von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 10. Juli 2022

ist kaum Anlegern bekannt. Genau diese Unbekanntheit kann sie aber umso spannender machen.

SimilarWeb sammelt unzählige Daten, bereitet diese auf, analysiert sie und stellt sie den Nutzern, meistens Unternehmen, zur Verfügung. Es soll datenbasiertes Entscheiden ermöglichen – nicht nur auf Basis der eigenen, sondern eben auch auf Daten der Konkurrenz.

Die Aktie ist recht neu an der Börse: Für 1,6 Mrd. Dollar ging es 2021 aufs Börsenparkett. Aktuell ist SimilarWeb noch 600 Mio. Dollar wert, wird damit nur noch zu einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 4 gehandelt. Dabei hat sich das Wachstum beschleunigt, der Verlust allerdings auch ausgeweitet.

Fünf spannende Punkte zur Aktie, die wir gleich vertiefen werden:

  • 📈 Enorm hohes Wachstum: Das Umsatzwachstum liegt heute bei 51% und hat sich damit seit Börsengang nochmal beschleunigt. Auch das Volumen bereits unterschriebener Verträge hat zugenommen.
  • 💻 SaaS: 99% der Umsätze sind wiederkehrend, die Bruttomarge liegt bei 75%. SimilarWeb setzt ein attraktives SaaS-Modell um.
  • 🔥 Cash-Burn: SimilarWeb ist in allen Metriken, trotz der hohen Bruttomarge, noch deutlich defizitär. Der Verlust liegt etwa bei der Hälfte des Umsatzes. Kann der Schritt in die Profitabilität gelingen?
  • 💿 Datenbasiertes Geschäftsmodell: SimilarWeb sammelt Daten, aggregiert und analysiert diese und stellt sie unterschiedlichen Zielgruppen – Marketing-Experten, Unternehmen und auch Investoren – zur Verfügung.
  • 🔐 Datenschutz: Strengere Regulatorik beim Datenschutz kann das Geschäftsmodell bremsen. Der CEO sieht darin aber sogar eine Chance, bei der SimilarWeb umso wichtiger werden könnte.

Finden wir also heraus, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Aktie überbewertet? Oder kann man jetzt Aktien kaufen und damit langfristig profitieren? Diesen Fragen werden wir uns hier nähern.

Die Analyse beruht u.a. auf folgenden Quellen & Einschätzungen:

  • Aktuellste Finanzkennzahlen bis zum letzten Quartal
  • Geschäftsbericht & Investorenpräsentation
  • Letzte Earnings Calls
  • Bewertungen von B2B-Portalen 
  • Interviews & Aussagen der Führungsebene

Viel Spaß!

Überblick: Das steckt hinter dem Unternehmen

Das Unternehmen

SimilarWeb wurde 2009 in Israel gegründet, der Hauptsitz ist heute in London. Die beiden Gründer, Or Offer und Nir Cohen, leiten das Unternehmen noch heute.

Produkt & Geschäftsmodell

SimilarWeb sammelt Daten und stellt diese anderen zur Verfügung. Am populärsten ist SimilarWeb um sich mit Konkurrenten, vor allem im Marketing, zu vergleichen:

  • Über welche Kanäle generieren andere Neukunden?
  • Für welche Suchbegriffe wird Werbung geschaltet?
  • Wie lange halten sich Nutzer auf den Seiten meiner Konkurrenten auf?
  • Wie stark überschneiden sich Zielgruppen?

Oftmals geht es bei datengetriebenen Geschäftsmodellen um die eigenen Daten. Hier geht es um die Daten der anderen. SimilarWeb sagt: Die eigenen Daten kennen die meisten Unternehmen, sie haben aber wenig Ahnung, wie die Daten bei der Konkurrenz aussehen.

Dabei hat SimilarWeb über die letzten Jahre die Kundengruppe erweitert. Ursprünglich ging es um Marketingdaten, stark auch im Bereich der Suchmaschinenoptimierung, heute gibt es Vertriebsdaten, Website-Analytics, E-Commerce Daten und auch Daten für Investoren.

