Erst am Freitag, 17.02.2023, wurden die Geschäftszahlen 2022 und die Strategie von Mercedes-Benz vorgestellt. Das Schlimmste scheint überwunden, die Profitabilität ist hoch. Dabei steht noch viel Arbeit bevor.
Mercedes-Benz befindet sich im größten Umbau der Geschichte. Das Ziel: Die vollständige Umstellung auf Elektroantriebe bis Ende des Jahrzehnts und marktführende Software, im Kern zu (teil)autonomen Fahren, anzubieten. Gleichzeitig soll sich als Luxusmarke positioniert werden.
Das sind große Herausforderungen - und die Bewertung an der Börse drückt eine gewisse Skepsis aus. Aber: Darin stecken auch einige Chancen. Die Bewertung ist günstig wie lange nicht mehr, Mercedes-Benz macht Fortschritte und der Wandel birgt Potenzial.
- Hohe Profitabilität: 150 Mrd. Euro Umsatz, 20 Mrd. Euro EBIT und über 8 Mrd. Euro Free Cashflow stehen über die letzten 12 Monate zu Buche. Mercedes-Benz fährt gerade hohe Gewinne und Kapitalzuflüsse ei. Aber: Das liegt wohl auch an einer Sonderkonjunktur.
- Umbruch & Wandel: Der Wandel in Richtung Elektroauto und Software steht an. Dieser birgt viele Gefahren, aber auch einige Chancen. Erst Erfolge treffen auf viele Hürden.
- Starke Marke: 49 Mrd. US-Dollar. Auf diesen Wert wird allein die Marke "Mercedes-Benz" geschätzt. Mercedes-Benz ist heute mit etwa 100 Mrd. US-Dollar an der Börse bewertet.
- Luxusstrategie: Mercedes-Benz will sich fürs hochpreisige Segment positionieren und bekommt dafür viel Zuspruch. Dabei stelle ich eine These auf, nach der es über die nächsten Jahre ziemlich ungemütlich werden könnte.
- Optisch günstige Bewertung: Das KGV von Mercedes-Benz liegt bei 6 bis 7 und einem KUV von 0,5, was optisch günstig aussieht. Dazu kommt die hohe Dividendenrendite von ~7%.
Du erfährst in dieser Analyse, ob sich eine Investition lohnen könnte, ob die Aktie überbewertet ist oder man die Aktie jetzt kaufen kann, um langfristig zu profitieren. Konkret geht es um:
Die Analyse beruht auf aktuellsten Kennzahlen, dem Jahresbericht, der Investorenpräsentation, den letzten Earnings Calls, Einschätzungen von Marktexperten, Interviews der Führungsebene und mehr. Viel Spaß!
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Überblick & Investment-These
Die Geschichte von Mercedes-Benz beginnt vermutlich 1883. Damals wurde das Unternehmen "Benz & Cie." gegründet, das 1926 mit der "Daimler-Motoren-Gesellschaft" fusioniert wurde. Es entstand: Die Marke Mercedes-Benz. Die zentrale Marke, die heute in der Daimler AG gebündelt ist.
CEO ist seit 2019 der Schwede Ola Källenius. Heute erzielt Mercedes-Benz 150 Mrd. Euro Umsatz und beschäftigt weltweit knapp 300.000 Mitarbeiter.
Mercedes-Benz (vorher Daimler) verkauft im Wesentlichen PKWs, dazu Finanz- und Mobilitätsdienste. Bis vor kurzem auch LKWs, das Segment Daimler Trucks wurde jedoch abgespalten und separat an die Börse gebracht.
Zum PKW-Segment zählen Marken wie Mercedes-Benz, Smart, Maybach und AMG.
Der Aktienkurs hat sich zuletzt wieder stark erholt, nachdem er viele Jahre seitwärts und bis zur Coronapandemie stark abwärts lief. Heute steht der Kurs sogar nahe des höchsten Kurses seit 25 Jahren.
Im September '21 habe ich zuletzt die Daimler-Aktie analysiert. Ich war vorsichtig optimistisch (und da schon investiert). Seitdem ist die Aktie +16% gestiegen, hat eine hohe Dividende gezahlt und die LKW-Sparte abgespalten. Schauen wir, wie die fundamentale Entwicklung aussah.
