von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 5. Mai 2023

Shopify liefert einen der stärksten Kurssprünge der Earnings Season: +25% ging es nach Verkündung der Zahlen bergauf. Die Aktie ist auch in meinem Depot (gekauft etwa 80% unter Allzeithoch), entsprechend gespannt schaue ich selbst auf die Zahlen und was das für die Zukunft bedeutet.

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Die Zahlen im Check

Shopify gilt als führende E-Commerce Software und möchte dies zu einem umfassenden Angebot für Online-Händler ausbauen. Die Zahlen waren immer stark, das Geschäftsmodell ebenfalls, die Bewertung aber auch hoch.

Gerade die hohe Bewertung und der deutlich abgeflachte E-Commerce waren Gründe, warum die Aktie über 80% vom Allzeithoch gefallen sind. Seitdem ging es immerhin fast wieder 100% bergauf, die Aktie steht noch ca. 65% unter Allzeithoch.

Meine letzten Erwartungen aus der Shopify Aktienanalyse von Oktober '22, als die Aktie nahe des Allzeittiefs und einem Börsenwert von 33 Mrd. Dollar stand war ein kurzfristiges Umsatzwachstum von ~20%, nachdem das letzte Quartal bei +16% lag.

Die neuesten Zahlen aus Q1 '23 (währungsbereinigt und im Jahresvergleich):

  • GMV (Außenhandelsvolumen): +18%
  • Umsatz: +27% (nicht-währungsbereinigt +25%)
  • Merchant Solutions Umsatz: +33%, also überproportional und getrieben durch vermehrten Einsatz von Shopify Payments
  • Subscription Solutions Umsatz: +11%
  • Bruttogewinn: +12%, 48% Bruttomarge
  • Operative Marge: -13% (im Vorjahr: -8%)
  • Free Cashflow Marge: 6% (im Vorjahr: -3%)
  • Netto-Cashposition: 3,9 Mrd. Dollar

Das Umsatzwachstum konnte wieder deutlich zulegen. Der Free Cashflow ist wieder positiv, der Verlust weniger deutlich als gedacht.

Der Ausblick hat ebenfalls positiv überrascht: Der Umsatz soll ähnlich stark wie im ersten Quartal wachsen, die Bruttomarge ähnlich sein. Die operativen Ausgaben sollen um ~5% zurückgehen - den Grund sehen wir gleich.

Entlassungen, Logistik-Verkauf & mehr

Shopify hat(te) eine riesige Vision: Ein vollumfassendes E-Commerce Ökosystem aufbauen. Nicht nur die Software stellen, sondern auch Zahlungsabwicklung, Finanzierungsmöglichkeiten, Marketingwege und Logistik.

In der Praxis ist das schwerer als gedacht. Die Zahlungsabwicklung entwickelt sich gut, das Logistikgeschäft ist aber hart. Deshalb hat Shopify es nun an Flexport verkauft.

Flexport selbst wurde erst 2013 gegründet und will ein modernes, auf Technologie aufgebautes, globales Logistiknetzwerk aufbauen.

Der Deal sieht nun so aus: Shopify erhält 13% der Anteile von Flexport, zusätzlich zur bestehenden Beteiligung. Zuletzt lag die Bewertung von Flexport bei 8 Mrd. Dollar, auf ca. 1 Mrd. Dollar würde ich Shopifys Anteilswert daher schätzen. Shopify darf eine Person in das Board von Flexport setzen. Flexport wird der offizielle Logistikpartner von Shopify.

In meinen Augen ein kluger Deal. Man behält Flexport als Partner eng an sich gebunden, verschlankt allerdings das eigene Geschäftsmodell und die eigene Kostenbasis. Es zeigt aber auch, dass die Vision des riesigen Ökosystems, das Shopify aus einer Hand anbietet, schwieriger umzusetzen ist als gedacht.

Damit nicht genug. Mitte 2022 hat Shopify um CEO Tobi Lütke 10% der Mitarbeiter entlassen müssen. Der zentrale Grund war der folgende Chart: Der E-Commerce ist nicht wie einkalkuliert auf hohem Niveau weiter gewachsen, sondern kehrte zu seiner ursprünglichen Größe zurück.

Nun gab es einen neuen Brief an die Belegschaft von Tobi Lütke. Weitere 20% der Mitarbeiter müssen das Unternehmen verlassen. Ein ziemlich drastischer Einschnitt, neben dem Verkauf der Logistiksparte, der - nach meinem Verständnis - nicht in den 20% inkludiert ist.

