von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 12. Dezember 2021

Vimeo möchte ein bisher nicht besetztes Segment im B2B-Bereich einnehmen: Eine Plattform für Video-Marketing und Kommunikation.

Ich selbst nutze Vimeo seit 7 Jahren als Kunde. Entsprechend kenne ich nicht nur die Kundensicht, sondern möchte hier auch die Anlegersicht einnehmen.

Vimeo ist heute mit 3 Mrd. USD vergleichsweise klein. Der Börsengang erfolgte vor weniger als einem Jahr. In der damaligen Kurzanalyse habe ich festgestellt:

Ich finde das Geschäftsmodell, die Entwicklung der Erträge und den Strategiewechsel stark. Die Bewertung scheint mir aktuell aber ebenfalls sehr hoch.

Seitdem ist die Aktie allerdings um fast 70% gefallen, der Umsatz um 20 bis 30% gestiegen. Bietet sich hier also jetzt eine spannende Einstiegsmöglichkeit?

Ich sehe drei Gründe, warum die Aktie aktuell spannend ist:

  1. 📊 Vergleichsweise günstig: Vimeo ist mit etwa 3 Mrd. USD eher eine kleinere Aktie, dazu auch mit einem KUV von unter 9 für Software-Unternehmen im Verhältnis zum Umsatz recht günstig bewertet.
  2. 📈 Markt mit unerkanntem Wachstumspotenzial: Der Video-Markt wächst und wird auf 70 Mrd. US-Dollar beziffert. Aber es gibt einige Hebel, die gerade umgelegt werden, die das Wachstum beschleunigen können.
  3. 📹 Spannendes Geschäftsmodell: Über 80% wiederkehrende Umsätze und 75% Bruttomarge versprechen ein schlankes, margenstarkes und planbares SaaS-Geschäftsmodell.

Mehr als genug Gründe also, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Vimeo Aktie überbewertet? Oder sollte man jetzt Vimeo Aktien kaufen? Diesen Fragen versuchen wir uns zu nähern.

Dabei erfährst du, wie das Geschäftsmodell funktioniert und wie gut es ist, woraus der Burggraben besteht, wie die aktuelle Strategie aussieht, wie die Chancen von dieser sind, gegen wen sich das Unternehmen behaupten muss und ob die Aktie heute attraktiv bewertet ist oder nicht. Viel Spaß!

Überblick: Das steckt hinter Vimeo

Das Unternehmen

Vimeo wurde 2004 in den USA gegründet. CEO ist seit 2017 Anjali Sud.

Produkt & Geschäftsmodell

Vimeo nennt sich heute „Die weltweit einzige Komplettlösung für Videos“. Dabei hat sich das Geschäftsmodell seit der Gründung gewandelt.

Damals war YouTube noch nicht der Platzhirsch wie heute, was Videos in einem sozialen Netzwerk betrifft. Vimeo war neben YouTube eher die Premium-Plattform, auf der Videos mit besonders hoher Qualität hochgeladen wurden. Soziale Interaktion rückten immer stärker in den Hintergrund.

Ich bin auch Kunde geworden. Alle Videos im Mitgliederbereich oder bei der Academy sind auf Vimeo gehostet. Warum? Bessere Trennung von internen (Vimeo) und externen (YouTube) Videos und Funktionen. Hochwertigere Aufmachung. Mehr Konfigurations- und Sortiermöglichkeiten im Hintergrund. Nachteil: Vimeo kostet Geld.

Erst lag der Fokus auf einem sozialen Video-Netzwerk (quasi YouTube), dann auf Künstlern, mittlerweile auf Unternehmen. Auf der Startseite schreibt Vimeo heute:

Unkomplizierte Tools, mit denen Fachleute, Teams und Unternehmen hochwertige Videos erstellen, verwalten und teilen können.

Welche Features bietet Vimeo konkret?

  • Videos hochladen und erstellen
  • Videoplayer individuell anpassen, Logos einfügen etc.
  • Kollaborationstools wie Freigaben einholen, Feedback geben
  • Bildschirm- und Webcamaufnahmen
  • Live-Events, Live-Streams und Webinare
  • Handlungsaufforderungen („Jetzt herunterladen“), Kapital einfügen, Zoom-Aufzeichnung automatisch hochladen
  • Analytics-Bereich

Diese Features zeigen, dass Vimeo nicht mehr mit YouTube vergleichbar ist. Beide bieten Video-Uploads, haben mittlerweile aber einen ganz unterschiedlichen Fokus gesetzt.

Aktienkurs

Der Aktienkurs ist nach Börsengang kurz gestiegen, dann aber um fast 70% gefallen.

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz ‚e‘ = erwartet, ‚YoY‘ = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: USA
  • Branche: B2B-Videosoftware
  • Marktkapitalisierung: 3 Mrd. USD
  • Umsatz: 0,4 Mrd. USD
  • Ergebnis: -0,03 Mrd. USD
  • Free Cashflow: 0,02 Mrd. USD

Bewertung

  • KUV: 8
  • KGV: –
  • KGVe: 120
  • KCV: 130

Qualität & Wachstum

  • Bruttomarge: 75%
  • Adj. EBITDA-Marge: 2%
  • Umsatzwachstum: 33% p.a. (letztes Quartal)

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Unternehmensentwicklung

Im letzten Quartal ist Vimeo um 33% im Umsatz gegenüber dem Vorjahr gewachsen.

Vimeo hat sich vorbildlich zu mehr Anlegertransparenz verpflichtet und veröffentlicht nicht nur quartalsweise, sondern sogar monatlich einige Zahlen. Sie schreiben dazu:

Our monthly metrics are provided below as part of our continued commitment to investor transparency. We think of our market in decades not years, and will continue to prioritize long term value creation over short term results.

