegenübergestellt
  • Abschließende Bewertung inkl. Scorecard und konkreter Renditeerwartung: Ist die Aktie aktuell kaufenswert?

More...

1. Kurzüberblick: Was macht Zoom überhaupt?

Überblick

Verschaffen wir uns zuerst einen Überblick über das Unternehmen.

Hard Facts

Zoom wurde 2011 gegründet von dem heute immer noch aktiven CEO Eric Yuan.

Geschäftsmodell

Zoom ist Anbieter von der gleichnamigen Software für Video-Konferenzen jeglicher Art - 1:1, in Gruppen oder in Form von Webinaren.

Größe & Kennzahlen

Zoom ist getrieben durch die Corona-Effekte heute über 110 Mrd. US-Dollar wert bei einem Jahresumsatz von 1,4 Mrd. USD.

2. Fakten und Kennzahlen zur Aktie

Factsheet

Zoom ist seit 2019 an der Börse. Gerade Anfang 2020 hat der Kurs dann durch die Corona-Effekte einen Schub bekommen und sich dadurch zeitweise um 400 % gesteigert, ehe der Kurs dann vor Kurzem um ca. 30 % nachgegeben hat:

Das Factsheet zur Aktie:

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet.

Die Eckdaten

  • Land: USA
  • Branche: Video-Konferenz Software
  • Marktkapitalisierung: 115 Mrd. USD
  • Umsatz: 2 Mrd. USD
  • Ergebnis: 0,4 Mrd. USD
  • Free Cashflow: 1 Mrd. USD

Bewertung

  • KUV: 58
  • KGV: 285
  • KGVe: 130
  • KCV: 110
  • PEG-Ratio: 2

Qualität & Wachstum

  • Verschuldungsgrad: 6 %
  • Bruttomarge: 80 %
  • Nettomarge: 20 %
  • Umsatzwachstum (letzte 3 Jahre): 117 % p.a.
  • Umsatzwachstum im letzten Quartal (YoY): 350 %

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

3. Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert

Business Breakdown

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Umsatz-, Gewinn- und Cashflow-Entwicklung

Die folgende Grafik zeigt die Umsatz-, Gewinn- und Cashflow-Entwicklung. Wichtig: Zooms Geschäftsjahr 2020 geht von Januar 2019 bis Januar 2020. Die Corona-Effekte sind darin also noch nicht enthalten, jedoch im TTM-Wert.

Schauen wir, was hinter diesen starken Zahlen steckt.

Wie verdient Zoom Geld?

Zoom bietet Video-Software für unterschiedliche Anwendungsfälle an und verkauft diese in einem monatlichen Abo-Modell, es ist also ein Software-as-a-Service Unternehmen. Dementsprechend gibt es unterschiedliche Produkte:

  • Zoom Meetings: Video-Kommunikation in jeglicher Personenzahl
  • Zoom Phone: Professionelle Telefonlösungen für Unternehmen
  • Zoom Chat: Kommunikationslösung, die an Meetings & Phone andockt und den Austausch von Text und Bildern ermöglicht
  • Zoom Rooms: Software für einen virtuellen Konferenzraum, bspw. inklusive interaktivem  Whiteboard
  • Zoom Conference Room Connector: Tool, um traditionelle Video-Konferenz Hardware in die Cloud zu bringen
  • Zoom Video Webinars: Webinarlösungen, also Online-Vorträge und Seminare
  • Zoom for Developers und Zoom App Marketplace: Lösungen für Entwickler zum Integrieren der Zoom-Produkte in eigene Produkte und Projekte

Mechanismen des Geschäftsmodells

Da Zoom Software verkauft, ist die Bruttomarge mit 80 % sehr hoch. Das Abo-Modell macht die Umsätze planbarer.

Wie sieht die Kundenbasis von Zoom aus?