Investment-These
Mercedes-Benz ist deutlich profitabel und recht günstig bewertet. Es könnte, getrieben durch die starke Marke, in Zukunft eine solidere Stellung im Luxussegment einnehmen und langsam, aber stetig den Vorsprung von Tesla und anderen im E-Auto- und Software-Bereich verkürzen.
Geschäftsmodell, Markt & Burggraben
Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht. Außerdem: Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?
Business Breakdown
Mercedes-Benz hat heute drei Segmente:
- Cars (PKWs)
- Vans
- Mobility (Mobilitätsleistungen)
Das PKW-Segment ist mit Abstand das dominierende und wichtigste. Das LKW-Segment wurde vor kurzem abgespalten, Mercedes-Benz ist aber noch beteiligt.
Marktanalyse & Konkurrenz
Es gibt zwei Kategorien von Konkurrenten:
- Reine Elektroautohersteller: Allen voran Tesla fokussiert sich auf Elektroautos und ist darin der Marktführer. Auch andere Unternehmen wie Nio oder chinesische Unternehmen sind dort aktiv.
- Traditionelle Hersteller, die sich wandeln: Genau wie Mercedes-Benz befinden sich viele Autohersteller in einem Transformationsprozess, Dazu zählen VW, BMW, Toyota und weitere.
Einige Herausforderungen betroffen vor allem die Unternehmen wie Mercedes-Benz, die jetzt aufholen müssen:
- Verkauf online statt nur im Autohaus
- Umschulungen oder Entlassungen in bestehender Belegschaft
- Aufbau von Ladenetzen und Know-how für Batteriezellentechnik
Das Center of Automotive Management hat eine Liste der innovationsstärksten Unternehmen im Bereich der Elektromobilität aufgestellt. MB liegt hier auf Platz 4 mit positivem Trend, hinter Tesla, Volkswagen und BYD.
Das könnte ein Ergebnis der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen sein:
- Volkswagen: 14 Mrd. Euro
- Mercedes-Benz: 8,5 Mrd. Euro
- BMW: 6,5 Mrd. Euro
- SAP: 6,5 Mrd. Euro (nur zum Vergleich der Größenordnung)
- Tesla: 3 Mrd. Dollar
Vor Jahren war daher meine These, dass die deutschen Automobilhersteller dadurch aufholen - was zugegebenermaßen deutlich länger gedauert hat als gedacht.
Meine Bewertung des Geschäftsmodells
Ein starkes Geschäftsmodell ermöglicht Wachstum, einen Burggraben und damit Differenzierbarkeit von der Konkurrenz, höhere Gewinnmargen und Preismacht.
Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt's hier und hier.
Geschäftsmodell-Bewertung
Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In
Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?
Es gibt quasi keine wiederkehrenden Umsätze, auch wenn es Gedankenspiele gibt für einige Fahrservices (bspw. autonomes Fahren oder Entertainment bei Ladezeiten) Gebühren zu verlangen, sodass auch nach dem Kauf noch Umsatz erzielt wird.
Netzwerkeffekte
Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?
Je mehr Nutzer es gibt, desto besser wird die Ladeinfrastruktur, desto mehr Nutzer gibt es wiederum etc. Es gibt daher Netzwerkeffekte bei der Elektromobilität, die aber weniger speziell für Mercedes-Benz gelten. Die eigenen Netzwerkeffekte sind daher gering.
Skaleneffekte (Economies of Scale)
Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger? Wachsen Umsätze stärker als Kosten?
Als einer der größten Automobilhersteller genießt Mercedes-Benz Skaleneffekte: Zum einen im Materialeinkauf, zum anderen beim Entwickeln von Software und Ladeinfrastruktur, also Aspekte der Elektromobilität, die immer wichtiger werden. Ob Software für 20 oder 2 Mio. Autos gebaut wird, ist kostenseitig fast egal. Aber: Mercedes-Benz ist nicht der größte Hersteller, erst recht nicht im E-Auto-Markt und dreht die Skaleneffekte eher zurück - mehr dazu gleich.
Proprietäre Technologie
Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?
