von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 5. Januar 2020

Hey,

letzte Woche haben wir einmal einen Blick zurück geworfen, sowohl aufs Jahr 2019 als auch auf das 2010er Jahrzehnt, und uns dazu ein paar interessante Statistiken und Aktien rausgepickt.

Unter anderem haben wir dort die statistische Wahrscheinlichkeit angeschaut, wie sich das Jahr nach einem Jahr mit zweistellig positiver Rendite im Durchschnitt entwickelt.

Er [Ben Carlson] hat herausgefunden (Daten seit 1926 bezogen auf US-Aktienmarkt):

Aktien waren in 54 Jahren zweistellig (also > 10%) im Plus, also in mehr als der Hälfte aller Jahre (und damit deutlich öfter als die meisten denken).

Die durchschnittliche Performance im Folgejahr lag bei 11,5%.

In 39 der Folgejahre gab es eine positive Rendite, also in 72% aller Jahre. In 15 Jahren, also 28% der Jahre, folgte eine negative Rendite.

Das ist natürlich ein Durchschnitt und keinesfalls eine Garantie. Es zeigt aber, dass nur wegen eines Anstiegs 2019 kein Abstieg 2020 feststeht oder er auf der anderen Seite garantiert ist, weil die Aktienmärkte schon so lange stiegen. Es zeigt: Wir können grundsätzlich optimistisch sein.

Konkrete Prognosen, wo die Kurse am Ende des Jahres stehen werden, sind a) nicht seriös durchführbar und b) deshalb unnötige Zeitverschwendung, der sich Medien gern hingeben.

Wir halten uns von so etwas fern. Wir werden heute stattdessen einmal aus der Vogelperspektive auf die aktuelle Situation an den Aktienmärkten schauen und dafür ein paar Strategien durchgehen.

Das bedeutet nicht, dass du dein Depot sofort über den Haufen schmeißen oder nur für ein Jahr planen solltest – ganz im Gegenteil. Plane deine Asset Allocation langfristig und wohl durchdacht. Wenn du das noch nicht getan hast oder dir Wissen zu einigen Anlageklassen fehlt (Aktien, Anleihen, Gold,…), kannst du das bspw. in der Aktienrebell Academy nachholen.

Der Jahreswechsel gibt uns aber den Anlass und die nötige Zeit, einmal einen Schritt zurück zu gehen und zu reflektieren, wo wir uns gerade befinden und was uns erwarten könnte. Ich gebe dir einen kompakten Überblick über die wichtigsten Fragen dazu. Wir besprechen:

  • Was haben wir zuletzt erlebt?
  • Was wird die Märkte 2020 definitiv bewegen?
  • Wie teuer sind die internationalen Aktienmärkte aktuell bewertet?
  • Welche Rendite können wir erwarten?
  • Wie ist die Situation speziell in Deutschland und Europa?
  • Welche 5 Entwicklungen erwarten uns im neuen Jahrzehnt?
  • Kompakt zusammengefasst: Was bedeutet das für deine Geldanlage?

Was haben wir zuletzt erlebt?

Die Aktienmärkte in den USA und auch in Deutschland haben neue Höchststände erreicht oder sind zumindest etwa auf dem Niveau des vorherigen Höchstwerts.

In 2019 ist dabei bspw. der meist herangezogene US-Aktienindex, der S&P500, um ca. 30% gestiegen. Die Schwellenländer haben auch zugelegt, aber deutlich schwächer mit einem Plus von 13% im MSCI Emerging Markets.

Auch der Goldpreis hat zugelegt und steht aktuell auf einem Rekordniveau von 1.4000 US-Dollar je Feinunze.

Was wird die Märkte 2020 definitiv bewegen?

Diese Frage ist natürlich nicht vollständig, da wir nicht wissen, was noch auf uns zukommt. Mit Sicherheit werden die folgenden Ereignisse aber Auswirkungen haben – entweder negative, wenn sie sich verschlechtern, oder positive, wenn sie sich im Vergleich zur aktuellen Situation verbessern.

Dazu gehören:

  • Der Handelsstreit, v.a. zwischen China und USA. Zuletzt gab es einige Annäherungen, es besteht jedoch das Risiko, dass sich durch Abschottung (und Zöllen) der globale Handel verlangsamt. Das könnte auch gerade eine Exportnation wie Deutschland treffen.
  • Die Präsidentenwahl in den USA im November.
  • Die Geldpolitik der EZB, die höchstwahrscheinlich auch 2020 weiter expansiv sein wird. Eine Zinssteigerung im Euroraum ist aktuell nicht in Sicht.

Die größten Risiken 2020 nach der Meinung von Profi-Investoren (Quelle: Bank of America Merrill Lynch Fund Manager Survey November 2019):

  1. Globaler Handelskonflikt (39%)
  2. Blase am Anleihen-Markt (16%)
  3. ohnmächtige Geldpolitik (12%)

Wie teuer sind die internationalen Aktienmärkte aktuell bewertet?