  • Das Q3 beendet Zoom mit 433.700 Kunden, die mehr als 10 Mitarbeiter haben, was einem Zuwachs von 485 % ggü. dem Vorjahresquartal bedeutet.
  • Die Expansion Rate dieser Kunden, also der Umsatzzuwachs mit Bestandskunden, liegt das zehnte Mal in Folge auf Quartalsbasis bei mindestens 130 %.
  • Knapp 1.300 Kunden haben in den letzten 12 Monaten mehr als 100.000 $ an Zoom überwiesen, was eine Steigerung von 136 % YoY ist.
  • Darüber hinaus macht kein Kunde von Zoom mehr als 5 % des Umsatzes aus, was positiv ist, da es die Abhängigkeit und Klumpenrisiken reduziert.

Zoom hat im Grunde drei relevante Zielgruppen, die den Umsatz steigern können:

  1. Unternehmen, die noch keine Video-Kommunikationslösung nutzen. Diese sind für Zoom aufgrund der guten Stellung im Markt einfach zu gewinnen.
  2. Unternehmen, die bei einem anderen Anbieter sind - mehr dazu in der Marktanalyse. Diese Zielgruppe ist schwerer zu gewinnen, da sie genug Anreize zum wechseln haben muss.
  3. Umsatzsteigerungen mit bestehenden Kunden, welche zuletzt bei > 30 % lagen.

In der Corona-Krise hat vor allem die erste Zielgruppe dominiert. Zahlreiche Unternehmen brauchten eine Lösung, die sie vorher noch nicht hatten und haben vor allem auf Zoom gesetzt.

Aber: Diese Zielgruppe wird vermutlich mittlerweile ziemlich klein sein. Wer in den letzten 9 Monaten kein solches Tool brauchte, wird es vermutlich in den nächsten Monaten noch weniger tun. Die meisten Unternehmen, die solche Tools zur Video-Kommunikation brauchen, werden mittlerweile bei irgendeinem Anbieter fündig geworden sein, womit vor allem Zielgruppe #2 und #3 bleiben.

Zusammenfassung des Geschäftsmodells: Zoom bietet Video-Software jeglicher Art an. Das wichtigste Produkt ist dabei die "Meetings"-Lösung. Die Kundenbasis von Zoom wächst stark und verteilt sich auf viele unterschiedliche Unternehmen.

4. Marktanalyse und Konkurrenzsituation: So funktioniert der Markt

Marktanalyse

Spannend ist die Frage, in welchem Markt Zoom unterwegs ist, wie dieser Markt sich möglicherweise entwickeln wird und wie die Konkurrenten aufgestellt sind.

Wer sind die Wettbewerber von Zoom?

Das Analyseunternehmen Gartner definiert den Markt der "Meeting Solutions", also Lösungen für digitale Zusammenkünfte, und bewertet die Marktteilnehmer so:

Quelle: https://zoom.us/de-de/gartner.html

Die führende Lösung kommt demnach - etwas überraschend - von Cisco. Zoom und Microsoft (mit Teams und Skype for Business) gehören ebenfalls zu den Top-Anbietern. Dahinter folgen noch Anbieter wie LogMeIn (Anbieter von "GoToWebinar"), Google und Adobe.

Schauen wir auf die geschätzten Marktanteile:

  • #1: Zoom - 36 %
  • #2: GoToWebinar - 22 %
  • #3: Cisco Webex - 17 %
  • #4: ON24 - 4 %
  • ...
  • #10: Google Hangouts - 1,3 %

Diese Schätzungen sind nicht exakt, da bei einigen Anbietern wie Google und Microsoft die Nutzung verschwimmt: Sie bieten nicht nur Video-Telefonie an, sonder oft ein Komplettpaket mit anderen Tools.

Entwicklung im Markt

Spannend sind die Wachstumsraten der Tools in diesem Jahr:

Quelle: Aternity

Microsoft Teams ist mit knapp 900 % am stärksten gewachsen. Die andere Microsoft-Software "Skype for Business" liegt bei nur 180 %. Zoom liegt auf Platz 2 mit ca. 680 %. Platz 3 (Webex von Cisco) liegt bei 451 %, kurz dahinter kommen GoToMeeting und Slack.

Das führt zu enormen Verschiebungen in den Marktanteilen:

Quelle: Aternity

Skype for Business ist nach wie vor der Marktführer, hat aber ca. 31 % an Marktanteilen (vor allem an Teams) verloren. Dafür hat Teams 23 % gewonnen. In Summe haben beide Microsoft-Tools einen Marktanteil von 79 %, zum Start des Zeitraums lagen sie noch bei 87 %. Webex liegt hier bei 10 %, Zoom nur bei 6 %, beide haben aber Anteile gewonnen.

