Netflix ist nach einem Allzeithoch im November 2021 um über 70% in wenigen Monaten abgestürzt. Ich selbst war ebenfalls investiert, bin glücklicherweise vor dem Absturz ausgestiegen. Das Unternehmen hat mich daher aber schon vorher besonders beschäftigt.
Vom Tief ausgehend ist der Kurs nun wieder um über 60% gestiegen.
Gerade die frischen Q3 '22 Earnings haben die Erwartungen übertroffen, gleichzeitig setzt Netflix nun lang erwartete Umsatzhebel um. Deshalb gibt's heute ein Kurzupdate zur Netflix-Aktie. Viel Spaß!
Zahlencheck der neuen Earnings: Q3 '22
Netflix erzielt einen Umsatz von 7,9 Mrd. Dollar, erwartet wurden nur 7,8 Mrd. Auch der Gewinn je Aktie lag bei 3,10 Dollar und damit über den erwarteten 2,11 Dollar. Auch die Abozahlen sollten um 1 Mio. wachsen, allerdings kamen 2,4 Mio. neue Nutzer dazu. Die Erwartungen wurden also durchweg übertroffen.
Entsprechend stieg die Aktie direkt nach den Earnings um 12 - 15% an.
Im Jahresvergleich legte der Umsatz um 6% zu, was nach wie vor die niedrigste Wachstumsrate der letzten Quartale ist. Dabei muss man Netflix zu Gute halten, dass der Umsatz währungsbereinigt um 13% gestiegen ist, dies aber nur sehr zurückhaltend kommuniziert wird.
Auch die Abos, die um 4,5% zugelegt haben, zeigen die niedrigste Wachstumsrate gegenüber Vorjahr, aber zumindest den ersten Zuwachs in diesem Jahr. Die operative Marge ging weiter leicht auf 19,3% zurück. Das Nettoergebnis liegt leicht unter Vorjahr.
Der Free Cashflow ist mit 450 Mio. Dollar ebenfalls deutlich positiv. Selbst wenn man diesen um aktienbasierte Vergütung und Änderungen im Umlaufvermögen bereinigt, stehen über 300 Mio. Dollar Überschuss zu Buche.
Für Q4 '22 prognostiziert Netflix im Jahresvergleich nur 0,9% Umsatzwachstum (allerdings vollständig währungsbedingt, sonst 9%), einen Rückgang der operativen Marge und 4,5 Mio. neue Abonnenten, was der höchste Wert des Jahres, aber nur etwa die Hälfte des Vorjahreszuwachses entspricht.
Unterm Strich: Erwartungen übertroffen, aber ein kurzfristig weiter negativer Trend der Geschäftszahlen, und Erholung bei den Abozuwächsen.
Netflix lässt es sich auch nicht nehmen, die Konkurrenz zu kommentieren. Demnach verliere diese in Summe operativ über 10 Mrd. Dollar jährlich, während Netflix 5 - 6 Mrd. Dollar Gewinn erzielt.
Our competitors are investing heavily to drive subscribers and engagement, but building a large, successful streaming business is hard - we estimate they are all losing money, with combined 2022 operating losses well over $10 billion, vs. Netflix's $5 to $6 billion annual operating profit.
Umsetzung der Wachstumsinitiativen: Werbezugang & Sharing-Verbot
Schon in der ersten Analyse in 2020 gab es Chancen, die dann 2022 durch Umsatzdruck angekündigt wurden: Es soll einen günstigeren Zugang mit Werbung geben und das Teilen von Accounts über mehrere Haushalte soll unterbunden oder besser monetarisiert werden. Nun werden diese Ankündigungen konkret.
Werbefinanzierung
Im November '22 startet der niedrigpreisigere, werbefinanzierte Zugang in 12 Ländern. Das ist ziemlich schnell, da Reed Hastings zu Beginn des Jahres noch von ein bis zwei Jahren gesprochen hatte.
Die Zugänge sind 20 - 40% günstiger, enthalten ~5 Minuten Werbezeit pro Stunde.
Für Netflix könnte aus dem Zugang ein ähnlich hoher Umsatz entstehen, aber neue, weniger zahlungsbereite Zielgruppen erschließen.
Ende des Account-Sharings
Anfang 2023 sollen Accounts nicht mehr kostenfrei geteilt werden. Womöglich wird es aber Möglichkeiten geben, Accounts offiziell bei etwas höherem Preis zu teilen.
Bei Ankündigung habe ich den kurzfristigen finanziellen Vorteil beschrieben:
Es ist ein Balanceakt: Einerseits möchte Netflix bestehende Mitglieder nicht verstoßen, andererseits auch Accounts, die von vielen Menschen genutzt werden, besser monetarisieren.
