von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 6. November 2022

Wer bei TeamViewer nur daran denkt, von einem Computer auf einen anderen zuzugreifen, denkt an das TeamViewer vor 10 Jahren. Heute ist TeamViewer ein deutscher Technologie-Champion, der jedes internetfähige Gerät mit jedem anderen Gerät verbinden möchte.

Es ermöglicht Einrichtung, Wartung und Überwachung und möchte der Industrie dafür alle nötigen Werkzeuge an die Hand geben, um es zeit-, kosten- und emissionssparend für Prozesse, Maschinen und Geräte umzusetzen.

  • 🇩🇪 German Tech: Deutsches Technologie-Unternehmen, das die digitale Transformation in der Industrie vorantreibt
  • 💰 Profitabilität: TeamViewer hatte in Hochzeiten enorme Margen - Bruttomarge > 85%, EBITDA-Marge > 45%, Cashflow-Marge > 40%. Die Margen sind deutlich gefallen, aber immer noch deutlich positiv.
  • 📉 Kurssturz: Zuletzt hat die Aktie über 70% gegenüber Allzeithoch verloren. Auch der Gewinn ist eingebrochen. Aber: Noch wächst das Unternehmen und verdient Geld.

Mehr als genug Gründe also, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte.

Dabei erfährst du, wie das Geschäftsmodell funktioniert, ob es einen Burggraben hat (oder dieser gerade von Ex-Mitarbeitern angegriffen wird), wer die Konkurrenten sind und ob die Aktie heute nach dem Absturz attraktiv bewertet ist oder nicht. Viel Spaß!

Tipp: Falls du die Aktie grundlegend schon kennst, empfehle ich dir vor allem als Update den Zahlencheck, die Chancen, Risiken und Renditeerwartung.

More...

Überblick & Investment-These

TeamViewer wurde 2005 gegründet und sitzt in Deutschland, genauer gesagt in Göppingen. CEO ist Oliver Steil, der selbst einen prozentual geringen Anteil am Unternehmen hält. TeamViewer ist im MDAX notiert.

TeamViewer ist als Software gestartet, mit der aus der Ferne von einem PC auf den anderen zugegriffen werden kann, um eine Fernwartung durchzuführen oder ein Tool zu präsentieren, um es einem potenziellen Kunden zu verkaufen.

Heute ist TeamViewer mehr als das: Es will jedes Gerät mit jedem Gerät verknüpfbar, steuerbar und wartbar machen. Dazu nutzt TeamViewer moderne Technologien: Augmented Reality, Markierungen innerhalb eines Videocalls, Rechtemanagement, Protokollierung und mehr.

"Technologie intelligent nutzen, Prozesse digitalisieren, aus der Ferne arbeiten, weltweit Wissen teilen - all das sind Bausteine des digitalen Fortschritts." - TeamViewer CEO Oliver Steil

Vor kurzem hat TeamViewer für Aufsehen gesorgt, da es nun für kolportierte 50 Mio. Euro der Trikotsponsor der Fußball-Mannschaft von Manchester United ist, einem der wertvollsten Vereine der Welt.

Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang 2019 erst ziemlich stark entwickelt. Ab Mitte 2020, deutlich vor dem allgemeinen Marktrückgang, hat die Aktie allmählich verloren. Als Erwartungen zweifach gesenkt werden mussten, ist die Aktie deutlicher abgestürzt. Sie steht heute ~80% unter Allzeithoch.

Ich habe TeamViewer 2020 analysiert und auch gekauft. Mein Fazit damals:

Die Zahlen sind bärenstark, der Trend ungebrochen und die Bewertung zwar hoch, aber im Vergleich zu US-Tech-Unternehmen eher günstig. [...] Natürlich bleiben Risiken: Es könnte größere Konkurrenz als jetzt geben, TeamViewer trifft operative Fehlentscheidungen oder die Industrie transformiert sich zu langsam. Unterm Strich lässt mich das Chance-Risiko-Verhältnis aber optimistisch auf TeamViewers Zukunft blicken.

Auf diesen Optimismus ist Ernüchterung gefolgt - durch die erwähnten operativen Fehlentscheidungen, aber auch den weltwirtschaftlichen Gegenwind.

