Vor einigen Wochen habe ich mir das Geschäftsmodell von Uber bereits angeschaut und dir die Analyse vorgestellt. Seitdem hat mich das Unternehmen nicht losgelassen und im Quartalsbericht Q2 2020 interessante Einblicke offenbart. Deshalb folgt heute die Aktienanalyse - mit einer für mich überraschenden Erkenntnis.
Uber hat das Taxigeschäft revolutioniert: Es ist heute der größte Vermittler von Fahrten und damit eines der zentralen Unternehmen der neuen Mobilität.
Trotz des großen Einflusses von Uber hat das Unternehmen einen schwierigen Stand: Die Taxibranche beschwert sich weltweit, Gesetze und Regulierungen bremsen neue Mobilitätslösungen aus (auch in Deutschland), das Unternehmen verliert viel Geld und der Aktienkurs liegt heute ca. 30 % unter Ausgabepreis im Mai 2019.
Grund genug, dass wir uns die Uber Aktie (anknüpfend an diesen Business Breakdown) genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Unter anderem erfährst du in dieser Analyse:
- Wie gut steht das Unternehmen wirtschaftlich aktuell da?
- Wie funktioniert das Geschäftsmodell und was macht es so stark?
- Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken gegenübergestellt
- Abschließende Bewertung inkl. Scorecard: Ist die Aktie aktuell kaufenswert?
Tipp: Am Ende gibt's die neue Bewertung in der StrategyInvest Scorecard.
More...
1. Aktienanalyse: Was macht das Unternehmen überhaupt?
Überblick
Verschaffen wir uns zuerst einen Überblick über das Unternehmen.
Hard Facts
Uber wurde 2009 in den USA, im Silicon Valley, gegründet. Uber ist ein Online-Vermittlungsdienst in der Personenbeförderung. Das geschieht in unterschiedlichen Modellen, die wir uns gleich genauer anschauen.
Geschäftsmodell
Der bekannteste Teil des Konzepts: Fahrer buchen ihr Uber online per App und zahlen auch darüber. Die Fahrer sind nicht unbedingt ausgebildete Fahrer in Taxis, sondern können auch Privatpersonen in deren privaten Autos sein. Das variiert nochmal nach den Gesetzen eines Landes, weshalb Uber in Deutschland nur Fahrten an lizenzierte Mietwagenunternehmen mit professionellen Fahrern vermitteln darf.
Uber verdient eine Provision an diesen Fahrten, die variiert, aber in der Regel bei über 25 % des Fahrpreises liegt.
Mittlerweile bietet Uber auch Essensauslieferung unter dem Namen "UberEats" an.
Welche Vorteile bietet Uber den Kunden?
- Geringere Wartezeit
- Geringere Kosten
- Höhere Transparenz zu Preisen und Zeiten
- Einfache Zahlungsabwicklung
- Vertrauen durch Bewertungen und geprüfte Fahrer
Welche Vorteile bietet Uber den Fahrern?
- Zusätzliche Einkommensquelle
- Einfache Zahlungsabwicklung
- Dynamische Preisgestaltung durch Technologie
- Höhere Auslastung
- Effiziente Fahrwegplanung
2. Fakten und Kennzahlen zur Aktie
Factsheet
Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt:
Das Factsheet zur Aktie:
Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet.
Die Eckdaten
- Marktkapitalisierung: 53 Mrd. USD
- Außenumsatz (Buchungsvolumen): 65 Mrd. USD
- Umsatz: 13,7 Mrd. USD
- Gewinn: -7 Mrd. USD
- operativer Gewinn: -5 Mrd. USD
- Free Cashflow: -4,9 Mrd. USD
- Land: USA
Bewertung
- KUV: 3,8
- KGV: 2.600
- KGVe: -
- KCV: -
- PEG-Ratio: -
Qualität & Wachstum
- Verschuldungsgrad: 90 %
- Bruttomarge: 50 %
- Nettomarge: -51 %
- Umsatzwachstum (letzte 3 Jahre): 54 % p.a.