Diese schnelle Verschiebung der Marktanteile zeigt auch, dass es hier nur geringe Wechselkosten zwischen den Tools gibt - mehr dazu in der SWOT-Analyse.

Zusammenfassung der Marktsituation: Microsoft ist klar führend im Marktanteil und ist zuletzt am stärksten gewachsen. Cisco bietet laut Gartner das beste Tool, liegt nach Microsoft bei der Nutzung auf Platz 2, wächst aber schwächer als beide Konkurrenten. Zoom hat sich in recht kurzer Zeit auf Platz 3 in den Marktanteilen hochgearbeitet.

5. Strategie: Das sind die Wachstumspläne

Strategie

Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir, welche strategischen Pläne aktuell vom Management geschmiedet werden. Schließlich beteiligst du dich an dem Unternehmen der Zukunft, nicht der Vergangenheit.

Zoom definiert die eigene Mission so:

Our mission is to make video communications frictionless.

Die dazu passende Vision lautet:

Our vision is to empower people to accomplish more through video communications.

Beides ist also recht simpel. Konkret benennt Zoom im letzten Jahresabschluss, der Anfang 2020 erschienen ist, sechs Wachstumshebel:

  • Kunden weiterhin glücklich machen
  • Neukunden akquirieren: U.a. durch kostenlose Möglichkeiten die Plattform zu testen.
  • Bestehende Kundenbeziehungen ausweiten: Durch den erstmaligen Einsatz in einer Abteilung eines Unternehmens sollen weitere Abteilungen folgen. Auch Zusatzservices werden dann angeboten.
  • Plattform kontinuierlich weiterentwickeln: Zoom will technisch führend bleiben und dadurch entsprechend Entwicklerkapazitäten bieten.
  • Internationale Expansion beschleunigen: Da die Hürden beim Erschließen neuer Länder minimal sind und größtenteils aus Übersetzungen bestehen, möchte Zoom diese erschließen.
  • Das Partner-Ökosystem und die eigene Plattform ausbauen: Zoom möchte die Tools für Entwickler erweitern, damit diese die Zoom-Lösungen in ihre eigenen Projekte integrieren können. Bestehende Partner sind bspw. Dropbox und Atlassian.

Zusammenfassung der Strategie: Zoom will weiterhin das führende Tool für Video-Kommunikation jeglicher Art anbieten und es in alle Richtungen verbreiten - international, bei Entwicklern und mit zusätzlichen Services.

6. SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert

SWOT-Analyse

Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Beginnen wir mit den Stärken. Was zeichnet das Unternehmen aktuell aus?

Enormes Wachstum

Zoom wächst aktuell so stark wie kein vergleichbares Unternehmen. Und, was oft vergessen wird: Auch vor der Corona-Pandemie hat sich Zoom jährlich im Umsatz verdoppelt.

Sales- und Marketing Ausgaben sinken stark

Die Sales- und Marketing Ausgaben von Zoom liegen, basierend auf den letzten 9 Monaten, bei ca. 27 %. Noch vor einem Jahr lag diese Quote bei 55 %. Die Ausgaben haben sich verdoppelt, der Umsatz allerdings vervierfacht.

Dabei macht sich auch der Rückenwind bemerkbar, den Zoom aktuell hat, bei dem Unternehmen aktiv nach Video-Kommunikationssoftware suchen und auch ohne große Marketingaufwände nicht an Zoom vorbeikommen.

Profitabel & Cash-generierend

Zoom ist seit 2019 profitabel. Damals noch gerade so, heute relativ deutlich mit einem Gewinn von 230 Mio. US-Dollar und einer Nettomarge von 17 %. Auch der Free Cashflow ist seit Jahren positiv und liegt heute bei 700 Mio. US-Dollar, was bezogen auf den Umsatz einer Free Cashflow Marge von stolzen 52 % entspricht. Hier muss sich noch zeigen, ob Zoom diesen Wert auch über die nächsten Jahre halten kann.