Heute könnte die Aktie allerdings nach wie vor interessant sein. Die These, die es zu prüfen gilt:

Investment-These

TeamViewer gelingt der Turnaround. Die Margen können wieder in Richtung des bisherigen Niveaus angehoben werden. Durch langfristigen Rückenwind kann TeamViewer umsatzseitig überdurchschnittlich zulegen.

Schauen wir nun genauer auf TeamViewer und diese Investmentthese.

Geschäftsmodell, Markt & Burggraben

TeamViewer hat das Geschäftsmodell in den letzten Jahren zu einem jährlichen Abo-Modell transformiert, in welchem die Produkte bereitgestellt werden.

Das folgende Diagramm zeigt, dass TeamViewer an jedem Schritt der Wertschöpfungskette in einem industriellen Fertigungsprozess unterstützt und eingesetzt werden kann:

Das Angebot von TeamViewer ist mittlerweile recht umfangreich: Die bekannte Screen Sharing Lösung ist nur eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten neben...

  • Chatfunktionen
  • Fernwartung
  • Meetingräume
  • Augmented Reality
  • Intelligente Vernetzung von Geräten (IoT)
  • Überwachung von Prozessen, Maschinen und Steuerungen

Standort: Göppingen, Deutschland

Der Standort ist ungewöhnlich für ein Software-Unternehmen und das Gewinnen von Entwicklern nicht das Einfachste. Aber: Der Standort Deutschland bietet Vorteile:

  1. Er bietet eine Nähe zu vielen großen Industrieunternehmen
  2. In der Industrie wird das Label "Made in Germany" geschätzt
  3. Deutschland und die EU hält Datenschutz hoch, was in einigen Anwendungsfällen von TeamViewer wichtig ist

Auf der Brust des Weltfußballers

Das Sponsoring bei Manchester United, einem der weltweit wertvollsten Klubs, hat bei Verkündung im März '21 für Aufsehen gesorgt. An der Börse wurde der jährlich ca. 50 Mio. schwere Deal, der auf 5 Jahre angesetzt ist, eher schlecht aufgenommen.

Zur Relation: 50 Mio. Euro entsprechen ca. 10% des Umsatzes von TeamViewer.

Die Gründe dafür hat TeamViewer CEO Steil im OMR-Podcast näher erläutert:

  • Mehr internationale Markenbekanntheit, vor allem im asiatischen Raum
  • Ein größeres Sponsoring ist für ein kleineres Unternehmen interessanter, da viele kleinere Sponsorings mehr Steuerungsaufwand bedeuten
  • Branding: Dieser Deal sorgt für Aufmerksamkeit und zeigt, wie stark TeamViewer aufgestellt ist, was wiederum Mitarbeiter und Kunden anlocken soll

Mittlerweile hat auch der Wechsel von Weltfußballer Cristiano Ronaldo zu Manchester United den Wert wohl nochmal gesteigert.

Der bis 2026 laufende Vertrag soll nicht verlängert werden. Die Wachstumsannahmen waren höher, nun sind die Kosten für geringeres Wachstum aber zu hoch.

Absturz & Enttäuschungen ab Ende 2020

Die Ergebnisse von TeamViewer konnten ab 2020 nicht ganz die Erwartungen erfüllen. Am 6.10.2021 musste TeamViewer dann den Ausblick nach unten korrigieren, was die Aktie auf Talfahrt schickte.

TeamViewer nennt unterschiedliche Gegenwinde, die dazu geführt haben: Weniger Innovationsgeschwindigkeit, Großkundengeschäft-Akquise teurer als gedacht, vorgezogenes Wachstum durch Covid-Effekte, China-Programm verlangsamt sich nach vielversprechendem Start und mehr Konkurrenz im Niedrigpreissegment.

Ebenfalls spannend: TeamViewer vermutet, dass die Effekte eher dauerhaft als temporär einzuschätzen sind. Entsprechend wurde auch der langfristige Ausblick gesenkt, mehr dazu gleich.

TeamViewer befindet sich also temporär im Krisenmodus. Das prägt Zahlen und die Strategie, wie wir gleich sehen werden.

Markt, Positionierung & Konkurrenz

Am meisten wird TeamViewer mit der Videokommunikationssoftware Zoom oder dem Äquivalent von Microsoft Teams verglichen. Dahinter stecken aber unterschiedliche Geschäftsmodelle, die sich nur die Videotelefonie als Gemeinsamkeit teilen.