Alle Metriken nehmen aktuell ab. Der Umsatz lag zuletzt 28% über dem Vorjahr, jeweils etwa zur Hälfte durch neue Nutzer und durch mehr Umsatz pro Nutzer.

Dabei werden gut die Trends bei Umsatz, Nutzerzahlen und Umsatz pro Nutzer klar.

Die prozentualen Gewinnmargen sind auf einem weitestgehend konstanten, leicht positiven Trend. Die Bruttomarge lag zuletzt bei 75%., das Adjusted EBITDA noch leicht positiv (wenn auch unter Vorjahr).

Die Rule of 40 (Summe aus EBITDA-Marge und Umsatzwachstum) zeigt an, wie kapitaleffizient ein Unternehmen wächst. Alles über 40 gilt als sehr gut. Vimeo liegt hier knapp unter 40, basierend auf etwa 33% Umsatzwachstum und etwa 3% EBITDA-Marge.

Tieferer Blick in die Geschäftszahlen

Was sind North-Star-Metriken für Vimeo?

  • Hochgeladene Stunden an Videomaterial
  • Aktivität (bspw. monatliche Uploads) pro Nutzer/Unternehmen

Leider gibt es dazu keine konkreten Anhaltspunkte im letzten Quartalsbericht, aber zumindest gab es einen Einblick dazu auf dem Investors Day im März.

Die Zahlen sehen sehr überzeugend aus. Die Zahl der hochgeladenen Videos hat sich von Q1 ’19 auf Q4 ’20 fast verdoppelt. Neuere Features wie Livestreams und Videoerstellung sind prozentual noch stärker gewachsen.

Vimeo hat die Ausgaben für Forschung & Entwicklung nicht nur prozentual auf 23% gesteigert, sondern auch deutlich in absoluten Zahlen, da der Umsatz mit gestiegen ist.

Spannend ist Vimeos Kundengewinnungsstrategie und die Kennzahlen dahinter.

Vimeo versucht zuerst kleine und mittelgroße Unternehmen zu erreichen. Der Weg dahin führt in den meisten Fällen (60 – 65%) über die kostenfreie Variante. Wer Geld ausgeben möchte, landet in der „Self-Serve Subscriber“ Ebene. Die großen Kunden, „Enterprise Customer“, bekommen dann extra Features und Support.

Für beide Segmente zeigt Vimeo bis Q4 2020, wie der Wert der Segmente im Vergleich zu den Akquisitionskosten da steht.

  • LTV = Lifetime Value (Überschuss eines Kunden über seine Lebensdauer)
  • CAC = Customer Aquisition Costs (Kosten um einen Kunden durch Sales & Marketing zu akquirieren)

Je höher das Verhältnis von LTV zu CAC, desto besser. Gerade in der Coronapandemie ist es stark gestiegen. Vorher lag es etwa bei 2, danach bei 5. Vermutlich ist es seitdem wieder deutlicher zurückgegangen. Daher würde ich die aktuell hohen Werte mit Vorsicht genießen.

Weitere Fakten mit Stand März 2021:

  • Die Marktgröße wird auf 70 Mrd. Dollar beziffert.
  • Die Net Revenue Retention liegt bei 113%, Bestandskundenbeziehungen werden also ausgebaut.
  • Über 80% des Umsatzes wird über Abo-Modelle erzielt.

Bewertung des Geschäftsmodells

Vimeo selbst nennt unterschiedliche Faktoren, mit denen es sich vom Wettbewerb differenzieren möchte.

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt’s hier und hier.

Geschäftsmodell-Bewertung

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

Vimeo erzielt größtenteils wiederkehrende Umsätze. Der Lock-In ist da, da Unternehmen es möglichst vermeiden, alle Videos umzuziehen – unmöglich ist das aber auch nicht.

Netzwerkeffekte

Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?

Die sehe ich eher schwach. Innerhalb eines Unternehmens gibt es sie definitiv, wenn also das erste Team Vimeo nutzt, folgt das zweite schnell. Ob aber andere Unternehmen auch Vimeo nutzen ist quasi egal.

Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger?

Die Kosten sollten langsamer steigen als der Umsatz. Je mehr Kunden, desto stärker verteilen sich die Entwicklungskosten.

Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

Vimeo hat eine eigene Plattform mit eigens entwickelten Tools und Funktionen. Technologie, speziell Video-Software, steht hier also im Zentrum und ist das zentrale Differenzierungsmerkmal zur Konkurrenz.

Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

Vimeo ist als Premium-Alternative zu YouTube gestartet und hat dieses Branding noch heute. Das ist positiv. Was ich eher negativ finde: Durch die Schwenke im Geschäftsmodell kennen viele Vimeo, wissen aber vermutlich nicht genau, was Vimeo heute tatsächlich macht.

Geschäftsmodell-Bewertung: 18 / 25

Zukunft: Burggraben, Strategie & Wachstumsperspektiven

Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir in die Zukunft. Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

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Tags: B2B, Business-Software | Aktien: Vimeo

Die Inhalte stellen keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden. Vor jeder Investition solltest du selbst Chancen und Risiken prüfen.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #9: Wir schätzen Tiefe.

Wir brauchen nicht noch mehr News, Kursticker, Alertings oder Geheimtipps. Das brauchen nur Medien. Wir brauchen mehr durchdachte Informationen, fundiertes Know-how und klare Gedanken. Mehr Tiefe, weniger ablenkendes Börsengeschrei.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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