Versicherungen sind durch langfristige Verträge sowie wiederkehrende und konjunkturunabhängige Erlöse ein beliebtes Geschäftsmodell.
Aber bei Kunden sind sie oft unbeliebt: Intransparenz, umständliche und langwierige Schadensmeldungen und langwierige Anmeldeprozesse sind einige der Schwierigkeiten.
Nun gibt es Anbieter, die Abhilfe schaffen. Mit schlankeren Prozessen, Nutzerfreundlichkeit und sogar einer eingebauten Spendenlogik, die Zielkonflikte vermeiden soll. Lemonade ist einer der führenden Anbieter in diesem Segment.
Lemonade wurde erst 2015 gegründet und wird heute schon als Herausforderer der etwas eingestaubten Versicherungsbranche gesehen. 2020 ist Lemonade folgerichtig an die Börse gegangen und wird dort heute mit 8 Mrd. US-Dollar bewertet.
Ein kleiner Wert im Vergleich zu den 5 Bio. US-Dollar, die in der riesigen Versicherungsbranche weltweit jährlich umgesetzt werden. Aber viel im Vergleich zum eigenen Umsatz, der erst 100 Mio. US-Dollar beträgt – wobei dieser sich zuletzt auf Jahresbasis verdreifacht hat.
Ist Lemonade also die spannendste Chance im Versicherungsmarkt – oder eine zu teure Wette mit hohem Risiko? Und was macht Lemonade genau anders als traditionelle Versicherer?
Ich schaue hier auf diese Fragen und versuche herauszufinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Außerdem erfährst du in dieser Analyse:
- Überblick: Was hinter Lemonade steckt und wie die Aktie analysiert werden sollte
- Wie steht das Unternehmen wirtschaftlich aktuell da, wie wird Geld verdient und was sind die wichtigsten Mechanismen des Geschäftsmodells?
- Blick in die Zukunft: Wie stark ist der Burggraben zur Konkurrenz, welche Trends zeichnen sich im Markt ab und wie sieht die eigene Strategie aus?
- Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken eingeschätzt und gegenübergestellt
- Abschließende Bewertung inkl. Scorecard und konkreter Renditeerwartung: Ist die Lemonade Aktie aktuell kaufenswert?
1. Überblick: Das steckt hinter dem Unternehmen
Überblick
Das Unternehmen
Lemonade wurde 2015 in den USA gegründet und ist seit 2019 auch in Deutschland auf dem Markt. 2020 ging’s an die Börse. Daniel Schreiber, der vorher schon führende Rollen bei anderen Tech-Unternehmen hatte, ist seit 2015 der CEO. Heute hat Lemonade knapp 1 Mio. Kunden.
Lemonade ist selbst kein rein gewinnorientiertes Unternehmen, sondern:
[…] eine Public Benefit Corporation und B-Corp zertifiziert. Soziales Engagement ist Teil unserer rechtlichen Vorgaben sowie unseres Geschäftsmodells – und kein leeres Versprechen.
Produkt & Geschäftsmodell
Was unterscheidet Lemonade nun von herkömmlichen Versicherungen?
Lemonade will vor allem eine kundenfreundlichere Lösung bieten: Transparenter, schneller, einfacher zu nutzen und günstiger.
Unsere Mission: Wir verwandeln Versicherungen von einem notwendigen Übel in einen gesellschaftlichen Mehrwert.
Lemonade selbst beschreibt den eigenen Prozess so (inkl. 3 Schritte):
Lemonade stellt das traditionelle Versicherungsmodell auf den Kopf. Wir behandeln die Beiträge, die du zahlst, als ob es dein Geld ist – nicht unseres. Mit Lemonade wird alles einfach und transparent: Wir nehmen einen fixen Anteil, bezahlen Schadensfälle super schnell und spenden den Restbetrag an einen wohltätigen Zweck deiner Wahl!*
Also ein spannendes Prinzip – bei dem natürlich auch spannend ist, woher das Geld für die Aktionäre kommt, wenn der Restbetrag gespendet wird. Das schauen wir uns gleich an.