Im Bereich für Investoren können Fragen auftauchen, für die SimilarWeb Daten hat:

  • Wieviele Seiten haben eingebunden?
  • Wieviele Seitenaufrufe hat ein bestimmtes Unternehmen?
  • Wie oft wurde eine bestimmte App (bspw. Instagram) heruntergeladen?

Aktienkurs

SimilarWeb ist im Mai 2021 für 1,6 Mrd. US-Dollar an die Börse gegangen. Seitdem ist die Aktie um etwa 60% gefallen, etwa gleichauf mit vielen anderen Wachstumsaktien.

Zahlencheck & Business Breakdown

Ab in die Zahlen-Corner. Wie sieht das Geschäft zahlenseitig aus?

Überblick

  • Der aufs Jahr hochgerechnete Umsatz auf Q1 '22 Basis liegt bei 177 Mio. US-Dollar
  • Umsatzwachstum im letzten Quartal: 51% über Vorjahr
  • Net Retention Rate von 127% bei Großkunden
  • 99% wiederkehrende Umsätze, 35% der Abo-Verträge dabei über mehrere Jahre

Ertragsentwicklung & Wachstum

Der Umsatz wächst stetig – und das Wachstum legt zu. Zuletzt lag es bei 51% über Vorjahr, was der höchste Wert seit Q1 2021 ist.

Im Shareholder Letter wurde außerdem darauf hingewiesen, wie viel Umsatz schon vereinbart, aber noch nicht verbucht ist:

  • Deferred Revenue (Geld bereits erhalten, Leistung in Zukunft): 91,3 Mio. Dollar (knapp 30 Mio. mehr als im Vorjahresquartal)
  • RPO (vertraglich vereinbart, Leistung in Zukunft): 159 Mio. Dollar (>60 Mio. mehr als im Vorjahresquartal), davon werden voraussichtlich 88% in den nächsten 12 Monaten abgerufen

Anders gesagt: Die 88% der RPO sind 140 Mio. Dollar, die SimilarWeb bereits an Umsatz unterschrieben hat – ohne Neukunden oder weitere Erhöhungen von Bestandskunden. Der Umsatz der letzten 12 Monate lag bei ~150 Mio. Dollar.

Die Nutzer werden dabei größer. SimilarWeb fokussiert sich immer mehr auf größere Kunden, auf der anderen Seite werden die Kunden auch stärker gewachsen sein. Heute geben über 50% der Kunden mehr als 100.000 US-Dollar pro Jahr für SimilarWeb aus. Im Markt gilt SimilarWeb auch als vergleichsweise teures Tool.

Profitabilität

Bei adjustierten Kennzahlen liegt die Bruttomarge bei 78%, die operative Marge ist mit -38% deutlich negativ, die Free Cashflow Marge mit -22%. Dabei hat der Verlust im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen.

Wohin geht das Geld?

  • 28% in Forschung & Entwicklung – guter Wert
  • 65% in Sales & Marketing – recht hoch, siehe Vergleich bei
  • 21% in Allgemeines & Administratives

Saleseffizienz

SimilarWeb gibt mit 65% des Umsatzes viel Geld für Sales & Marketing aus. Die entscheidendere Frage ist: Wie gut wird dieses Geld eingesetzt?

SimilarWeb geht dazu tiefer ins Detail. Die Ausgaben teilen sich etwa zu 55 – 60% auf Neukunden (und diese zu gewinnen) auf, 40 – 45% auf Bestandskunden (und diese zu halten oder deren Abo zu erweitern).

Daraus ergibt sich, wenn die Marketingkosten nur auf Neukunden ins Verhältnis zum Mehrumsatz  werden, dass ein Kunde nach 15 – 16 Monaten die Marketingausgaben wieder eingespielt hat.