- Gewinnwachstum (letzte 3 Jahre): -
Mir fallen vor allem zwei Dinge auf:
- Uber wächst enorm stark - im Umsatz so stark wie Tesla - und ist dafür "nur" mit dem 3,8-fachen der Umsätze bewertet. Speziell die Bewertungskennzahlen schauen wir uns in Zukunft in der Aktienanalyse noch genauer an.
- Uber verliert enorm viel Geld. Auf ca. 14 Mrd. USD an Umsatz kommen ca. 24 Mrd. USD an Kosten. Auch der Free Cash Flow ist deutlich negativ.
3. Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert
Business Breakdown
Schauen wir einmal auf die historische Entwicklung der Ertragsseite von Uber.
Hinter diesen Zahlen verbergen sich mehrere Segmente. Es ist recht spannend, sich diese nochmal genauer anzuschauen, da wir dadurch auch einen oft verbreiteten Irrtum entdecken. Uber weist insgesamt fünf Segmente im Geschäftsbericht aus:
- Ride: Das Hauptsegment, die Vermittlung von Fahrten. Im neuesten Quartalsbericht auch "Mobility" genannt.
- Eats: Der Essenslieferdienst. Im neuesten Quartalsbericht auch "Delivery" genannt.
- Freight: Die Logistiklösung von Uber.
- Other Bets: Das Investment-Segment. Beispielsweise Investitionen in eine E-Bike oder E-Scooter Plattform fällt hier rein.
- ATG and Other Technology Programs: Die Entwicklung von Technologie, vor allem um autonomes Fahren und andere Ridesharing-Technologien kommerziell anbieten zu können.
Schauen wir auf die Zahlen, die dahinter stehen.
Das Ride-Segment ist mit Abstand das umsatzstärkste. Interessant wird es jetzt, wenn wir jetzt noch auf das EBITDA, also die operativen Gewinne ohne Abschreibungen, nach Segment schauen:
Wir sehen: Das Hauptsegment, das Fahrgeschäft (Ride), ist bereits profitabel. Er wächst zudem umsatzseitig mit ca. 25 % pro Jahr, gewinnseitig wurde der Gewinn ver-5-facht, über die letzten beiden Jahre.
Die Erträge aus diesem Segment finanzieren aktuell die anderen Segmente: Vor allem die Forschung und Technologie-Entwicklung, aber auch Uber Eats.
Das heißt aber auch: Sollte Uber die Forschung einstellen, die aktuell keine signifikanten Umsätze einbringt, und das Eats-Segment einstellen oder an Konkurrenten verkaufen, wäre es vermutlich ein profitables, stark wachsendes Unternehmen, auf einem dann etwas niedrigeren Umsatzniveau.
Mechanismen des Geschäftsmodells
Es gibt drei besondere Elemente des Geschäftsmodells, die ich einmal hervorheben möchte.
#1 - Plattform
Uber ist ein Vermittler von Fahrten und damit eine Plattform. Es besitzt im Kern keine eigenen Autos (auch wenn das heute teilweise der Fall ist), sondern verdient an der Provision.
Nach der Aggregation Theory ist Uber ein Stufe 2 Aggregator: Angebot und Nachfrage können zwar deutlich stärker steigen als die Kosten, die Uber entstehen, allerdings muss Uber neue Fahrer und Autos prüfen, weshalb bei größerem Angebot auch in kleinerem Umfang zusätzliche Kosten entstehen (anders als bei Google und Facebook, die ihr Angebot nahezu unbegrenzt hochskalieren konnten).