Zoom und Teams bieten Unternehmen und Privatpersonen eine Software, mit der sie Videocalls durchführen können. Sie sind vor allem Ersatz für Telefonanrufe und Meetings.

TeamViewer möchte jedes Gerät verbinden und viele Anwendungsfälle ermöglichen. Das hat mehr Anforderungen, die gleichzeitig einen Burggraben darstellen:

  • Zugriff und Steuerung freigeben
  • Rechtemanagement: Wer darf auf welches Gerät zugreifen und was ändern?
  • Augmented Reality Unterstützung, um die Personen (bspw. Mechaniker) am anderen Ende zu unterstützen
  • Aufzeichnungen

TeamViewer vs. AnyDesk

Ein anderer Konkurrent, der ebenfalls Teilbereiche davon abbildet, ist AnyDesk aus Stuttgart. Dieser wurde in 2015 ausgerechnet von vier ehemaligen TeamViewer-Mitarbeitern gegründet.

TeamViewers Vorteil: Es ist vergleichsweise groß, hat mehr Kapazitäten, kann durch Größe Verlässlichkeit ausstrahlen und durch die hohen Margen auch auf niedrigere Preise reagieren, ohne selbst in die Verlustzone zu rutschen.

Im November 2021 hat AnyDesk eine Finanzierungsrunde durchgeführt, wo es mit fast 600 Mio. Euro bewertet wurde. Das ist schon etwa ein Drittel der Bewertung von TeamViewer. Allerdings gehe ich davon aus, dass auch AnyDesk heute einen Rückgang der Bewertung akzeptieren müsste.

Auf der Bewertungsplattform OMR Reviews haben TeamViewer (90+ Bewertungen) und AnyDesk (25+ Bewertungen) 4,3 / 5 Sterne. AnyDesk gewinnt bei der Einfachheit der Bedienung, TeamViewer beim Kundensupport - beides passt also zur jeweiligen Positionierung.

Geschäftsmodell-Bewertung

Geschäftsmodell-Bewertung

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

TeamViewer erzielt wiederkehrende Umsätze im Abo-Modell. Der Lock-In Effekt ist okay, aber nicht besonders stark.


Netzwerkeffekte

Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?

Gibt es quasi keine. Es hilft, wenn mehrere Angestellte mit TeamViewer arbeiten, darüber hinaus gibt's keine Netzwerkeffekte.


Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger? Wachsen Umsätze stärker als Kosten?

TeamViewer ist einer der größten Anbieter im Kernmarkt. Sollte der Markt etwas geöffnet werden, bspw. in Richtung von Zoom, ist TeamViewer der Underdog.


Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

TeamViewer beruht auf eigener Technologie und ist technologisch gut, aber nicht uneinholbar führend.


Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

TeamViewer ist im Markt bekannt, investiert zudem stark in die Marke. Allerdings ist die Marke hier in meinen Augen untergeordnet relevant.


Geschäftsmodell-Bewertung: 15 / 25

Zusammenfassung

TeamViewer möchte jedes Gerät mit jedem anderen Gerät verbinden. Es wird dadurch vor allem in der Industrie eingesetzt. Es ist zuletzt mit durchschnittlich über 20% jährlich gewachsen, vor allem im Großkundengeschäft, und arbeitet hoch profitabel mit einer EBITDA-Marge von >30%. Der Schwerpunkt liegt in Europa, die Umsätze sind aber weltweit verteilt. Auch die Produktpalette stützt sich mittlerweile auf viele unterschiedliche Lösungen.

Zahlencheck

TeamViewer ist nach eigenen Aussagen auf über 2,5 Mrd. Geräten installiert und hat 600.000 zahlende Abonnenten aus beinahe jedem Land der Welt.

In der Pandemie gab es enorme Wachstumsraten: Der Umsatz und Gewinne legten um über 40% zu, die EBITDA-Marge konnte auf ~60%. Diese Zahlen sind stark zurückgegangen.