Das ist in jedem Fall aber ein sehr starker Wert für ein Unternehmen, das im Wachstum steckt. Die Rule of 40 wird hier mit einem Umsatzwachstum von 100 % und einer FCF-Marge von 52 % meilenweit erfüllt und übertroffen.

Leichte Netzwerkeffekte

Zoom möchte langfristig Netzwerkeffekte ausspielen.

Je mehr Nutzer Zoom hat, desto sinnvoller ist es für ein neues Unternehmen, auch auf Zoom zu setzen. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Gesprächspartner ebenfalls Zoom nutzt.

Wie stark diese Netzwerkeffekte wirklich greifen, muss sich aber noch zeigen: Gerade heute können fast alle Video-Konferenz Tools auch kostenlos genutzt werden von den Personen, die eingeladen werden. Das verhindert Netzwerk- und Lock-In-Effekte noch.

Und: Die Konkurrenten, bspw. Microsoft und Google, sind nicht darauf angewiesen, Kunden über die Video-Software zu monetarisieren. Sie können den Zugang dauerhaft kostenlos lassen und über die Folgeprodukte monetarisieren, was ihnen einen strategischen Vorteil verschafft.

Also: Ja, es gibt Netzwerkeffekte, aktuell sind diese aber noch nicht so stark wie bei anderen Unternehmen.

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Schauen wir auf die Schwachstellen des Unternehmens.

Datenschutz

Zoom hatte zuletzt einige Lücken im Datenschutz. Diese sind vor allem Anfang 2020 aufgefallen, als Zoom viel Aufmerksamkeit im Zuge des Wechsels ins Home Office bekomme hat. Was ist vorgefallen?

  • Es wurden unwissentlich für den Nutzer bestimmte Daten (verwendetes Gerät, Betriebssystem, Zeitzone etc.) an Facebook gesendet
  • Dritte konnten durch nach Zufallsprinzip generierte Meeting-IDs in fremde Videokonferenzen eintreten
  • Geringere Verschlüsselung der Verbindungen als ursprünglich angegeben
  • Umstrittene Funktion des "Attention-Trackings", bei der verfolgt werden konnte, ob ein Teilnehmer aktiv ist oder nicht
  • Fehlende Erklärungen in der Datenschutzerklärung

Aber: Zoom hat diese Lücken ausgebessert. Es haben sich keine neuen Baustellen aufgetan und aktuell scheint dieses Thema kaum Unternehmen davon abhalten, auf Zoom zu setzen.

Vergleichsweise kleines Ökosystem

Zoom möchte ein eigenes Ökosystem aufbauen, in welchem Entwickler die Zoom-Lösungen integrieren können und andere Unternehmen ihrerseits auf dem Zoom-Marktplatz Integrationen und Add-Ons anbieten können, was den Wert von Zoom als Plattform hebt.

Dieses Ökosystem ist aber vergleichsweise klein zu dem, was die Konkurrenten auffahren: Gerade Google und Microsoft bieten komplette digitale Workplaces, inklusive Cloud-Speicher, Kommunikationstools, Projektmanagement und vielem mehr.

Wahrscheinlich hat Zoom auf Video-Kommunikationssoftware das stärkste Ökosystem. Wenn wir den Markt aber größer denken und als Arbeitssoftware definieren, ist das Zoom Ökosystem ziemlich klein. Ich vermute, dass (a) letzteres aus Kundensicht das wichtigere Ökosystem ist und (b) Microsoft und Google eher das Zoom-Ökosystem aufbauen können als umgekehrt.

Kein Lock-In-Effekt

Ein Lock-In-Effekt führt dazu, dass ein Kunde, der ein Abo bezieht, nicht einfach so wechselt. Bspw. deshalb, weil viele Daten in der bisherigen Lösung stecken, die nicht einfach so mitgenommen werden können.

Der Lock-In-Effekt bei Zoom ist in meinen Augen bei den Kernprodukten (mit Ausnahme der Lösungen für Entwickler) ziemlich gering: Sobald ein Unternehmen das Video-Software Tool wechseln möchte, geht das ziemlich schnell und problemlos.

