Skaleneffekte & Netzwerkeffekte: Das macht Geschäftsmodelle stark

von Jannes Lorenzen

Gründer, Investor, Strategie-Lead & Ökonom

Skalen- und Netzwerkeffekte sind einige der zentralen Faktoren, die heute die größten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt ausmachen.

Und: Diese Effekte verstärken sich selbst. Es ist also wie ein umgekehrter Teufelskreis: Ein Kreislauf, der sich selbst positiv verstärkt. Genau das macht diese Effekte so stark.

Es gibt insgesamt einige Unterschiede zwischen kleineren und größeren Unternehmen, sowohl Vorteile, als auch Nachteile. Skaleneffekte und Netzwerkeffekte gehören zu Vorteilen, die Unternehmen mit wachsender Größe nutzen können.

Sie verschaffen Unternehmen einen Burggraben und sind auch für kleinere Wachstumsunternehmen relevant, da mögliche Skalen- und Netzwerkeffekte das Geschäftsmodell dann noch beschleunigen oder profitabler machen können. Dafür gibt es in der jüngsten Historie sehr gute Beispiele, die ich dir hier zeigen möchte.

Außerdem zeige ich dir, wie sich Skaleneffekte bei herkömmlichen, physischen Geschäftsmodellen von digitalen unterscheiden, gebe dir viele konkrete Beispiele und zeige dir auch die Grenzen, die diese Effekte haben.

Was sind Skaleneffekte?

Skaleneffekte ("economies of scale") entstehen durch Skalierung, also durch das Wachsen eines Unternehmens. Sie besagen vereinfacht gesagt: Je größer die Produktionsmenge, desto geringer sind die Kosten pro Stück.

Durch diesen Kostenvorteil kann wiederum das Unternehmen die eigenen Produkte günstiger anbieten als die Konkurrenz, was zu weiterem Wachstum (Skalierung) führt und weitere Skaleneffekte fördert.

Drei Beispiele verdeutlichen die klassischen Skaleneffekte:

Beispiel: Aldi

Je größer der Discounter Aldi wird, desto größere Mengen kann Aldi bestellen, womit die Preismacht steigt und Mengenrabatte gewährt werden.

Außerdem sinken die anteiligen Mitarbeiterkosten oftmals: Ob ein Mitarbeiter eine Bestellung für 100.000 Produkte oder für 1.000.000 Produkte aufgibt, ist fast egal. Das Gehalt - also Personalkosten aus Sicht des Unternehmens - können damit aber auf mehr Produkte umgelegt werden, womit die Personalkosten je Produkt sinken.

Dadurch ist es enorm schwer, für neue Konkurrenten in einen Preiskampf mit einem etablierten Discounter wie Aldi zu gehen.

Beispiel: Volkswagen

Auch Automobilhersteller wie Volkswagen haben Skaleneffekte: Je mehr Teile sie von einem Zulieferer bestellen, desto stärker kann Volkswagen Preise drücken bzw. desto günstiger kann Volkswagen Teile einkaufen. Auch anteilige Personalkosten sinken.

Beispiel: Nestlé

Auch Lebensmittelkonzerne erleben Skaleneffekte. Beispielsweise Nestlé dann, wenn im großen Stil Rohstoffe eingekauft werden müssen oder wenn über die Marge im Einzelhandel (bspw. mit Edeka oder Walmart) verhandelt werden muss.

All diese Beispiele führen zu Kostenvorteilen, die für neue Unternehmen zum Start kaum realisierbar sind.

Skalierung: Physisches vs. digitales Geschäftsmodell

Diese Beispiele und die klassische Lehre der Skaleneffekte bezieht sich vor allem auf physische Güter. Aber wie sieht es in der digitalen Welt aus?

Auch hier gibt es Skaleneffekte und deutliche Unterschiede.

Nehmen wir an, es gibt zwei konkurrierende Unternehmen, die Software für Online-Shops anbieten. Das große Unternehmen A hat 10.000 Kunden, das kleine Unternehmen B 1.000 Kunden.

