Trivago haben wohl viele schon einmal gehört, sei es durch Werbung oder weil man selbst auf der Suche nach einem Hotel war. Trivago kommt aus Deutschland und ist aktuell spannend bewertet: Die Cashflow-Rendite liegt cash-bereinigt bei über 30% jährlich.
Dabei ist Trivagos Großaktionär mittlerweile Expedia (> 10 Mrd. Dollar Börsenwert), es hat eine große Abhängigkeit von zwei Kunden und wird von Google unter Druck gesetzt. Ist unter all diesen Risiken - die wohlgemerkt jede Deep Value Aktie mit sich bringt - womöglich aber eine große Chance verborgen?
Hier schaue ich daher auf das Unternehmen und das Geschäftsmodell, vor allem aber auf die aktuelle Bewertungssituation und was sich daraus ergibt. Es ist damit eine weitere Analyse in der Reihe der Deep Value Analysen, wie zuvor bspw. Stellantis und die Porsche SE. Viel Spaß!
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Trivago - Hotel-Metasuche aus Deutschland
Trivago ist eine Suchmaschine und Vergleichsseite für Hotels weltweit. Wer ein Hotel im Kopf hat und den besten Preis unter all den Buchungsseiten finden will oder auch erstmal nur Inspiration in einem Ort braucht, findet sie auf Trivago. Trivago reichert alles mit Bildern und Bewertungen an.
Die Buchung findet dann bei den jeweiligen Partnerunternehmen statt, die wiederum dafür an Trivago eine Provision zahlen. Historisch vor allem als Vergütung pro Klick, mittlerweile auch als prozentuale Vergütung. Aus solchen Vermittlungsprovisionen speist sich dann auch der Umsatz von Trivago zum Großteil.
Trivago selbst wurde 2005 gegründet. In den ersten Jahren wurde nach Europa und dann in die ganze Welt expandiert. Im Dezember '12 hat Expedia mit 61,6% der Anteile die Mehrheit an Trivago übernommen und dafür 477 Mio. Euro gezahlt, die Gesamtbewertung liegt damit bei ~770 Mio. Euro.
Auch heute hält Expedia noch 61,2% der Anteile, sogar über 80% der Stimmrechte und hat damit die Kontrolle über das Unternehmen. Aus dem Geschäftsbericht 2022:
As of December 31, 2022, Expedia Group owned Class B shares representing 61.2% of our issued share capital and 84.3% of the voting power in us. As long as Expedia Group owns a majority of the voting power in us, Expedia Group will be able to control many corporate actions that require a shareholder vote.
Ende 2016 ging es dann an die Börse und zwar an die US-amerikanischen Nasdaq. Die Bewertung sollte bei über 4 Mrd. Dollar liegen, am Ende lag man eher bei 3 Mrd. Dollar und konnte knapp 300 Mio. Euro erlösen.
Der Aktienkurs ist seitdem auf Talfahrt, steht etwa 90% unter dem Allzeithoch aus 2017. Die zunehmende Konkurrenz, auch durch Google, macht Trivago zu schaffen. Auch Anbieter wie airbnb und booking.com (aus der Booking Holdings) vereinen immer mehr Buchungen auf sich, die diese Seiten direkt ansteuern.
Ein gutes Podcast-Interview zur Situation von Trivago, auch wenn es aus August 2021 stammt, gibt es hier.
Deep Dive in die Zahlen
Die Key Facts zu Trivago mit den aktuellen Zahlen der letzten 12 Monate:
- Marktkapitalisierung: 390 Mio. USD
- Enterprise Value: 115 Mio. USD
- Umsatz: 544 Mio. EUR (in Q1 '23 um +9% YoYYear-over-Year. Bezeichnet den Vergleich einer Kennzahl im Vergleich zum Vorjahr (bspw. Quartal 4 des aktuellen Jahres zu Q4 des Vorjahres). More gestiegen)
- Operatives Ergebnis: 84 Mio EUR
- Nettoergebnis: -107 Mio. EUR
- Free Cashflow: 54 Mio. EUR (seit 2020 trotz Pandemie immer positiv)
Hier stechen zwei Fragen heraus: Was hat es mit dem negativen Ergebnis auf sich und, wenn Trivago weiter Überschüsse erzielen sollte, wäre es dann - gemessen am Enterprise Value - nicht erstaunlich günstig?
