Salesforce war erst Mitte des Jahres 2022 in der ausführlichen Analyse. Die Renditeerwartung ergab eine Überbewertung von 18%, seitdem ist die Aktie tatsächlich um 23% gefallen.
Seitdem hat sich auch fundamental wieder einiges getan: Der Co-CEO von Salesforce, der CEO von Tableau und der CEO der Akquisition Slack werden gehen, Salesforce entlässt Mitarbeiter, das Wachstum geht zurück und das Margenrätsel bleibt bestehen.
Wo steht Salesforce also gerade? Ändert sich die langfristige Investitionsthese - oder bietet sich jetzt eine umso bessere Anlagegelegenheit?
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Drei CEOs gehen - und weitere
Bret Taylor war seit einem Jahr der zweite CEO in einer Doppelspitze neben Unternehmensgründer und Silicon Valley Legende Marc Benioff.
Die Abschiedsworte verraten ziemlich wenig. Bret Taylor möchte zurück zu seinen unternehmerischen Wurzeln, nennt Salesforce das "wichtigste Softwareunternemen der Welt".
2018 gab es erstmals eine Doppelspitze. Damals wurde Keith Block als Co-CEO neben Benioff berufen, ist dann Anfang 2020 ausgetreten. Etwas verzögert ist dann Bret Taylor diese Rolle angetreten.
Das Wall Street Journal berichtet nun mit Verweis auf interne Quellen, dass vorher Spannungen zwischen beiden CEOs aufgetreten sind. Es ging um Zuständigkeiten, aber auch darum, dass Benioff mehr Fokus aufs Salesforce-Geschäft von Taylor erwartet hat.
Zu einem ähnlichen Zeitpunkt gab dann auch CEO von Tableau, der aufgekauften Data Analaytics Plattform, seinen Rücktritt bekannt.
Spannungen mit Slack
2020 hat Salesforce für stolze 28 Mrd. Dollar den B2B-Kommunikationsdienst Slack gekauft. Seitdem wird - aus eigener Erfahrung - beides zusammen mit der anderen Software von Salesforce verkauft.
Genau das war auch das Ziel der Akquisition und der Grund, warum Salesforce-CEO Benioff von einem "match made in heaven" gesprochen hat. Dabei schreibt The Information jetzt, dass es von Anfang an Skepsis und immer stärkere Spannungen zwischen dem Salesforce-CEO und dem Slack-CEO Stewart Butterfield gegeben habe.
Demnach gab es wohl Skepsis bei Salesforce, ob sich die Produkte überhaupt so gut zusammen verkaufen lassen. Der Deal soll wohl weniger auf CEO Marc Benioff, sondern auf Bret Taylor, den damaligen COO und President von Salesforce, zurückgehen. Eben jener Bret Taylor, der dann Co-CEO wurde und jetzt gegangen ist.
Und kurz nach dem bekannt wurde, dass Co-CEO Taylor geht, hat auch Slack-CEO Butterfield seinen Rückzug angekündigt. Einer internen Mitteilung zufolge sind kurz danach auch der Chief Product Officer (CPO) und Senior Vice President für Marketing, Communications und Branding gegangen, wobei Butterfield betont, dass es keinen Zusammenhang zu seinem Abgang gibt.
Entlassungen
Nahezu alle großen Tech-Unternehmen müssen aktuell Mitarbeiter entlassen, gerade auch deshalb, da sie davor stark aufgebaut haben. Salesforce hat laut Protokollen 2.500 Mitarbeiter entlassen, wobei es selbst danach sagte, es seien unter 1.000 Mitarbeiter gewesen.
Womöglich werden gerade weitere Entlassungen vorbereitet, da Verkaufsziele hochgesetzt wurden, Leistungen der Mitarbeiter bewertet werden und das erwähnte Führungspersonal bereits gegangen ist.
Einordnung
Dass CEOs von akquirierten Unternehmen nach ein bis zwei Jahren gehen ist eher die Regel als die Ausnahme. Und dass die aktuelle Phase nicht unbedingt die einfachste ist, sollte auch klar sein.
Trotzdem: Das sieht tatsächlich auch darüber hinaus nach einem turbulenten, internen Umbruch aus, ohne dass wir die genauen Gründe kennen.
Es könnte durchaus sein, dass die bisherigen CEOs für mehr Eigenständigkeit ihrer Produkte plädiert haben (woran auch ihre eigenen Jobs hängen), Salesforce diese aber lieber stärker integrieren möchte. Genau das könnte jetzt passieren. Dass zeitgleich so viele Top-Positionen gehen, könnte ein Indiz dafür sein.
