von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 2. April 2023

Die Porsche SE ist eine Holding, die im Wesentlichen an den Automobilkonzernen Volkswagen und Porsche beteiligt ist. Dabei übersteigt der Wert dieser Beteiligungen den Börsenwert der Holding aktuell deutlich.

Wie kann das sein? Wie deutlich ist die Unterbewertung und woher kommt sie? Das schaue ich mir hier an.

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Die Porsche SE

Der Name "Porsche SE" sorgt seit jeher für Verwirrung. Es gibt wohl eine nicht unwesentliche Zahl an Aktionären, die dachten, sie würden damit Anteile am Automobilhersteller kaufen, wobei die Porsche SE bis vor kurzem im Wesentlichen aus VW-Anteilen (und damit nur indirekt auch einer Beteiligung an Porsche) bestand.

Die Porsche SE ist im Wesentlichen die Beteiligungsgesellschaft der Familien Porsche und Piech. Diese halten heute die Stammaktien und die Stimmrechte, während die Vorzugsaktien frei gehandelt werden.

Mittlerweile ist der Automobilhersteller Porsche selbst an der Börse. Damit haben wir nun drei börsennotierte Unternehmen:

  • Volkswagen AG: Automobilkonzern, u.a. mit Volkswagen als Marke. Dazu Audi, Lamborghini, Seat, Skoda, außerdem noch einer Beteiligung an der Porsche AG
  • Porsche AG: Automobilkonzern
  • Porsche SE: Holding mit Beteiligung an Volkswagen und Porsche AG

Die Porsche SE verfolgt ziemlich stark den Aktienkurs der Volkswagen AG. Das ist nicht verwunderlich, da das bis vor kurzem die relevante Beteiligung war. Seit die Porsche AG an der Börse ist, die immerhin ca. 40% des Wertes der Porsche SE ausmacht, ist das allerdings immer noch der Fall, obwohl die Porsche AG deutlich gestiegen ist.

Wieviel ist die Porsche SE wert?

Die Porsche SE hat unterschiedliche Beteiligungen, von denen die an der Porsche AG und Volkswagen AG die mit Abstand relevantesten sind. Die Porsche SE hält (jeweils in Stammaktien):

  • 31,9% von Volkswagen
  • 12,5% von Porsche

Auf der letzten Bilanzpressekonferenz aus März '23 wurde erstmals auf die Unterbewertung hingewiesen, die aus den aktuellen Bewertungen resultiert.

Volkswagen ist heute ca. 72 Mrd. Euro wert, die Stammaktie (die die Porsche SE hält) ist teurer als die Vorzugsaktie. Zu Ende März lag der Wert der VW-Beteiligung bei 25 Mrd. Euro. Die Porsche AG ist seit Börsengang gestiegen und mittlerweile über 100 Mrd. Euro wert, damit liegt der Wert der Beteiligung bei 14,1 Mrd. Euro.

Den Rest des Portfolios bewertet die Porsche SE mit 0,2 Mrd. Euro. Dazu kommen 6,7 Mrd. Euro Nettoverschuldung, die den Wert mindern.

Der intrinsische Wert der Porsche SE liegt damit bei 32,6 Mrd. Euro. An der Börse wird die Porsche SE nur mit 16 Mrd. Euro gehandelt.

Anders gesagt: Wurde die Porsche SE alle gehaltenen Aktien heute zum Marktpreis verkaufen, würde es 32,6 Mrd. Euro in der Kasse haben, selbst aber nur etwa mit der Hälfte bewertet sein.

Hans Dieter Pötsch dazu:

Ein gleichermaßen für Investoren wie auch für uns im Vorstand der Porsche SE bedeutendes Thema ist der Abschlag in der Bewertung unseres Unternehmens gemessen an der Marktkapitalisierung. Diesen Discount des Börsenkurses im Vergleich zum Nettovermögenswert sehen wir als nicht gerechtfertigt an.

Das ist eine Unterbewertung von 51% bzw. würde bedeuten, dass der Kurs sich mehr als verdoppeln würde, wenn er auf den intrinsischen Wert steigt. Also: Eine 103%-Kurschance.

