Das Jahr 2022 ist für Anleger eines der schwierigsten. Quasi jedes Depot erlebt Verluste, gerade Aktionäre, die auf hochbewertete Unternehmen gesetzt haben, sind stärker betroffen. Aber selbst die Big Tech Unternehmen zeigten zuletzt Schwächen.
Meine Geldanlage beruht auf langfristig ausgerichteten Grundsätzen. Diese habe ich u.a. im Beitrag "20 Leitplanken einer erfolgreichen Anlagestrategie" und in voller Tiefe in der Academy dargelegt.
Dabei gibt es auch taktische, kurz- und mittelfristige Anpassungen, die eine langfristige Strategie ergänzen können. Ich setze aktuell fünf Dinge um und vermeide bewusst 5 andere Dinge, die viele andere umsetzen. Diese solltest du in keinem Fall blind übernehmen, aber sie können dir als Denkanstoß dienen. Viel Spaß!
Do #1: Mehr investieren
Ich habe mein StrategyInvest Depot Ende 2019 aufgelegt. Ich habe stark im März 2020 investiert, was rückblickend eine gute Idee war. Schrittweise habe ich das Depot weiter aufgebaut, wobei die Investitionen Ende 2021 prozentual deutlich langsamer wurden, was den hohen Bewertungen im Markt geschuldet war. Erstmals habe ich dort auch einzelne Aktien verkauft.
In 2022 habe ich die Investitionen wieder deutlich erhöht. Das klappt natürlich nicht unbegrenzt, aber einerseits lasse ich Sparraten weiter in Investitionen laufen, zum anderen habe ich gehaltenes Cash reduziert.
Nicht weil ich glaube, dass es zwangsweise sofort wieder hochgeht oder Kurse nicht mehr niedriger stehen könnten. Aber ich glaube, dass die heutigen Kurse in spätestens 10 - 15 Jahren wie ein guter bis sehr guter Einstiegszeitpunkt aussehen werden.
Do #2: Schwellenländer-Anteil
Ich reduziere Sparpläne auf alle Schwellenländer-ETFs, vor allem aufgrund ihrer hohen China-Anteiligkeit.
Einzelaktien aus China habe ich nur ein einziges Mal gekauft, führe aktuell keine weiteren durch und plane das nicht. Die Gründe dafür sind die zunehmenden Risiken, die über eine fundamentale Aktienbewertung hinausgehen und das Ergebnis davon abhängig machen, wie sich die politischen Beziehungen des Westens und China verändern.
Ich reduziere damit aber auch nicht schlagartig meinen Schwellenländer-Anteil. Absolut gesehen bleibt er gleich, relativ gesehen wird der Anteil schrittweise etwas kleiner. Ausführlich habe ich das China-Problem bereits diskutiert.
Do #3: Aktien-Beuteschema
Wer mein Depot verfolgt, weiß, dass ich - trotz des Fokus auf Tech-Unternehmen - wenig unprofitable Unternehmen gekauft habe bzw. solche, bei denen die Profitabilität fraglich ist. Auch habe ich selten bis nie Aktien gekauft, als diese zu den teuersten der Börse gehörten.
Entsprechend ändert sich mein Beuteschema nicht stark, sondern baut darauf auf. Aktuell achte ich vermehrt auf Aktien, die:
- Eine langfristige intakte Vision haben, die nicht nur durch den aktuellen Gegenwind infrage zu stellen ist
- Profitabel sind oder es mit hoher Wahrscheinlichkeit werden können
- Ein funktionierendes und verteidigbares Geschäftsmodell haben
- Deutlich günstiger bewertet sind also noch vor 1 - 2 Jahren (was durch verbesserte Fundamentaldaten und gefallene Kurse glücklicherweise oft der Fall ist)
Do #4: Tech-Aktien
Eine Konsequenz aus #3 ist, dass ich Tech-Aktien leicht übergewichte. Das hängt auch mit anderen Faktoren zusammen:
Ich glaube an einen gewissen Fokus. Breite Diversifikation erziele ich durch ETFs, bei Einzelaktien wird es schwer, in jeder Branche gut bis sehr gut Bescheid zu wissen. Entsprechend wähle ich das Segment, das ich am spannendsten finde, ich sowohl aus der Tech-Branche als auch als Investor kenne und großes langfristiges Potenzial birgt: Tech-Aktien.
Dazu kommen auch immer wieder andere Aktien, um kein reines Tech-Depot aufzubauen. Aber gerade dadurch und den Fakt, dass viele Tech-Aktien die Kriterien aus #3 erfüllen, habe ich hier eine bewusste, leichte Übergewichtung. Auch innerhalb dieses Tech-Bereichs versuche ich aber zu streuen (kleine und große Aktien, Software und E-Commerce, teuer und günstig bewertet,...).
Do #5: Smart-Beta-ETFs
Ich habe schon länger in zwei Smart-Beta-ETFs investiert. Hinter dem Momentum-Faktor, wie dem generellen Blick auf Faktorstrategien und Smart-Beta-ETFs, steckt intensive wissenschaftliche Forschung, die sogar über 200 Jahre weit geht.