Ziemlich sicher liegt hier aber Potenzial. Wenn ein Account von 15€ im Monat zu viert geteilt wird sind das 3,75€ pro Person, bei 20€ im Monat wären es 5€ pro Person. Das sind noch keine großen Sprünge und immer noch attraktiv.
Für Netflix selbst würde es nicht nur einen Umsatzanstieg (abzüglich möglicher Kündigungen), sondern 1:1 einen Gewinnanstieg bedeuten, da dem keine zusätzlichen Kosten für zusätzliche Contenterstellung gegenüberstehen.
Nehmen wir an, dass von den 100 Mio. zusätzlichen Haushalten, die bisher Account-Sharing betreiben, die Hälfte (50 Mio.) nun neue, eigene Zugänge anlegen muss und dafür je Haushalt ~4 Dollar pro Monat zahlt. 20% der 50 Mio. gehen den Schritt nicht mit und kündigen. Das entspräche knapp 2 Mrd. US-Dollar Mehrumsatz - und vermutlich zum Großteil Mehrgewinn - im Jahr.
Das wäre ein einmaliges Umsatzplus von 6,67% (bei ~30 Mrd. Dollar Umsatz) und ein Gewinnplus von 35% (bei ~5 Mrd. Dollar Gewinn). Die Annahmen sind natürlich wackelig, verdeutlichen aber, dass hier durchaus Chancen bestehen.
Ich vermute daher, dass die Mechanik zu höherem Umsatz und Gewinn führt, aber langfristig das Wachstum bremsen könnte, da es effektiv für 100 Mio. Accounts eine Preiserhöhung bedeutet und die Nutzergewinnung dadurch schwerer wird.
Update der Renditeberechnung
Zuletzt habe ich Netflix vor einem halben Jahr im April 2022, direkt nach dem großen Kursabsturz, analysiert. Das Fazit der Netflix-Aktienanalyse damals:
Ich mag Netflix als Produkt und als Unternehmen nach wie vor. Die Aktie ist stark gefallen, aber durch den gleichzeitig starken Rückgang des Wachstums auch durchaus zu Recht. Ich finde den Einstiegszeitpunkt heute unterm Strich wieder attraktiver als vorher und durchaus überlegenswert, aber noch nicht deutlich unterbewertet.
Die Renditeerwartung sah fair aus, weder zu teuer, noch deutlich zu günstig. Seitdem ist die Aktie gestiegen, auch die Erwartungen haben sich verbessert.
In der Analyse hatte ich Annahmen getroffen, die leicht über denen der Analysten lagen. Die Gründe dafür findest du dort. Entsprechend haben mich die Zahlen nun weniger überrascht und sehe ich keine großen Anpassungen.
Was ich angepasst habe: Den gestiegenen Börsenwert, gestiegenen Umsatz, die Diskontierungsrate auf 8% erhöht.
Renditerechner-Tool
Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktie: Netflix.
Status Quo » Die Zahlen heute
Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung
Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Keine Garantie für die Zukunft.
Fortgeschrittene Optionen einblenden +Das Ergebnis deckt sich mit meiner Intuition. Die Netflix-Aktie wächst nur sehr langsam mit einstelligen Wachstumsraten. Das aktuelle Bewertungsniveau - ein KGV von 22, KGVe von 21 und KCV von 90 - erscheint mir dabei nicht besonders günstig.
Die Wachstumsinitiativen schätze ich eher als einmaligen Umsatz- und Margenschub ein, könnte das langfristige Wachstum aber eher bremsen. Einen langfristig beschleunigten Wachstumstrend sehe ich dadurch daher nicht.
Mein Fazit
Ich hielt die Aktie Ende 2021 zu teuer und habe verkauft. Im April '22, nach dem größten Absturz, fand ich sie fair bewertet. Mit so einem deutlichen Anstieg seitdem hätte ich nicht gerechnet, allerdings ist mir die Aktie dadurch heute auch etwas zu teuer.
Positiv ist zu sehen, dass eine kleine Kehrwende erreicht werden konnte. Nutzerzahlen schrumpfen nicht mehr und es gibt positive Gewinne und Cashflows.
Die Bewertung ist leicht überdurchschnittlich, während das Wachstum noch gering ist. Das Geschäftsmodell unterläuft gerade einen größeren Wandel, der zwar Chancen, aber auch Risiken erhöht und die Zahlen schwerer prognostizierbar macht.
Aktuell habe ich nicht den Eindruck, dass dieses Risiko durch einen besonders günstigen Aktienkurs honoriert wird, weshalb ich nicht wieder investiere.