VWs Porsche-Beteiligung

Noch kurioser wird es, wenn wir einkalkulieren, dass Volkswagen selbst noch relevant an Porsche beteiligt ist. Es hält nämlich 75% des Grundkapitals, was einem Börsenwert von ~76 Mrd. Euro entspricht. Volkswagen selbst hat heute eine Marktkapitalisierung von 72 Mrd. Euro.

Man könnte also sagen: Allein die Porsche-Beteiligung rechtfertigt den Wert der VW-Aktie. Die Marken Volkswagen, Audi, Seat, Skoda, Bentley und Lamborghini gibt's umsonst dazu.

Aber: Es gibt auch Verschuldung dazu. Die sieht oft bei VW durch das Leasing- und Finanzierungsgeschäft höher aus, als sie tatsächlich ist, kalkulieren wir diese ein - wir berechnen also den Enterprise Value - würde der Wert der Porsche-Beteiligung den VW-Wert nicht übersteigen, aber ihn zum Großteil rechtfertigen.

103%-Kurschance: Wie kann das sein?

Es drängt sich die Frage auf, wie so etwas sein kann. Wie kann der Markt, wenn er halbwegs effizient arbeitet, diese drei Unternehmen so unterschiedlich bewerten?

Um ehrlich zu sein: Ich habe noch keine Erklärung gesehen, die mich vollständig überzeugt. Trotzdem versuche ich, unterschiedliche Ansätze zu prüfen.

Verschuldung oder Klagen? Eher nicht...

Laut dem Vorstandsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch nennen einige Analysten als Grund die Verschuldung, andere noch laufende Rechtstreitigkeiten im Zuge des Abgasskandals.

Aber: Die Verschuldung ist in der Kalkulation bereits inkludiert. Der maximale Streitwert laut Porsche SE aus dem Abgasskandal liegt bei unter 1 Mrd. Euro, man selbst glaubt aber nicht, dass hier noch Verurteilungen folgen.

Daher glaube ich: Das ist entweder bereits einkalkuliert oder vernachlässigbar.

ESG-Abschlag

Im November 2022 hat MSCI Volkswagen wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen in China abgestraft. Fondsgesellschaften wie Deka haben VW schon kurz zuvor in ihren nachhaltigen Fonds verkauft. Auch das Rating der Porsche SE hat nach meiner Recherche negative Punkte.

VW hat ein Statement dazu veröffentlicht. Sie sagen im Kern: Das stimmt nicht.

Egal, ob es stimmt oder nicht, könnte das einen Effekt haben. Dieser trifft dann vor allem die VW-Aktie, indirekt aber auch die Porsche SE. Es ist aber schwer zu sagen, wie groß der Effekt solcher Ratings ist. Ich vermute, dass es aktuell nur einen kleinen prozentualen Anteil erklären könnte.

VW und Porsche sind eigentlich überbewertet?

Mitunter habe ich gelesen, dass diese Bewertungsunterschiede zeigen würden, dass Investoren den intrinsischen Wert von VW und Porsche deutlich niedriger schätzen würden. Das erklärt in meinen Augen aber nicht, warum dies dann nur in der Porsche SE und nicht in den beiden anderen Aktien widergespiegelt ist.

Nach meinem Empfinden ist auch Volkswagen nicht zu teuer. Klar, es gibt Risiken, aber es wird aktuell auf dem ca. 4-fachen Gewinn bewertet, wird auch in diesem Jahr noch Milliardengewinne erzielen, hat eine signifikante Beteiligung an Porsche und Marken wie Audi, Lamborghini oder Bentley könnten auch separat an der Börse weitere Erlöse bringen.

Theorie vs. Praxis

Die Werte in der Aktie sind ein "Was wäre, wenn die Aktien nun verkauft werden würden" Gedankenspiel. Offensichtlich ist aber nicht davon auszugehen, dass das tatsächlich kurzfristig passiert. Das ist nicht weiter problematisch, wenn die Beteiligungen trotzdem langfristig ihren Wert rechtfertigen. Das ist aber ein gewisses Risiko (siehe vorheriger Erklärugsansatz).