Fundamentale Entwicklung
Der Aktienkurs von Salesforce liegt aktuell etwas über 50% unter dem Allzeithoch.
Die Gründe dafür:
- Allgemeiner Druck am Markt, speziell im Tech-Markt.
- Die oben erwähnten Unruhen.
- Verlangsamung des Wachstums und Druck auf die ohnehin dünnen Margen.
Schauen wir genauer auf den dritten Punkt und die fundamentale Entwicklung von Salesforce, vor allem auf das Q3 2023 (was zum 31. Oktober 2022 endet).
Der Umsatz lag um 14% höher, währungsbereinigt um 19%. Für das letzte Quartal wird nur ein Wachstum von 8 - 10% erwartet (wechselkursbereinigt etwa 3 Prozentpunkte mehr).
Der Umsatz und das Wachstum ist immer noch ziemlich gleich auf alle Segmente verteilt. Vor allem das Segment "Platform & Other", zu dem auch Slack gehört, sticht positiv heraus.
Eine Frage, die ich auch in der Salesforce Aktienanalyse zentral aufgeworfen habe, ist die der Margen: Warum schafft Salesforce es nicht deutlich profitabel zu werden, obwohl es alles dafür mitbringt?
Hier gibt es immerhin eine positive Tendenz. Im letzten Quartal lag die operative Marge bei knapp 6%, die adjustierte Marge (die ich nicht für aussagekräftig halte) bei knapp 23%. Das stellt die besten Margen der letzten 1,5 Jahre dar, obwohl die Entlassungen ihren Effekt wohl erst in den kommenden Quartalen haben werden.
Die Remaining Performance Obligations (RPOs) geben an, wieviel Umsatz der Zukunft bereits vertraglich vereinbart, aber noch nicht verbucht wurde. Diese RPOs sind insgesamt um 10% gestiegen, die kurzfristigen RPOs um 11% (währungsbereinigt: 15%). Sie liegen also unter dem Umsatzwachstum, was einerseits Wachstum sichert, aber in der Tendenz auf abflachende Wachstumsraten hindeutet.
Langfristige Investment-Hypothese intakt?
Die Entlassungen ändern wenig bis nichts an der langfristigen These.
Problematisch ist, dass das Wachstum von Salesforce schon recht deutlich zurückgeht, währungsbereinigt im kommenden Quartal wohl nur bei ~11% liegen wird. Auch die zurückgegangenen RPOs deuten darauf hin. Ich würde es nicht als Trend weiter fortschreiben, da bei einer Erholung der Wirtschaft auch Salesforce wieder davon profitieren sollte, aber hohe Wachstumsraten >20% sehe ich hier nicht.
Vielleicht könnte die aktuelle Phase sogar etwas Positives haben: Salesforce muss endlich auch auf Margen optimieren und zeigen, wieviel Profitabilität eigentlich in dem Modell steckt. Gewissermaßen könnten die nächsten Quartale zeigen, ob die These aufgeht.
Update der Renditeberechnung
In der letzten Aktienanalyse lag die Renditeerwartung im Mittel nur bei ~6% p.a., die Aktie damit bei einer Überbewertung von ~18%. Seitdem ist die Aktie tatsächlich um 23% gefallen.
Aber: Auch der Umsatz wächst deutlich langsamer. Fürs GJ '23 sollen es 17% sein, das letzte Quartal im GJ '23 ca. 8 - 10% (währungsbereinigt 11 - 14%). Sobald die Wirtschaft sich erholt und die Wechselkurse stabil bleiben, rechne ich mit leicht steigenden Wachstumsraten im Bereich von 10 - 15% p.a., dann leicht abnehmend. Analysten sehen über die nächsten Jahre leicht über 15% p.a.
Die Margen bleiben ein großes Fragezeichen, die aktuelle Entwicklung stimmt mich aber positiv.
Renditerechner-Tool
Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: CRM.
Status Quo » Die Zahlen heute
Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung
Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Keine Garantie für die Zukunft.
Fortgeschrittene Optionen einblenden +Im Vergleich zur letzten Analyse scheint der Markt Salesforce also recht fair für die neuen Zahlen abgestraft zu haben.
Mein persönliches Fazit
Die langfristige These und das starke Geschäftsmodell ist intakt, nichtsdestotrotz bleibt Salesforce noch den Profitabilitätsbeweis, der ein Teil meiner These ist, schuldig. Ich bleibe investiert, kaufe trotz des gefallenen Kurses aber nicht nach und warte gespannt die kommenden Quartale ab.