von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 17. April 2022

Wayfair ist ein führender Händler im Möbel-E-Commerce und damit das, was Jeff Bezos als "hard business" bezeichnen würde. Es ist nicht einfach aufzubauen, dafür umso besser zu verteidigen.

Wayfair ist wohl eines der spannendsten E-Commerce Unternehmen, da es viel mehr ist als nur ein Händler mit einem Online-Shop. Es ist ein Unternehmen, das wesentliche Teile der Wertschöpfung selbst übernimmt, neue Technologie nutzt und damit einen Markt umkrempeln kann.

Drei spannende Punkte zur Aktie, die wir gleich vertiefen werden:

  1. 🛋 Nachzügler: In vielen Kategorien dominiert der Online-Handel. Das Möbelsegment zieht allerdings nach, da es wohl mit sperrigen Produkten, schwierigen Retouren und mangelnder Vorstellungskraft von Kunden eine der schwierigsten Kategorien ist - und Wayfair scheint sie gemeistert zu haben.
  2. 🛡 Burggraben: Wayfair ist womöglich eines der stabilsten E-Commerce Unternehmen, da es nicht nur einen Online-Shop betreibt, sondern ein eigenes Logistik-Netzwerk, eigene Marken, direkte Beziehungen zu Lieferanten und VR- und AR-Lösungen, die wirklich einen Mehrwert bringen können.
  3. 📈 Wachstum (gestoppt?): Wayfair ist enorm gewachsen, vor allem in der Pandemie, zuletzt auf Jahresbasis aber wieder leicht zurückgegangen. Der Wachstumspfad steht daher besonders im Fokus.
  4. 💸 Günstige Bewertung: Wayfairs Börsenwert liegt aktuell unter dem Umsatz, was für die Aktie und den langfristigen Umsatztrend historisch günstig ist.

Finden wir also heraus, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Wayfair Aktie überbewertet? Oder kann man jetzt noch guten Gewissens Wayfair Aktien kaufen? Diesen Fragen versuchen wir uns zu nähern - inklusive Berechnung der Renditeerwartung und Scorecard am Ende.

Diese Analyse beruht u.a. auf folgenden Quellen & Einschätzungen:

  • Aktuellste Finanzkennzahlen bis zum letzten Quartal
  • Geschäftsbericht & Investorenpräsentation
  • Letzte Earnings Calls
  • Einschätzungen von E-Commerce Experten & Investoren (u.a. Jochen Krisch, Alexander Graf & Florian Heinemann)
  • Interviews & Aussagen der Führungsebene (v.a. von CEO & Gründer Shah)

Viel Spaß!

More...

Überblick, Entwicklung & Zahlencheck

Das Unternehmen

Wayfair wurde 2002 in den USA gegründet. Mitgründer und CEO ist bis heute Niraj Shah.

Produkt & Geschäftsmodell

Wayfair ist ein Möbel-Onlinehändler. Nicht nur irgendeiner, sondern wahrscheinlich der größte reine Online-Händler im Möbelbereich der Welt.

Wayfair verkauft also alle möglichen Möbel und Einrichtungsgegenstände online, seit ca. 2019 auch in Deutschland. Zuletzt wurden auch stärker Wohnaccessoires in die Plattform integriert.

Aktienkurs

Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt, hielt aber einiges an Volatilität bereit. Auch erstaunlich: Das Kursniveau liegt trotz des Pandemie-Booms für den E-Commerce heute knapp ein Drittel unter dem von Anfang 2019.

Das Bewertungsniveau ist heute, gemessen am Umsatz, auf dem günstigsten Niveau (Corona-Crash asugenommen).

Zahlencheck & Business Breakdown

Ab in die Zahlen-Corner. Wie sieht das Geschäft zahlenseitig aus?

Ertragsentwicklung & Wachstum

Wayfair weist in der letzten Investorenpräsentation keine jährliche Wachstumsrate aus. Aus guten Gründen: Der Umsatz ist auf Jahresbasis zurückgegangen.