Mit Stand der jüngsten Quartalszahlen aus November '22 (Q3 '22):

  • Billings-Wachstum: +15% ggü. Vorjahr (9M: 13%), währungsbereinigt +7%
  • EBITDA-Marge: 42% (9M: 45%)
  • Net Revenue Retention (NRR): 103%, also leichte Umsatzsteigerung mit Bestandskunden

Die Umsätze stammen zum Großteil (54%) aus Europa, zu 34% aus Amerika und 12% aus dem asiatisch-pazifischen Raum.

Enterprise-Fokus

Dabei kündigt TeamViewer seit Jahren den Fokus aufs Enterprise-Segment, also Großkunden, an. Und das zeigen die Zahlen.

Das Enterprise-Segment wächst deutlich stärker (zuletzt 47% YoY), der durchschnittliche Vertragswert steigt und die NRR ist höher (113%) als im restlichen Unternehmen.

Die "offene Flanke", die Konkurrenten wie AnyDesk angreifen, sind kleine und mittelgroße Unternehmen. Hier wächst TeamViewer nur 10% YoY, 14% kündigen jährlich und die Kundenzahl stagniert. Immerhin steigt auch hier der durchschnittliche Vertragswert.

Umsatz vs. Billings

TeamViewer stellt meist nicht den Umsatz, sondern die Billings in den Vordergrund. Das könnte sich mit zunehmendem Fokus auf Enterprise-Kunden ändern, da diese oft mehrjährige Verträge abschließen.

Die Billings umfassen die in einer Periode abgeschlossenen Verträge. Beim Umsatz wird dieser Vertragswert auf die Laufzeit verteilt und in einer Periode nur ein Teil davon verbucht.

Beispiel: Wird heute ein 3-jähriger Vertrag abgeschlossen, wird er bei den Billings zu 100% dem jetzigen Quartal und Geschäftsjahr zugerechnet. Beim Umsatz wird der Vertrag nur zu 3/36 dem jetzigen Quartal und zu 1/3 dem jetzigen Geschäftsjahr zugerechnet.

Kosten

Vor ca. 1,5 Jahren hatte TeamViewer beeindruckende Zahlen. Umsatz und Gewinn stiegen enorm. Aber: Die Mitarbeiterzahl sogar noch etwas mehr.

Nachfolgend war das Wachstum deutlich langsamer. Die Kosten - getrieben durch neue Mitarbeiter und Marketingausgaben - stiegen stärker als der Umsatz, entsprechend sanken die Margen deutlich.

Im Vergleich zum Vorjahr wurde die Mitarbeiterzahl um 9% reduziert, während der Umsatz leicht gestiegen ist. Viele Unternehmen entlassen gerade Mitarbeiter, TeamViewer ist hier schon deutlich weiter, da der eigene Absturz vor der allgemeinen Rezession eingesetzt hat.

Die meisten Mitarbeiter sind im Vertrieb tätig. Das zweitgrößte Segment ist "Forschung & Entwicklung".

Im direkten Jahresvergleich hat sich die Kostenbasis verbessert. Die adj. EBITDA-Marge ist von 34% auf 42% gestiegen. Diese Einsparung kommt vor allem aus dem Marketingbereich (von 27% auf 21%), in kleinem Umfang auch Sales (von 14% auf 13%)

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet.

Die Eckdaten

  • Land: Deutschland
  • Branche: Fernwartungssoftware
  • Marktkapitalisierung: 1,9 Mrd. EUR
  • Umsatz: 0,53 Mrd. EUR
  • Gewinn: 0,06 Mrd. EUR
  • Free Cashflow: 0,18 Mrd. EUR

Bewertung

  • KUV: 3,8
  • KGV: 35
  • KGVe: 35
  • KCV: 11

Qualität & Wachstum

  • Bruttomarge: 87%
  • Adj. EBITDA-Marge: 42%
  • Operative Marge: 25%
  • Nettomarge: 11%
  • EBITDA-Wachstum: +42% YoY (9M: +33%)
  • Umsatzwachstum: +12% (Billings: +15%)

Zukunft & Strategie

Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir in die Zukunft. Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

Strategie

TeamViewer hat laut Geschäftsbericht mehrere Fokusziele:

  • Markenbekanntheit erhöhen (mehr dazu gleich).
  • Technologie rund um Augmented Reality ausbauen. Dazu wurde u.a. 2020 die Firma Ubimax übernommen. Diese Technologie soll mit KI- und IoT-Anwendungen verbunden werden.
  • Fokus auf das Großkunden-Geschäft.