Bevor wir uns diesen widmen, ein genauerer Blick in die Zahlen.
Denn ein wesentlicher Teil der Umsätze kommt von zwei Werbetreibenden: Booking und dem Mutterkonzern Expedia. Gerade der Anteil von Expedia ist über die letzten Jahre gewachsen, die Konzentration der Umsätze hat insgesamt eher zugenommen.
Die Nutzer kommen über unterschiedliche Marketingmaßnahmen zu Trivago. Viele kennen sie, da die Marke eine gewisse Bekanntheit genießt, ein großer Teil wird aber auch durch Performance Marketing eingekauft. Solange der Nutzer günstiger eingekauft wird als Trivago ihn monetarisiert, geht das Modell auf.
Die Marketing- und Salesausgaben machen mit 60% am Umsatz den mit Abstand größten Teil aus. Dieser wiederum kann zu einem großen Teil hoch- und runtergefahren werden.
Negative Ergebnisse in 2020 und 2022
Die Ergebnisentwicklung:
- 2018: -21 Mio. EUR
- 2019: 17 Mio. EUR
- 2020: -245 Mio. EUR
- 2021: 11 Mio. EUR
- 2022: -127 Mio. EUR
- Q1 '23: 10 Mio. EUR
Auffällig sind vor allem 2020 und 2022. In beiden Jahren gab es erhebliche nicht-operative Verluste, die das Gesamtergebnis verhageln.
2020 wurden 207 Mio. Euro an Goodwill abgeschrieben, also letztendlich eine Wertabschreibung auf Akquisitionen. Es war das Jahr, in dem die Pandemie ausgebrochen ist und klar war, dass die Tourismus- und Hotelbranche das größte Problem hat.
2022 gab es außerplanmäßige Abschreibungen auf Investitionsgüter in Höhe von 185 Mio. Euro. Ohne diese läge das Ergebnis bei 60 Mio. Euro, das adjustedBei "adjusted" Kennzahlen wird eine nach Standard-Richtlinien (GAAP) berechnete Kennzahl um Sondereffekte bereinigt, wird dann zur "Non-GAAP" Kennzahl. Diese Sondereffekte können aktienbasierte Vergütungen, Restrukturierungskosten oder Währungsschwankungen sein. Sie können einen besseren Vergleich ermöglichen, aber... More EBITDA lag bei 108 Mio. Euro. Trivago schreibt dazu in der Präsentation zum Geschäftsbericht 2022 kurz und knapp, dass ein Werthaltigkeitstest zu einer Abschreibung von Goodwill und immateriellen Vermögenswerten führte:
As a result of the impairment tests performed in the second and third quarter of 2022, we recorded an impairment charge for goodwill and intangible assets of €184.6 million.
Das operative Ergebnis und der Cashflow wurden natürlich ebenfalls durch die Pandemie belastet, aber deutlich schwächer als das Ergebnis. In Summe hat Trivago von 2020 bis Q1 '23 einen Free Cashflow von 96 Mio. Euro erzielt.
Eine Grafik dazu (blau = Umsatz, rot = operatives Ergebnis, lila = Free Cashflow) von aktien.guide (Partner):
Was ist der tatsächliche Börsenwert?
Die Marktkapitalisierung liegt bei 390 Mio. Dollar, der Enterprise Value nur bei 115 Mio. Euro Der Grund liegt in der Bilanz und Wechselkursen.
Da trivago an der Nasdaq notiert sind viele Kursdaten in US-Dollar, die Finanzen aber in Euro. 390 Mio. Dollar Marktkapitalisierung sind etwa 355 Mio. Euro.
Der Enterprise Value bereinigt die Marktkapitalisierung um Vermögen und Schulden. Er beantwortet die Frage: Wenn wir das gesamte Unternehmen kaufen, die Schulden tilgen und uns die liquiden Mittel herausziehen, wieviel haben wir dann noch für das Unternehmen bezahlt? Damit ist der Enterprise Value auch immun gegen die oben genannten Abschreibungen.