Das sind die KGVs der wichtigsten Indizes. In Klammern die erwartete Gewinnrendite, wenn die Gewinne gleich bleiben (Berechnung: 100 / KGV):

  • S&P500 (USA): 23 (4,35%)
  • MSCI World (global): 19,7 (5,08%)
  • Euro Stoxx 50 (Europa): 18 (5,55%)
  • DAX (Deutschland): 15 (6,67%)
  • MSCI Emerging Markets (Schwellenländer): 13 (7,7%)

Die Gewinnrendite ist dabei – historisch passend – dort höher, wo entweder (a) ein höheres Risiko oder (b) niedrigeres Gewinnwachstum erwartet wird. Mehr dazu gleich.

Welche Rendite können wir erwarten?

Die Rendite (Dividenden eingerechnet) wird durch 2 Faktoren bestimmt: Das Gewinnwachstum und eine mögliche Veränderung des Bewertungsniveaus.

Wenn sich nichts verändert – die Gewinne bleiben gleich hoch und das Bewertungsniveau ebenfalls – werden die eben genannten Renditen erzielt. Je nachdem, ob erwartet wird, dass die Gewinne steigen oder fallen oder das Bewertungsniveau aktuell zu hoch oder zu niedrig ist, ändert sich dadurch die erwartete Rendite.

Die Berechnung der Renditeerwartung variiert je nach Region und der Berechnungsmethode, die man wählt. Die meisten landen bei einer erwarteten Rendite für Industrienationen von 3 – 5% pro Jahr, bei Schwellenländern etwas höher.

Das ist im Vergleich zum historischen Durchschnitt niedrig, im Vergleich zum Nullzins aber eine immer noch attraktive Rendite. Diese Risikoprämie, die dann 3 – 5% beträgt (Risikoprämie = Marktrendite – risikofreier Zins), entspricht ziemlich dem historischen Durchschnitt, was allein aus diesem Aspekt für weitestgehend normale Bewertungen spricht.

Wie ist die Situation speziell in Deutschland und Europa?

Das Wachstum in Deutschland lag zuletzt um und bei 0%. Deutschland hat Probleme bei der Digitalisierung. Wirtschaftlich angeschlagen sind einige Branchen, die einen Großteil der deutschen Aktienlandschaft ausmachen, wie die Automobilbranche.

Einige der größten Risiken in Deutschland sind damit aktuell:

  • Wenige Digitalunternehmen
  • Probleme bei Digtialisierung älterer Konzerne
  • Unternehmensfeindlichere Politik als bspw. in den USA (durch deutlich strengere Datenschutzvorgaben, höhere Unternehmenssteuern,…)
  • als Exportnation von möglichem globalen Handelsstreit betroffen
  • mögliche Probleme durch die Eurozone (mögliche Haftung, wenn Euroländer pleite gehen)

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Chancen, denn Deutschland ist aktuell im internationalen Vergleich recht günstig bewertet. Sollten sich die Erwartungen verbessern, ist hier vermutlich noch deutlich mehr Potential als bspw. in den USA.

Das als kurzer Ausblick. In Kürze werfen wir noch einen genaueren Blick auf die deutsche Aktienlandschaft.

Für Europa geht Morgan Stanley von 2% Gewinnwachstum aus. Der MSCI Europa hat aktuell ein KGV von 17, ein erwartetes KGV von 14,25, und ist damit ebenfalls günstiger bewertet als andere Industrienationen. Zum Vergleich: Der MSCI World liegt bei einem KGV von 19,7 und einem erwarteten KGV von 16,67.

Welche 5 Entwicklungen erwarten uns im neuen Jahrzehnt?

Die Zeitschrift Capital hat 5 Thesen aufgestellt, was uns im nächsten Jahrzehnt erwarten wird:

(Hab dabei im Hinterkopf: Risiken und Ungewissheit gibt es immer und gab es immer an Aktienmärkten, es ist also etwas sehr normales.)