Von 2019 auf 2020 ist der Umsatz um 55% gewachsen. Von 2020 auf 2021 dann um 3% geschrumpft. Das langfristige Wachstum seit 2014 liegt durchschnittlich bei 40% p.a.

Der Wachstumsrückgang in 2021 ist ein mögliches Warnzeichen. Ich glaube aber nicht, dass das ein neuer Trend ist. Es ist die Reaktion darauf, dass viele Käufe 2020 vorgezogen wurden und das Wachstum dadurch vorher enorm hoch war. Der E-Commerce Markt wächst weiterhin und wird auch weiter im Möbelbereich die Anteile von offline Richtung online verschieben.

Was in jedem Fall hilft ist ein 2-Jahres-Vergleich: Von 2019 bis 2021 ist der Umsatz im Durchschnitt um 22,5% pro Jahr gewachsen. Das halte ich aktuell für die repräsentativste Wachstumsrate.

Ebenfalls zu sehen: Der Markenaufbau in Deutschland ist 2019 gestartet.

Unit Economics

Wie sehen Wayfairs Zahlen pro verkaufter Einheit bzw. pro Dollar Umsatz aus?

  • zu 76% kommen Bestellungen von Bestandskunden, also eine hohe Wiederholungskäuferrate, die Marketing-Kosten senkt
  • 29% Bruttomarge, die Wayfair je Produktverkauf im Durchschnitt verdient
  • ~250 Dollar durchschnittlicher Bestellwert, was - wie im Möbelsegment anzunehmen - recht hoch ist

Profitabilität

Die Non-GAAP Bruttomarge liegt bei 29%. Die EBITDA-Marge bei 4,5% (2021). Der operative Cashflow lag bei 410 Mio. Dollar (3% Marge), der Free Cashflow bei 130 Mio. (1% Marge).

Nach operativem Ergebnis und Nettoergebnis ist Wayfair noch mit je -1% leicht in den roten Zahlen.

Das zeigt: Zwar ist noch keine offizielle Profitabilität erreicht - wobei es diese 2020 schon gab -, die meisten anderen Indikatoren zeigen aber schon in Richtung Profitabilität.

Von den 28,5% Bruttomarge gingen 2021 etwa 4% für Kundenservice & Payment, 10% für Marketing und 12% für Operatives, Technologie & allgemeine Ausgaben.

Rule of 40

Die Rule of 40 (Summe aus Free-Cashflow-Marge und Umsatzwachstum) zeigt an, wie kapitaleffizient ein Unternehmen wächst. Alles über 40 gilt als sehr gut.

Nehmen wir bei Wayfair das Umsatzwachstum von 22,5% und die FCF-Marge von 1% landen wir bei 23,5. Das ist eher mittelmäßig, die Rule of 40 ist nicht erfüllt.

Anders gesagt: Bei dem geringen Überschuss würde etwas mehr Wachstum wünschenswert sein.

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet, 'YoY' = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: USA
  • Branche: E-Commerce
  • Marktkapitalisierung: 11 Mrd. USD
  • Umsatz: 14 Mrd. USD
  • Ergebnis: -0,1 Mrd. USD
  • Free Cashflow: 0,1 Mrd. USD

Bewertung

  • KUV: 0,8
  • KGV: -
  • KGVe: -
  • KCV: 27

Qualität & Wachstum

  • Bruttomarge: 28%
  • Nettomarge: -1%
  • Umsatzwachstum: 22,5% p.a. (2019 bis 2021)

Geschäftsmodell, Burggraben & Strategie

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht. Außerdem: Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

Geschäftsmodell

Im Home & Living Markt gilt es mehrere Dinge zu verstehen, die es vom Technik- oder Mode-Markt unterscheidet:

  1. Es geht nicht um spezifische Suchen, sondern optisches Stöbern
  2. Kunden haben eine emotionale Verbindung zu ihrem Zuhause
  3. Der Markt hat kaum bekannte Marken und ist stark fragmentiert
  4. Große und anfällige Produkte brauchen individuelle Lieferung und Kundenservice (wie ein Laptop an der Tür übergeben wird ist egal, aber nicht wie ein Sofa oder ein Küchentisch übergeben wird)

Wayfair arbeitet dafür an Logistik, der Shopping-Erfahrung, Services für Lieferanten und für Kunden. Im Kern steht Technologie.

