von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 26. Dezember 2021

Twilio bietet eine Plattform, auf der andere Unternehmen ihre Kommunikationskanäle aufbauen können. „Platform-as-a-Service“.

Unternehmen wollen überall Kontakt mit Kunden aufnehmen: Marketing-Mails, Produktupdates, Benachrichtigungen bei Lieferstatus oder Bestellprozessen, Kundensupport und vieles mehr.

Dabei passiert das nicht mehr nur über Mail, sondern unterschiedlichste Kanäle: E-Mail, WhatsApp, Chatbots, SMS und viele weitere.

Diese Komplexität zu managen ist nicht einfach. Hier kommt Twilio ins Spiel: Es bietet die Tools und Schnittstellen an, damit andere Unternehmen und deren Entwickler und Marketer diese einfach integrieren können.

Ich sehe drei Gründe, warum die Aktie aktuell spannend ist:

  1. 📈 Enorm hohes Wachstum: Durch organisches Wachstum und Zukäufe hatte Twilio über die letzten Quartale ein Wachstum von über 60% pro Jahr.
  2. 💻 Platform-as-a-Service Geschäftsmodell: Twilio stellt die technische Infrastruktur, auf der andere Lösungen arbeiten können. Das verspricht ein skalierbares, profitables Modell.
  3. ⛓ Tief integrierte Lösung: Viele Services und Lösungen unterschiedlichster Art werden von Unternehmen auf Basis von Twilio entwickelt. Damit ist Twilio fester Bestandteil der Wertschöpfung der Unternehmen.

Finden wir also heraus, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Twilio Aktie überbewertet? Oder sollte man jetzt noch Twilio Aktien kaufen? Diesen Fragen versuchen wir uns zu nähern.

Dabei erfährst du, wie das Geschäftsmodell funktioniert und wie gut es ist, woraus der Burggraben besteht, wie die aktuelle Strategie aussieht, wie die Chancen von dieser sind, gegen wen sich das Unternehmen behaupten muss und ob die Aktie heute attraktiv bewertet ist oder nicht. Viel Spaß!

Überblick: Das steckt hinter Twilio

Das Unternehmen

Twilio wurde 2008 in den USA gegründet. CEO ist bis heute der Gründer Jeff Lawson.

Produkt & Geschäftsmodell

Twilio ist eine Plattform, die Unternehmen Tools und Schnittstellen bereitstellt um mit ihren Kunden über alle möglichen Kanäle zu kommunizieren.

Twilio beschreibt sich selbst so:

Twilio’s mission is to fuel the future of communications.Millions of developers around the world have used Twilio to unlock the magic of communications to improve any human experience. Twilio has democratized communications channels like voice, text, chat, video, and email by virtualizing the world’s communications infrastructure through APIs that are simple enough for any developer to use, yet robust enough to power the world’s most demanding applications. By making communications a part of every software developer’s toolkit, Twilio is enabling innovators across every industry — from emerging leaders to the world’s largest organizations — to reinvent how companies engage with their customers.

Die Mission, die noch auf der Investor Relations Seite prangt, wurde allerdings aktualisiert. CEO Lawson sagte dazu zuletzt:

Long time observers of Twilio may note that we changed our mission statement this year. Our mission is now to „Unlock the Imagination of Builders„, which gets at the core of what drives Twilio. To us, every company needs to eventually build their future. And as daunting as that may be, great platforms like Twilio make it possible. In fact, that’s the point of the whole API Economy. We’ve evolved past our old mission, to „Fuel the Future of Communications“ because, while Twilio started in the realm of communications, our customers have continually led us to even bigger opportunities for how we can unlock their imaginations.

Was sind konkrete Anwendungsfälle?

  • Automatisiertes Versenden von Mails, Benachrichtigungen bei bestimmten Aktionen, Mails rund um Bestellprozesse
  • WhatsApp Newsletter & Kommunikation
  • Automatisierte Sprachantwort bei Anrufen, Vorsortierung von Anfragen, ggf. automatisierte Antwort
  • Chat-Tools, SMS (bspw. für Bestätigungscodes), Videochat

Twilio stellt für all diese und weitere Kommunikationswege die technische Plattform bereit, über die Unternehmen eigene Lösungen dafür aufbauen können. Unterschiedlichste Produkte gehören daher heute zur Produktlandschaft.

Aktienkurs

Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt, zuletzt aber etwas deutlicher korrigiert:

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz ‚e‘ = erwartet, ‚YoY‘ = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: USA
  • Branche: Kommunikationsplattform
  • Marktkapitalisierung: 50 Mrd. USD
  • Umsatz: 2,6 Mrd. USD
  • Ergebnis: -0,8 Mrd. USD
  • Free Cashflow: -0,1 Mrd. USD

Bewertung

  • KUV: 18
  • KGV: –
  • KGVe: –
  • KCV: –
  • PEG-Ratio: 28

Qualität & Wachstum

  • Bruttomarge: 54% (Non-GAAP: 58%)
  • Nettomarge: -30%
  • Umsatzwachstum: 60% p.a.

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Unternehmensentwicklung

Das Unternehmen wächst konstant, sowohl im Umsatz, als auch im Gewinn und im Cashflow.

