von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 9. Januar 2022

Eigentlich wollte Palantir nicht an die Börse gehen. Zu geheim und vertraulich seien die Projekte, als dass man so ein Unternehmen öffentlich und transparent führen könnte.

Nicht verwunderlich: Von russischen Verbrechersyndikaten über chinesische Hackergruppen und Osama Bin Laden bis zu FBI, NSA und CIA klingt Palantirs Geschichte nach dem Who-is-who der digitalen Hacker- und Verteidigerszene.

2020 ist der Schritt aber trotzdem geschehen und Palantir zu einer zweistelligen Milliardenbewertung in den USA an die Börse gegangen. Die Aktie hat sich nach dem IPO gut entwickelt, seit meiner letzten Analyse im Februar 2021 (wo ich die Palantir-Aktie für 40 bis 50% zu teuer bewertet sah) knapp 40% verloren. Gleichzeitig sind deutliche Schritte Richtung Profitabilität zu erkennen. Damit könnte nun ein faires Bewertungsniveau erreicht sein.

Aber was ist das „geheime“ Geschäftsmodell von Palantir? Es geht um viele Daten („Big Data“), künstliche Intelligenz und Terrorabwehr. Kunden sind Finanz- und Pharmaunternehmen, aber auch Nachrichtendienste und Behörden, vor allem in den USA. Zeitweise war Peter Thiel, PayPal Mitgründer und erster Facebook Investor, der größte Investor von Palantir.

Ich sehe drei Gründe, warum die Aktie aktuell spannend ist:

  1. 🥷 Einzigartiges Geschäftsmodell: Es gibt wenige andere Unternehmen, die in diesem kritischen Bereich unterwegs sind – mit allen positiven und negativen Facetten, die dazu gehören
  2. 🛡 Absicherung: Viele Aktien sind zyklisch, sie steigen und fallen mit der Konjunktur. Palantir könnte entgegengesetzt funktionieren (was wir noch genauer analysieren)
  3. 💻 Software, wo sie gebraucht wird: Viele Nachrichten und Signale produzieren viele Daten, die sich nur durch Software und KI analysieren lassen

Mehr als genug Gründe also, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte.

Dabei erfährst du, wie das Geschäftsmodell funktioniert, woraus der Burggraben wirklich besteht (und wo ich ihn nicht sehe), wie groß Palantir werden kann, moralische Fragen und ob die Aktie heute attraktiv bewertet ist oder nicht. Viel Spaß!

Überblick: Das steckt hinter dem Unternehmen

Das Unternehmen

Palantir wurde 2004 offiziell gegründet. U.a. Peter Thiel war daran beteiligt. Das hat geholfen: Das erste Software-Konzept basierte auf einer Betrugserkennung bei PayPal. Palantir wollte dabei künstliche Intelligenzen mit dem Wissen von Analysten, bspw. Geheimdienst-Analysten, erweitern.

Viele Geschichten rund um die Einsatzzwecke von Palantirs Software lesen sich wie ein Krimi: Russische Syndikate. Chinesische Cyber-Spionagenetzwerke, die u.a. das Büro des Dalai Lama, einen NATO-Computer und Botschaften gehackt haben. Osama Bin Laden, der mit Hilfe von Palantir „neutralisiert“ werden konnte. NSA, FBI und CIA spielen auch eine Rolle, da sie zu Palantirs Kunden gehören.

Produkt & Geschäftsmodell

Aber was genau bietet Palantir jetzt eigentlich an?

Im Kern: Daten sammeln, auswerten und für Kunden auswertbar machen. Mit Hilfe von großen Datenbanken, künstlicher Intelligenz und Analysten. Palantir bewegt sich also im Bereich Business Intelligence, Data & Analytics.

Unzählige Datenpunkte und Signale fallen heute an. Diese sind für viele Organisationen enorm interessant. Zum einen für staatliche Behörden, Geheim- und Nachrichtendienste. Sie dienen dazu, Gefahren frühzeitig zu erkennen und abzuwehren – und sind der Punkt, den viele Menschen kritisch sehen, die einen Überwachungsstaat befürchten.

Zum anderen sind Daten auch für die Finanzindustrie interessant, weshalb auch große Banken oder Hedgefonds zu den Kunden von Palantir gehören.

Im Kern gibt es damit drei Segmente bei Palantir:

  1. Gotham: Lösung für staatliche Behörden
  2. Metropolis: Lösung für Finanzunternehmen
  3. Foundry: Lösung für private Unternehmen (bspw. Airbus und Merck sind Kunden)

Ein Eindruck der neuesten Gotham-Version:

Aktienkurs

Die Aktie hat sich nach dem IPO gut entwickelt, über die letzten Monate aber stetig verloren.

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz ‚e‘ = erwartet.

