Was steckt hinter Adjusted-Kennzahlen (adjusted EBITDA, adjusted EBIT,…)?

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von Jannes Lorenzen

Gründer, Investor, Strategie-Lead & Ökonom

Viele Aktienunternehmen weisen heute in Geschäftszahlen adjusted Kennzahlen aus. Beispiele:

  • Adjusted Bruttomarge (Adjusted Gross Margin)
  • Adjusted EBITDA
  • Adjusted EBIT
  • Adjusted Cashflow

Manchmal wird es auch als "Adj." abgekürzt oder AEBITDA geschrieben. Was steckt nun hinter dem "adjusted"?

Adjusted EBITDA, adjusted EBIT, AEBITDA - was steckt dahinter?

Adjusted heißt wörtlich übersetzt "angepasst". Das Unternehmen nimmt hier also Anpassungen an der eigentlichen Kennzahl vor.

Dabei wird die Kennzahl, bspw. das EBITDA, um nicht-operative Sondereffekte bereinigt.

Das EBITDA wird nach standardisierten GAAP-Richtlinien ausgewiesen. Das adj. EBITDA ist dann eine Non-GAAP Kennzahl, da sich hier von den buchhalterischen Standards entfernt wird.

Was sind nun solche Sondereffekte? Einige Beispiele:

  • Aktienbasierte Vergütungen
  • Währungsschwankungen
  • Einmalige Restrukturierungskosten
  • Abfindungskosten
  • Rücklagen für Rechtstreite

Vorteil der Adjustierung

Die adjustierten Kennzahlen können ein realistischeres Bild über die Ertragslage vermitteln.

Ein Beispiel ist das Q1 '22 Ergebnis von Adobe. Nach offizieller Berechnung ist der Umsatz um 9% gestiegen, in der bereinigten Variante um 17%.

Die Bereinigung wird aus gutem Grund vorgenommen: Das aktuelle Quartal hat eine Woche weniger als das Vergleichsquartal des Vorjahres. Eine Woche klingt nach wenig, wenn ein Quartal allerdings aus 13 statt 12 Wochen besteht, entspricht das 8% mehr Zeit und in der Regel auch mehr Umsatz.

Aber es auch andere Fälle, die das Bild eher verfälschen als es wirklich zu bereinigen.

"Adjusted": Das gefährlichste Wort in Geschäftsberichten?

Ein großer Nachteil dieser Adjustierung: Es gibt dem Management mehr Raum für kreative Auslegung und kann dadurch Zahlen beschönigen.

Diese Unternehmen bereinigen stärker

Das kann bei Unternehmen, die das aggressiver auslegen, zu deutlich auseinandergehenden Kennzahlen führen. Ein paar höhere Beispiele, die auch selbst proaktiv die adjusted Kennzahlen in den Vordergrund stellen:

Palantir

Die bereinigte operative Marge liegt bei 25 - 30% (in Q1 '22 bei 26%), die offizielle bei -9%. Also eine Differenz von 30 bis 40 Prozentpunkten.

Diese Bereinigung entsteht vor allem durch das Herausrechnen der aktienbasierten Vergütung. Mehr dazu gleich.

Twilio

220 Mio. Dollar (-25%) operativer Verlust in Q1 '22, in der bereinigten Berechnung 5 Mio. Dollar (+1%) Gewinn. Also eine Differenz von ~25 Prozentpunkten.

Zendesk

  • Bruttomarge: 81% (GAAP), 83% (Non-GAAP)
  • Operative Marge: -16% (GAAP), 5% (Non-GAAP). Differenz von 21 Prozentpunkten.
  • Nettoergebnis: -67 Mio. (GAAP), 15 Mio. (Non-GAAP)

Aktienbasierte Vergütung (stock-based compensation)

Statt nur ein Fixgehalt zu erhalten, gibt es für viele Mitarbeiter Aktienoptionen. Das kennen wir im englischen als "Stock-based compensation" (SBC) oder im deutschen als "aktienbasierte Vergütung". Diese gibt es bei fast allen Unternehmen, gerade bei Wachstumsunternehmen fällt diese aber im Verhältnis zum Umsatz recht hoch aus. 

Das schont den Geldbeutel des Unternehmens. Es verwässert allerdings Beständsaktionäre, da immer mehr Aktien im Umlauf sind. Für den Mitarbeiter ist das Aktienpaket gerade in steigenden Börsenphasen ein attraktiver Anreiz, in fallenden weniger.

Diese aktienbasierte Vergütung wird oft bei bereinigten Kennzahlen herausgerechnet und fehlt auch in der Cashflow-Betrachtung, da hier - anders als beim Fixgehalt - kein Geld gezahlt wird.