Mercedes-Benz hat mittlerweile eigene Technologie (sowohl Software als auch Batterietechnologie), die allerdings noch nicht auf dem Stand ist wie bspw. bei Tesla. Teslas Software ist umfangreicher, funktioniert noch besser und auch die Reichweiten sind höher. Tesla besitzt darüber hinaus das wohl beste Netz an Ladeinfrastruktur. Technologisch holt Mercedes-Benz auf, ist aber hier noch deutlich im Nachteil.
Marke (Branding)
Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?
Mercedes-Benz ist eine starke und traditionsreiche Marke, die höhere Preise und auch höhere Gewinnmargen ermöglicht. Durch die Luxuspositionierung soll sie weiter gestärkt werden.
Geschäftsmodell-Bewertung: 12 / 25
Zahlencheck
Ertragsentwicklung & Wachstum
Die Historie der Umsätze und Erträge ist etwas verzerrt, da die LKW-Sparte Ende 2021 abgespalten wurde. Diese hat etwa 40 - 50 Mrd. Euro zum Umsatz beigetragen, allerdings bei recht niedrigen Margen von 3 - 5%. Entsprechend ist - alle anderen Faktoren ausgenommen - der Umsatz heute auf einem niedrigeren Niveau, die Margen etwas höher.
Das Geschäftsjahr 2022 wurde vor wenigen Tagen berichtet und war enorm stark:
- Umsatz: +12% auf 150 Mio. Euro
- EBIT: +28%
- Free Cashflow: +3%
- Nettoliquidität: +27% auf 27 Mrd. Euro
Wir haben in 2021 und 2022 einen stärkeren Anstieg erlebt. Nicht nur bei Mercedes-Benz, sondern überall in der Automobilindustrie. Durch Lieferengpässe, auch von Halbleitern, konnte insgesamt weniger produziert werden, was aber die Preise und dadurch die Margen erhöht hat.
Schauen wir bei MB genauer hin. Das schon 2021 starke EBIT hat nochmal zugelegt, vor allem durch das PKW-Segment. Das Van-Segment ist ebenfalls gestiegen, das Mobilitätssegment gefallen.
Das wichtigste Segment ist das Cars-Segment, also die PKW-Sparte. Durch höhere Preise fiel der Umsatz um 8,3 Mrd. Euro höher aus, etwa 60% davon entstanden tatsächlich durch höhere Kosten. Entsprechend konnte die Umsatzrendite von 13% auf 14,6% gesteigert werden.
Ich glaube aber auch: Diese Preissteigerungen sind auf Angebotsknappheit zurückzuführen und damit eher ein Sondereffekt, kein dauerhafter Wachstumshebel.
Kapitalrückfuhr
Mercedes-Benz schüttet jedes Jahr eine Dividende aus. Nun soll die Dividende bei 5,20 Euro liegen, was einer Dividendenrendite von ~7% entspricht.
Zusätzlich wurde gerade ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 4 Mrd. Euro bekannt gegeben, das über die nächsten zwei Jahre umgesetzt werden soll.
Forschung, Entwicklung und Investitionen
Factsheet
Factsheet
TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More (= letzte 12 Monate). 3J = 3-Jahres-Durchschnitt. 'e' = erwartet. 'YoY' = im Jahresvergleich.
Die Eckdaten
- Land: Deutschland
- Branche: Automobilhersteller
- Marktkapitalisierung: 110 Mrd. EUR
Erträge
- Umsatz: 150 Mrd. EUR
- Operatives Ergebnis: 18 Mrd. EUR
- Ergebnis: 23 Mrd. EUR
- Free Cashflow: 11 Mrd. EUR
Bewertung
- KUV: 0,5
- KGV: 6
- KGVe: 7
- KCV: 5
Qualität & Wachstum
- Bruttomarge: 23%, 5J: 19%
- Operative Marge: 11%, 5J: 7%
- Nettomarge: 16% (ohne Sondereffekte eher ~8%), 5J: 6%
- Umsatzwachstum: +12% YoYYear-over-Year. Bezeichnet den Vergleich einer Kennzahl im Vergleich zum Vorjahr (bspw. Quartal 4 des aktuellen Jahres zu Q4 des Vorjahres). More, langfristiges Wachstum 0 - 5% p.a.
