von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 10. November 2022

Die Tech-Giganten - Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Meta - galten jahrelang als stabiler Anker in Depots. Zeitweise gehörte auch Netflix zum elitären Kreis. Meta hat sich quasi verabschiedet. Nvidia und Tesla gelten als Anwärter, in derselben Reihe genannt zu werden.

Schauen wir hier auf die fünf erstgenannten Tech-Giganten. Am MSCI World machen sie über 10% aus, im S&P500 etwa 20%, im Nasdaq100 etwa 35%. Sie sind für jeden Anleger damit eine relevante Gruppe an Aktien und haben eine Signalwirkung für den gesamten (Tech-)Markt.

Wo stehen diese gerade? Wie reagieren sie auf die Krise? Wo liegen Chancen, wo aber auch signifikante Risiken?

Apple

Faktencheck

Apple hat sich im Kurs noch am stabilsten gehalten. Dadurch, dass andere Tech-Giganten stärker verloren haben, ist Apple heute mehr wert als Alphabet, Amazon und Meta zusammen (!).

  • Kurs gegenüber Allzeithoch: -25%
  • Letztes Umsatzwachstum (YoY): 8% (14% cc)
  • Aktuelle Nettomarge (TTM): 25%
  • KGVe: 22

Neue Risiken?

Apple hat eine enorme Preissetzungsmacht, was jetzt in der Krise hilft. Neue Geräte in Europa werden teurer, um die Wechselkurseffekte auszugleichen. Apple-Kunden sind und bleiben zahlungskräftig, nichtsdestotrotz kann hier der Neukauf eines Geräts aufgeschoben werden.

Engpässe der Produktion durch Lockdowns in China und etwas gedämpfte Nachfrage führt auch bei Apple zu Konsequenzen. Neue Produktvorstellungen wurden nur digital abgehalten (siehe neues iPhone und iPad) oder gänzlich verschoben (siehe neue Macbook-Generation). Umsatzschübe dadurch sind also auch etwas verzögert.

Das wohl größte Problem stellt China dar. Die wirtschaftlichen Beziehungen verschlechtern sich und Apple hat in China einerseits einen relevanten Absatzmarkt, andererseits große Teile der Produktion.

Krisenstrategie

Laut Bloomberg stellt Apple in den meisten Bereichen keine neuen Mitarbeiter ein. Je stärker an Zukunftstechnologien und -geräten gearbeitet wird, desto eher werden aber weiter Mitarbeiter eingestellt.

Microsoft

Faktencheck

Microsoft ist im Kurs um etwa ein Drittel gefallen, hat sich damit am zweitstabilsten gehalten. Die Zahlen sehen bisher solide aus.

  • Kurs gegenüber Allzeithoch: -35%
  • Letztes Umsatzwachstum (YoY): 11% (16% cc)
  • Aktuelle Nettomarge (TTM): 34%
  • KGVe: 24

Risiken

Ich sehe durch die aktuelle Situation keine großen Risiken, die speziell Microsoft treffen. Die Umsätze aus der Cloud, den Office-Produkten, Betriebssystem und anderer Software sind recht stabil und, neben allgemein schlechterem Konsum- und Investitionsklima, nicht von besonderen Risiken betroffen. Ausführlicher habe ich das zuletzt in der Microsoft Aktienanalyse diskutiert.

Krisenstrategie

Microsoft hat vor kurzem 1.000 Mitarbeiter entlassen, im Juli waren es ca. 1% der 180.000 Microsoft-Mitarbeiter. Es sind also feine Justierungen, wobei prinzipiell weiter eingestellt wird. Angesichts der soliden Entwicklung finde ich das aber angemessen.

Amazon

Faktencheck

  • Kurs gegenüber Allzeithoch: -53%
  • Letztes Umsatzwachstum (YoY): 15% (19% cc)
  • Aktuelle Nettomarge (TTM): 2%
  • KGVe: 40

Risiken

Amazon hat einige Probleme im letzten Quartalsbericht offenbart:

  • Hoher negativer Free Cashflow und negative Margen, da Kosten weiter hoch bleiben (inkl. hohen aktienbasierten Vergütungen)
  • Deutlich verlangsamtes Wachstum der Cloud AWS
  • Guidance für Q4 '22 mit 2 - 8% Umsatzwachstum YoY unter den Erwartungen

Krisenstrategie

Im Handelsgeschäft, online und offline sowie im Logistikbereich, werden in diesem Jahr keine neuen Mitarbeiter eingestellt. Vorher waren hier noch 10.000 Stellen ausgeschrieben. Amazon war hier aber auch in den letzten Quartalen recht diszipliniert, nachdem in 2020 und 2021 massiv Infrastruktur und Mitarbeiter aufgebaut worden waren.

Das klingt daher okay, wird allein die Probleme von Amazon aber nicht lösen. Die Chance für Amazon ist, dass die Nachfrage aufholt und in die höhere Kapazität hineinwächst. Ausführlich habe ich das zuletzt in der Amazon Aktienanalyse beschrieben.

Außerdem berichtete gerade das Wall Street Journal, dass Amazon CEO Andrew Jassy alle unprofitablen Geschäfte - von denen Amazon wohl eine Menge angehäuft haben dürfte - einer kritischen Prüfung unterzieht. Im Fokus steht dabei auch das Hardware-Geschäft rund um Speaker und Alexa.

Alphabet

Faktencheck

Alphabet hat deutlich verloren, im Vergleich zu den anderen Tech-Unternehmen eher durchschnittlich. Die fundamentale Entwicklung sieht noch okay aus, wird wachstumsseitig vor allem von der Suche und der Cloud getrieben.