Trivago hat ein ziemlich kapitaleffizientes Geschäftsmodell, im Wesentlichen ist es nur eine Website und die technische Infrastruktur dahinter. Die Bilanzsumme beträgt 698 Mio. Euro, die zu 82% aus Eigenkapital bestehen. Die restlichen 18%, also 123 Mio. Euro, sind Verbindlichkeiten (Liabilities).
Woraus bestehen diese im Wesentlichen?
- 57 Mio. Euro in Immobilien & Ausrüstung
- 272 Mio. Euro in immateriellen Vermögenswerten
- 360 Mio. Euro in Cash und kurzfristigen Vermögenswerten
Das Cash übersteigt die Verbindlichkeiten um ca. 240 Mio. Euro, entsprechend landen wir bei einem Enterprise Value von nur 115 Mio. Euro.
36,5% Cashflow-Rendite
Gehen wir nun von dem Börsenwert von 115 Mio. Euro aus. Allein von 2020 bis Q1 '23 (also 3,25 Jahre) hat Trivago 96 Mio. Euro an Free Cashflow erzielt. Über 4 Jahre würde damit der Börsenwert verdient werden, wobei dieser Zeitraum sich sogar auf den Pandemie-Zeitraum bezieht.
Über die letzten 12 Monate lag der Free Cashflow bei 54 Mio. Euro, 2022 bei 62 Mio. Euro. 2021 waren es 29 Mio. Euro, wobei dort die Pandemie-Effekte noch stärker waren. Davor hat der Free Cashflow deutlicher geschwankt, war mal negativ und mal noch deutlicher positiv (bspw. 2019). Erst seit 2019 ist Trivago durchgehender profitabel.
Ich würde für eine sauberere Kennzahl den Cashflow noch um (a) Verschiebungen im Operating Capital (2022: 5 Mio. EUR) und (b) um aktienbasierte Vergütung (SBC) bereinigen (2022: 15 Mio. Euro).
Bereinigt wären es 2022 also 42 Mio. Euro. Das entspräche nach vorne gerichtet einer Cashflow/Enterprise-Value Rendite von 36,5% pro Jahr.
Wenn wir annehmen, dass die Cash-Reserve nicht gehoben wird und es einfach weiter auf dem Bankkonto von Trivago liegt, können wir das klassische Kurs-Cashflow-Verhältnis mit der Marktkapitalisierung bilden. Dieses liegt bei 9,3 (= 10,8% Cashflow-Rendite).
(Im übrigen bringt allein ein Zinsanstieg von 3 Prozentpunkten bei ~200 Mio. Euro Nettovermögen auch 6 Mio. jährlichen Zinsertrag mehr. In Q1 '23 wurde erstmals seit langer Zeit wieder ein Zinsüberschuss von 0,9 Mio. Euro ausgewiesen. Das lasse ich hier aber mal außen vor.)
Kann Trivago diesen Wert realisieren?
Die Werte im Unternehmen bringen uns nur etwas, wenn diese gehoben und realisiert werden. Wie könnte das hier klappen? Und welche Rolle könnte Expedia als größter Anteilseigner und Mutterkonzern spielen?
Private Equity
PE-Unternehmen, also quasi Fonds, die sich an privaten, nicht börsennotierten Unternehmen beteiligen, könnten ein Unternehmen mit einem Profil von Trivago von der Börse kaufen und wären dann alleine in der Lage, nach der gezeigten Mathematik vorzugehen. Die Bewertung erscheint dafür ausreichend attraktiv.
Das Problem: Mehrheitseigner ist Expedia, die auch einem Verkauf ihrer Anteile zustimmen müssten.
Aktienrückkäufe
Eine realistischere und schon in Kraft getretene Möglichkeit sind Dividenden oder Aktienrückkäufe. Bevor das Kapital auf dem Konto herumliegt, kann es so an Aktionäre zurückgeführt werden. Das bietet sich gerade dann an, wenn die eigene Aktie günstig bewertet ist (und das Management hoffentlich in der Lage ist, das zu erkennen).