Zukunft & Strategie
Wandel #1: Elektromobilität
Daimler hat im Juli 2021 ein Strategy Update veröffentlicht, in welchem die Elektrostrategie vorgestellt wird.
Bis 2022 soll in jedem Segment eine elektrische Option verfügbar sein. Bis 2025 möchte Mercedes-Benz zu jedem Modell eine vollwertige elektrische Alternative anbieten und den Marktanteil von teil- oder vollständig elektrisch angetriebenen Autos bei 50% liegen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der Fokus ausschließlich auf Elektroautos (BEV) liegen.
Drei einheitliche Architekturen liegen den Elektromodellen zugrunde. Für mittelgroße und große Autos, für die Performance-Schiene (AMG) und Vans und andere kommerziell gefahrene Autos.
Ladenetz
Auch ein eigenes Ladenetz (mit einer Premium-Ladeerfahrung) möchte Mercedes-Benz auf- und ausbauen. Bis Ende des Jahrzehnts sollten 10.000 Schnellladepunkte stehen, was wohl einen einstelligen Milliardenbetrag kostet. Unklar ist für mich, ob sich das auf Standorte oder Ladegeräte bezieht. Zum Vergleich: Tesla hat heute ca. 4.500 Standorte mit 40.000 Superchargern.
Woher kommen die Batterien?
Auch in Batteriezellen wird investiert. 200 benötigte Gigawattstunden an Kapazität sollen durch 8 Batteriezellen erzeugt werden.
Hier ist Mercedes-Benz eine Partnerschaft mit CATL, einem der größten Batterieproduzenten, eingegangen. Es hat sich auch 2021 an ACC beteiligt, einem europäischen Batteriehersteller von Stellantis, TotalEnergies und nun auch Mercedes-Benz.
Aber: Das Manager Magazin (08/21) beschreibt, dass Daimler recht spät dran ist bzw. lange keinen Partner gefunden hat, um die Batteriezellen in gewünschter Kapazität (und ohne teure Aufpreise) produzieren zu können. Dort heißt es unter anderem:
Mal waren andere vor ihm da, mal gefiel Källenius die angebotene Qualität nicht recht. Der Daimler-Boss fand keine Partner. Das Ergebnis: Der Strom fehlt.
Da eigene Batterien nicht rechtzeitig fertig werden und weiter aus China bezogen werden muss, werden allein über die Modellreihe EQS geschätzt 1 Mrd. Dollar mehr an Kosten anfallen.
Produktpalette
Das Elektro-Flaggschiff von Mercedes-Benz ist der Mercedes EQS. Tatsächlich lesen sich viele Testberichte in Fachzeitschriften und Videos auf YouTube ziemlich positiv. Der Akku hat eine Reichweite für bis zu 780 Kilometer Reichweite. Das Cockpit hat einen riesigen Bildschirm, der quer von links nach rechts verbaut ist. Dazu kommt das für Mercedes typische Premium-Feeling.
Mittlerweile gibt es weitere Modelle, wie den EQA oder den EQE, die sich eher an die Mittelklasse richten. Beide beginnen in Deutschland bei 50.000 Euro. Damit ist der EQA etwas teurer als der Tesla Model Y, das Datenblatt liest sich beim Tesla besser.
Mit dem Vision EQXX, einem Konzeptauto, hat Mercedes-Benz 2022 eine Fahrt von über 1.000 Kilometern mit einer Batterieladung geschafft. Das liegt vor allem an der effizienten Bauweise. Das ist in der Serie noch weit entfernt, zeigt aber, dass es hier deutliche Fortschritte gibt.
Wandel #2: Software
Mercedes muss, wie jeder andere Automobilhersteller, gute Software anbieten. Dafür hat es sich entschieden, ein eigenes, proprietäres Betriebssystem zu entwickeln. Dies funktioniert nach meiner Einschätzung geht, aber Tesla ist hier weiter führend.
Die andere Software-Frage ist die des autonomen Fahrens. Hier hat Mercedes-Benz mit Meldungen auf sich aufmerksam gemacht, als erster Automobilhersteller autonomes Fahren auf Level 3 anzubieten. Das heißt: Bis 60 km/h dürfen andere Dinge am Steuer gemacht werden, das Auto fährt eigenständig und für Unfälle haftet Mercedes-Benz.