CEO Shah betont im Shareholder Letter, dass die Wichtigkeit von Technologie fürs Geschäft nicht zu stark betont werden kann:

The impact of technology on our business cannot be overstated. Half of our corporate Opex staff works in our technology organization. This group of over 3,000 engineers, product managers, designers and data scientists build technologies that power every facet of our business. While we use third-party software where it makes sense, we invest into proprietary solutions in areas where we can gain a sizable competitive advantage, whether through differentiation in the consumer or supplier experience, use of advanced data science models, integration with our partners, unlock of meaningful cost reduction, or creation of cutting-edge services and features.

Hard business

Gemäß Jeff Bezos gibt es schwer und einfach aufzubauende Geschäftsmodelle. Je schwerer, desto besser sind sie, wenn sie aufgebaut wurden, gegen Konkurrenten zu verteidigen.

Ich glaube, dass Möbel Onlinehandel ein "hard business" ist, da:

  •  eine eigene Logistik bis in die Wohnung schwer aufzubauen, aber gleichzeitig ein hoher Kundenvorteil ist
  • Retouren nicht einfach oder günstig abzuwickeln sind
  • Technik und Mode auch digital einfach vorstellbar sind, Möbel oft weniger (hier braucht es bspw. gut funktionierende Augmented und Virtual Reality Lösungen)

Auch der CEO schreibt im aktuellsten Shareholder Letter, dass es einfach ist Versprechungen zu machen, es aber schwierig ist diese Millionen Mal im Jahr auch zu erfüllen:

As we often tell our team: it is easy to put up a website that makes promises customers will love; the hard part is making good on those promises consistently, tens of millions of times a year.

Wayfair hat dieses "hard business" bereits im Kern geknackt und kann es dadurch nun umso besser verteidigen. Wer in diesen Markt eintritt, muss viel höhere Hürden bewältigen.

Angebot & Lieferanten

Wayfair arbeitet mit über 23.000 Lieferanten zusammen, von denen keiner über 2% Anteil ausmacht. Das ist erstaunlich am Markt: Er ist groß, hoch fragmentiert und kaum durch große Marken geprägt.

Gleichzeitig ist Wayfair "asset-light" unterwegs: Der Großteil der Ware wird vom Lieferanten direkt per Wayfair zum Kunden geschickt, gar nicht zwischengelagert. Das senkt Kosten und bindet weniger Kapital, mit dem Nachteil, womöglich längere Lieferzeiten zu haben.

Markenaufbau

Wayfair ist selbst auch Marke für Möbel und baut im eigenen Konzern weitere Marken auf. Wayfair erzielt 72% des Umsatzes in den USA über eigene Marken.

Die Chance: Wenn Wayfair nicht nur der Online-Händler ist, sondern auch die Marge des Markenherstellers einstreicht, steigt die Gewinnmarge.

Marktpotenzial

Der Markt ist enorm groß. Allein in Nordamerika und Westeuropa geht Wayfair bis 2030 von einer Marktgröße über 1 Bio. US-Dollar aus. Am Wachstumspotenzial wird Wayfair definitiv nicht scheitern.

Wayfair weist außerdem auf das hin, was ich im Intro betont habe: Im Home-Markt liegt der Online-Anteil der Umsätze bei 20%, in anderen Kategorien (bspw. Mode oder Technik) liegt der Online-Anteil schon bei über 50%. Allein dadurch besteht noch großes Potenzial.

Konkurrenz & Wayfairs Position

Zum einen gibt es andere Online-Händler. Dazu zählen auch deutsche Unternehmen wie home24 oder Westwing. Auch Online-Händler wie Amazon oder Otto mischen hier mit.

