Es gab zuletzt einige spannende Entwicklungen an den Finanzmärkten. Hier halte ich dich up to date und ordne die interessantesten Ereignisse ein.
- Lufthansa-Rettung: Wie sieht der Deal aus und was denkt die Börse?
- Facebook kauft Jio-Anteile für über 5 Mrd. US-Dollar. Wird aus 1 + 1 = 3?
- Facebook launcht „Shops“. Ist das der Eintritt in eine neue Ära des E-Commerce?
- Shopify zeigt sich dem Kunden: Mehr als nur ein Betriebssystem?
- Wirecard: Der KPMG-Bericht ist draußen. Manipulation oder Riesenchance?
9 Mrd. Euro für die Lufthansa
Die Lufthansa verliert durch die Coronakrise aktuell rund 800 Mio. Euro im Monat. Es werden kaum Flüge aktuell durchgeführt. Endi Juni sollen wieder 1.800 Verbindungen den Betrieb aufnehmen – das entspricht 14% der ursprünglichen Auslastung.
Nun haben sich Lufthansa und die Bundesregierung geeinigt: Der Staat investiert insgesamt 9 Mrd. Euro über unterschiedliche Wege in den kriselnden Konzern. Die Tagesschau schreibt:
Der Staat bewahrt die Fluggesellschaft demnach mit stillen Einlagen von insgesamt 5,7 Milliarden Euro, einem staatlich abgesicherten Kredit von bis zu drei Milliarden Euro und einer direkten Beteiligung an der Lufthansa in Höhe von 20 Prozent oder 300 Millionen Euro vor der Pleite.
Der Aktienkurs hat sich am selben Tag um etwa 7% erholt. Die Risiken scheinen nun abgefedert. Die schlechte Perspektive in der Flugindustrie straft die Börse aber immer noch ab: Die Aktie liegt im Vergleich zum Vorkrisenniveau ca. 44% niedriger.
Facebook investiert in Jio
Facebook war zuletzt sehr umtriebig. Eine Aktion, die für viel Aufsehen gesorgt hat, ist das Investment von über 5 Mrd. US-Dollar in den indischen Telekommunikationskonzern Jio, womit Facebook sich etwa 10% gesichert hat. Es ist die größte Investition seit dem Kauf von WhatsApp 2014.
Facebook hat immer wieder aufsehenerregende Akquisitionen über die letzten Jahre getätigt. Dazu gehört der Kauf von WhatsApp, Oculus Rift aber vor allem von Instagram, das den Kaufpreis von 1 Mrd. US-Dollar mehr als gerechtfertigt hat.
Eine Akquisition kann genau so funktionieren, wie wir Aktien kaufen: Es soll ein Unternehmen unter Wert gekauft werden. Das Ziel hinter solchen Akquisitionen ist aber meistens: Aus 1 + 1 = 3 machen. Zukaufen und Akquirieren, sodass beide Unternehmen zusammen wertvoller sind als einzeln.
1 + 1 = 3
Das kann bspw. der Kundenzugang sein, den ein Unternehmen durch einen Zukauf für die eigenen Produkte gewinnt. Es kann aber auch – wie im Fall von Facebooks Kauf von Instagram – ein Gewinn an Daten sein: Durch die Daten, die Instagram über einen Nutzer liefert, wird auch die Werbemöglichkeit auf Facebook zielgenauer (und umgekehrt).
Jio selbst hat dem Großteil der indischen Bevölkerung durch hohe Investitionen und ein günstiges Angebot den flächendeckenden Zugang zum Internet gegeben. Über 200 Millionen Menschen in Indien nutzen Jio, um über ihre Smartphones das Internet zu nutzen und die Freiheiten, die damit einhergehen – Informationszugang, Textnachrichten, Sprachanrufe, Online-Shopping und mehr.
Warum hat Facebook nun in Jio investiert?
Facebook möchte Zugang zum indischen Markt, der als einer der größten Märkte der nächsten Jahre und Jahrzehnte angesehen wird. Facebook selbst schreibt:
India is a special country for us. Over the years, Facebook has invested in India to connect people and help businesses launch and grow. WhatsApp is so ingrained in Indian life that it has become a commonly used verb across many Indian languages and dialects. Facebook brings together friends and families, but moreover, it’s one of the country’s biggest enablers of growth for small businesses. And Instagram has grown dramatically in India in recent years as the place where people follow their interests and passions.
Was mir am Deal gefällt:
- Aktienkauf: Facebook erhält einen Anteil an Jio, der für sich selbst einen Wert hat, und ist damit an den Gewinnen beteiligt.
- Chance auf 1 + 1 = 3: Der Zugang zum indischen Markt ist die Chance, die den Deal noch wertvoller machen kann.
Facebook launcht „Shops“
Facebook hat sich mit Shopify zusammengetan und ermöglicht es Marken nun direkt über ihr Facebook- oder Instagram-Profil zu verkaufen. Es ist der logische Schritt in den E-Commerce Ambitionen, die wir in der Facebook Aktienanalyse erörtert haben. Es ist ein Schritt in die Richtung, die chinesische Apps und Soziale Netzwerke schon länger einschlagen.