Im größeren Kontext wird sie das Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien und Trends visualisiert:

Durch sechs Pfeiler soll langfristig ein Wachstum im hohen 10er-Prozentbereich entstehen.

  1. Neue innovative Lösungen, v.a. im AR-Bereich
  2. Neue strategische Partner (SAP, Siemens Healthineers,...)
  3. Mehr Großkundengeschäft
  4. Ausbau des US-Geschäfts
  5. Markenbekanntheit (u.a. durch Trikotsponsorschaft, mehr dazu gleich)
  6. Stabil bei kleineren bis mittleren Unternehmen

Auch wenn es hier nicht direkt auftaucht, ist auch die asiatisch-pazifische Region für TeamViewer herausfordernd. Deshalb wurde im Dezember 2021 Sojung Lee mit einer neu geschaffenen Stelle in den Vorstand befördert, wo sie das dortige Wachstum anheben soll.

Kapitalverwendung

TeamViewer erzielt kontinuerlich positive Überschüsse. Wo gehen diese hin?

Ein kleiner Teil in interne Investitionen (Capex) und Akquisitionen. Im aktuellen Jahr wurden bereits knapp 300 Mio. Euro an Schulden getilgt, außerdem für 300 Mio. Euro eigene Aktien zurückgekauft (wohlgemerkt ~15% der Marktkapitalisierung). Dadurch wurde die Cash-Position deutlich dezimiert, was aufgrund der Profitabilität aber kein großes Problem werden sollte.

Finanzielle Ziele

Heute steht TeamViewer bei etwas mehr als einer halben Milliarde Euro Jahresumsatz. 2020 waren die Ziele groß: Bis 2021 sollen es fast 600 Mio. Euro werden, bis 2023 1 Mrd. Euro.

Diese Ziele sind nicht mehr realistisch und wurden schon Ende 2021 einkassiert. Das langfristige Ziel wurde ebenfalls nach unten korrigiert: Langfristig peilt TeamViewer nur noch ein Wachstum im hohen 10er-Prozentbereich an, vorher waren es über 25%. Bei den Margen wird immer noch von einer Verbesserung ausgegangen.

Die 2022er-Guidance wurde zuletzt bestätigt. Die Ziele für das Geschäftsjahr:

  • Billings: 630 Mio. Euro, +15% (2021: 548 Mio.)
  • Umsatz: 565 - 580 Mio., +14% (2021: 501 Mio.)
  • mit 45 - 47% EBITDA-Marge (2021: 47%)

Diese Zahlen sind allerdings auch von positiven Wechselkurseffekten geprägt.

SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken

Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Fassen wir die Stärken zusammen, die wir im Geschäftsmodell identifizieren konnten.

  • Enorm hohe Gewinnmargen mit Bruttomarge > 85% und EBITDA-Marge > 40%
  • Standortvorteile durch Nähe zur Industrie, "made in Germany" Image und Datenschutz
  • Langfristig starkes Wachstum
  • ESG: Lösung unterstützt bei der Reduktion von Treibhausgasen (und verhindert schon heute laut eigenen Aussagen die Ausschüttung von 37 Megatonnen), was eigene Risiken reduziert und Nutzen aus Kundensicht erhöht
  • Rule of 40 mit ~60 (15% Umsatzwachstum + 46% EBITDA-Marge) immer noch deutlich übertroffen, was - trotz des Gegenwinds - hohe Kapitaleffizienz zeigt
  • Angepeilter Net Promoter Score (NPS) von 47 deutet auf hohe Kundenzufriedenheit hin

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Fassen wir die Schwachstellen des Unternehmens zusammen.

