SAP ist eines der wertvollsten Unternehmen Deutschlands und das mit Abstand erfolgreichste Technologie-Unternehmen. Aber: Einige Konkurrenten holen mit schnellen Schritten auf und haben SAP im Wert teilweise schon überholt. SAP muss sich weiterentwickeln.
Ende 2020 ist die Aktie überraschend um über 30% abgestürzt. Kurz danach hat ein Insider ca. für 250 Mio. Euro (!) SAP-Aktien gekauft. Der Kurs hat sich dann erholt, ist aber wieder auf das Niveau von Ende 2020 gefallen. Der CEO eines Konkurrenten äußert sich kritisch, genau wie das Manager Magazin, das sich auf Unternehmensinsider beruft.
Wie steht es also um SAP? Bietet sich hier eine günstige Kaufgelegenheit in Deutschlands stärkstes Tech-Unternehmen?
Cloud-Transformation: Das Geschäft soll mit aller Macht auf ein Cloud-Modell umgestellt werden, statt dem bisherigen On-PremiseBezeichnet das lokale Installieren von Software, bspw. auf dem eigenen Rechner oder Server. Der andere Weg ist das Installieren in der Cloud, um von überall darauf zuzugreifen. More Vertrieb. Das bedeutet hohe Investitionen und langfristig hoffentlich höhere Margen. Kann die Rechnung aufgehen?
Deutschlands Tech-Hoffnung: SAP ist mit über 100 Mrd. Euro eines der wertvollsten Unternehmen Deutschlands und der mit Abstand größte Tech-Konzern.
Seitwärtsbewegung: SAP liegt etwa auf dem Kursniveau von vor fünf Jahren, obwohl Technologie insgesamt wichtiger wurde. Kann es bald wieder bergauf gehen?
- 💰 Insiderkäufe mit Beigeschmack: Kaum ein Unternehmen in Deutschland hat so starke Insiderkäufe wie SAP – aber dabei gibt es einen faden Beigeschmack.
Mehr als genug Gründe, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Die Quellen der Analyse sind u.a.:
- Aktuellste Finanzkennzahlen bis zum letzten Quartal (Q2 ’22 von Ende Juli ’22)
- Geschäftsbericht & Investorenpräsentation, vor allem der Sapphire – Financial Analyst Conference sowie dem Strategie-Update aus Q3 2020
- Letzte Earnings Calls (u.a. Q2 ’22)
- Gespräche mit SAP-Beratern sowie eigene Nutzererfahrung
- Interviews & Aussagen der Führungsebene, v.a. von CEO Christian Klein
- Recherchen vom Manager Magazin (07/22)
Überblick, Entwicklung & Zahlencheck
Überblick
SAP ist ein 1972 von Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector gegründeter Software-Konzern, der heute das größte Unternehmen im DAX ist. SAP steht dabei für „Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung“.
Im Kern verkauft SAP Softwarelizenzen zur Abwicklung und Abbildung aller Prozesse eines Unternehmens. Dieses Geschäftsmodell besteht vor allem aus einem sogenannten ERP-System (Enterprise-Resource-Planning), das alle geschäftsrelevanten Beziehungen und Daten abbildet.
Die eigene Strategie beschreibt SAP so:
Die SAP-Strategie soll dabei helfen, jedes Unternehmen in ein intelligentes Unternehmen zu verwandeln. SAP unterstützt Menschen und Unternehmen dabei, fundiertes Wissen über ihre Organisationen zu gewinnen, fördert die Zusammenarbeit und hilft so, dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein. Wir vereinfachen Technologie für Unternehmen, damit sie unsere Software nach ihren eigenen Vorstellungen einfach und reibungslos nutzen können.
SAP ist mit über 100.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von >29 Mrd. Euro und einem Börsenwert von zeitweise über 150 Mrd. Euro der wertvollste deutsche börsennotierte Konzern. Aktuell liegt der Wert etwa bei 110 Mrd. Euro.
Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt, hat allerdings zuletzt durch die Corona-Krise, ein schlechtes Q3 2020 (mehr dazu gleich) und den Marktdruck der letzten Monate Rückschläge erlitten:
Ich habe die Aktie zuletzt Ende 2020 analysiert, nachdem sie 30% in kurzer Zeit aufgrund enttäuschender Earnings gefallen ist. Die Aktie ist danach leicht gestiegen, heute aber wieder auf ähnlichem Niveau. Damals war mein Fazit:
Insgesamt […] kein Bild, das SAP gerade zum Super-Schnäppchen, sondern eher zu einer fair bis leicht unterbewerteten Aktie macht.