Im letzten Quartal konnte der Umsatz um 65% YoY gesteigert werden. Die Anzahl aktiver Accounts hat die Marke von 250.000 überstiegen.

Die prozentualen Gewinnmargen sind weitestgehend konstant. Die Bruttomarge ist leicht auf ca. 50% zurückgegangen, alle anderen Margen liegen bei -20 bis 30%. Profitabilität ist noch nicht in Sicht, wobei der Cashflow zuletzt nur noch knapp unter Null war.

Die Rule of 40 (Summe aus EBITDA-Marge und Umsatzwachstum) zeigt an, wie kapitaleffizient ein Unternehmen wächst. Alles über 40 gilt als sehr gut. Hier liegt Twilio knapp über 40, würde man nur das organische Wachstum einbeziehen deutlich darunter.

Tieferer Blick in die Geschäftszahlen

Die Dollar-Based Net Expansion Rate (Umsatzwachstum von Kunden, die auch vor einem Jahr schon Kunden waren) lag zuletzt bei starken 131%. Das bestätigt die These von Twilio: Kunden nutzen erst einen Service, dann den zweiten, den dritten usw.

Twilios Stärke ist das Abdecken des gesamten Kommunikationssegments, was eine übergreifende Kommunikation ermöglicht bzw. vereinfacht. Wer schon E-Mails über Twilio verschickt, wird auch WhatsApp eher über Twilio abwickeln.

Das Umsatzwachstum bei Twilio entsteht zum einen durch organisches Wachstum, zum anderen durch Zukäufe. Das organische Wachstum, das im Zweifelsfall die langfristige Wachstumsfähigkeit besser widerspiegelt, betrug zuletzt 38% YoY.

Erlösquellen: Der Umsatz stammt heute zu zwei Dritteln aus den USA, zu einem Drittel aus anderen Regionen.

Der Umsatzanteil der 10 größten Kunden nimmt über den Zeitverlauf ab und lag zuletzt bei 11%. Das ist ein gutes Zeichen: Twilio ist ziemlich unabhängig von einzelnen Kunden.

Die offizielle GAAP-Bruttomarge lag zuletzt bei 54%, die bereinigte Bruttomarge bei 58%. Der Wert ist recht konstant, minimal abnehmend. Beides sind für solche digitalen Software- bzw. Plattformgeschäftsmodelle eher niedrige Werte.

Woran liegt das?

Im Kernsegment, Messaging, fallen höhere Kosten der Zustellung an. Die anderen Segmente, bpsw. E-Mails, Voice oder App Services, haben deutlich höhere Bruttomargen.

Bewertung des Geschäftsmodells

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt’s hier und hier.

Geschäftsmodell-Bewertung

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

Die Umsätze sind zum Großteil wiederkehrend. Twilio ist als technische Lösung fest in eigene Lösungen integriert – und um funktionierende Lösungen auszubauen muss es schon große Anlässe geben. Meistens wird es so sein, dass Twilio weiter genutzt und zusätzliche Services auch über Twilio angebunden werden. Je mehr Services, desto schwieriger wird es auf Twilio zu verzichten. Dazu kommt, dass oft Kundendaten (bspw. E-Mail Adresse) bei Twilio hinterlegt sind, die den Umzug umso schwerer machen.

Netzwerkeffekte

Wird das Produkt für einen Nutzer besser, je mehr andere Nutzer es gibt?

Die Netzwerkeffekte sind wenig vorhanden. Wenn ich einen Newsletter oder Benachrichtigungen an meine Kunden versende ist es für mich ziemlich egal, ob andere das auch über Twilio machen.

Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger?

Ich glaube hier stark an Skaleneffekte. Je größer, desto mehr Kommunikationswege lassen sich über Twilio abbilden. Gleichzeitig sollte der Umsatz von Twilio schneller steigen als die Kosten. Auch Herausforderungen wie Datenschutz lassen sich als großes Unternehmen viel besser angehen.

Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

Twilio beruht auf technologischen Lösungen. Diese sind nicht völlig einzigartig und der Konkurrenz weit überlegen, in ihrer Breite und Qualität aber sicherlich weit vorne.

Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

Die erfolgreiche Börsenstory trägt dazu bei, dass Twilio so bekannt ist und als führendes Unternehmen für Kommunikationstools gehandelt wird. Ich glaube aber auch: Die Marke ist hier nicht das entscheidende Kaufargument, sondern eher eine starke Hilfestellung im Marketing.

Geschäftsmodell-Bewertung: 18 / 25

Zukunft: Burggraben, Strategie & Wachstumsperspektiven

Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir in die Zukunft. Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

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Tags: B2B | Aktien: Twilio

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #4: Wir legen mittel- und langfristig an.

Die Finanzwissenschaft weiß längst: Je mehr getradet und je öfter ins Depot geschaut wird, desto schlechter die Rendite. Market Timing, also Einschätzen kurzfristiger Marktbewegungen, funktioniert nicht und richtet mehr Schaden als Nutzen an.Langfristig anlegen ist erfolgversprechender und entspannter. Und: Es ist der einzige Anlagehorizont, der logisch zu einer fundamentalen Bewertung, an die sich der Aktienkurs mit der Zeit im Optimalfall annähert, passt.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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