  • Durch Standort möglicher Nachteil in der Gewinnung von Softwareentwicklern (was allerdings durch neue Standorte ausgeglichen werden kann)
  • Kurzfristige Gewinnwarnungen verunsichern Anleger und machen das Geschäftsmodell schwerer prognostizierbar
  • Fehleinschätzungen des Managements: Zu teures Trikotsponsoring, zu optimistische Wachstumsprognosen - wie gut kann das Management selbst das Geschäft einschätzen? Ich bevorzuge vorsichtige oder zuverlässige Management-Prognosen, was ich hier bisher nicht erkennen konnte.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

  • Wichtiger Begleiter in der digitalen Transformation der Industrie
  • Industrie bietet großen und weltweiten Markt, der noch großen und langfristigen Digitalisierungsbedarf hat
  • Trends zum Home-Office, Klimawandel und flächendeckende 5G-Abdeckung unterstützen das eigene Geschäftsmodell
  • KI, IoT, Robotik und Automatisierung: TeamViewer nutzt alle modernen Technologien
  • Kostenreduktion, die Margen erhöht: Im Vergleich zum Vorjahr wurde die Mitarbeiterzahl um 9% reduziert, während der Umsatz leicht gestiegen ist.
  • Durch 2026 auslaufenden Sponsoring-Vertrag mit Manchester United wird dann zwar weniger Markenbekanntheit erzielt, allerdings die Kosten schlagartig um 10% am Umsatz reduziert

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Jetzt analysieren wir aber: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

TeamViewer zeigt viele Risiken im verpflichtenden Risikobericht im letzten Jahresabschluss an:

Vieles davon sind "Standardrisiken", die fast jedes Unternehmen betreffen. Sie geben aber ein umfassendes Bild. Wenn sie auftreten, würden einige davon TeamViewer stark schaden, es gibt aber kaum eines, das aktuell große Gefahr aufs Geschäftsmodell ausübt.

Die in meinen Augen wichtigsten Risiken:

  • Software-Riesen könnten in den Markt einsteigen: Das nennt TeamViewer selbst als größtes Risiko im Punkt "Wettbewerbsumfeld". Hierzu könnte Microsoft gehören, die stark bei B2B-Lösungen vertreten sind. Bisher sind hier aber noch keine Tendenzen erkennbar.
  • Teurere Investitionen in Markenbekanntheit, die sich bis 2026 ziehen
  • Kostenprobleme durch Erwartung eines höheren Wachstums
  • Konkurrenz wie AnyDesk, die jünger sind und kleine und mittelgroße Unternehmen targetieren, bei denen TeamViewer schlechter aufgestellt ist

Aktienbewertung & Investment-These

Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Der faire Wert der Aktie

Für die Ermittlung des fairen Werts (alle Erläuterungen erfährst du über diesen Link) habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

Umsatzwachstum

Das Umsatzwachstum nähert sich in der Berechnung vom kurzfristigen schrittweise an das langfristige Wachstum über 10 Jahre an.

  • Umsatzwachstum zuletzt: Umsatz 12% YoY, Billings +15%. Die Jahre davor lag das Wachstum pandemiebedingt höher.
  • Eigenes Ziel: Mittel- und langfristig im hohen 10er-Prozentbereich.
  • Analystenerwartung: Die Analysten erwarten 621 Mio. Euro Billings für 2022, also mit +13% leicht unter TeamViewers eigener Prognose. Dann +11% für 2023, +14% für 2024.
  • Meine kurzfristige Annahme: Ohne Währungseffekte läge das Wachstum 2022 nur im einstelligen Prozentbereich, was mich etwas skeptisch macht. Die Vergleichsquartale werden allerdings einfacher, die Weltwirtschaft könnte sich erholen. Ich gehe von vorsichtigeren +10% kurzfristig aus.
  • Meine langfristige Annahme: +7% p.a.

Nettomarge

Die EBITDA-Marge beträgt > 40%, die Bruttomarge > 85%. Das sind enorm hohe Werte. Die Nettomarge liegt heute bei 11%. Gute Werte, deutlich unter den Vorjahren, aber auf Sicht der letzten Quartale stabil. TeamViewer hat 2019 schon 27% Nettomarge erzielt, 2020 waren es 23%.

Angesichts der Stabilisierung und des herausfordernden Umfeldes halte ich das eher für eine Untergrenze. Dazu kommt, dass die Marge ab 2026 allein durch geringere Marketingausgaben steigen sollte. Wenn das Wachstum abnimmt, sollte TeamViewer tendenziell noch mehr in Richtung Profitabilität drehen können.

Ich nehme daher langfristig als Nettomarge 20% an.

Bewertungsniveau (KGV)

Heute ist die Aktie mit einem KGV von 40, einem KGVe von 35 und einem KCV von nur 11 bewertet. Ich nehme langfristig ein eher durchschnittliches Bewertungsniveau von 17 an.