#2 - Zweiseitige Netzwerkeffekte
Das Geschäftsmodell funktioniert vor allem bei einer großen Skalierung, da dann sowohl bei der Nachfrage, als auch im Angebot, Netzwerkeffekte eintreten, die dem Geschäftsmodell einen Burggraben verschaffen. Ohne Angebot gibt es keine Nachfrage und umgekehrt. Auf dieser Grafik habe ich den positiven Kreislauf der zweiseitigen Netzwerkeffekte visualisiert:
Je mehr Nachfrage, desto mehr Fahrer sind auf der Plattform. Dadurch steigt die Abdeckung, was (a) zu einer schnelleren Verfügbarkeit der Fahrer und (b) zu geringeren Standzeiten der Fahrer führt, was die Kosten und damit die Preise senkt. Beides führt wiederum zu einer höheren Nachfrage und befeuert diesen positiven Kreislauf.
Diese Netzwerkeffekte für das Uber Eats Segment hat Uber selbst in der neuesten Präsentation für Investoren visualisiert:
#3 - Disruption und Widerstände
Uber ist dadurch disruptiv, dass es die fragmentierte und veraltete Taxibranche auf den Kopf stellt und viele Vorteile in diesen Markt bringt. Es nimmt der Taxibranche aber auch den direkten Kundenzugang.
Diese Disruption stößt naturgemäß auf Widerstände, da sie fast immer auch Verlierer erzeigt. Vor allem die Taxibranche fürchtet den Verlust des Kundenzugangs und der Nachfrage.
Auch die Gesetzeshüter sind allerdings gefragt: Welche Gesetze gelten für Uber? Sind die Gesetze überhaupt noch zeitgemäß?
So gibt es bspw. in Deutschland die umstrittene Rückkehrpflicht, bei der Autos nach jeder Fahrt auf den Betriebssitz zurückkehren müssen. Laut Uber Deutschlandchef ist das ein Relikt vom Anfang des 20. Jahrhunderts, das eingeführt wurde, damit Menschen einen zentralen Ort haben um ein Taxi zu bekommen. Zeitgemäß ist das natürlich nicht.
4. Strategie & Ausblick: Das sind die Wachstumspläne
Strategie
Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir, welche strategischen Pläne aktuell vom Management geschmiedet werden. Schließlich beteiligst du dich an dem Unternehmen der Zukunft, nicht der Vergangenheit.
Offensichtlich ist die größte Frage bei Uber, ob, wie und wann die Profitabilität erreicht werden kann. Einige Hebel haben wir schon besprochen. Uber hat außerdem selbst einen groben Plan vorgestellt, wie die Profitabilität erreicht werden soll.
So sah der Plan vor der Corona-Krise aus...
... und so sieht er danach in der aktuellsten Version aus:
Jährlich soll sich das angepasste EBITDA gemessen am Umsatz weiter verbessern. Langfristig wird eine EBITDA-Marge von 25 % angepeilt. Sprich: Ein Viertel des Umsatzes soll als Gewinn vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern zu Buche stehen.
Dazu will Uber:
- in Produkte mit hohen Margen und nachhaltig geringen Kosten investieren
- die zahlbereitesten Nutzer für die Plattform gewinnen und halten
- kostendiszipliniert arbeiten und Skaleneffekte nutzen
- in Produkt- und Technologieinnovation investieren um die Nutzererfahrung und die operative Effizienz kontinuierlich zu steigern
Interessant ist: Vor kurzem hat der Uber CEO die Profitabilität für das nächste Jahr in Aussicht gestellt, wie es auch in der aktuellen Zielgrafik zu sehen ist:
“We’re very confident we’re going to get to profitability next year and we have enough of a diversified portfolio to make that statement with quite a bit of confidence."
Das Ride- und das Eats-Segment genauer analysiert
In der Präsentation zum Geschäftsbericht 2019 aus dem Februar 2020 gibt Uber noch weiteren Einblick in die Zahlen und die Ziele, die erreicht werden sollen.
Die "Take Rate" stellt dabei den Anteil an, den Uber als Provision einbehält. Diese liegt im Ride-Segment bei 22,5 % und soll langfristig auf 26 % steigen (im vorherigen Quartal wurden noch 25 % als langfristiges Ziel ausgegeben).