Mögliche Effekte durch autonomes Fahren und den Software-Fokus für Automobilhersteller:
- Bei autonomen Fahren müssen Automobilhersteller selbst Versicherungen anbieten, was Umsätze steigern könnte.
- Software im Auto kann als monatlicher Service angeboten werden.
- Software-Updates können nachträglich gekauft werden, bspw. beim Gebrauchtwagenkauf.
Im Bereich des autonomen Fahrens wird Mercedes-Benz eine recht gute Leistung nachgesagt. Das Handelsblatt behauptet sogar 2021, dass der stufenweise Ansatz der deutschen Autobauer schneller zum Ziel führen könnte als der Robotaxi-Wunsch von Waymo & Co. Die Meinungen gehen insgesamt aber stark auseinander.
Mercedes arbeitet hier mit Nvidia zusammen. Gerüchten zufolge soll Nvidia dabei strenge Konditionen vorgegeben haben, die 40% der Erlöse aus Software-Upgrades entsprechen könnten.
Wandel #3: Luxusmarke
Mercedes-Benz will sich künftig stärker auf das Luxussegment fokussieren. Das bedeutet konkret, dass weniger verkaufte, günstigere und möglicherweise schlechter angesehene (wie Taxi- oder Handwerker-Modelle) Modellreihen tendenziell gestrichen werden, die höherpreisigen Modellreihen werden gestärkt und verstärkt beworben. Der durchschnittliche Verkaufspreis eines Autos soll von ~70.000 auf 85.000 Euro steigen.
Warum geht Mercedes-Benz diesen Weg?
Langfristig will Mercedes damit die Margen stärken. Dem Luxus-Segment wird außerdem ein etwas höheres Wachstum prognostiziert und es gilt auch in Krisen als beständiger, auch durch die höheren Margen. Andere Luxusmarken wie Ferrari oder Porsche genießen an der Börse dadurch höheres Vertrauen, Luxusmarken aus anderen Segmenten (wie LVMH) sowieso.
Das will im übrigen nicht nur Mercedes. Auch BMW, Audi und andere Hersteller wollen sich eher verteuern. Das wird das Hochpreissegment kompetitiver machen.
Was sind die Konsequenzen?
Die Strategie halte ich langfristig durchaus für sinnvoll. Mercedes ist im Kern eine starke und hochwertig wahrgenommene Marke, die es seit über 100 Jahren gibt und als Erfinder des Autos gilt. Das ist die perfekte Grundlage für eine Luxusmarken-Strategie.
Kurzfristig kann die Strategie aber aus mehreren Gründen sehr ungemütlich werden. Es könnte Mercedes Ansehen auch schaden, wenn es kein Auto für Jedermann ist, sondern aktiv Käufergruppen ausschließt. Ob in der Praxis Volumen gesenkt werden kann, auch hinsichtlich Mitarbeiterentlassungen und Fabrikschließungen, ist fraglich.
Das PKW-Segment ist von 2,3 Mio. Autos (2019) auf 1,9 Mio. (2021) zurückgegangen, soll bis 2026 um 5% pro Jahr steigen. Dann läge man bei 2,4 Mio. Autos. Dieses Segment soll dann 60% mehr ausmachen, das Einstiegssegment 25% weniger.
Was mich noch mehr zweifeln lässt ist folgende These: Ich glaube, dass der Wandel zur Luxusmarke der schwierigste ist in der Entwicklung einer Marke. Dieser Wandel braucht auch seine Zeit. Erst müssen Modellreihen gestrichen werden, trotzdem verschwinden diese Autos dann nicht von heute auf morgen von der Straße. Positive Effekte der Luxusstrategie könnten dann noch fünf oder zehn Jahre entfernt sein.
- In der Vergangenheit ist Mercedes den Weg von einer Luxusmarke zu einer Marke für die breite Bevölkerung gegangen. Das erhöht das Volumen, die gesamte Modellpalette zehrt noch von dem starken Markenimage. Dieses fängt erst nach ein paar Jahren an abzunehmen, da nun "jeder" Mercedes fährt. Kurzfristig steigt damit aber das Volumen bei immer noch hohen Margen und Mercedes konnte den Gewinn ausweiten.