Bei den US-Zahlen lag Wayfair 2019 mit einem Marktanteil von 33% vorne, Amazon knapp dahinter auf Platz 2. Der ehemalige stellvertretende Deutschlandchef von Amazon ist übrigens mittlerweile Europachef von Wayfair.

Auch E-Commerce Experte Jochen Krisch hat Wayfair in seinen Fonds GLORE50 aufgenommen, der als Ziel ausgerufen hat in die besten E-Commerce Unternehmen zu investieren.

Auf der anderen Seite gibt es Online- und Offline-Händler, die - rein zahlenmäßig - heute den Großteil des Marktes ausmachen. Dazu gehören Milliardenunternehmen wie IKEA oder XXXLutz mit einem wachsenden Firmenkonglomerat. Daneben gibt es noch viele weitere Möbelanbieter, die global variieren.

Strategie & Chancen

Der Markt hat Herausforderungen, die Wayfair auf unterschiedliche Arten lösen will.

AR, VR & Metaverse

Je besser es möglich ist, Möbel im eigenen zuhause erlebbar zu machen, desto stärker beflügelt das Online-Händler wie Wayfair. Nicht nur das: Es könnte das Einkaufserlebnis sogar deutlich besser machen als in einer Filiale, die nicht die eigene Wohnung darstellt.

Damit könnte das Metaverse und die dahinterstehenden Technologien für Möbel-Onlinehändler einer der wichtigsten Anwendungsfälle werden.

Kunden könnten zuhause sitzen und sich bestmöglich vorstellen, wie das eigene Sofa aussehen würde. Oder ob ein anderer Küchentisch schicker wäre. Unter dem Punkt "Dynamic Shopping Experience" möchte Wayfair genau hierfür immer bessere Lösungen entwickeln.

Dazu gehören auch personalisierte Erfahrungen anhand der Bestellhistorie. Diese könnte erkennbar machen, welchen Einrichtungsstil der Kunde bevorzugt.

Value-Added Services

Für Lieferanten bietet Wayfair zusätzliche Services an. Die Logistik beginnt beim Zulieferer und liefert bis zum Kunden, alles gesteuert von Wayfair. Dazu bietet Wayfair Technologie an, bspw. Werbemöglichkeiten (das kennen wir auch von Amazon) und Bilderstellung der Möbel in einem realistischen Umfeld.

Logistik

Die Logistik dient nicht nur den Lieferanten, sondern auch den Kunden von Wayfair (und damit auch Wayfair selbst). Durch das Logistik-Netzwerk kann Wayfair schneller liefern, Schäden reduzieren und Kosten einsparen.

Meine Bewertung des Geschäftsmodells

Ein stärkeres Geschäftsmodell ermöglicht Wachstum, einen Burggraben und damit Differenzierbarkeit von der Konkurrenz, höhere Gewinnmargen und Preismacht.

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt's hier und hier.

Geschäftsmodell-Bewertung

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

Gibt es nicht. Kunden können jederzeit woanders kaufen.


Netzwerkeffekte

Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?

Gibt es kaum, am ehesten durch Produkt-Reviews.


Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger? Wachsen Umsätze stärker als Kosten?

Sind hier besonders stark. Nur mit Größe kann ein Logistiknetzwerk, VR-Software, Empfehlungen, eigene Marken und mehr angeboten werden.


Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

Einerseits ist Wayfair in Online-Technologien sehr gut aufgestellt, gerade mit VR-Software. Auch die Offline-Technologie (Logistik-Netzwerk) ist keine Neuerfindung, aber relativ einzigartig im Markt und nicht einfach nachzubauen.


Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

Wayfair ist selbst eine starke Marke und bündelt wiederum viele Eigenmarken. In meinen Augen ist das allein aber nicht der größte Differenzierungsfaktor.


Geschäftsmodell-Bewertung: 15 / 25

SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken

Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Fassen wir die Stärken zusammen, die wir im Geschäftsmodell identifizieren konnten.