Das deutlich ambitioniertere Ziel: Das EBITDA soll segmentbezogen von aktuell 24,4 % auf 45 % steigen.
Das Eats-Segment folgt laut Uber dem Ride-Segment: Der Außenumsatz, also der vermittelte Gesamtumsatz, steigt noch stärker als beim Launch von Uber Ride. Dieser Umsatz steigt außerdem deutlich stärker als bei der Konkurrenz und macht Uber Eats heute nach eigener Aussage zum - am Außenumsatz gemessen - größten Essenslieferanten weltweit.
Beim Innenumsatz, also dem tatsächlich verdienten Umsatz, liegt Uber Eats aktuell etwa gleichauf mit Delivery Hero und Grubhub.
Auch für das Eats-Segment gibt Uber konkrete Ziele aus: Eine Take Rate von 15 % und ein EBITDA von 30 %.
5. SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert
SWOT-Analyse
Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.
Stärken
Beginnen wir mit den Stärken. Was zeichnet AKTIE aktuell aus?
Marktführer bei Essenslieferdiensten & Fahrtenvermittlung
Uber ist Marktführer im Segment der Essenslieferdienste, auch wenn es kaum bekannt zu sein scheint. Und auch in den Ländern und Regionen, in denen Uber aktiv ist, ist es Marktführer in der Fahrtenvermittlung.
Attraktives Plattform-Geschäftsmodell mit Netzwerkeffekten
Das Geschäftsmodell ist prinzipiell stark aufgebaut: Es wird an der Marge, also der Vermittlung, verdient. Je größer das Geschäftsmodell, desto besser wird es für den Nutzer durch die oben beschriebenen Netzwerkeffekte. Das spielt Uber als Marktführer in die Karten und kann das Unternehmen langfristig stärken, einen Burggraben aufbauen und die Profitabilität verbessern.
Hohes Wachstum
Uber wächst trotz aller Gegenwinde, die immer wieder diskutiert werden, im Umsatz mit über 50 % und auch in jedem einzelnen Segment.
Profitables Kernsegment 'Rides'
Das Kerngeschäft von Uber ist profitabel bei einer EBITDA-Marge von ca. 20 %. Klar, "adjusted EBITDA" ist noch lange kein Nettogewinn, aber für ein Wachstumsunternehmen ein guter Wert. Und es zeigt, dass Profitabilität keine vage Fantasie, sondern greifbar ist.
Breit in Zukunftsmärkten der Mobilität aufgestellt
Ein Investment in Uber ist ein Investment in Mobilitätsdienstleistungen: Fahrtenvermittlung, Essenslieferdienste, teilweise Logistik und Investitionen in autonomes Fahren.
Schwächen
Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Schauen wir auf die Schwachstellen des Unternehmens.
Hoher Cash Burn
Uber verliert aktuell viel Geld: Der Free Cashflow lag zuletzt bei knapp - 5 Mrd. USD bei einem Umsatz von 14 Mrd. USD. Das entspricht einer Free Cashflow Marge von - 35 %. Die Profitabilität wird angepeilt, ob und wie stark diese erzielt werden kann, ist durch den aktuell hohen Cash Burn aber unklar.
Kaum profitabel abseits des Kernsegments
Das Uber Eats Segment ist enorm wachstumsstark und in einzelnen Ländern schon profitabel. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass es profitabel werden wird, aber noch wird hier viel Wachstum vorfinanziert. Der Verlust gilt auch für andere Segmente außerhalb des Rides-Segments.
Wie groß ist der Burggraben?
Ein bereits diskutierter Burggraben ist die Größe. Ein Problem für Uber: Es ist kein Problem für den Fahrer, sich einfach ebenfalls bei einem Konkurrenten anzumelden und noch weniger für den Nutzer, auch die App des Konkurrenten zu nutzen. Es kostet Fahrer und Nutzer nichts.