- Eine Luxuspositionierung muss sich jetzt über Jahre erkämpft werden. Erst dann steigt die Zahlungsbereitschaft der Käufer und mehr hochpreisige Modelle werden abgesetzt. Das Volumen ist dann niedriger, die Marge höher, der Gewinn könnte langfristig gleich bleiben
- Kurzfristig muss Mercedes dafür niedrigpreisigere und möglicherweise reputationssenkende Segmente streichen. Das kostet Umsatz und Gewinn. Das Volumen sinkt, die Marge steigt noch nicht, da die Wahrnehmung als Luxusmarke erst später einsetzt. Also kurz- und mittelfristig weniger Gewinn.
Kurz gesagt: In der Vergangenheit wurde der Gewinn auf Kosten des Markenwerts ausgeweitet, nun kehrt sich das ganze um. Langfristig könnte das Ergebnis das gleiche sein, der Weg ist aber der unbequemere.
Meine Meinung zur Strategie
Was sind also die Chancen und Risiken des Wandels?
Mercedes-Benz vs. Tesla
Im E-Auto-Bereich liegt Tesla vorne. Die E-Modelle sehen nach einem deutlich stärkeren Preis-Leistungs-Verhältnis aus, auch die Absatzzahlen bestätigen das. Mercedes-Benz hat zwar ein höheres Level im autonomen Fahren freigeschaltet, insgesamt hat Tesla aber noch die bessere Fahrassistenz. An den Assistenzsystemen von Mercedes verdient Nvidia noch mit. Tesla hat ein eigenes ausgebautes Ladenetz, Mercedes-Benz nicht. Tesla baut eigene Batterien, Mercedes-Benz noch nicht.
Das Outsourcing von Mercedes muss nicht schlecht sein. Es ist nicht umsonst eine jahrzehntelang bewährte Strategie, kann Prozesse beschleunigen und dann von Vorteil sein, wenn die Zulieferer in ihrem Spezialgebiet besser sind oder werden als Tesla. Dafür hat Tesla einen breiteren Teil der Wertschöpfungskette.
Zum Status Quo gehört aber auch, dass Mercedes-Benz durch das alte Verbrenner-Geschäft noch signifikante Überschüsse erzielt und stark in Ladenetze, Batteriebeschaffung und Software investiert.
Von 2022 bis 2026 sollen insgesamt 60 Mrd. Euro investiert werden, was 12 Mrd. pro Jahr entspricht. Nimmt man die Ausgaben für Forschung & Entwicklung sowie die Ausgaben für Investitionsgüter, sieht man das Hoch in 2018 und 2019 bei ca. 14 Mrd. Euro (aber noch zusammen mit Daimler Truck).
Das übersteigt auch die Werte von Tesla, wobei sich diese bei Tesla nur auf E-Autos konzentrieren und bei Mercedes-Benz auf eine deutlich breitere Produktpalette verteilen.
Negative Skaleneffekte drohen
Die Bereiche Software und Ladenetz zeigen, wie wichtig Skaleneffekte sind. Nur große Automobilhersteller können ein eigenes Ladenetz mit guter Abdeckung aufbauen. Ob die Software für 10 Mio. oder 1 Mio. Autos entwickelt wird ist kostenseitig fast egal.
Das ist ein großes Risiko für Mercedes-Benz: Es dreht die Skaleneffekte dadurch, dass es sich von niedrigpreisigeren Modellreihen trennt, eher zurück. Dass Mercedes außerdem im E-Auto-Markt mehr Autos verkauft als vorher im Verbrenner-Markt ist unwahrscheinlich. Entsprechend laufen die Skaleneffekte hier langfristig eher gegen Mercedes.
In meinen Augen holt Mercedes-Benz produktseitig tatsächlich auf. Es hat gute, sicherlich nach harten Preis-Leistungs-Kriterien aber nicht die besten Modelle im E-Auto Markt. Womöglich war es das auch nicht in Vergangenheit, sondern auch die Marke war für viele das entscheidende Kaufargument. Technisch hat es immerhin Möglichkeiten demonstriert (Ladegeschwindigkeit, Reichweite, Fahrassistenz), auf denen sich aufbauen lässt.