Wenn beide Unternehmen die gleiche Anzahl an Entwicklern haben, die das eigene Produkt verbessern können, sind die Entwicklungskosten pro Kunde beim größeren Unternehmen A deutlich geringer. Theoretisch könnte Unternehmen A die 5-fache Anzahl an Entwicklern einstellen, hätte dann immer noch günstigere Entwicklungskosten pro Kunde und wahrscheinlich ein deutlich schneller weiterentwickeltes und verbessertes Produkt.

Das zieht wiederum weitere Kunden an, da das Produkt besser und ggf. günstiger ist - und fördert weitere Skaleneffekte.

Unterschied in der Skalierung

Dazu kommt: Skalierung ist für digitale Geschäftsmodelle oft schneller zu erreichen als für traditionelle Geschäftsmodelle.

Wenn ein digitales Unternehmen expandieren möchte, muss es vereinfacht gesagt nur die Webseite in eine weitere Sprache übersetzen und dort live schalten. In der Praxis passiert natürlich noch mehr, bspw. wird ein Büro vor Ort eröffnet, ggf. Regularien geprüft etc., aber erstmal geht es recht schnell.

In Geschäftsmodellen mit physischen Produkten muss erstmal ein Lager und eine Produktionsstätte gebaut werden. Die Logistik muss stehen, Personen vor Ort eingestellt werden, Genehmigungen eingeholt werden etc.

Dadurch treten Skaleneffekte bei digitalen Geschäftsmodellen deutlich schneller ein als bei herkömmlichen Unternehmen.

Und: Wenn ein Markt noch völlig offen ist und Skaleneffekte bietet, ist es oft die überlegene Strategie, stark ins Wachstum zu investieren und vorübergehend Verluste in Kauf zu nehmen. Genau so hat bspw. Amazon den Online-Handel oder Netflix das Video-Streaming erobert.

Gerade bei digitalen Produkten ist Skalierung dazu umso lohnender, da die Kosten kaum steigen, wenn ein Produkt skaliert wird - anders als bei physischen Produkten wie Autos oder Lebensmitteln, die immer wieder neu gebaut werden müssen.

Beispiel: Adobe

Adobe bietet Software zur Bild-, Video-, Ton- und Dokumentbearbeitung an. Das heißt: Die eigenen Produkte bestehen im Grunde nur aus Zeilen an Programmiercode. Da Adobe der Marktführer ist, kann Adobe die größten Ressourcen auf die Weiterentwicklung der eigenen Produkte verwenden, während die Entwicklungskosten pro Kunde weiter sehr gering bleiben.

Was sind Netzwerkeffekte?

Netzwerkeffekte entstehen, wenn ein Produkt dadurch besser wird, dass es von mehr Nutzern genutzt wird - was wiederum weitere Nutzer anzieht.

Also: Je größer das Netzwerk der Nutzer, desto wertvoller wird das Produkt, was wiederum weitere Nutzer anzieht.

Auch hier wird dieses Prinzip durch konkrete Beispiele aus der Praxis klar.

Beispiel: Facebook & WhatsApp

Wenn du auf Facebook nur 5 deiner 200 Kontakte findest, ist der Wert des sozialen Netzwerks für dich ziemlich gering. Je mehr Nutzer auf Facebook sind, desto wertvoller ist die Plattform für dich.

Das gleiche gilt bei WhatsApp: Je mehr deiner Kontakte du Nachrichten schreiben kannst, desto wertvoller ist die Plattform für dich.

Dadurch werden diese Produkte für dich und für andere immer wertvoller und es fällt immer leichter für das Unternehmen, neue Nutzer zu gewinnen. Das ist ein zentraler Unterschied zur klassischen BWL, in der es in der Theorie immer schwerer wird für Unternehmen neue Kunden zu gewinnen, da mit Ausweiten der Zielgruppe immer mehr Überzeugungsarbeit (bspw. durch Marketing und PR) geleistet werden muss.