Sonstiges

TeamViewer nutzt die Überschüsse für Schuldentilgung und Aktienrückkäufe. Ein großer Teil der Gewinne wird also an Aktionäre zurückgeführt.

Meine Renditeerwartung

Renditerechner-Tool

Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: TMV.

Status Quo » Die Zahlen heute

Möglichst der letzten 12 Monate, also TTM (Trailing Twelve Months), um die aktuellsten Daten zu nutzen.
Anteil am Gewinn, der als Dividende ausgeschüttet, per Aktienrückkauf oder per Schuldentilgung an Aktionäre zurückgeführt wird. Bei Wachstumsunternehmen oft 0%.

Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung

Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.

↘︎
↗︎
Wachstum
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
Wachstum
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
Nettomarge
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
Nettomarge
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
KGV
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Umsatz
Marktkapitalisierung
Wertsteigerung
Shareholder Yield
Gesamtrendite
Fairer Aktienkurs
Margin of Safety

Keine Garantie für die Zukunft.

Fortgeschrittene Optionen einblenden +

Selbst im pessimistischeren Szenario entsteht zumindest noch eine leicht positive Rendite. Das spricht für mich für ein geringes Abwärtsrisiko, sollte sich das Geschäftsmodell nicht signifikant verschlechtern.

Die Scorecard

StrategyInvest Scorecard

Je Kategorie bis zu 25 Punkte. Insgesamt 20+ Kriterien.

19
Qualität

Profitabilität, Bilanz & Risiken

15
Geschäftsmodell

Burggraben, Alleinstellung & Preismacht

7
Wachstum

Umsatz, Gewinne & Rule of 40

9
Bewertung

KUV, KGV & weitere

50

Gesamtscore

Gut 🙂

Pro, Contra & Fazit: Aktie jetzt kaufen?

Pro

  • Enorm hohe Profitabilität (Bruttomarge > 85%, EBITDA-Marge > 55%, FCF-Marge 40%)
  • Regelmäßig wiederkehrende Umsätze durch Abo-Modell
  • Kapitaleffizienz: Hohes Wachstum bei regelmäßigen Gewinnen mit hoher Marge
  • Durch Home-Office, Klimawandel und digitale Transformation viel Rückenwind
  • Zahlreiche Zukunftstechnologien gehören zum Produktportfolio
  • Bereits umgesetzte Kostenmaßnahmen, deren Effekt sich jetzt zeigt

Contra

  • Immer noch überdurchschnittliches Bewertungsniveau
  • In den letzten Jahren signifikante und teure Fehleinschätzungen des Managements
  • Umsatzwachstum in 2022 auch stark durch Sondereffekte (Wechselkursveränderungen) getrieben

Fazit

Ich habe recht früh in TeamViewer investiert. Bis heute ist es eine meiner größten Verlustpositionen. Das Gute: TeamViewer ist profitabel, eine Insolvenz droht nicht. Der starke Margen- und Wachstumsrückgang hat den Kurs aber zurecht abgestraft.


Optimistisch stimmt mich der hohe Überschuss, der reinvestiert oder an Aktionäre zurückgezahlt werden kann. Fundamental scheint die Talsohle erreicht, Margen verbessern sich wieder leicht und teure Experimente (Trikotsponsoring) wurden für beendet erklärt.


Nachkaufen möchte ich trotz durchaus solider Renditeerwartung zurzeit nicht, auch da ich die Bewertung nicht super günstig finde, Klumpenrisiken vermeiden möchte und die Management-Einschätzungen mich vorsichtig machen. Ich werde die Aktie daher halten.

Tags: TeamViewer | Aktien: TeamViewer

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Wo ich Aktien & ETFs kaufe: Meine Empfehlungen →

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #8: Wir diversifizieren.

Wir wissen, dass wir nicht alles wissen können. Diversifikation ist daher der beste Schutz vor zu großen Risiken. Indem wir diversifizieren schützen wir uns vor den Börsenlaunen und Extremen. Dafür setzen wir nicht nur auf einzelne Branchen, Trends oder Märkte. Wir schaffen eine breite Grundlage, nutzen dafür einzelne Aktien oder ETFs.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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