Aktienkurs
Seit dem IPO 2020 hat sich der Aktienkurs stark entwickelt und vervielfacht:
Chance
Die Chance besteht heute darin, in einer frühen Phase in einen möglichen Marktführer der Versicherungen in Zukunft beteiligt zu sein.
Phase & entscheidende Fragen
Ich sehe Lemonade am Ende von Phase 1: Hohes Wachstum und noch hohe Verluste. Das Produkt wird angenommen, muss jetzt aber in bessere Kennzahlen gewandelt werden.
Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.
2. Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert
Business Breakdown
Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.
Unternehmensentwicklung
Lemonade hat ein starkes Umsatzwachstum, welches sich auf hohem Niveau etwas verlangsamt:
Quelle: thomvest
Wie verdient Lemonade Geld?
Versicherungen erhalten in der Regel einen monatlichen oder jährlichen Betrag, der dann bestimmte Schadensfälle versichert. Die von vielen eingezahlten Beträge werden dann verwendet, um (a) die Kosten der Versicherung selbst zu decken, (b) die auftretenden Schadensfälle zu decken und (c) im Optimalfall einen Überschuss für den Versicherer zu erwirtschaften.
Eine Versicherung hat also ein Interesse an möglichst hohen Beträgen (= Umsatz). Das ist allerdings oft schwierig, da heute eine hohe Vergleichbarkeit herrscht. Deshalb sehen wir jetzt auch, dass neue Faktoren an Bedeutung gewinnen – wie einige, die wir gleich bei Lemonade sehen.
„Written Premium“
Bei Versicherungen wird oft im englischen von „written premium“ gesprochen. Das ist vereinfacht gesagt der Umsatz, den ein Versicherungsunternehmen durch Beitragszahlungen einnimmt.
Auf der anderen Seite steht die Kostenseite. Wenn eine Versicherung zu viel ausschüttet, da notorische Betrüger aufgenommen und nicht erkannt werden oder vor allem Kunden angezogen werden, die eine hohe Schadensquote haben, ohne dafür höhere Beträge einzunehmen, wird eine Versicherung Nachteile haben.
Bei Lemonade lag die angepasste Bruttomarge zuletzt (Q3 2020) bei ca. 29%. Das bedeutet: Wenn Lemonade 100 Euro einnimmt, werden etwa 80 Euro für Schadensfälle, Rückversicherungen und direkte Kosten (bspw. Zahlungsabwicklung) gezahlt und 29 Euro bleiben für Lemonade.
Die Rolle der Rückversicherer
Außerdem gibt es nicht nur Versicherungen, sondern auch Rückversicherer wie bspw. die Münchener Rück. Was machen diese Rückversicherer?
Sie versichern die Schadenssummen, die bei normalen Versicherern auftreten. Das hilft letzteren größere Schadenssummen, bspw. bei Naturkatastrophen, abzufedern und mehr Planbarkeit zu bekommen. Für so eine Rückversicherung zahlt der Versicherer, hier also Lemonade, einen Betrag.
Deep Dive: Mechanismen des Geschäftsmodells
Lemonade möchte kundenfreundlich, schnell, günstig und fair sein. Das verdeutlicht auch der Prozess bei einer Schadensmeldung:
Wo sind also die Unterschiede zu herkömmlichen Versicherungen:
- Schnellere Behandlung der Schadensfälle
- Intuitive und angenehme Nutzeroberfläche
- Weniger Interessenskonflikt, da Überschüsse gespendet werden
Ein weiterer Faktor ist die Nutzung von künstlichen Intelligenzen in der Betrugsbekämpfung. Das ist mehr als sinnvoll, vermutlich aber kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Versicherungen, die dazu schon deutlich mehr Daten haben.
Spenden
Aber wie läuft’s mit den Spenden? Das wird hier konkretisiert:
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