Dividenden sind bisher nicht vorgesehen. Im Geschäftsbericht '22 heißt es:
"We do not expect to pay any dividends for the foreseeable future."
2022 hat Trivago aber tatsächlich für knapp 20 Mio. Euro eigene Aktien zurückgekauft. Dass es vorher nicht gemacht wurde ist pandemiebedingt nachvollziehbar, sogar eher positiv, dass man ohne neues Kapital durch die Krise gekommen ist.
Die investierten 20 Mio. Euro liegen noch deutlich unter dem Free Cashflow, selbst dafür ist man bisher also nicht an das vorhandene Kapital gegangen.
Was will Expedia?
Expedia ist selbst börsennotiert. Der Umsatz lag 2022 bei 11,7 Mrd. Dollar, der Börsenwert bei 15,7 Mrd. Dollar. Die Marktkapitalisierung von Trivago macht also gerade einmal 2,5% aus bzw. nur 1,5%, wenn wir berücksichtigen, dass Expedia nicht alle Anteile hält.
Wir wisse nicht, was Expedia vor hat. Ich sehe nicht so große Chancen, dass Trivago verkauft wird, da es strategisch sehr gut ins Portfolio passt und Trivago mit anderen Expedia-Unternehmen einen wesentlichen Umsatzanteil erzielt. Das heißt für Aktionäre: Weniger Chance, dass das Potenzial durch einen Private-Equity-Deal gehoben wird.
Auf der anderen Seite könnte Expedia überlegen, Trivago komplett zu kaufen und den restlichen Aktionären ein Übernahmeangebot machen, das über dem aktuellen Aktienkurs liegen müsste. Angesichts der Bewertung von Trivago, dem nach wie vor vorhandenen strategischen Nutzen und der stärkeren Verzahnung über die letzten Jahre klingt das durchaus überlegenswert.
Wie groß ist das Abwärtsrisiko?
Diese Berechnung zeigt auf, dass hier tatsächlich Renditepotenzial liegt. Auf der anderen Seite bremst es auch das Abwärtsrisiko, da wir ein schlankes, kaum mit Fixkosten beladenes Geschäftsmodell haben, das profitabel ist und wo der überwiegende Teil des Börsenwerts allein durch Cash gedeckt ist.
Würde das Unternehmen heute geschlossen und liquidiert werden, würde man wohl maximal 115 Mio. Euro verlieren, was gemessen an der Marktkapitalisierung 32% entspricht. Das wäre in meinen Augen das Verlustrisiko in einem worst-case-Szenario.
Sollte sich das Geschäft schlecht und möglicherweise defizitär entwickeln, wodurch das Cash aufgebraucht wird, könnte der Verlust natürlich steigen. Aktuell ist Expedia allerdings profitabel und daher sollte kurzfristig eher das Gegenteil der Fall sein.
Und dieses operative Risiko gibt es immer: Wenn morgen das Geschäft einbricht, könnten die Zahlen sich anders entwickeln als hier angenommen. Ich glaube, dass das schlanke Geschäftsmodell viel abfedern kann, aber dieses Risiko gehört dazu.
Mein Fazit
Die Chancen sind hier definitiv da. Bei Deep Value Chancen gibt es selten Garantien, aber eine spannende Mathematik, die sich mal nie, mal sofort oder mal erst unverhofft nach einigen Monaten oder Jahren auszahlt. Es geht hier darum, das Chance-Risiko-Verhältnis abzuschätzen. In meinen Augen ist es hier durchaus positiv verzerrt.
Die Risiken liegen v.a. darin, dass das operative Geschäft doch deutlich einbricht, wobei Trivago eben so günstig und schlankt operiert, dass ich da höchstens von niedrigen operativen Verlusten ausgehen würde. Ein weiteres Risiko, das einen Abschlag rechtfertigt, ist die enge Verzahnung und Kontrolle von Expedia. Auch die großen Player im Markt, v.a. Booking und Google, sorgen für ein herausforderndes Umfeld.
Dabei gehören solche Deep-Value-Chancen nicht zwangsläufig in jedes Depot. Es ist kurzfristiger orientiert als langfristiges Investieren in Qualitätsunternehmen. Ich überlege, eine kleine Position aufzubauen.