  • Kurs gegenüber Allzeithoch: -42%
  • Letztes Umsatzwachstum (YoY): 6% (11% cc)
  • Aktuelle Nettomarge (TTM): 24%
  • KGVe: 16

Risiken

Der Markt straft Alphabet etwas stärker ab. Ein Grund könnte sein, dass das Werbegeschäft üblicherweise zyklisch ist und in der Krise zurückgeht. Die Sucherlöse zeigten sich zuletzt allerdings stabil. Das liegt auch daran, da die Suche direkte Umsätze treibt und daher, anders als reine Markenwerbung, nicht direkt zurückgefahren wird.

Die Werbeerlöse über YouTube sind tatsächlich leicht zurückgegangen, das Segment ist allerdings nur ein Bruchteil der Größe der Suche. Die Google Cloud wächst derweil weiter, das Wachstum hat sich sogar leicht beschleunigt.

Entsprechend sehe ich keine großen fundamentalen Risiken. Was der Börse allerdings nicht gefällt: Während das Umsatzwachstum deutlich zurückgegangen ist, wurde die Zahl der Mitarbeiter deutlich (um 26% YoY) erhöht und damit auch die Kosten. Das drückt die Margen. Ausführlicher habe ich das zuletzt im Alphabet Kurzupdate beschrieben.

Krisenstrategie

Alphabet möchte weiter einstellen, allerdings langsamer als zuletzt. In Q3 '22 gab es knapp 13.000 neue Mitarbeiter, was in Q4 '22 halbiert werden soll.

CEO Sundar Pichai sagt im letzten Earnings Call:

“We’re sharpening our focus on a clear set of product and business priorities. [...] Our Q4 headcount additions will be significantly lower than Q3. And as we plan for 2023, we’ll continue to make important trade-offs where needed, and are focused on moderating operating expense growth."

Meta

Faktencheck

Der größte Problemfall ist Meta. Das Unternehmen ist heute nur noch knapp 30% im Vergleich zu den Bestzeiten wert. Die Bewertung ist seit Quartalen schon günstig, da die Gewinne allerdings parallel zum Kurs dahinschmelzen, bleibt das KGV weitestgehend konstant.

  • Kurs gegenüber Allzeithoch: -73%
  • Letztes Umsatzwachstum (YoY): -4% (+2% cc)
  • Aktuelle Nettomarge (TTM): 24%
  • KGVe: 13

Risiken

Metas Umsatz ist leicht zurückgegangen, die Kosten sind im Jahresvergleich um 19% gestiegen. Das drückt auf die Margen und damit doppelt stark auf den Gewinn. Grund dafür sind vor allem die hohen Investitionen ins Metaverse.

Der Umsatzdruck entsteht vor allem durch geringere Werbeerlöse, die in der Krise leiden. Kurzfristig sind keine großen Initiativen zu sehen, wie das aufgefangen werden kann. Das Metaverse ist eine langfristige Wette, immerhin könnte Monetarisierung von WhatsApp eine Chance sein.

Krisenstrategie

Vor wenigen Tagen hat Mark Zuckerberg die Entlassung von mehr als 11.000 Mitarbeitern angekündigt. Das entspricht 13% des Unternehmens. Allerdings hat Meta auch zuletzt deutlich Mitarbeiter aufgebaut, liegt also dann auf dem Niveau von vor einigen Quartalen.

“Today I’m sharing some of the most difficult changes we’ve made in Meta’s history. I’ve decided to reduce the size of our team by about 13% and let more than 11,000 of our talented employees go. We are also taking a number of additional steps to become a leaner and more efficient company by cutting discretionary spending and extending our hiring freeze through Q1.”

Auch in 2023 sollen weniger Mitarbeiter eingestellt werden. Bis zum Q1 '23 sollen keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden. Bis Ende 2023 erwartet Zuckerberg genauso groß wie heute oder etwas kleiner zu sein.

Das klingt gut, aber nicht nach einer signifikanten Straffung der Kosten, die sich viele Investoren wünschen. Auch einige Wochen zuvor sagte Zuckerberg, dass das VR-Segment die operativen Verluste in 2023 signifikant ausweiten wird.

Fazit

Es gibt einige positive Nachrichten: Alle Big Tech Unternehmen...

  • sind auf Jahressicht und bei konstanter Währung gewachsen
  • sind mit >20% profitabel (Ausnahme: Amazon)
  • sind im gleichgewichteten Durchschnitt mit einem KGVe von 23 bewertet, also leicht über dem Marktdurchschnitt
  • stellen kurzfristig deutlich weniger oder keine neuen Mitarbeiter ein

Die Kostenreduktion wird wohl kaum eines der Unternehmen kurzfristig Umsatz kosten. Entsprechend könnten sich die Margen gut entwickeln.

Dem stehen bei einzelnen Unternehmen aber auch einige Risiken gegenüber. Fundamental treffen diese in meinen Augen vor allem Meta, in Kombination mit der Bewertung auch Apple und Amazon.

Bei Microsoft und Alphabet sehe ich wenig fundamentale Risiken und auch wenig Abwärtspotenzial in der Bewertung. Für mich ist Big Tech daher weiter hochinteressant, in Teilen eine Kaufchance, aber eben auch nicht risikofrei.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #1: Wir vertrauen auf die Aktienmärkte.

Aktien sind seit Beginn der Finanzmärkte die renditestärkste aller Anlageklassen. Sie haben Weltkriege, Wirtschaftskrisen, Hyperinflationen, unterschiedlichste politische Regime und mehr überstanden. Aktienmärkte steigen langfristig zu 99,9% - und darauf vertrauen wir.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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