Zahlencheck
Der Umsatz ist im jüngsten Quartal, Q2 ’22, um 13% gestiegen. Der Cloud-Umsatz ist überproportional mit 34% gewachsen. Der Cloud-Backlog, also bereits unterschriebene, aber noch nicht bilanzierte Verträgen ebenfalls mit 34%.
Dabei hat SAP vom stärken US-Dollar profitiert: Währungsbereinigt liegt das Umsatzwachstum nur bei 5%, das Cloud-Wachstum bei 24%.
~41% des Umsatzes entfallen auf Cloud-Umsätze, Tendenz steigend. ~6% sind Software-Lizenzen, 40% Software-Support. 80% des Umsatzes fasst SAP als „more predictable revenue“, also als „besser vorhersehbaren Umsatz“ zusammen. Kein klassischer Abo-Umsatz, aber mit ähnlichen Charakteristiken.
SAP ist ein kontinuierlicher Dividendenzahler. Seit 2011 steigt sie Jahr für Jahr, wenn um Sonderdividenden bereinigt wird.
Produkt & Geschäftsmodell
SAP teilt das eigene Geschäfte auf zwei Segmente (in den vorherigen Geschäftsberichten noch vier) auf:
- Applications, Technology & Services (96% Umsatzanteil): Dieses umfasst das Hauptgeschäft von SAP inklusive ERP-System, HXM und weiterer Software. Zuletzt mit 4% währungsbereinigt gewachsen.
- Qualtrics (4% Umsatzanteil): Akquisition, die sich auf den Bereich Experience Management (XM) konzentriert. Zuletzt mit 39% währungsbereinigt gewachsen.
Speziell das große Segment besteht aus unterschiedlichen Software-Lösungen:
- ERP (Enterprise-Resource-Planning): System für nahezu alle geschäftsinternen Prozesse von Controlling über Finanzplanung bis zur Lagerverwaltung
- HCM (Human Capital Management): Personalmanagementsystem
- SCM (Supply Chain Management): Alles rund um Lieferungen & Logistik
- Procurement: Einkaufsprozesse
- CRM (Customer Relationship Management): Managen von Kontakten und Koordinieren des Sales-Prozesses. Der Marktführer im Segment CRM ist übrigens Salesforce, auch HubSpot mischt hier mit.
Factsheet
Sofern nicht anders angegeben in jeweiliger Heimatwährung und TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More (= letzte 12 Monate). 3J = 3-Jahres-Durchschnitt. ‚e‘ = erwartet. ‚YoY‘ = im Jahresvergleich.
Die Eckdaten
- Land: Deutschland
- Branche: Software
- Marktkapitalisierung: 109 Mrd. EUR
- Umsatz: 29,4 Mrd. EUR
- Ergebnis: 4 Mrd. EUR
- Free Cashflow: 4,3 Mrd. EUR
Bewertung
- KUV: 3,7
- KGV: 27
- KGVe: 19
- KCV: 21
- PEG-Ratio: 2
Qualität & Wachstum
- Verschuldungsgrad: 60%
- Bruttomarge: 70%
- Operative Marge: 15% TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More, 21% 5J.
- Nettomarge: 13% TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More, 17% 5J.
- operatives Gewinnwachstum: -3% p.a.
- Umsatzwachstum: 4% p.a. (3J.)
Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.
Geschäftsmodell, Burggraben & Strategie
Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.
Die Strategie ist dabei geprägt vom letzten Quartalsbericht, der Anlass zum jüngsten Kurssturz gegeben hat. Es lohnt sich also, einen speziellen Blick auf diesen zu werfen.
Marktanalyse
Der Markt hat ein Volumen von 670 Mrd. Dollar bis 2025. Bis dahin soll das jährliche Wachstum bei 12% liegen.
Das ist ein angenehmer Rückenwind. Heißt aber auch: Wenn SAP, wie zuletzt, unter 12% wächst, verliert es Marktanteile. Noch ist es in vielen Bereichen der größte Anbieter.