Ausführlich diskutiere ich Überlegungen dahinter sowie Chancen, Risiken und Umsetzungsmöglichkeiten in der Academy.
Der Momentum-Faktor setzt auf Aktien, die zuletzt die beste Performance hingelegt haben. Deshalb bildet der MSCI World Momentum aktuell verstärkt Branchen ab, die in meinem sonstigen Depot wenig stattfinden: Gesundheits-, Energie-, Konsumgüter- und Finanzwerte. Die Performance lag 2022 allerdings eher auf dem Niveau des normalen MSCI Worlds, da der Momentum im Abschwung noch etwas stärker verloren hat.
Zum anderen der Minimum Volatility ETF. Die Überlegung dahinter: Die Kurse waren die letzten Jahre historisch höher. Bei einem Abschwung halten sich die Aktien tendenziell besser, die auch zuletzt am stabilsten liefen. In diesem Jahr ging die These auf: Der MSCI World Minimum Volatility hat bisher nur 13% verloren, der MSCI World 20%.
Zur Wahrheit gehört aber auch: In 2020 und 2021 ist der normale MSCI World deutlich schneller gestiegen.
Don't #1: Sparpläne stoppen
Sparpläne leben davon, dass sie ungeachtet der Kurshöhe regelmäßig investieren. Sie gerade jetzt auszusetzen, wo die Kurse niedriger stehen als in den letzten Jahren und auch objektiv günstiger bewertet sind, wäre genau die falsche Richtung. Daher: Die Sparpläne laufen, sofern die Sparrate gehalten werden kann, weiter.
Don't #2: Prognosen glauben
Für viele Medien und Influencer ist die Krise gefundenes Fressen. Am Fließband gibt es neue Negativschlagzeilen und Schreckensszenarien, jeder will wissen, wie es weitergeht. Das hilft der Reichweite, aber nur seltenst den Anlegern.
Kursprognosen haben die Trefferwahrscheinlichkeit eines Münzwurfs. Allein die Ereignisse der letzten Jahre - die Pandemie, die Kurserholung direkt nach der Pandemie, den Krieg in Osteuropa, die hohe Inflation - wurden von kaum jemandem richtig vorhergesehen. Auch Crash-Propheten, die seit 15 Jahren das gleiche erzählen und jetzt ihre Prognose bestätigt sehen, obwohl die Gründe völlig andere sind als von ihnen beschrieben, sind nicht glaubhaft.
Ich halte mich daher von Prognosen fern, weder mache ich welche, noch mache ich meine Geldanlage von ihnen abhängig. Sie sind in erster Linie Unterhaltung, kein Wegweiser für die Geldanlage.
Don't #3: Market-Timing
Auch jetzt habe ich daher kein Interesse an Market-Timing. In über 10 Jahren Börsenerfahrung habe ich keinen Timing-Experten gesehen und glaube auch nicht daran, jemanden zu sehen, der zuverlässig den Markt vorhersagt und den damit einhergehenden Aufwand, Kosten und steuerliche Nachteile rechtfertigen würde.
Don't #4: Energie- und Konsumaktien
Energie- und Konsumaktien haben sich am stabilsten gehalten, sind teilweise in diesem Jahr deutlich gestiegen. Ich schichte mein Depot aber nicht auf diese um, denn:
- Das wäre eine kurzfristige Umschichtung, ich investiere aber langfristig.
- Viele der Konsumgüteraktien sind nach meinem Geschmack recht hoch bewertet.
- Anteilig habe ich sie in meinem ETF-Teil abgedeckt, speziell auch durch die beiden beschriebenen Smart-Beta-ETFs.
Don't #5: Europa ausschließen
Europa und Deutschland haben ernsthafte Probleme. Die Energiekosten sind stark gestiegen und werden wohl länger hoch bleiben. Der Euro hat abgewertet. Die USA ist wirtschaftlich deutlich erfolgreicher.
Aber: Entsprechend sind auch die Bewertungen in Europa günstiger. Es gibt immer noch viele Unternehmen, die nur wenig von höheren Energiekosten betroffen sind. Und europäische Aktien reduzieren das Wechselkursrisiko eines Depots, das eintreten würde, wenn der Euro - US-Dollar Wechselkurs wieder zum Niveau von vor einem Jahr zurückkehren würde.
Entsprechend bleibt Europa in meinem Depot.
Fazit
Die langfristigen Grundsätze gelten weiterhin: Diversifizieren, ETFs & Einzelaktien nutzen, im eigenen Kompetenzkreis bleiben und weiter investieren. Mit diesen Anpassungen - und denen, auf die ich verzichte - glaube ich, dass man mit dem eigenen Depot gestärkt aus der Krise hervorgehen kann.
Wie eingangs erwähnt: Nichts davon solltest du blind übernehmen! Ich teile meine Anlageentscheidungen als Denkanstoß und zur Transparenz. Prüfe selbst, was davon zu dir und deiner Anlagestrategie passt.