  • Hard business: Gemäß Jeff Bezos gibt es schwer und einfach aufzubauende Geschäftsmodelle. Je schwerer, desto besser sind sie, wenn sie aufgebaut wurden, gegen Konkurrenten zu verteidigen. Für mich ist Möbel E-Commerce ein "hard business", das Wayfair bereits im Kern geknackt hat und dadurch umso besser verteidigen kann.
  • Vertikale Integration: Wayfair ist viel mehr als nur ein Online-Händler. Es muss Technologie entwickeln, um den Möbelmarkt nach vorne zu bringen. Es bietet eine eigene Logistik. Es baut eigene Marken auf. Es ist ein Geschäft, das viele Teile der Wertschöpfungskette selbst übernimmt, was - wenn es gelingt - ein enorm starker Burggraben ist.
  • Langfristig denkender CEO in Form des Gründers, der noch heute an Bord ist
  • Skaleneffekte (v.a. Logistik) und eigene Technologie können einen Burggraben schaffen, den so im E-Commerce nur wenige Unternehmen haben

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Fassen wir die Schwachstellen des Unternehmens zusammen.

  • Rule of 40 nicht erfüllt: Das durchschnittliche Wachstum über die letzten 2 Jahre von 22,5% und der aktuell nur geringfügige Cashflow-Überschuss ergeben nur eine mittelmäßige Rule of 40. Heißt: Das Verhältnis von Wachstum und Profitabilität könnte besser sein.
  • Zuletzt Wachstumsrückgang. Diesen halte ich nicht für wegweisend, ist aber ein Risiko, da er zukünftiges Wachstum schwerer abschätzbar macht.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

  • Großer Markt: Der Markt ist riesig und stark fragmentiert. Es ist daher genug Raum, um diesen Markt aufzumischen und mit einem besseren Angebot Marktanteile zu gewinnen.
  • Online-Shift: Je mehr Umsätze in Richtung online wechseln, desto mehr Rückenwind für Wayfair. Da nahezu alle Verbesserungen der Zukunft eher das Online- und Bestellerlebnis verbessern werden und Online-Anteile in den neuen Generationen schon viel präsenter sind, bin ich optimistisch, dass der E-Commerce Anteil steigt.
  • VR, AR & Metaverse: Je besser es möglich ist, Möbel im eigenen zuhause erlebbar zu machen, desto stärker beflügelt das Online-Händler. Nicht nur das: Es könnte das Einkaufserlebnis sogar deutlich besser machen als in einer Filiale, die nicht die eigene Wohnung darstellt.

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Hier geht's nun viel mehr darum: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

  • Home & Living Markt bleibt offline: Ein großer Teil der Wachstumsthese besteht daraus, dass sich Umsatzanteile weiter in die digitale Welt verschieben. Sollte das nicht passieren, wird auch Wayfairs Wachstum bedeutend verlangsamt.
  • Online-Konkurrenz: Die genannten Konkurrenten haben ebenfalls Visionen und Marktanteile, konzentrieren sich teilweise auf Nischen (bspw. Premium-Segment) und gewinnen dadurch in diesen.
  • Konkurrenz der Möbelriesen: Große Unternehmen wie IKEA, XXXLutz oder andere haben wenig Lust ihr Offline-Geschäft kaputt zu machen, investieren aber auch in Online-Aktivitäten.
  • E-Commerce Gegenwind: Zuletzt haben E-Commerce Aktien an der Börse verloren. Vor allem deshalb, weil Inflation und Lieferengpässe gerade diesen zu schaffen macht, Kosten und Lieferzeiten erhöht. Je länger das anhält, desto stärker ist die Handbremse angezogen.

Aktienbewertung & Investment-These

Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Finanzielle Ziele

Wayfair liefert viel Transparenz und misst sich selbst an den beim IPO gesteckten Erwartungen. Die meisten Ziele werden nach wie vor angepeilt, bei der Bruttomarge und der langfristigen EBITDA-Marge ist Wayfair mittlerweile sogar optimistischer.