Burggraben

Es gibt unterschiedliche Wege, einen Burggraben aufzubauen, der das eigene Geschäftsmodell verteidigen kann: Ein überlegenes Produkt (bspw. Elektroautos von Tesla), ein Abo-Modell mit hohem Lock-In-Effekt (bspw. Salesforce), Skaleneffekte (bspw. Walmart) oder auch Netzwerkeffekte (bspw. Facebook).

Wie sieht es bei Zoom aus?

  • Überlegenes Produkt? Ja, auch wenn andere Lösungen ebenfalls gut funktionieren.
  • Abo-Modell? Ja. Lock-In-Effekt? Nein.
  • Skaleneffekte? Gering.
  • Netzwerkeffekte? Möglich, aber vermutlich gering.

Insgesamt ist das in meinen Augen ein schwächerer Burggraben.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

Videokonferenzen etablieren sich im Arbeitsalltag

Für viele Büroarbeiter gehören Video-Kommunikationstools heute zur Standardausstattung, während sie noch vor 2020 oft optional waren. Durch Arbeiten im Home Office aber auch wegfallende Geschäftsreisen sind sie essentiell.

Die Corona-Phase hat vielen Unternehmen gezeigt, wie gut das funktionieren kann. Dadurch wird der Effekt auch langfristig bleiben.

Offen ist, wann und in welcher Form andere Dinge - flächendeckendes Arbeiten vor Ort im Büro und Geschäftsreisen - wieder zurückkehren. In jedem Fall gehe ich davon aus, dass (a) die gemachten Erfahrungen in der Praxis mit Video-Calls und (b) die sich verändernde Arbeitswelt weiter Rückenwind für Zoom bedeuten werden.

Aber: Viele Unternehmen werden bereits eine Lösung haben. Zoom kann immer noch Neukunden gewinnen, muss aber für dieses Wachstum vor allem Marktanteile von der Konkurrenz erobern und/oder die Umsätze mit bestehenden Kunden ausbauen.

Wahrscheinlichkeit diese Chance zu nutzen: hoch | Wirkung bei Eintreten: hoch

Bisher ungeahntes Produktpotential

Amazon ist bekannt als Online-Händler, hat aber im Hintergrund die Cloud Hosting Lösung AWS aufgebaut, welche mittlerweile einen wesentlichen Teil der operativen Gewinne beisteuert.

Zoom hat ebenfalls viele Produkte im Angebot, neben dem klassischen Tool für Video-Meetings. Das birgt die Gefahr, sich zu verzetteln, auf der anderen Seite aber auch die Chance, dass einige dieser Lösungen neue Märkte oder Zielgruppen erschließen.

Noch ist das schwer abzuschätzen. Zoom weist nicht die Umsätze nach Segment aus und viele der Produkte stehen noch am Anfang. Langfristig könnte hier aber Potential liegen.

Wahrscheinlichkeit diese Chance zu nutzen: niedrig | Wirkung bei Eintreten: mittel

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Jetzt analysieren wir aber: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

Starke Konkurrenz

Die Marktanalyse hat gezeigt:

Microsoft ist klar führend im Marktanteil und ist zuletzt am stärksten gewachsen. Cisco bietet laut Gartner das beste Tool, liegt nach Microsoft bei der Nutzung auf Platz 2, wächst aber schwächer als beide Konkurrenten. Zoom hat sich in recht kurzer Zeit auf Platz 3 in den Marktanteilen hochgearbeitet.

Was sind also Zooms Stärken gegenüber der Konkurrenz?

  • Zoom ist noch kleiner als Cisco und Microsoft. Die Skalen- und Netzwerkeffekte schlagen hier also eher in Richtung der Konkurrenten aus.
  • Es ist zuletzt stärker gewachsen als Cisco und andere Anbieter, aber langsamer als Microsoft.
  • Gartner bescheinigt Zoom mit Cisco die größte Vision. Microsoft und Cisco liegen aber leicht vorne bei der Fähigkeit zur Umsetzung.

Es gibt darüber hinaus wichtige Unterschiede: Zoom bietet nur Video-Software an und ist darauf angewiesen, diese zu monetarisieren. Cisco, vor allem aber auch Microsoft (oder auch in dem Bereich kleinere Anbieter wie Google), binden die Video-Software in das gesamte Office-Paket ein.