Natürlich gibt es immer noch Vorteile als Marktführer: Bessere Abdeckung, bessere Nutzbarkeit und durch Skalen- und Netzwerkeffekte bessere Preise. Eine gewisse Vergleichbarkeit bleibt aber erhalten, die auch einen Preisdruck aufrecht erhalten kann.
Chancen
Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?
Wachstum in Zukunftsmärkten
Uber investiert fleißig in Wachstum und hat sich dadurch eine starke Position geschaffen. Dieses Wachstum wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter fortsetzen.
Gewinnmargen & Profitabilität erhöhen
Es gibt recht klare Wege, mit denen Uber die Profitabilität steigern kann: Die Erhöhung der Take Rate, also des Anteils an Fahrtenbuchungen und Essenslieferungen, der bei Uber verbleibt. Die Erfahrungen von Uber (bspw. in weiter entwickelten Regionen) und anderen Konkurrenten (bspw. im Bereich der Essenslieferdienste) zeigt, dass dort noch Luft ist.
Außerdem werden die hohen Anfangsinvestitionen, die Uber beim Eintritt in neue Märkte hat, naturgemäß langfristig sinken. Auch das wird die Profitabilität steigern.
Wundertüte "autonomes Fahren"
Klar ist, dass autonomes Fahren eine Technologie der Zukunft sein wird. Schon jetzt gibt es zahlreiche Assistenzsysteme, die immer weiter entwickelt und mit hoher Wahrscheinlichkeit den Gorßteil der menschlichen Arbeit abnehmen werden.
Die Monetarisierungsstrategie für Automobilhersteller ist klar. Aber was will Uber mit der Technologie anstellen?
Uber nennt vor allem strategische Partnerschaften, u.a. mit Toyota und Volvo, die ihre Autos mit der Technologie von Uber ausstatten können. Außerdem arbeitet Uber an Konzepten speziell für autonomes Fahren bei Personenbeförderung.
Auch wenn Uber in der Investorenpräsentation dabei von einem "klaren Pfad zur Profitabilität" spricht, ist dieser für mich noch schwer abzuschätzen. Aber wer weiß: Womöglich steckt hier für Uber ein Hebel für die Zukunft.
Bedrohungen
Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Jetzt analysieren wir aber: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?
Regulatorische Risiken
Uber hat viel mit rechtlichen und regulatorischen Hürden zu kämpfen. Kritikpunkte sind dabei immer wieder:
- Umgehen von Regeln, an die die herkömmliche Taxibranche sich halten muss (bspw. Prüfungen der Fahrer oder zu erwerbende Lizenzen)
- Sicherstellung der Sicherheit von Fahrgästen
- Bezahlung der Fahrer
- Anstellungsverhältnis der Fahrer (Vorwurf der Scheinselbständigkeit). Hier gab es vor wenigen Tagen ein erstes Urteil in Kalifornien, wonach Uber - zum eigenen Unverständnis - Fahrer fest anstellen muss.
Hier gibt es eine chronologische Zusammenstellung einiger Ereignisse in verschiedenen Ländern und Städten. Es sieht nicht danach aus, als würden daraus Risiken für das gesamte Unternehmen entstehen, es könnte allerdings sowohl das Wachstum bremsen als auch das Geschäftsmodell beeinflussen und die Zahlen, die dahinter stecken.
Rentabilität der hohen Investitionen
Uber investiert stark. Zum einen in den Ausbau der eigenen Plattformen, vor allem im Rides- und im Eats-Segment. Diese Investitionen scheinen sich auszuzahlen. Die Investitionen in autonom fahrende Autos müssen sich aber noch beweisen.
COVID-19
Die Corona-Pandemie hat auch Uber stark getroffen und wirkt sich noch immer auf das Unternehmen aus. Je weniger Events, persönliche Treffen und Geschäftsreisen stattfinden, desto weniger wird Uber genutzt. Je länger diese Phase andauert, desto schlechter für Uber.