Strategie-Update: SAP will in die Cloud
SAP verdient bisher vor allem Geld durch den Verkauf von Softwarelizenzen („On-Premise“). Diese werden in der Regel auf den Servern der Kunden installiert und einmalig bezahlt, wobei eine laufende Servicegebühr erhoben wird. Nun möchte SAP in die Cloud. Die Software wird also in der Cloud aufgesetzt und über eine laufende, monatliche Gebühr abgerechnet.
Im Factsheet schreibt SAP dazu:
Wir verfügen über die starke Kombination von schnell wachsenden Cloud-Umsätzen und solidem Kerngeschäft. Zusammen mit den Wartungserlösen, werden die Cloud-Erlöse den Anteil besser planbarer Umsätze am Gesamtumsatz weiter steigern. Wir erwarten, dass der Anteil der Cloud-Subskriptionen und Supportumsätze zusammen mit den Wartungsumsätzen in 2023 bis zu 80 % erreicht.
Die Grafik (und alle folgenden aus dem Strategy Update Q3 ’20, auf das SAP sich noch heute oft bezieht) zeigt, was das langfristig bedeutet:
Kurzfristig sinken Umsätze, die dafür langfristig und wiederkehrend höher ausfallen. Der Gesamtumsatz wird höher angepeilt, findet dafür aber etwas später statt.
CEO Klein hat auch zuletzt wieder die Bedeutung der Cloud für SAP-Kunden betont:
„Für Unternehmen ist der Umstieg in die Cloud, verbunden mit einer echten Neuausrichtung ihres Geschäfts, unerlässlich geworden. Denn nur so können sie widerstandsfähiger werden und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie gestärkt aus der Krise hervorgehen können.“
Außerdem ist die Bruttomarge im Cloud-Geschäft geringer. Das macht die Transition für SAP so schmerzhaft: Sie ist absolut sinnvoll, um auch in Zukunft marktfähig zu bleiben. Kurzfristig wird aber Umsatz, der vom bisherigen Lizenzmodell zum Cloud-Modell geht, Umsatz (a) nach hinten verlagern und (b) eine geringere Bruttomarge haben.
Hier zeigt SAP den Vergleich der Bruttomargen nach Segment vor dem großen Umschwung auf die Cloud-Strategie: Die Bruttomarge der Cloud liegt bei 70%, im bisherigen Geschäft bei stolzen 88%. Der Trend in den Bruttomargen ist ingesamt positiv.
Nach Bekanntgabe des Quartalsbericht Q3 in 2020 ist die Aktie um 20% gefallen, was einer der größten Tagesverluste für SAP war. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, die mittelfristigen Gewinnerwartungen gesenkt, da die Cloud-Transformation teurer werde.
Bewährungsprobe: Kurssturz Ende 2020
CEO Christian Klein hat dazu unter anderem gesagt:
„Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge“.
Eine völlig vernünftige und nachvollziehbare Aussage, die an das Credo von Jeff Bezos über die letzten 20 Jahre erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass die Amazon wohl nie so stark gewesen wäre, wenn geringere Margen aber ein höherer Cashflow verkündet worden wäre.
Im Grunde ist es genau das, was SAP braucht: Weniger Fokus auf kurzfristige Profitabilität, sondern höhere Investitionen, um mit der US-amerikanischen Konkurrenz Schritt halten zu können.
Interessant ist, dass es danach zu einigen Insiderkäufen bei SAP kam:
- Der SAP-Mitgründer Hasso Plattner hat für ca. 250 Millionen Euro SAP-Aktien gekauft
- CEO Christian Klein hat ca. 200.000 Euro investiert
- Finanzvorstand Luka Mucic hat ca. 75.000 Euro investiert
- „Kleinere“ Käufe von Managern in Höhe von 20 – 25.000 Euro
Auf der anderen Seite hat sich der CEO vom Konkurrenten Salesforce zu Wort gemeldet und SAP kritisiert. Er sagt unter anderem, dass SAP die Chancen der Cloud nicht genutzt habe und die Probleme von SAP in der Branche recht einzigartig seien.
Außerdem spricht er die häufigen Managementwechsel der letzten Zeit und die gewachsene Kundenunzufriedenheit an:
„Der Übergang läuft einfach nicht rund und ihre Kunden sagen das auch. Nun spiegelt ihre Umsatzentwicklung das auch wider.“