Recht versteckt gibt Wayfair den Ausblick, dass sich der Umsatz im Laufe des Jahrzehnts um den Faktor 8 vervielfachen könnte. Dazu schreiben sie in einer kleinen Fußnote:

8x+ potential net revenue opportunity assumes e-commerce for the Home category grows annually at 15% and Wayfair captures 25% incremental share - lower share capture required with omnichannel strategy.

Hinter der Prognose stecken also 15% Wachstum für den Online-Möbelhandel, von dem Wayfair zusätzliche 25% Marktanteil abgreift.

Auch im Shareholder Letter betont der CEO das Ziel mind. 100 Mrd. Dollar Umsatz erzielen zu wollen (was 28% p.a. entspricht, wenn das bis 2030 erreicht werden soll):

We have line of sight today on an ambitious but measured plan to reach a double-digit market share and grow to be a $100 billion+ revenue company. In other words, we see a clear path of building on our strong foundation to drive consistent and profitable scale while widening our moat.

Renditeerwartung & fairer Wert

Berechnen wir nun die zu erwartende Rendite. Kann ich diese hellsehen? Nein (alle Versuche sind bisher zumindest gescheitert). Ich kann aber das Chance-Risiko-Verhältnis auf Basis der Analyse abschätzen und in Zahlen gießen, die sich gut interpretieren lassen.

Dafür kalkuliere ich drei Szenarien: Ein pessimistisches, ein optimistisches und das Szenario, das ich im Mittel erwarte. Ausreißer nach unten und oben sind naturgemäß auch immer möglich.

worst case

pessimistisch

erwartet

optimistisch

best case

Für die Ermittlung des fairen Werts (alle Erläuterungen dazu über diesen Link) habe ich im mittleren Szenario folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

Umsatzwachstum

Das Umsatzwachstum nähert sich in der Berechnung vom kurzfristigen schrittweise an das langfristige Wachstum über 10 Jahre an.

Wayfairs Umsatzwachstum besteht im Wesentlichen aus (a) allgemeinem Marktwachstum, (b) Wachstum Online-Anteil am Umsatz, (c) Wachstum Wayfairs Anteil am Online-Umsatz. Meiner Einschätzung nach wird (b) ein guter Rückenwind und neben (c) der größte Hebel.

  • Umsatzwachstum zuletzt: 22,5% im 2-Jahres-Durchschnitt
  • Wayfairs Prognose: Nicht genau beziffert, aber ~15% langfristiges Marktwachstum, tendenziell mehr durch eigenen Gewinn an Marktanteil
  • Analystenerwartung: 2% (2022) und 17% (2023)
  • Meine kurzfristige Annahme: 10% p.a. Kurzfristig sehen wir zwei gegenläufige Trends: Steigende E-Commerce Penetration und Marktanteile für Wayfair, aber weniger Gesamtnachfrage nach Möbeln, da diese während globaler Lockdowns sehr hoch war. Auch E-Commerce hat durch Inflation und Logistikengpässe kurzfristigen Gegenwind.
  • Meine langfristige Annahme: 8% p.a. Langfristig sehe ich noch viel Spielraum, da die Technologie sich hier noch entwickeln kann und immer mehr junge Menschen aufwachsen, für die Möbel online bestellen viel normaler ist als für ältere Generationen.

Mit diesen Annahmen landet Wayfair bis 2032 bei 33 Mrd. USD, also noch deutlich weniger als das ausgerufene Ziel von 100 Mrd.

Nettomarge

Die EBITDA-Marge soll langfristig bei 8 - 10% liegen, das Ziel wird eher nach oben angepasst. Es ist eine E-Commerce übliche Marge (bspw. Zalando liegt aktuell bei 7%). 2021 lag die EBITDA-Marge bei 4,5%, daher sieht das Ziel langfristig realistisch aus. Basierend auf der EBITDA-Marge nehme ich 5% Nettomarge an, was eher eine dünne Marge ist.