Konkurrenz in drei Segmenten
Der direkteste Konkurrent von Uber ist Lyft, die im Grunde das gleiche Geschäftsmodell wie Uber mit dem Rides-Kerngeschäft fahren. Lyft ist allerdings nach Uber die Nummer Zwei, wächst allerdings prozentual etwas stärker.
Im Uber Eats Segment gibt es ebenfalls namhafte Konkurrenz, vor allem Just Eat Takeaway (die vor Kurzem GrubHub gekauft haben, an dem auch Uber interessiert war) und der deutsche DAX-Aufsteiger Delivery Hero. Postmates wurde gerade von Uber akquiriert.
Im Bereich des autonomen Fahrens warten andere Unternehmen wie Amazon, Google, Tesla und andere Automobilhersteller, die in diesem Bereich ebenfalls investieren.
Das zeigt: Ubers Erfolg hängt auch von der Konkurrenz ab, auch wenn es bisher keine Indizien gibt, dass Uber in einem der Märkte von der Konkurrenz stark abgehängt oder bedroht wird.
Fazit: Aktie kaufen? Pro & Contra
Fazit
Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.
Die etwas andere Aktienbewertung - mit überraschendem Ergebnis
Eins sehen wir schon: Die Uber-Aktie hat einige Argumente gegen sich. Aber gehen wir nun in einen spannenden Teil der Bewertung über.
Für die Ermittlung des fairen Werts gehe ich etwas anders vor als sonst. Normalerweise treffe ich Annahmen zum Umsatzwachstum, der Nettomarge und dem Bewertungsniveau. Vor allem für die letzten beiden Kennzahlen gibt es aber bisher kaum aussagekräftige Näherungswerte.
Die Analysten von Forager Funds haben einige Fragen aus der Sicht eines Value-Investors angeschaut und erwarten ein Szenario, in welchem Uber auf Sicht von 5 Jahren (a) den Umsatz etwas mehr als verdoppeln wird und (b) die EBITDA-Margen auf 15 % oder höher verbessern wird. Dadurch entsteht am Ende ein EBIT von 3 Mrd. US-Dollar und die Prognose, dass Uber dann deutlich wertvoller sein wird als heute.
In der Grundlage nutze ich nun die Sum-of-the-Parts Bewertung. Ich versuche also den Wert der Segmente separat zu schätzen, um ihn dann mit dem heutigen Börsenwert abzugleichen.
Sum-of-the-Parts Bewertung von Uber
Uber hat eine Marktkapitalisierung von 54 Mrd. USD. Der Enterprise Value, der zusätzlich noch Cash abzüglich der Schulden berücksichtigt, liegt minimal höher. Wir gehen also von 54 Mrd. USD aus, die Uber aktuell wert ist.
Welche Teile von Uber haben einen Wert?
- Beteiligungen
- Das Rides-Segment
- Das Eats-Segment
- die restlichen Segmente (Freights, Other Bets, ATG and Other Technology Programs)
- ggf. überschüssiges Cash oder Beteiligungen, insofern sie nicht in den Segmenten berücksichtigt sind
Uber Eats
Uber Eats hat sich zuletzt auf Jahresbasis im Umsatz widerholt nahezu verdoppelt. Der Umsatz, der in den letzten 12 Monaten bei 2 Mrd. US-Dollar lag, könnte bis 2022, also über 3 Jahre, auf 5,5 Mrd. US-Dollar steigen. Das entspräche einem Umsatzwachstum von 40 % pro Jahr - angesichts der bisherigen Wachstumsraten, die in der Corona-Zeit nicht signifikant niedriger liegen werden, durchaus realistisch.
Wie sind andere Essenslieferdienste an der Börse bewertet?