Die Rechnung finde ich nicht ganz sauber. Es wird zusätzlicher Bruttogewinn ins Verhältnis zu 55 – 60% der Marketingkosten gesetzt. Der Bruttogewinn-Zuwachs stammt aber auch zu wesentlichen Teilen aus Bestandskunden, müsste also auch bereinigt werden. Dazu lassen sich Marketingausgaben kaum so sauber abgrenzen.

Schauen wir einmal auf die Magic Number: Der im jeweiligen Quartal gewonnene Zusatzumsatz aufs Jahr hochgerechnet, geteilt durch die Marketingausgaben des Quartals. Unter 0,5 ist schlecht, zwischen 0,5 und 1 gut, bei einem Wert über 1 wird eher zu wenig für Marketing ausgegeben.

  • Q2 '21: 0,72 (4 Mio. * 4 / 22 Mio.)
  • Q3 '21: 0,5 (3 Mio. * 4 / 24 Mio.)
  • Q4 '21: 0,57 (4 Mio. * 4 / 28 Mio.)
  • Q1 '22: 0,53 (4 Mio. * 4 / 30 Mio.)

Wir sehen: Die Saleseffizienz ist gut bis okay, aber etwas unter dem Niveau des Vorjahres, Vor allem die Marketingausgaben nehmen zu, während der generierte Mehrumsatz eher stabil bleibt.

Rule of 40

Die Rule of 40 (Summe aus EBITDA-Marge / Free Cashflow Marge und Umsatzwachstum) zeigt an, wie kapitaleffizient ein Unternehmen wächst. Alles über 40 gilt als sehr gut.

Der Free Cash Flow war zuletzt mit -10% und -20% negativ, das Umsatzwachstum bei 50%. Entsprechend ist der Wert nach Rule of 40 bei 30 – 40, was okay bis gut ist. Anders gesagt: Mit dem Verlust wird sich ausreichend Wachstum erkauft.

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz ‚e‘ = erwartet, ‚YoY‘ = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: Großbritannien
  • Branche: SaaS für Datenbereitstellung
  • Marktkapitalisierung: 630 Mio. USD
  • Umsatz: 150 Mio. USD
  • Ergebnis: -80 Mio. USD
  • Free Cashflow: -35 Mio. USD

Bewertung

  • KUV: 4,1
  • KGV: –
  • KGVe: –
  • KCV: –

Qualität & Wachstum

  • Eigenkapitalquote: 23%
  • Bruttomarge: 75% (Non-GAAP: 78%)
  • Operative Marge: -50% (Non-GAAP: -40%)
  • Nettomarge: -55% (Non-GAAP: -30%)
  • Umsatzwachstum: 51% YoY

Geschäftsmodell, Burggraben & Strategie

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht. Außerdem: Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

Geschäftsmodell

Wir haben schon gesehen, in welcher Form SimilarWeb die Produkte anbietet. Aber woher kommen die Daten und worin liegt die Wertschöpfung?

Ein kritischer Faktor ist die Menge und Qualität der Daten. Nur wenn ausreichend Daten mit hoher Qualität zur Verfügung stehen lassen sich daraus gute Erkenntnisse ziehen. Dabei hat die Online-Welt immer wieder einen Wandel hingelegt: Vom Browser in die App, neue Datenschutzregeln, Cookies, Browser-Plugins und mehr.

SimilarWeb bekommt Daten über unterschiedliche Wege:

  • SimilarWeb sammelt nach Zustimmung Daten zum Nutzerverhalten auf unterschiedlichen Geräten
  • Über eine Million an Webseiten und Apps teilen direkt ihre Analytics
  • Öffentliche Daten werden auf Millionen von Webseiten und Apps gesammelt
  • Über Partnerschaften werden digitale Signale gesammelt

Die Daten werden strukturiert und aufbereitet. Wie heute üblich werden auch statistische Modelle und KI genutzt, um Erkenntnisse aus diesen Daten ziehen zu können.

Daten zu sammeln und zu verkaufen ist nicht einfach. Die Sammlung findet über unterschiedliche Geräte und Betriebssysteme statt, die Daten werden bereinigt und einheitlich zusammengeführt. Bei der Modellierung geht es darum Prognosen oder Ableitungen daraus zu treffen. Anschließend werden die Daten für unterschiedliche Anwendungsfälle aufbereitet.