Die andere Möglichkeit ist, dass man gar nicht so viele Aktien kurzfristig verkaufen könnte, da das wiederum selbst den Kurs fallen lassen könnte, wenn es nicht genug Käufer zu den aktuellen Preisen gibt. Entsprechend wäre der realisierte Börsenwert etwas niedriger als der, den wir uns jetzt theoretisch ausrechnen.

Holdingabschlag

Allgemein gelten Holdings, also Unternehmen, die sich selbst nur an anderen Unternehmen beteiligen, als unattraktiver an der Börse. Aktionäre wollen in der Regel selbst entscheiden, an welchen Unternehmen sie sich beteiligen.

Hans Dieter Pötsch sieht das als zentralen Grund für die Unterbewertung:

Holdingunternehmen wie die Porsche SE werden vom Kapitalmarkt in der Regel etwas niedriger als die Summe ihrer Beteiligungen bewertet. Es gibt hier einen sogenannten Holding-Discount. Aufgrund unserer schlanken Holdingstruktur bei der Porsche SE und den für jeden Anleger nachvollziehbaren Wert unserer Vermögenspositionen halten wir aber einen so massiven Abschlag für fundamental nicht zu erklären und nicht gerechtfertigt.

Das will die Porsche SE durch aktive Kommunikation beheben.

Irrationalität

Die Investment-These ist die der Irrationalität. Der Markt bewertet gerade nicht effizient, warum auch immer, entsprechend bietet sich eine Chance, bis er es wieder tut und sich der intrinsische Wert dem Börsenwert annähert.

Mein Fazit

Das Geflecht der drei Konzerne ist aus Governance-Sicht eine Katastrophe: Viele verstrickte Beteiligungen und dazu mächtige Eigentümerfamilien, die den Aktionären den Weg vorgeben können.

Nichtsdestotrotz fehlen mir die Erklärungen, um einen so deutlichen Abschlag zu rechtfertigen, was auf der anderen Seite eine Kurschance bedeuten würde. Auch das Chance-Risiko-Verhältnis sieht gut aus:

  • Wenn VW und Porsche eigentlich unterbewertet sind, würden sie noch etwas weiter steigen und der intrinsische Wert liegt noch höher.
  • Wenn VW und Porsche fair bewertet sind, ergibt sich eine Kurschance von 103% zum fairen Wert. Selbst, wenn dieser nur halb realisiert werden sollte, ist das eine deutliche Upside.
  • Wenn VW und Porsche überbewertet sind und 50% fallen, wären der intrinsische Wert und die aktuelle Bewertung der Porsche SE erst ausgeglichen.
  • Sollte die Porsche SE den Preis nie erlösen, VW und die Porsche AG aber quasi pleite gehen, wäre die Porsche SE auch langfristig weniger wert. Das wäre das worst-case Szenario.

Ich halte die Volkswagen AG selbst gerade eher für zu günstig als für zu teuer. Die Porsche AG finde ich fair, definitiv nicht als Schnäppchen bewertet. Auch ohne Holdingabschlag ist es aber in meinen Augen keine Katastrophe, sich an diesen beiden Unternehmen zu beteiligen, selbst wenn man es zum "normalen" Preis tun würde.

Ich werde entsprechend die Porsche SE Aktien kaufen. Ich bin gespannt, was daraus wird und ob diese vermutete Irrationalität ein Ende haben wird. Zu kalkulieren, wann das wäre, ist aber reine Kaffeesatzleserei.

Tags: Porsche SE | Aktien: Porsche SE

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #4: Wir legen mittel- und langfristig an.

Die Finanzwissenschaft weiß längst: Je mehr getradet und je öfter ins Depot geschaut wird, desto schlechter die Rendite. Market Timing, also Einschätzen kurzfristiger Marktbewegungen, funktioniert nicht und richtet mehr Schaden als Nutzen an.Langfristig anlegen ist erfolgversprechender und entspannter. Und: Es ist der einzige Anlagehorizont, der logisch zu einer fundamentalen Bewertung, an die sich der Aktienkurs mit der Zeit im Optimalfall annähert, passt.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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