  1. Populismus
    „Vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme kennzeichnen den Populismus: einfach mal eine Mauer bauen, einfach mal die Mieten deckeln, einfach mal raus aus der EU.“ Laut Capital könnte Populismus zu mehr Abschottung einzelner Länder und zunehmenden Schuldenbergen führen, die (a) die Inflation steigen lassen und (b) weiteren Druck auf die Anleihenmärkte ausüben.
  2. Demografie
    „Mit dem Problem eines schrumpfenden Arbeitskräftepools steht Deutschland nicht alleine da. Überall in Europa, aber auch in Nordamerika, Japan und besonders aus- geprägt in China entwickelt sich die Demografie zur Wachstumsbremse Nummer eins. „Das Wirtschaftswachstum bleibt gemessen an vergangenen Standards niedrig, und die alternde Bevölkerung ist der Hauptfaktor“, heißt es in einer Studie von JP Morgan Asset Management zur Entwicklung der Kapitalmärkte in den kommenden zehn bis 15 Jahren.“
  3. Geldpolitik
    „Charles Prideaux vom Vermögensverwalter Schroders warnt: „Die Zinsen bleiben während der ganzen Dekade niedrig, erwarten Sie keine Rückkehr zur Situation vor der Finanzkrise.“ Doch die Folgen der ultralockeren Geldpolitik reichen über Niedrigzinsen hinaus. Die Bank of America warnt in einer Studie vor „quantitativem Versagen“ und „geldpolitischer Impotenz“. Es sei zu befürchten, „dass mehr an Geldpolitik allein nicht dazu beiträgt, die Investitionsfreude der Anleger zu stärken oder eine sinnvolle Reflation zu erzeugen.“ Den Grund dafür sehen die US-Banker außerhalb der Geldpolitik: die Demografie, die wachsende Ungleichheit, die technischen Disruptionen, all das bremse die Inflation.“
  4. Technologie
    Dass der Einsatz von Technologie – Internet, Robotik, künstlicher Intelligenzen und mehr – immer mehr Einzug in unseren Alltag und die Aktienwelt bekommt, ist unumstritten. Dieser Wandel hat mehrere Auswirkungen: Er könnte dem demopgraphischen Wandel entgegen wirken und wegfallende Arbeitsplätze ersetzen. Darüber hinaus kann Technologie weiteres Wachstum schaffen, wie es bisher jede technologische Revolution geschafft hat.
  5. Moral
    Immer mehr Menschen und auch Anleger legen Wert auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung der Unternehmen, zumindest in den westlichen Industrienationen. Nicht zuletzt durch den Klimawandel wird das immer weiter angefacht. Das hat unterschiedliche Auswirkungen: Gesetze können die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Laufe des Jahrzehnts ändern. Auch in der Investment-Welt wird die Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten und Aktien steigen.

Auch diese Thesen – und die großen Makrotrends – werden wir in naher Zukunft nochmal genauer beleuchten.

Kompakt zusammengefasst: Was bedeutet das für deine Geldanlage?

Abschließend folgt einmal meine persönliche Zusammenfassung aus diesen Erkenntnissen und mein Umgang damit.

An Aktien führt nach wie vor kein Weg vorbei. Sie bleiben die attraktivste Anlageklasse, auch wenn die erwartete Rendite nicht so hoch sein sollte, wie in den vergangenen Jahren. Wenn doch, können wir uns freuen, erwarten sollten wir es aber nicht.

Europäische Staats- und Unternehmensanleihen sind unattraktiv. Im letzten Jahr konnten sie noch zulegen, weshalb das auch jetzt nicht ausgeschlossen ist. Das Risiko, dass Anleihenkurse fallen und ihren Risikoschutz verlieren, wenn eine Zinserhöhung erwartet wird (ja, eine Erwartung einer Erhöhung reicht schon und hat Auswirkungen, bevor der Zins tatsächlich angehoben wird), schätze ich aber als deutlich höher ein.

Anleihen aus Schwellenländern können interessant sein und habe ich selbst in kleinem Umfang in meinem Portfolio beigemischt. Hier gibt es Währungsrisiken, die sich aber im langfristigen Durchschnitt ausmitteln sollten. Hier kann noch eine Rendite von 4 – 5% im Jahr erwartet werden, die natürlich riskanter erkauft wird als mit Staatsanleihen von Industrienationen, trotzdem aber historisch ein attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis aufweisen.

Im globalen Kontext denke ich, dass die aktuellen Bewertungen die unterschiedlichen Risiken weitestgehend recht gut widerspiegeln.

Aktien aus Schwellenländern halte ich nach wie vor für sehr attraktiv, da diese mit einem KGV von 13 sehr günstig bewertet sind (und einige Risiken mit sich bringen), aber ein recht hohes Gewinnwachstum, eine vergleichsweise gute demographische Entwicklung und wachsende Volkswirtschaften mit sich bringen, wodurch diese auch weltpolitisch an Macht gewinnen werden.

Das Investieren in Aktien aus Europa und Deutschland halte ich für okay, wenn man sich den Risiken bewusst ist. Ein zu großes Investment (Stichwort „Home Bias) würde ich wegen der höheren Risiken vermeiden. In Europa kann ein gezieltes Investieren in Qualitätsaktien interessant sein, bspw. durch den MSCI Europe Quality (aktuell KGV von 18). Auch in Deutschland sehe ich Chancen, vor allem durch die aktuell recht günstige Bewertung.

Technologie-Unternehmen und die Aktien von diesen sind weiter auf dem Vormarsch. Einige sind sehr sportlich bewertet, andere nähern sich normaleren Bewertungen, v.a. auch die FAANG-Aktien, über die wir hier schon gesprochen haben. Aktuell sind 7 der 10 größten Aktienunternehmen Technologie-Unternehmen und ich gehe davon aus, dass diese Quote am Ende des Jahrzehnts eher höher als niedriger sein wird.

In diesem Sinne: Auf ein hoffentlich erfolgreiches neues Jahr und Jahrzehnt!

Beste Grüße
Jannes

Tags: Asset Allocation | Aktien:

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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