Seit 1970, also über 50 Jahre lang, war eine inverse Zinsstrukturkurve (bis auf 1998) immer ein Vorbote einer darauffolgenden Rezession in den USA.
Was steckt also hinter der Zinsstrukturkurve und warum ist es ein Problem, wenn sie invers ist?
Was ist eine inverse Zinsstrukturkurve?
Die Zinsstrukturkurve gibt die durchschnittlichen Zinssätze von Staatsanleihen für unterschiedliche Zeiträume, bspw. ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre, an. Dabei gilt üblicherweise: Je länger ein Kredit läuft, desto höher ist die Verzinsung, da (a) das Risiko der Zahlungsunfähigkeit steigt und (b) länger auf das Geld verzichtet werden muss.
In seltenen Fällen kommt es zu einer inversen Zinsstrukturkurve. Dann liegen die Zinsen der kurzlaufenden Anleihen über den langlaufenden. Die Verzinsung der kurzlaufenden Anleihe würde dann beispielsweise bei 3% pro Jahr liegen, bei der langlaufenden nur 2,5% pro Jahr.
Warum wird die Zinsstrukturkurve invers?
Zinsen werden üblicherweise dann gesenkt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Wer also erwartet, dass die Wirtschaft bspw. in zwei bis fünf Jahren einbricht, würde auch sinkende Zinsen erwarten.
Eine logische Schlussfolgerung kann daher sein, sich noch heute die höheren Zinsen für einen möglichst langen Zeitraum zu sichern. Es werden also langlaufende Staatsanleihen gekauft. Diese steigen dadurch im Kurs, während ihre Verzinsung gleich bleibt - die effektive Rendite sinkt also. Wenn kurzlaufende Anleihen verkauft werden fallen sie im Kurs, wodurch ihre effektive Rendite steigt.
So kann die effektive Rendite von langlaufenden Anleihen unter den kurzlaufenden liegen. Für die Anleger ist es dann trotzdem noch rational, wenn sie einen Rückgang der Zinsen erwarten.
Lässt eine inverse Zinsstruktur einen Crash vorhersehen?
Grundsätzlich gilt: Wenn etwas einen Crash in 100% der Fälle vorhersagt und Marktteilnehmer dies wissen, würden sie sofort handeln und es würde den Crash sofort geben. Erwartungen werden sofort eingepreist und diese Info haben auch andere.
Es gibt also auch keine Garantien dazu und Market Timing ist ein enorm schweres bis unmögliches Unterfangen. Trotzdem gibt es hier statistische Auffälligkeiten.
Diese wurden in der Finanzwissenschaft mehrfach untersucht, bspw. 2005 von Cwik mit dem Titel "The Inverted Yield Curve and the Economic Downturn". Aber auch danach gab es den Zusammenhang zu beobachten.
Bis auf 1998 hat in den letzten 50 Jahren jede inverse Zinskurve etwa 6 Monaten bis 2 Jahre später eine Rezession eingeläutet. So auch bei der Finanzkrise 2008 und der Dotcom-Blase 2001.
Trifft es auch die Aktienmärkte?
Klar ist: Wenn die Wirtschaft leidet merken das auch die Aktienmärkte. Aber beide sind nicht 1:1 korreliert.
An Aktienmärkten wird die Zukunft und Erwartungen eingepreist. Wenn der Markt von einer Rezession ausgeht, ist das schon in den Kursen enthalten. Sollte die Rezession schwächer ausfallen als erwartet, steigen Kurse, obwohl die Wirtschaft selbst noch leidet.
Dadurch stellt sich die Frage: Wenn die inverse Zinsstrukturkurve eine Rezession vorhersagt, sagt sie auch niedrige Aktienrendite voraus?
Dieser Frage haben sich Nobelpreisträger Eugene Fama und Ken French in ihrem Research Paper "Inverted Yield Curves and Expected Stock Returns" angenommen. Sie untersuchen dabei 11 unterschiedliche Aktienmärkte mit Daten, die bis 1975 zurückreichen, und testen unterschiedliche Zinszeiträume und Folgezeiträume (1, 2, 3 und 5 Jahre) nach der Umkehr der Zinsstrukur.
Sie kommen zum Ergebnis: Nein, dieser Indikator lässt nicht auf niedrigere Aktienrenditen schließen.
Inverted yield curves, with higher yields on short-term government bonds, tend to forecast future recessions. Perhaps because of this relation, some investors, fearing that an inverted yield curve predicts low stock returns, reduce their equity exposure when the term spread is negative. We test whether the fear is justified. The answer is no. We find no evidence that inverted yield curves predict stocks will underperform Treasury bills for forecast periods of one, two, three, and five years.
Einschränkungen des Indikators
Die Trefferwahrscheinlichkeit für eine Rezession ist also recht hoch, aber lässt sich so nicht auf Aktienmärkte übertragen. Denn es gibt auch sachlogisch wichtige Einschränkungen, bevor du darauf eine Anlagestrategie aufbaust.
- Es kam nicht in 100% der Fälle zu einer Rezession.
- Es gibt unterschiedliche Laufzeiten, die sich anschauen lassen. 5-jährige vs. 30-jährige, 2-jährige vs. 10-jährige - welche in der Tendenz oft ähnlich, aber nicht immer gleichzeitig invers sind.
- Manchmal war die Zinskurve nicht invers, hat sich dem aber stark angenähert (bspw. 1984, 1995, 2018), ohne einen (wirtschaftlich vorhersehbaren) Crash auszulösen.
- Effekte können vorweg genommen werden. Je bekannter dieser Effekt ist, desto eher werden auch andere Marktteilnehmer noch früher darauf reagieren und den Effekt dadurch abschwächen. Auch Zentralbanken könnten immer besser lernen damit umzugehen und Effekte so abzumildern.
- Das Timing ist unklar. Mal kommt es nach ein paar Monaten, mal nach ein paar Jahren zur Rezession.
- Der Indikator zeigt einen möglichen Ausstieg, aber nicht den Einstieg. Eine Anlagestrategie, die darauf beruht, würde nur funktionieren, wenn man auch zu einem tieferen Punkt wieder einsteigt, was aber enorm schwer ist und worüber die Zinsstrukturkurve nichts aussagt.