Ich habe in der Analyse schon aufgeführt, warum ich das Vorhaben so spannend und auch aussichtsreich finde. Es ist nicht zuletzt ein anderer Weg um ein Produkt zu finden als bei Amazon: Amazon beruht darauf, dass du ein Produkt irgendwo außerhalb von Amazon siehst (womöglich bei Facebook oder Instagram), es dann aber bei Amazon kaufen möchtest. Hier setzt nun die E-Commerce Strategie von Facebook an, um direkt aus der Inspiration kaufen zu können.
Jan Bechler, Finc3 CEO, stellt heraus, welchen Nutzen „Shops“ für Facebook bietet:
Mark Zuckerberg hat zum Launch von „Shops“ betont, dass das Angebot bis auf die Zahlungsabwicklung für Händler kostenlos sein soll. Für Facebook steckt das viel lukrativere Monetarisierungspotenzial auch nicht in Shop-Gebühren, sondern in der Veredelung seiner vermarktbaren Reichweite insgesamt.
Sein abschließendes Fazit bestätigt meine Einschätzung:
Insgesamt ist Facebook Shops daher deutlich eher „hot“ als „not“ – und verspricht noch viel Potenzial für „hotter“.
Shopify zeigt sich dem Kunden
Shopify ist das Betriebssystem für viele kleine – und vereinzelt auch für größere – Online-Shops. Shopify kümmert sich um das Produktmanagement, die Darstellung auf der Webseite, Zahlungsintegrationen etc. Für den typischen Käufer ist Shopify nicht sichtbar.
Nun wird Shopify aber sichtbarer: Es launcht die eigene App „Shop“, bei der es möglich ist, nach Produkten innerhalb der Shopify Shops zu suchen. Das Ziel: Den angebunden Shops Besucher zu schicken und das Ökosystem zu stärken.
Einige Beobachter, u.a. Ben Thompson von Stratechery, sehen diesen Schritt kritisch. Shopify soll im Hintergrund bleiben und das bestmögliche „Betriebssystem“ stellen, mit dem Shops erfolgreicher werden, und damit die Kernkompetenz ausbauen.
Wirecard: Manipulation oder Riesenchance?
Wirecard ist seit Jahren eine der umstrittensten Aktien im DAX. Der Grund: Immer wieder kommt es zu Veröffentlichungen, die Wirecards Zahlen und Bilanzierungen stark anzweifeln, vor allem von der Financial Times.
Unter anderem wurde Wirecard vorgeworfen, dass die Umsätze durch Kreislaufbuchungen künstlich erhöht wurden, Umsätze falsch bilanziert wurden und es immer wieder zu Geldflüssen kam, die nicht ausreichend dokumentiert wurden.
Ein vor Kurzem veröffentlichter KPMG bericht, indem die Vorwürfe geprüft wurden, hat nun für Aufsehen gesorgt.
Wirecard hat sich insgesamt laut KPMG nicht wirklich kooperativ gezeigt: Es kam zu Verzögerungen, nicht eingereichten Dokumenten, nur Kopien statt Originalen etc. Hier ist eine gute Zusammenfassung der Vorwürfe:
Die Wirecard AG hat von KPMG im Verlauf der Untersuchung angeforderte Dokumente teilweise nicht bzw. erst mehrere Monate nach Anforderung geliefert.
Die Wirecard AG hat einzelne vereinbarte Interview-Termine mit wesentlichen Wirecard-internen Ansprechpartnern mehrfach verschoben.
Einzelne, im Rahmen der ursprünglichen, dem Auftraggeber zu Beginn der Untersuchung zur Kenntnis gebrachte Untersuchungshandlungen konnten mangels verfügbarer Dokumente bzw. IT-Systemzugänge nicht bzw. nicht in der ursprünglich vorgesehenen Weise durchgeführt werden.
Der Vorstand der Wirecard AG hat KPMG die als Anlage 2 beigefügte Vollständigkeitserklärung vom 4. März 2020 (Anlage 2) im Zusammenhang mit dem Escrow-Account erteilt. Eine finale Vollständigkeitserklärung wurde von uns erbeten, jedoch bis zum Ende unserer Untersuchung am 27. April 2020 durch den Vorstand nicht abgegeben.
Die Kritiker sind deshalb skeptisch. Die optimistischen Anleger sagen: Die Berichte sind übertrieben und von Shortsellern initiiert. Im Wachstum gehen manche organisatorische Themen unter. Wirecard hat die richtigen Maßnahmen ergriffen, u..a durch das Aufbauen einer eigenen Abteilung und zusätzlicher Aufsichtsratsmandate.
Wenn die Zahlen korrekt sind bietet Wirecard große Wachstumschancen bei einer verhältnismäßig günstigen Bewertung, die man sonst bei kaum einem anderen Wachstumsunternehmen bekommt. Die offensichtlichen Ungereimtheiten und der schlechte Umgang damit macht Wirecard aber leider zu einer intransparenten Zocker-Aktie. Wenn diese überzogen sind, ist die Aktie hochattraktiv, wenn diese der Wahrheit entsprechen, wird der Kurs- und Vertrauensverlust groß sein.
Als Nächstes steht die Veröffentlichung der Bilanz an, die allerdings wiederholt verschoben wurde.
Das waren einige der spannendsten Ereignisse der Börsen- und Tech-Welt der letzten Wochen. Lass mir gern deine Meinung in einem Kommentar da!
Danke für deine Unterstützung und noch einen wunderbaren Tag!