Meine Bedenken gehen eher in die Wirtschaftlichkeit. Wenn das Volumen zurückgeht, durch negative Skaleneffekte und Outsourcing die Wertschöpfung geringer ausfällt, könnte trotz Luxusstrategie auch die Margen leiden. Dann müssen wir uns auf dauerhaft niedrigere Gewinne einstellen.
Chancen durch die Strategie
Die Automobilindustrie geht klar in Richtung der E-Mobilität. Um zu bestehen, muss Mercedes-Benz diesen Weg mit gehen. Software wird immer mehr ein Differenzierungsmerkmal von Autos. Durch diesen Wandel kann die Nachfrage kurzfristig erhöht werden und das Auto ein attraktiveres Verkehrsmittel werden mit weiteren Erlösmöglichkeiten (Software monatlich verkaufen, nachrüstbare Updates, eigene Ladesäulen und Versicherungen).
Warum es klappen könnte:
Warum es scheitern könnte:
Finanzielle Ziele
Der neue Ausblick auf 2023:
- Umsatz auf Vorjahresniveau, also +-0%
- EBIT leicht rückläufig
- Free Cashflow auf Vorjahresniveau
An anderer Stelle wird MB dann noch detaillierter. Das Volumen soll gleichbleiben, die Umsatzrendite (= operative Rendite) im PKW-Segment bei 12 - 14% liegen. Die Investitionen in Maschinen & Güter leicht steigen, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung ebenfalls.
SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken
Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.
Stärken
Fassen wir die Stärken zusammen, die wir im Geschäftsmodell identifizieren konnten.
Schwächen
Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Fassen wir die Schwachstellen des Unternehmens zusammen.
Chancen
Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?
Bedrohungen
Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Hier geht's nun viel mehr darum: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?
Aktienbewertung & Renditeerwartung
Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.
Berechnen wir dafür die zu erwartende Rendite. Kann ich diese hellsehen? Nein, definitiv nicht. Wir können aber das Chance-Risiko-Verhältnis auf Basis der Analyse abschätzen und in konkrete Zahlen gießen.
Dafür kalkuliere ich drei Szenarien: Ein pessimistisches, ein optimistisches und das Szenario, das ich im Mittel erwarte. Auch Ausreißer nach unten oder oben sind immer möglich.
Für die Ermittlung des fairen Werts (alle Erläuterungen dazu über diesen Link) habe ich im mittleren Szenario folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:
Umsatzwachstum
Das Umsatzwachstum nähert sich in der Berechnung vom kurzfristigen schrittweise an das langfristige Wachstum über 10 Jahre an.
- Umsatzwachstum zuletzt: +12% YoYYear-over-Year. Bezeichnet den Vergleich einer Kennzahl im Vergleich zum Vorjahr (bspw. Quartal 4 des aktuellen Jahres zu Q4 des Vorjahres). More, langfristiges Wachstum 0 - 5% p.a.
- Management-Prognose: 0% in 2023
- Analystenerwartung: -1,5% p.a.
- Meine kurzfristige Annahme: Wenn Modellreihen gestrichen werden und die letzten Preiserhöhungen mittelfristig zurückgehen, sollte der Umsatz eher fallen als steigen. Ich nehme -1% p.a. an.
- Meine langfristige Annahme: 0%. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Mercedes-Benz in Zukunft einen größeren Marktanteil hat als in der Vergangenheit. Beim Wandel zur Luxuspositionierung wäre ein Beibehalten des Umsatzes schon ein Erfolg.
Nettomarge
Die Nettomarge liegt heute bei 16%, hat aber starke Sondereffekte. Die operative Marge lag zuletzt bei 11% und damit auch über dem historischen Durchschnitt, 2023 soll sie etwa gehalten werden. Historisch lag sie eher bei 6 - 9%, die Nettomarge bei 5 - 7%, was zum Teil aber auch an der mittlerweile abgespaltenen LKW-Sparte lag.