Datenschutz als Problem?

Der Datenschutz wird tendenziell verschärft, gerade in Europa. SimilarWeb beruht auf Daten. Entsprechend stellt sich die Frage: Ist das Geschäftsmodell gefährdet?

Die Zahlen der letzten Quartale zeigen erstmal keine Probleme. Das Geschäft besteht und wächst weiter ziemlich stark.

Wie erklärt SimilarWeb das inhaltlich? Unter anderem so:

Since data collection is at the heart of our business, we have invested heavily and proactively for years to place compliance and user transparency at the center of our diverse data collection practices:* We employ a multi-step verification process to ensure data collected is devoid of any Personally Identifiable Information (PII)* Behavioral data is shared anonymously and aggregated at the site- and app-level rather than the user-level* Data is never used for advertising or targeting, and we don't use “cookies” to collect behavioral data

Es werden vorher Einwilligungen eingeholt, außerdem öffentliche Daten genutzt. Einige europäische Unternehmen haben Probleme mit Daten auf US-Servern, hier hat SimilarWeb den Vorteil in Europa zu sitzen.

Aber: Sicherlich würde hier SimilarWeb mehr Daten sammeln können, wenn die Datenschutzrichtlinien weniger streng sind.

Spannend ist aber, dass SimilarWeb CEO Offer den strengeren Datenschutz eher als Chance sieht. Er begründet es so:

Third, we are entering a new era where privacy and security concerns take center stage. The increasing number of walled gardens of the digital world are making it harder on brands to access critical audience data about their own audience. As third party cookies are eliminated, and control of identifiers for advertisers (IDFAs) moves into the hands of consumers, companies will become increasingly dependent on market research and market data to gain visibility into their performance within the digital world. As a result, we believe Similarweb solutions are becoming more mission critical than ever.

Er sagt: Wenn Unternehmen weniger ihrer eigenen Daten sehen, werden externe Datenquellen und Marktdaten wie von SimilarWeb umso wichtiger. Auch das ist ein nachvollziehbares Argument.

Peer-Vergleich

In einigen Bereichen, gerade im Kernprodukt der Market Intelligence Software, wird SimilarWeb von G2 als führend eingeschätzt.

Strategie & Chancen

SimilarWeb sieht sich selbst in einem 34 Mrd. Dollar Markt. Kombiniert mit dem aktuellen Jahresumsatz von ~150 Mio. Dollar entspricht das 0,4% Marktanteil.

Auf dem Wachstumspfad gibt es vier Meilensteine:

  1. Kundenakquise beschleunigen
  2. Mit Bestandskunden wachsen
  3. Das Produktportfolio ausbauen bzw. vertiefen
  4. M&A: Andere Unternehmen & Lösungen akquirieren

Meine Bewertung des Geschäftsmodells

Ein starkes Geschäftsmodell ermöglicht Wachstum, einen Burggraben und damit Differenzierbarkeit von der Konkurrenz, höhere Gewinnmargen und Preismacht.

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt's hier und hier.

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Tags: SaaS, SimilarWeb | Aktien: SimilarWeb

Die Inhalte stellen keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden. Vor jeder Investition solltest du selbst Chancen und Risiken prüfen.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #11: Wir wissen, dass es nicht nur um uns geht.

Unternehmen sind nicht nur für die Aktionäre da, sondern haben eine Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft.Ich bin fest überzeugt: Menschen haben individuelle Ansichten und Motive. Zum Glück. Und Unternehmen sind selten komplett gut oder komplett schlecht - und auch diese Einschätzung ist oft individuell und nicht einfach zu treffen. Aber: Wer es sich leisten kann, sollte destruktive Geschäftsmodelle, deren Erfolg automatisch eine schlechtere Welt bedeuten würde, nicht unterstützen. Es gibt dann immer noch mehr als genug Möglichkeiten.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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