Beides wird starke Effekte haben. Der Verkauf soll in Q2 '23 offiziell über die Bühne gehen. Die Mitarbeiter werden nun entlassen, erhalten 16 Wochen Gehalt als Abfindung plus weitere Zahlungen je nach Länge der Zugehörigkeit. In Q2 '23 werden die Kosten daher ansteigen, danach deutlich sinken und die Margen steigen.

Meine aktualisierte Renditeerwartung

Ich halte Shopify weiterhin für eines der am stärksten gemanagten Unternehmen. Auch unbequeme Entscheidungen werden konsequent getroffen. Die Kosten können reduziert werden, während der Umsatz durch die wiederkehrenden Software-Umsätze weiterläuft. Das ist der Charme solcher Modelle.

Aber: Meine Renditeerwartung war in meinen Analysen nicht übermäßig groß. Ich habe gekauft, da ich viel Pessimismus am Markt gesehen habe und die Chancen bei Shopify die Risiken überwiegen.

Seit meiner Analyse ist die Aktie um etwa 75% gestiegen, aber auch die Fundamentalzahlen haben sich wieder verbessert. Schauen wir also einmal, welche Annahmen zu welcher Renditeerwartung führen.

Ich erhöhe die kurz- und langfristige Wachstumserwartung. Die Margenerwartung erhöhe ich leicht, damit auch das Bewertungsniveau. Der Umsatz ist ebenfalls höher. Für eine ausführlichere Herleitung empfehle ich die Shopify Aktienanalyse.

Da Shopify aktuell knapp 4 Mrd. Dollar Nettocash hat, nehme ich nicht den Börsenwert von 73 Mrd. Dollar, sondern den Enterprise Value von 69 Mrd. Dollar.

Update vom 8.05.: Schon wenige Tage später ist die Aktie weiter gestiegen, nun auf einen Börsenwert von 83 Mrd. Dollar und damit einen Enterprise Value von 79 Mrd. Dollar.

Renditerechner-Tool

Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: SHOP.

Status Quo » Die Zahlen heute

Möglichst der letzten 12 Monate, also TTM (Trailing Twelve Months), um die aktuellsten Daten zu nutzen.
Anteil am Gewinn, der als Dividende ausgeschüttet, per Aktienrückkauf oder per Schuldentilgung an Aktionäre zurückgeführt wird. Bei Wachstumsunternehmen oft 0%.

Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung

Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.

↘︎
↗︎
Wachstum
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
Wachstum
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
Nettomarge
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
Nettomarge
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
KGV
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Umsatz
Marktkapitalisierung
Wertsteigerung
Shareholder Yield
Gesamtrendite
Fairer Aktienkurs
Margin of Safety

Keine Garantie für die Zukunft.

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So gern ich das Unternehmen mag: Die Renditeerwartung ist in meinen Augen überschaubar. Die Analystenerwartungen sind größtenteils noch nicht aktualisiert, sehen aber kurzfristig eher ein Umsatzwachstum von 18 - 20% p.a. Dagegen ist eine Erwartung schon etwas optimistischer. Die Aktie notiert bei einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 13, was immer noch eines der höchsten am Markt ist.

Mein Zwischenfazit

Ich freue mich über die starken Zahlen und die Entscheidungen. Ich sehe darin viel Potenzial, das auch die Margen verbessern könnte. Auf der anderen Seite ist nun auch immer noch bzw. wieder viel Optimismus eingepreist.

Shopify finde ich etwas teuerer bewertet. Auf der anderen Seite ist es eine der Aktien, der ich am meisten Optionalität zutraue, also das größte und naheliegendste Erweiterungspotenzial des Geschäftsmodells.

Würde ich die Shopify-Aktie heute wieder kaufen? Vermutlich eher nicht. Womöglich werde ich die Aktie daher mit einem niedrigen zweistelligen %-Gewinn in den nächsten Tagen verkaufen.

Tags: Shopify | Aktien: Shopify

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #16: Wir kennen unsere Schwächen.

Die Verhaltensökonomen wissen, wie irrational wir uns oft in unseren Finanzen und in unserer Wahrnehmung verhalten. Das Schlimmste: Die meisten "kognitiven Verzerrungen", wie Wissenschaftler sie nennen, merken wir nicht mal. Wir nutzen das Wissen der Anlegerpsychologie, beobachten und reflektieren uns selbst, um uns vor Fehlern zu bewahren.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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