Der Enterprise Value hat in den letzten Jahren mehr Bekanntheit erlangt. Aber was steckt dahinter und was unterscheidet ihn von dem Börsenwert, den wir mit der Marktkapitalisierung gleichsetzen? Das erfährst du hier.
Was ist der Enterprise Value?
Der Enterprise Value ist eine Kennzahl für den Unternehmenswert. Er berechnet sich aus dem aktuellen Börsenwert sowie den Nettofinanzverbindlichkeiten.
Die Formel zur Berechnung: Enterprise Value = Marktkapitalisierung + Summe der zinstragenden Verbindlichkeiten - nicht betriebsnotwendiges Vermögen
Vereinfacht gesagt gibt der Enterprise Value an, wie viel jemand insgesamt bezahlen müsste, um ein Unternehmen komplett schuldenfrei zu kaufen. Oder, falls das Unternehmen keine Schulden, aber Geld hat, dieses Kapital direkt ausschütten würde.
Ein simplifiziertes Beispiel:
Du möchtest einen kleinen Food Truck übernehmen, der Pizza verkauft. Der Verkäufer sagt dir, dass er 50.000 Euro haben möchte. Du übernimmst allerdings auch das Geschäftskonto, auf dem 30.000 Euro liegen. Es gibt keine Schulden.
Der Preis, den du zahlst, ist 50.000 Euro. Durch das Geld, das du erhältst, zahlst du aber effektiv nur 20.000 Euro. Du könntest es schließlich direkt ausschütten oder sparst dir, Geld selbst einzahlen zu müssen.
Der Preis (50.000 Euro) ist hier ähnlich wie der Börsenwert bzw. die Marktkapitalisierung zu sehen, der effektive Wert für das Unternehmen abzüglich des Kapitals (20.000 Euro) wie der Enterprise Value.
Rechenbeispiel 1: Ein Unternehmen ist 1 Mrd. Euro an der Börse wert. Es hat Verbindlichkeiten in Höhe von 300 Mio. Euro und 100 Mio. Euro Cash. Der Enterprise Value liegt hier also bei 1,2 Mrd. Euro, der Börsenwert bei 1 Mrd. Euro.
Rechenbeispiel 2: Ein Unternehmen ist 1 Mrd. Euro an der Börse wert. Es hat Verbindlichkeiten in Höhe von 50 Mio. Euro und 350 Mio. Euro Cash. Der Enterprise Value liegt hier also bei 700 Mio. Euro, die Marktkapitalisierung bei 1 Mrd. Euro.
Was ist der Vorteil vom Enterprise Value?
Nehmen wir an, wir haben zwei identische Unternehmen A und B. Sie erzielen den gleichen Umsatz, den gleichen Gewinn und betreiben das gleiche Geschäftsmodell. Sie sind an der Börse jeweils 10 Mrd. Euro wert (Marktkapitalisierung).
Es gibt einen Unterschied:
- Unternehmen A hat 500 Mio. Euro an Schulden und 500 Mio. Euro an Cash.
Das Nettofinanzvermögen ist also 0. - Unternehmen B hat 100 Mio. Euro an Schulden und 600 Mio. Euro an Cash.
Das Nettofinanzvermögen ist also 500 Mio. Euro.
Nach der Marktkapitalisierung sind beide Unternehmen gleich bewertet. Ziehen wir allerdings Schulden vom Wert ab und addieren das Cash, ist der Enterprise Value von Unternehmen B 500 Mio. Euro niedriger.
Eine Denkstütze: Wir könnten das gesamte Unternehmen B kaufen und uns selbst 500 Mio. Euro ausschütten. Das wäre direkte Rendite und wir haben nach wie vor ein Unternehmen mit der gleichen Substanz wie Unternehmen A.
Entsprechend ist Unternehmen B günstiger bewertet und wäre hier kaufenswert.
Anders gesagt: Wenn die Ertragssituation die gleiche ist, sollte das Unternehmen wertvoller sein, dass mehr Kapital (abzüglich der Schulden) besitzt.
Es gibt auch extremere Fälle, bei denen in einem Unternehmen mehr Kapital ist als das Unternehmen nach der Marktkapitalisierung wert ist. Wenn es mit 1 Mrd. Euro bewertet ist, aber 1,2 Mrd. Euro an Cash in der Bilanz hat, könnte man - theoretisch - das Unternehmen schließen, das Geld ausschütten und hätte 20% Gewinn erzielt. Auf so etwas deutet der Enterprise Value hin.
Was ist der Unterschied zur Marktkapitalisierung?
Die Marktkapitalisierung berechnet sich aus allen umlaufenden Aktien multipliziert mit dem Aktienkurs. Je nach Aktienkurs variiert der Börsenwert damit.
Die Marktkapitalisierung ist der größte Bestandteil des Enterprise Values. Letzterer nimmt vor allem noch eine Bereinigung um die Verschuldung vor.
Die Marktkapitalisierung gibt also an, wie teuer es wäre, ein Unternehmen zu 100% zu kaufen, dann aber auch ggf. noch Schulden oder Vermögen zu übernehmen. Der Enterprise Value gibt an, wie teuer es wäre, ein schulden- und vermögensloses Unternehmen zu 100% zu übernehmen.
Vier konkrete Aktien als Beispiel
Tagtäglich schwanken Börsenwerte. Entsprechend sind diese Werte hier inaktuell, sobald sie geschrieben werden, es geht daher viel eher darum, die Größenordnungen zu verstehen.
- Mercedes Benz: Marktkapitalisierung von ~70 Mrd. Euro, Enterprise Value von ~140 Mrd. Euro.
- Spotify: Marktkapitalisierung von 21 Mrd. Euro, Enterprise Value von ~17 Mrd. Euro. Die liquiden Mittel übersteigen die Verschuldung.
- Alphabet: Marktkapitalisierung von 1,27 Bio. Dollar, Enterprise Value von 1,2 Bio. Dollar.
- Oscar Health: Marktkapitalisierung von 800 Mio. Dollar, Enterprise Value von - 1 Mrd. Dollar. Das ist sehr ungewöhnlich, da das Unternehmen an der Börse weniger wert ist als es liquide Mittel besitzt.
Kennzahlen auf Basis des Enterprise Value
Über den Enterprise Value lassen sich, analog zur Marktkapitalisierung, unterschiedliche Bewertungskennzahlen mit den bekannten Ertragszahlen berechnen.
- EV-Umsatz-Verhältnis
- EV-EBIT-Verhältnis
- EV-Gewinn-Verhältnis