Zum Vergleich: Porsche hat mit die stärksten Margen und liegt bei einer operativen Marge von 15 - 20%.
Der große Wandel sollte die Marge kurz- und mittelfristig eher drücken, die Luxuspositionierung hebt sie langfristig wiederum leicht. Skaleneffekte könnten allerdings langfristig leicht negativ wirken.
Ich gehe kurzfristig eher von 9% Nettomarge aus, langfristig von 8%.
Bewertungsniveau
Heute ist die Aktie mit einem KGV von 5 bewertet. Ich gehe davon aus, dass die Aktie ähnlich des historischen Durchschnitts bei 9 liegen könnte.
Sonstiges
Ich nehme 60% Ausschüttungsquote an, auch durch das angekündigte 4 Mrd. Euro Aktienrückkaufpaket.
Meine Renditeerwartung
Renditerechner-Tool
Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: DAI.
Status Quo » Die Zahlen heute
Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung
Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Keine Garantie für die Zukunft.
Fortgeschrittene Optionen einblenden +Die Scorecard
StrategyInvest Scorecard
Je Kategorie bis zu 25 Punkte. Insgesamt 20+ Kriterien.
Qualität
Profitabilität, Bilanz & Risiken
Geschäftsmodell
Burggraben, Alleinstellung & Preismacht
Wachstum
Umsatz, Gewinne & Rule of 40Die Rule of 40 berechnet sich aus der Summe von Umsatzwachstum und EBITDA-Marge (oder Free Cashflow Marge). Wenn der Wert über 40 liegt, gilt das als kapitaleffizientes Wachstum. More
Bewertung
KUV, KGV & weitere
Gesamtscore
Gut 🙂
Pro, Contra & Fazit: Aktie jetzt kaufen?
Pro
Contra
Checkliste
In jedem Fall gilt: Beachte die folgenden Punkte, bevor du diese oder eine andere Aktie kaufen solltest.
Es kann viele Gründe, eine Aktie spannend zu finden und kaufen zu wollen. Vor dem Kauf gibt es eine Handvoll Fragen, die du dir stellen solltest, um Enttäuschungen und Anfängerfehler zu vermeiden:
- Verstehst du das Geschäftsmodell?
- Hast du dich mit den Risiken des Unternehmens beschäftigt?
- Hast du dich mit den Risiken der Aktie beschäftigt?
- Passt die Aktie in dein Depot? (hinsichtlich Klumpenrisiken)
- Verstehst du, dass es beim Investieren nie um Garantien, sondern Wahrscheinlichkeiten geht - so auch bei dieser Analyse und jedem Aktienkauf?
Ausführliches Hintergrundwissen bekommst du in der Know-How Sektion und der Academy.
Mein Fazit
Ich bin nun mehrere Jahre in Mercedes-Benz investiert. Trotz der Risiken fand ich den Bewertungsabschlag zu stark. Mittlerweile ist die Aktie gestiegen und trotz der optisch niedrigen Bewertung und den hohen Erlösen sehe ich eine positive, aber nicht besonders hohe Renditeerwartung.
Die Risiken und Herausforderungen sind groß: Kurzfristig die weltwirtschaftliche Krise, mittel- und langfristig der Wechsel auf Elektromobilität und Software, Herausforderungen bei der Batteriebeschaffung, der Klimawandel und damit verbundene Auflagen und Kosten, Zinserhöhungen und dadurch steigende Zinskosten, zunehmende Konkurrenz, Umschwung auf die Luxusstrategie und Abhängigkeiten von China.
Ehrlicherweise finde ich das Rendite-Risiko-Verhältnis, obwohl die Aktie heute größtenteils gelobt wird, heute nicht mehr. Ich wünsche mir, dass Mercedes-Benz erfolgreich wird, sehe deutliche Fortschritte und sehe langfristig auch einen Platz für das Unternehmen, gerade in einer noch stärker Premium-fokussierten Positionierung, der Weg wird aber herausfordernd. Entsprechend habe ich meine Aktien nun für ~73€ verkauft. Das liegt allerdings auch daran, dass mein Depot tendenziell schon zu Deutschland-lastig ist und ich noch VW-Aktien halte, ich also auch dieses Klumpenrisiko verringern möchte.