Bewertungsniveau

Ich gehe davon aus, dass die Aktie - basierend auf den anderen Annahmen - noch mit einem leicht überdurchschnittlichen KGV von 16 bewertet sein wird. Aufgrund der dünnen Marge, des zurückgehenden Wachstums (meine Annahme) und des guten, aber nicht überragenden Geschäftsmodells, würde ich langfristig keine Premium-Bewertung einkalkulieren.

Meine Renditeerwartung

Renditerechner-Tool

Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: W.

Status Quo » Die Zahlen heute

Möglichst der letzten 12 Monate, also TTM (Trailing Twelve Months), um die aktuellsten Daten zu nutzen.
Anteil am Gewinn, der als Dividende ausgeschüttet, per Aktienrückkauf oder per Schuldentilgung an Aktionäre zurückgeführt wird. Bei Wachstumsunternehmen oft 0%.

Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung

Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.

↘︎
↗︎
Wachstum
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
Wachstum
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
Nettomarge
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
Nettomarge
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
KGV
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Umsatz
Marktkapitalisierung
Wertsteigerung
Shareholder Yield
Gesamtrendite
Fairer Aktienkurs
Margin of Safety

Keine Garantie für die Zukunft.

Fortgeschrittene Optionen einblenden +

Die Scorecard

StrategyInvest Scorecard

Je Kategorie bis zu 25 Punkte. Insgesamt 20+ Kriterien.

12
Qualität

Profitabilität, Bilanz & Risiken

15
Geschäftsmodell

Burggraben, Alleinstellung & Preismacht

16
Wachstum

Umsatz, Gewinne & Rule of 40

9
Bewertung

KUV, KGV & weitere

52

Gesamtscore

Gut 🙂

Pro, Contra & Fazit: Aktie jetzt kaufen?

Pro

  • Transparenz: Wayfair legt versprochene und eingetretene Zahlen transparent dar
  • Vergleichsweise günstig bewertet, vor allem gemessen am Umsatz
  • Stark integriertes Geschäftsmodell, das Wayfair zu mehr macht als nur einem Online-Händler
  • Absehbare Profitabilität senkt Risiken

Contra

  • Auf Jahresebene leicht rückläufiger Umsatz
  • Mittelmäßige Kapitaleffizienz, also Verhältnis von Wachstum zu Überschüssen
  • Kurzfristiger E-Commerce Gegenwind durch Inflation & Lieferengpässe

Mein Fazit

Bei der Analyse von Wayfair wurde ich positiv überrascht. Es ist nicht einfach nur ein Online-Händler mit einem Online-Shop, sondern einer, der unterschiedliche Teile der Wertschöpfungskette selbst übernimmt und ineinander integriert. Wayfair ist aktuell das einzige Unternehmen, dass die Größe und den Ehrgeiz dazu hat, dies so umzusetzen.

Der Markt ist nicht einfach. Gerade das macht ihn aber umso besser zu verteidigen, wenn Wayfair ihn global knackt.

Auch die Bewertung ist aktuell ziemlich günstig, dafür dass Wayfair ein wachsenden Marktführer ist. Die Renditeerwartung sieht positiv aus, obwohl die Kalkulation deutlich vorsichtigere Werte annimmt als die, die Wayfair selbst anpeilt.

Es bleibt auch etwas Risiko: Die Wachstumszahlen der Zukunft und auch die Profitabilität sind ungewiss, gerade wegen des E-Commerce Gegenwinds. Auch, ob der Home & Living Markt sich zukünftig so schnell in Richtung E-Commerce entwickelt wie erhofft.

Unterm Strich sieht das Chance-Risiko-Verhältnis für mich aber recht positiv aus. Im Mittel würde ich eine leicht über dem Marktdurchschnitt liegende Rendite erwarten und selbst bei sehr vorsichtigen Zahlen gibt's immer noch eine kleine Wertsteigerung, was das Risiko deutlich limitiert.

Tags: Wayfair | Aktien: Wayfair

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

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