Einige Unternehmen mit hoher aktienbasierter Vergütung ("SBC") im Verhältnis zu ihrem Free Cashflow (FCF) und ihrem Umsatz (Stand: Mai 2022, jeweils über letzte 12 Monate):

  • Palantir: 320 Mio. Dollar FCF, 780 Mio. Dollar SBC. Offizielle FCF-Marge 20%, unter Einbeziehung der SBCs -30%. 50% Anteil von SBC am Umsatz.
  • Snowflake: 100 Mio. Dollar FCF, 600 Mio. Dollar SBC. Offizielle FCF-Marge 8%, unter Einbeziehung der SBCs -42%. 40% Anteil von SBC am Umsatz.
  • ServiceNow: 2 Mrd. Dollar FCF, 1,2 Mrd. Dollar SBC. Offizielle FCF-Marge 30%, unter Einbeziehung der SBCs ~11%. 20% Anteil von SBC am Umsatz.

Nun, wie profitabel sind diese Unternehmen wirklich? Macht es Sinn, die aktienbasierte Vergütung herauszurechnen?

Sollte aktienbasierte Vergütung ignoriert werden?

Dass die aktienbasierte Vergütung im Cashflow-Statement auftaucht ist genau richtig so. Damit spiegelt das Cashflow-Statement genau das wider, was es soll: Zahlungswirksame Zu- und Abflüsse.

Das heißt aber nicht, dass das die verlässlichste Information für Anleger ist.

Nehmen wir zwei Unternehmen, die fundamental identisch sind. Das eine (A) zahlt Mitarbeitern nur ein Fixgehalt, das andere (B) teilt die Summe auf ein Fixgehalt und Aktienoptionen auf. Beide haben daher offiziell die gleiche EBIT-Marge, die im Beispiel bei 20% liegt. Personalkosten machen 10% am Umsatz aus.

  • A: Da nur ein Fixgehalt gezahlt wird, gibt es keinen Unterschied zwischen bereinigter und offizieller EBIT-Marge. Beide liegen bei 20%.
  • B: Die Personalkosten machen 10% am Umsatz aus, daher hier 5% Fixgehalt und 5% aktienbasierte Vergütung. Nach offizieller Rechnungslegung liegt die EBIT-Marge bei 20%, die adjusted-Variante liegt bei 25%, da hier die Aktienoptionen herausgerechnet werden.

Unternehmen B sieht in der bereinigten Variante profitabler aus, obwohl beide Unternehmen fundamental identisch sind. Kann Unternehmen B einfach so mehr Geld einstreichen?

Wahrscheinlich nicht. Würde man die Aktienoptionen einfach streichen, fällt das Gesamtgehalt der Mitarbeiter niedriger aus und diese würden sich schnell einen neuen Job suchen - vermutlich bei Unternehmen A. Diese 5% lassen sich also nicht einfach einsparen, da sie für Mitarbeiter ein zentraler Bestandteil des Gehalts sind.

Unternehmen B ist zwar tatsächlich profitabler, da die 5% Aktienoptionen nicht direkt den Geldbeutel des Unternehmens schmälern. Die Aktionäre besitzen dann aber etwas weniger am Unternehmen, da es mehr Aktien gibt. Dadurch heben sich beide Effekte erstmal auf.

Warren Buffetts Meinung

Warren Buffett hat klar gemacht, was er von adjusted-Kennzahlen hält. Er hat vorher schon betont, dass ihm selbst das normale EBITDA missfällt:

“It amazes me how widespread the use of EBITDA has become. People try to dress up financial statements with it.”

Speziell zur aktienbasierten Vergütung sagt er: Wenn aktienbasierte Vergütung keine gewinnrelevante Ausgabe sein sollte, was sollte es dann sein?

“If options aren’t a form of compensation, what are they? If compensation isn’t an expense, what is it? And if expenses should not go into the calculation of earnings, where in the world should they go?”

Fazit: Wann wird "adjusted" gefährlich?

Allgemein gilt: Je stärker die nicht-adjustierten und die adjustierten Zahlen auseinandergehen, desto genauer sollten Aktionäre hinschauen.

Den größten Anteil macht oft die aktienbasierte Vergütung aus. Es ist legitim, Mitarbeiter so zu bezahlen - sie muss aber von Aktionären berücksichtigt werden. Diese komplett rauszurechnen ist fraglich, da ohne diese vermutlich höhere Gehälter gezahlt werden müssten.

Bei hohem Anteil der aktienbasierten Vergütung sehen Cashflows und bereinigte Ertragszahlen besser aus, dafür werden Aktionäre stärker verwässert. Das ist ein Grund, warum der Renditerechner in den fortgeschrittenen Optionen den Punkt "Verwässerung" enthält.

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