Wer also nur eine Video-Lösung braucht, geht eher zu Zoom oder Cisco. Wer ohnehin eine übergreifende Lösung braucht, wozu viele größere Unternehmen gehören, wird bei Microsoft besser aufgehoben sein. Das kann Microsoft einen strategischen Vorteil verschaffen.

Diesen Vorteil hat Microsoft auch schon ausgespielt: Durch die Office-Produkte hat Microsoft bestehenden Kundenzugang und kann diesen Kunden ein weiteres Tool einfach zusätzlich freischalten. Das ist die Macht des Kundenzugangs, die auch die anderen FAANG-Unternehmen perfektioniert haben.

Das zeigt: Zoom kann ohne Probleme mithalten und gehört zum Kreis der drei führenden Anbieter. Innerhalb dieses elitären Zirkels ist die Konkurrenz aber stark und mit einigen strategischen Vorteilen ausgestattet.

Wahrscheinlichkeit vom Risiko betroffen zu sein: hoch | Wirkung bei Eintreten: hoch

Was ist der USP der Zukunft?

In einer Welt, in der Geschwindigkeit und Qualität in Videokonferenzen durch flächendeckend gute und schnelle Internetverbindungen kein Problem mehr sind, stellt sich mir eine Frage: Wo ist das Alleinstellungsmerkmal (USP) von Zoom oder irgendeiner anderen Video-Kommunikationssoftware?

Klar, bestimmte Integrationen sind nützlich, Spielereien wie das Weichzeichnen oder Austauschen von Hintergründen, Aufnahmefunktionen, Privatsphäreeinstellungen etc. Aber nichts davon ist in meinen Augen wirklich essentiell oder ein Alleinstellungsmerkmal.

Meine These: Je besser die ganze Welt ans Internet angeschlossen ist, desto egaler ist die Wahl des Video-Software Anbieters.

Anders gesagt: Qualitätsunterschiede gibt es dann kaum noch. Dann zählen womöglich andere Aspekte, wie der Preis oder die vollumfängliche Integration in ein bestehendes Ökosystem, bei denen ich die großen Tech-Konkurrenten vorne sehe.

Wenn Zoom heute die Kunden gewinnt und diese dann gut an sich bindet oder es hohe Wechselkosten gibt, wäre das Risiko begrenzt, da dann davon auszugehen ist, dass Kunden bei Zoom eher bleiben. Diesen Lock-In-Effekt sehe ich bei Zoom aber nur schwach.

Wahrscheinlichkeit vom Risiko betroffen zu sein: hoch | Wirkung bei Eintreten: hoch

7. Bewertung: Ist die Aktie attraktiv bewertet?

Bewertung

Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Der faire Wert der Aktie

Für die Ermittlung des fairen Werts habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

#1 Umsatzwachstum

Zoom hat zuletzt ein jährliches Umsatzwachstum von ca. 100 % hingelegt. Die letzten beiden Quartale liegen sogar ca. 350 % über dem Vorjahr. Zoom geht davon aus, dass es das Geschäftsjahr 2021 (welches bei Zoom von Januar '20 bis Januar '21 geht) mit einem Umsatz von ca. 2,8 Mrd. USD beenden wird. Analysten erwarten vom Geschäftsjahr 2021 auf 2022 ein Umsatzwachstum von ca. 40 %. 

Daher gehe ich davon aus, dass der Umsatz von 2,8 Mrd. USD mit dem nächsten Quartal erreicht wird, das Wachstum danach bei 40 % liegt und stetig abnimmt.

Meine Prognose dahinter: Das Kundenwachstum wird deutlich sinken (ca. 5 - 20 %), der Großteil des Wachstums vom Ausbau der Nutzung mit bestehenden Kunden kommen (ca. 20 - 30 %). Dieses könnte allerdings leicht niedriger sein als zuletzt, da die Nutzung im Lockdown vermutlich einen Höhepunkt erreicht hat.