- Delivery Hero: KUV von 16 bei zuletzt 62 % Umsatzwachstum
- Just Eat Takeaway: KUV von 11 bei zuletzt 55 % Umsatzwachstum
- GrubHub: KUV von 5 bei zuletzt 39 % Umsatzwachstum
Uber Eats wächst also am schnellsten, ist allerdings auch noch deutlich unprofitabler als die Vergleichsdienste. Da das Geschäftsmodell ziemlich identisch ist, gehe ich aber davon aus, dass die Gewinnmarge sich ziemlich stark angleichen werden.
Wenn wir Uber Eats daher eine Bewertung wie Delivery Hero zugestehen (KUV von 16), wäre Uber Eats auf Basis der heutigen Umsätze etwa 32 Mrd. US-Dollar wert. Auf Basis der geschätzten 2022er Umsätze entspräche das einem KUV von knapp 6 und ist damit in meinen Augen immer noch realistisch. Trotzdem werde ich etwas niedriger ansetzen mit 25 Mrd. USD.
Und ein weiterer Vergleich:
Delivery Hero ist aktuell 23,5 Mrd. USD wert bei einem Umsatz von 1,2 Mrd. USD und einem Außenumsatz von ca. 10 Mrd. USD.
Uber Eats übersteigt das mit einem Umsatz von 2 Mrd. USD und einem Außenumsatz von über 20 Mrd. USD. Auch nach diesen Zahlen scheint ein Wert von 25 Mrd. US-Dollar und mehr für Uber Eats mehr als gerechtfertigt und eher konservativ.
Geschätzter Wert von Uber Eats: 25 Mrd. USD
Beteiligungen
Uber hat sich innerhalb des Rides-Segments an weiteren Unternehmen beteiligt. Dazu gehören Grab, Didi und Yandex. Im Juli wurde außerdem bekannt gegeben, dass Uber den Essenslieferdienst "Postmates" für 2,65 Mrd. US-Dollar übernimmt.
Insgesamt sind die Beteiligungen von Uber bisher (Postmates noch nicht inkludiert) mit 10,5 Mrd. USD bewertet.
Geschätzter Wert der Beteiligungen: 10 Mrd. USD
Uber Freights & Other Bets
Hier steckt ein Umsatz, der in 3 Jahren etwa bei 1,5 - 2 Mrd. USD liegen könnte. Diesen werde ich hier aber wegen der geringeren Relevanz und schweren Abschätzbarkeit als wertlos annehmen.
Geschätzter Wert von "Freights" & "Other Bets": 0 USD
Uber Rides
Nehmen wir nun das Rides-Segment. Dieses lag zuletzt bei einem EBITDA von 2 Mrd. USD, ist mit 25 % pro Jahr im Umsatz gewachsen und die EBITDA-Marge ist von 6 % (2017) auf knapp 20 % (2019) gestiegen.
Wenn wir annehmen, dass das Rides-Segment über die nächsten 3 Jahre mit 20 % im Durchschnitt wächst und die EBITDA-Marge leicht auf die angepeilten 25 % verbessert bekomt, entsteht ein Umsatz von 18,4 Mrd. USD und ein EBITDA von 4,6 Mrd. USD.
Bei einem KUV von 3 bzw. einem Kurs-EBITDA-Verhältnis von 12 - beides bei diesem Wachstum, den Margen und dem Status als Marktführer in einem Wachstumsmarkt in meinen Augen realistische Werte - wäre das Rides-Segment damit dann ca. 55 Mrd. US-Dollar wert.
Zum Vergleich: Der Uber Konkurrent Lyft, der nur in der Fahrtenvermittlung aktiv ist, ist aktuell mit einem KUV von 2,6 bewertet. Das Wachstum war zuletzt relativ gesehen stärker als bei Uber, absolut gesehen bei Uber höher. Uber ist noch wie vor der Marktführer und im Rides-Segment - anders als Lyft - darin schon profitabel.
Geschätzter Wert von Uber Rides: 55 Mrd. USD
Das Ergebnis: Ist Uber unterbewertet?