Die Eckdaten

  • Land: USA
  • Branche: Software & KI
  • Marktkapitalisierung: 34 Mrd. USD
  • Umsatz: 1,1 Mrd. USD
  • Ergebnis: -1,2 Mrd. USD
  • Adj. operatives Ergebnis: 0,3 Mrd. USD (erste 9 Monate 2021)
  • Free Cashflow: 0,2 Mrd. USD

Bewertung

  • KUV: 30
  • KGV: –
  • KGVe: –
  • KCV: –

Qualität & Wachstum

  • Bruttomarge: 68 %
  • EBIT-Marge: -32%
  • Adj. operative Gewinnmarge: 29% (erste 9 Monate 2021)
  • Umsatzwachstum: 36 % YoY (Q3 ’21)

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

Business Breakdown: Geschäftsmodell von Palantir analysiert

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Unternehmensentwicklung

Die öffentlichen Zahlen von Palantir reichen leider noch nicht sehr lange zurück und beschränken sich auf die letzten Jahre. Das liegt an Möglichkeiten für „Emerging growth companies“ in den USA, welche vorsehen, dass Unternehmen wie Palantir so wenig Informationen wie nötig veröffentlichen müssen.

Im S-1 Filing heißt es konkret:

We are an “emerging growth company” as that term is defined in the Jumpstart Our Business Startups Act of 2012, and, as such, we have elected to comply with certain reduced public company reporting requirements for this prospectus and may elect to do so in future filings.

Die Zahlen, die wir sehen, sehen aber stark aus: Der Umsatz ist um +36% YoY gewachsen.

Nach vielen Jahren des Geld Verbrennens scheint nun die Profitabilität erreicht zu sein.

Wie verdient Palantir Geld?

Palantir schlüsselt die Umsätze nicht nach Regionen auf, nahezu alle Umsätze werden aber voraussichtlich in den USA erzielt. Auch die Wachstumsraten in den USA liegen über den gesamten Wachstumsraten, was das bekräftigt.

Staatliche Kunden machen 56% der Umsätze aus, das Segment ist um +34% YoY gewachsen. Die restlichen 44% entfallen auf gewerbliche Kunden. Dieser Umsatz ist um 37% YoY gewachsen, also leicht stärker als der Anteil staatlicher Kunden.

Die Profitabilitätsmetriken zeigen bei Palantir – vorbehaltlich der gleichen folgenden Kritik – in eine gute Richtung. Der operative Gewinn ist deutlich gestiegen auf zuletzt 30% Marge.

Der Adjusted Free Cashflow ist auf ähnlich hohem Niveau, lag im Vorjahr noch im negativen Bereich.

Die RPOs („Remaining performance obligations“) geben an, wie hoch das Volumen an bereits abgeschlossenen Verträgen ist, die noch nicht als Umsatz verbucht wurden. Bei Palantir betragen diese knapp 900 Mio. USD, im Vergleich zum Vorjahr wurde das Auftragsvolumen um 170% erhöht.

Die Billings, die das Volumen der Zahlungseingänge (unabhängig davon, wann die Leistung erbracht wird) angeben, sind um 56% gestiegen und liegen damit leicht unter dem Umsatz.

Kurz zusammengefasst: 

56% staatliche Kunden (+34% YoY), 44% gewerbliche (+37% YoY). Beide Segmente wachsen ähnlich stark. Die adj. Margen entwickeln sich sehr positiv. Der Großteil des Umsatzes und des Wachstums stammt aus den USA.

Palantirs Zahlen kritisch hinterfragt

Palantir kommuniziert vor allem „Adjusted“ Kennzahlen, also um bestimmte Effekte bereinigte Kennzahlen. Dabei fällt auf, dass diese ziemlich positiv aussehen, während nicht nicht-bereinigten Kennzahlen deutlich schlechter aussehen.

Woran liegt das?

Vor allem an Aktienoptionen, der „Stock-Based Compensation“, die Mitarbeitern als Alternative oder Ergänzung zum Lohn gezahlt wird. Um den Effekt konkret zu machen:

  • Bruttomarge: In Q3 ’20 lag sie bereinigt bei 81%, unbereinigt etwa bei 50%. In Q3 ’21 war der Unterschied geringer (82% vs. 78%).
  • Operatives Ergebnis: Ohne Bereinigung ist es seit Q1 ’20 durchgehend negativ, in den ersten 9 Monaten 2021 mit 350 Mio. Dollar Fehlbetrag. Bereinigt ist das Ergebnis seit Q2 ’20 durchgehend positiv, in den ersten 9 Monaten mit 350 Mio. Gewinn, was einer Marge von 32% entspricht.

Hier ist fraglich, wie aussagekräftig eine so starke Bereinigung für die zukünftige Profitabilität wirklich ist.

Deep Dive: Mechanismen des Geschäftsmodells

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Tags: Palantir | Aktien: Palantir

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #11: Wir wissen, dass es nicht nur um uns geht.

Unternehmen sind nicht nur für die Aktionäre da, sondern haben eine Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft.Ich bin fest überzeugt: Menschen haben individuelle Ansichten und Motive. Zum Glück. Und Unternehmen sind selten komplett gut oder komplett schlecht - und auch diese Einschätzung ist oft individuell und nicht einfach zu treffen. Aber: Wer es sich leisten kann, sollte destruktive Geschäftsmodelle, deren Erfolg automatisch eine schlechtere Welt bedeuten würde, nicht unterstützen. Es gibt dann immer noch mehr als genug Möglichkeiten.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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