Ich nehme außerdem an, dass das Umsatzwachstum sich langfristig (> 10 Jahre) bei 10 % p.a. einpendelt und sich bis dahin schrittweise an diesen Wert annähert. Es entsteht dadurch ein jährlicher Umsatz von 22 Mrd. USD.

#2 Nettomarge

Heute liegt die Bruttomarge von Zoom bei ca. 80 %, die Nettomarge bei ca. 20 % und die Free Cashflow Marge bei ca. 50 %. Das zeigt, wie profitabel Zoom arbeitet.

In Zukunft sehe ich sowohl margensenkende (etwas höhere Sales- und Marketing-Ausgaben) als auch margensteigernde (Skalierung) Effekte.

Die Free Cashflow Marge ist auch deshalb so hoch, da ein großer Teil der Einnahmen hier verbucht wird, die zwar bezahlt wurden, aber sich auf den Leistungszeitraum der Zukunft beziehen. Das ist ein zentraler Unterschied zum Nettogewinn. Dadurch kann die FCF-Marge durch die aktuelle Phase der hohen Nachfrage etwas nach oben verzerrt sein.

Ich glaube, dass Zoom die Nettomarge ausbauen kann und nehme hier 28 % Nettomarge an.

#3 Bewertungsniveau

Langfristig gehe ich davon aus, dass sich das Umsatzwachstum nach 10 Jahren bei ca. 10 - 15 % pro Jahr einpendelt. Zusammen mit der hohen Nettomarge, aber keinen großen zusätzlichen Märkten und einigen Schwächen im Geschäftsmodell, halte ich ein leicht überdurchschnittliches KGV von 26 für gerechtfertigt.

Ergebnis: Meine Renditeerwartung

Im von mir erwarteten Szenario ergibt sich eine Überbewertung der Zoom-Aktie von 37 %, wenn diese 8 % Rendite pro Jahr liefern soll. Die erwartete Rendite liegt dabei bei 3,1 % pro Jahr.

Wie sehen die abschätzbaren Ränder nach oben und nach unten aus?

Im sehr pessimistischen Szenario kann die Aktie um 80 % fallen, ehe sie dann fair bewertet ist. Im sehr optimistischen Szenario, in welchem Zoom Marktführer und hoch profitabel werden würde, würden jährliche Renditen von ca. 20 % pro Jahr winken.

Zoom in der StrategyInvest Scorecard

Mein Fazit: Zoom Aktie kaufen? Pro & Contra

Pro

  • Profitabel bei hohem Wachstum
  • Hohe Bruttomarge (ca. 80 %) ermöglicht langfristig hohe Profitabilität
  • Starker und vermutlich dauerhafter Rückenwind durch Remote Work & Home Office Trend
  • Netzwerkeffekte: Je mehr Nutzer Zoom hat, desto mehr Nutzer zieht Zoom an

Contra

  • Kein großer Burggraben, der in Zukunft vermutlich noch stärker schwindet
  • Hohes Bewertungsniveau
  • Starke Konkurrenz, die strategische Vorteile hat

Fazit

Ich sehe Chancen bei Zoom. Aber ist Zoom für mich persönlich eine Aktie, die ich guten Gewissens 10 Jahre in mein Depot legen möchte? Nein. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist in meinen Augen okay, aber nicht attraktiv genug.


Vieles hängt auch von der Investitionsbereitschaft der großen Tech-Konzerne ab. Ich sehe zu viele Vorteile bei diesen und zu wenig Möglichkeiten bei Zoom, um das hohe Wachstum beizubehalten und die hohe Bewertung dauerhaft zu rechtfertigen.

Tags: Zoom | Aktien: Zoom

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #17: Wir bilden uns weiter.

Die Intuition aus dem "echten" Leben - mehr Zeit zu investieren, viel zu handeln, nur Wachstum zu suchen etc. - führt an der Börse nachweislich zu schlechten Ergebnissen. Die Historie, Finanzwissenschaft und kluge Köpfe halten viel Wissen bereit, das wir suchen und nutzen. Auch neue Technologien und Gedanken nehmen wir auf, statt in alten Denkmustern gefangen zu bleiben. Wir bilden uns nicht ein, dass wir alles wissen, sondern bilden uns weiter.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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