Beispiel: Marktplätze (wie eBay)

Marktplätze leben davon, dass sie Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Beispiel: eBay. Ohne Händler wird niemand etwas kaufen wollen oder können. Ohne Nachfrage wird kein Händler seine Produkte dort online stellen. Marktplätze wie eBay, Etsy und andere müssen also dieses Henne-Ei-Problem lösen.

Je größer dann die Nachfrage ist, desto stärker steigt auch das Angebot. Dadurch steigt wiederum die Nachfrage - und so weiter. Die Netzwerkeffekte verstärken sich selbst, der Marktplatz wächst und der Burggraben des Unternehmens wird größer.

Beispiel: Logistik (Uber & Delivery Hero)

Auch in der Logistik gibt es Netzwerkeffekte. Nehmen wir Uber (Fahrtenvermittler) oder Delivery Hero (Online-Vermittler von Essenslieferungen) als Beispiel.

Wenn ein Uber (oder ein Taxi) eine Fahrt beendet hat, ist es am günstigsten, wenn möglichst dicht am letzten Ort und ohne große Wartezeit die nächste Person aufgesammelt werden kann. Das erhöht die Auslastung, senkt also den Leerstand und die damit verbundenen Kosten. Je mehr Nutzer also ein Dienst wie Uber hat, desto niedriger sind die Kosten für Uber und desto günstiger können Fahrten angeboten werden. Das verbessert Ubers Zahlen und stärkt den Burggraben.

Hier habe ich die Netzwerkeffekte noch umfassender visualisiert:

Das gleiche gilt für alle Formen von Lieferungen, bspw. dem Versand im Online-Handel, der Auslieferung von Essensbestellungen oder Lebensmittelbestellungen im Einzelhandel: Je mehr Nutzer, desto besser können Lieferungen gebündelt ausgeliefert werden. Das senkt Kosten und macht das Produkt überlegen gegenüber Angeboten, die weniger Kunden haben.

Uber visualiert die Netzwerkeffekte des eigenen "Eats"-Segments (Online-Essenslieferdienst) so:

Woran können wachsende und große Unternehmen trotzdem scheitern?

Natürlich gibt es hier aber Grenzen bzw. vor allem auch Risiken, die mit wachsender Größe eines Unternehmens entstehen.

  • Operativer Fokus: So bringt es natürlich nichts, wenn man mehr Entwickler hat, diese aber operativ die falschen Features oder Produkte entwickeln.
  • Altlasten: Außerdem besteht auch irgendwann eine gewisse "Legacy", sprich: Das, was die letzten Jahre aufgebaut wurde - ob digitales Produkt oder physische Produktionsstätte - kann, wenn es nicht mehr gebraucht wird, zur Last werden. Es erfordert Wartungsarbeiten, kostet Zeit und sorgt ggf. nicht mehr für Erlöse, die das decken. Junge Unternehmen können frei und ohne diese Altlasten aufspielen.
  • Limit durch Nachfrage: Nur dann, wenn auch viel bzw. mehr Nachfrage generiert werden kann, kann es zu Skaleneffekten bzw. steigenden Skaleneffekten kommen. Wenn bspw. Volkswagen eine neue Produktlinie durch hohe Nachfrage unterm Strich 10 % günstiger produzieren kann, ist die dadurch gewonnene Zielgruppe trotzdem irgendwo begrenzt.
  • Innovator's Dilemma und Disruption: Abschließend ist auch das Innovator's Dilemma immer wieder ein Problem großer Unternehmen. Neue disruptive Technologien werden von jungen Unternehmen vorangetrieben. Die alten Unternehmen haben eine andere Kultur, einen falschen Fokus oder wollen durch die Entwicklung der neuen Technologie nicht die bestehenden Kunden verlieren, sodass die Disruptoren Marktanteile gewinnen. Tesla in der Automobilbranche, Apple in der Handybranche und Netflix in der Fernsehbranche sind dafür gute Beispiele.

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