Folgende Zahlen ergeben sich daraus zusammengefasst:
- Wert von Uber Eats: 25 Mrd. USD
- Wert von Uber Freights & Other Bets: -
- Wert von ATG: 6 Mrd. USD
- Wert der Beteiligungen: 10 Mrd. USD
- Wert von Uber Rides: 55 Mrd. USD
- Gesamtwert: 96 Mrd. USD
Der ermittelte Gesamtwert liegt deutlich über dem aktuellen Enterprise Value von ca. 55 Mrd. US-Dollar.
Dabei gibt es natürlich einige Unsicherheiten in diesem Bewertungsverfahren: Sind die Annahmen realistisch? Sind die hohen Vergleichsmaßstäbe im Eats-Segment gerechtfertigt? Hat das Uber Freights Segment und die "Other Bets" doch einen höheren Wert? Hat Uber die Zahlen der Segmente sauber getrennt oder sie etwas schöngerechnet?
Es zeigt aber: Gerade das Uber Eats und das Uber Eats Segment könnten einzeln an der Börse einen Wert haben, der deutlich über dem aktuellen Wert von Uber liegt. Das gilt selbst dann, wenn wir die Annahmen noch pessimistischer wählen oder ganze Segmente, wie das ATG-Segment, ebenfalls als wertlos ansetzen.
Deshalb ist meine These - trotz der offensichtlichen und oft diskutierten Probleme von Uber:
- Das Rides-Segment ist profitabel, wird weiter wachsen und die Gewinnmargen werden erhöht.
- Das Eats-Segment wird weiter wachsen und, ähnlich wie bei vergleichbaren Unternehmen, profitabel werden.
- Die anderen Segmente halte ich für zu schwer prognostizierbar, sind daher nur nebensächliche Faktoren.
- Daraus ergibt sich, dass Uber langfristig der Marktführer oder eines der Top-Unternehmen in den Bereichen (a) Fahrtenvermittlung und (b) Essenslieferungen sein wird, ggf. mit Netzwerkeffekten, durch die sich beide Segmente gegenseitig stärken.
- Wenn das eintritt, kann Uber ein innovatives, wachstumsstarkes und profitables Unternehmen, das deutlich mehr wert ist als die aktuellen 54 Mrd. US-Dollar. Der Weg bis dahin kann aber sehr holprig werden.
Pro
Contra
Fazit
Uber hat zwei Seiten: Einerseits ein gutes, stark wachsendes, innovatives und im Kern profitables Geschäftsmodell. Auf der anderen Seite im Gesamtbild noch hohe Verluste, regulatorische Risiken und noch vage Zukunftsinvestitionen.
Ich gebe zu: Ich war vor der Analyse sehr skeptisch und sehe die Risiken nach wie vor. Was mich aber optimistischer gestimmt hat sind vier Fakten, die bisher so kaum diskutiert wurden:
- Uber ist mit Uber Eats bereits weltweiter Marktführer
- Mit Uber Rides auf EBITDA-Basis profitabel und ebenfalls Marktführer
- Peilt bereits auf Sicht des nächsten Jahres einen leichten Gewinn an
- ... und ist eine der wenigen Technologie-Aktien, die über die letzten Jahre im Wert gefallen ist (da fast alle anderen Aktien im Gleichschritt gestiegen sind)
Auch, wenn die ganze Anlegerwelt (und auch die vielen ziemlich oberflächlichen Analysen, die ich im Zuge meiner Analyse gesehen habe) aktuell skeptisch sind: Ich werde aus den genannten Gründen tatsächlich (einen kleineren Anteil als sonst) in Uber investieren. Es ist allerdings ein spekulativeres Investment als die anderen Aktienkäufe.
Der Weg kann kurzfristig holprig werden und gibt nach wie vor Unsicherheiten (Corona-Einschränkungen, regulatorische Bremsen und ob und wann die Profitabilität erreicht werden kann), langfristig sehe ich aber Aufwärtspotential und ein recht gutes Chance-Risiko-Verhältnis.