von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 24. Mai 2020

Gemäß der Weisheit „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ möchte ich dir heute eine Grafik zeigen, die essentiell ist, um Geschäftsmodelle, Unternehmen und damit auch Aktien beurteilen zu können.

Die Grafik verdeutlicht unterschiedliche Mechanismen eines Geschäftsmodells und einer Strategie. Diese Mechanismen zu verstehen hilft dir dabei:

  • zu verstehen, wie profitabel ein Unternehmen wirklich werden kann
  • wie du auch Unternehmen, die bisher nur Verluste gemacht haben, analysieren kannst
  • warum einige Unternehmen in ihrem Geschäftsmodell einen eingebauten Wachstumszwang haben (und andere nicht)
  • welche Potentiale, Chancen und Risiken einige Geschäftsmodelle bieten

Wie sich Umsätze und Kosten in zwei unterschiedlichen Geschäftsmodellen entwickeln

Streng genommen schauen wir uns heute nicht nur eine, sondern 3 Grafiken an, die das Konzept auf unterschiedliche Art und Weise verdeutlichen.

Quelle: strategyinvest.de

Wir schauen uns hier im ersten Schritt nur zwei Metriken an: Umsatz und Kosten.

Das Ben & Jerry’s Modell

In der linken Grafik sehen wir ein eher klassisches Geschäftsmodell. Nennen wir es hier, angelehnt an den entsprechenden Eiscreme-Produzenten und Verkäufer, das „Ben & Jerry’s“ (B&J) Modell:

Dieses Geschäftsmodell braucht einige Anfangsinvestitionen (Miete, Maschinen, Zutaten). Dies sind die Fixkosten, bei denen die Kostenlinie startet.

Mit jedem zusätzlich verkauften Produkt steigt der Umsatz, allerdings auch die Kosten, da die Produktion Zutaten und Arbeitsaufwand (= Löhne) erfordert.

Bei einer gewissen Stückzahl ist der Break-Even-Punkt erreicht: B&J ist profitabel.

Schauen wir nun auf die zweite Grafik: Nennen wir es das „Netflix“-Modell.

Das „Netflix“-Modell

Hier haben wir deutlich höhere Fixkosten als im B&J-Modell: Es müssen Inhalte (Filme, Serien und Dokumentationen) eingekauft oder produziert werden, um den Kunden genug Anreiz zu liefern, das Produkt zu kaufen. Und es muss eine komplette Webseite erstellt werden, inklusive Technik, Design, Zahlungsmöglichkeiten, Suche, etc.

Mit jedem verkauften Produkt – im Netflix-Modell also einem Abonnement eines Kunden – steigt der Umsatz. Die Kosten steigen aber nicht oder nur minimal. Denn: Ob Netflix die Plattform einem, 1.000 oder 100.000 Kunden zugänglich macht, erhöht zwar die Serverauslastung, welche heute aber enorm günstig sind.

Betrachten wir die zweite Grafik, das Netflix-Modell, noch einmal aus einem anderen Blickwinkel.

Die Grafik, die jeder Aktionär kennen muss

Quelle: strategyinvest.de

Diese Grafik – die zum Verständnis von Geschäftsmodellen essentiell ist – zeigt die Nutzer, Erlöse und Kosten noch einmal genauer aufgeschlüsselt.

Nutzer- und Umsatzwachstum erfolgt meistens sogar exponentiell, bspw. durch Netzwerkeffekte. Anders gesagt: Für Facebook war es vermutlich schwieriger, die ersten Nutzer auf eine leere Plattform zu bekommen, als von 60 % auf 100 % zu wachsen.

Die Fixkosten sind vor allem zu Beginn hoch, steigen dann aber nur minimal. Dazu gehören vor allem Kosten für Personal im Management, der Administration oder im Marketing, also den Bereichen, die nicht direkt ein Produkt verkaufen. Sie steigen mit zunehmender Größe, aber nur minimal im Verhältnis zum Umsatz.

Die Grenzkosten sind die Kosten für die Bereitstellung eines Produkts. Im Falle von Netflix erstmal nur die Serverkosten oder direkte Akquisekosten, bspw. in Form von Werbung.

(Übrigens: Netflix bilanziert die Produktionskosten nicht als Fixkosten, sondern eher als Grenzkosten. Zur Verdeutlichung hilft es aber hier nur die direkten Grenzkosten zu betrachten.)

Was bedeuten diese Geschäftsmodelle für dich als Anleger?

Es verdeutlicht: Je größer ein Unternehmen mit solchen Unit Economics wird – je stärker es also skaliert – desto profitabler wird es. In der Regel wird es sogar exponentiell profitabler.

Das B&J-Modell lässt sich gut auf die herkömmliche Industrie beziehen: Automobilhersteller, Supermärkte, Agenturen oder der Einzelhandel.

Das Netflix-Modell gilt vor allem für die Tech- und Digitalunternehmen (nicht für alle, aber viele): Amazon, Facebook, Google, Salesforce oder auch Adobe.

Ein Unternehmen wie Spotify fällt – auf den ersten Blick vielleicht verwunderlich – eher in die B&J Kategorie. Warum?

Spotify beteiligt die Künstler und Musiklabels anteilig am Umsatz. Diese Beteiligung sind also Grenzkosten, die eher einem B&J-Unternehmen ähneln. Mit den aktuellen Podcast-Initiativen versucht Spotify sich eher zum Netflix-Modell zu wandeln.

Dadurch ergeben sich unterschiedliche Implikationen für die Unternehmen:

  • Profitabilität: Unternehmen im B&J-Modell sind schneller profitabel.
  • Potential: Unternehmen im Netflix-Modell können, wenn sie es schaffen, einen großen Markt bei einer hohen Gewinnmarge erobern.
  • Wachstum: Unternehmen im Netflix-Modell müssen oft deutlich stärker und schneller wachsen als die B&J-Unternehmen, die profitabel und stetig wachsen können.

So wendest du dieses Wissen in der Praxis an

In der Praxis gibt es einige Kennzahlen, die dir schnell einen Einblick in diese Mechanismen geben und ich auch in Aktienanalysen berücksichtige. Diese Kennzahlen verdeutlichen, wie ein Geschäftsmodell funktioniert. 

Du kannst dabei sowohl auf das absolute Niveau schauen, aber auch auf die Entwicklung der Kennzahlen im Jahresvergleich oder diese ins Verhältnis setzen. Diese findest du bspw. bei Morningstar:

  • Die Grenzkosten sind die „Costs of goods sold“:
  • Die Fixkosten sind die „Total operational costs“.
  • Bruttogewinn (Gross Profit): Der Umsatz abzüglich der direkten Kosten des Produkts, also abzüglich der Grenzkosten. Das Verhältnis dieser Kennzahlen ist die Bruttomarge (Gross Margin).
  • Nettogewinn (Net Profits): Der Umsatz abzüglicher aller Kosten. Das Verhältnis von Gewinn zu Umsatz ist die Nettomarge (Net Margin).

Mit diesen Kennzahlen kannst du Fragen beantworten, wie:

  • Steigen die Grenzkosten proportional mit steigendem Umsatz an?
  • Steigen die Fixkosten proportional mit steigendem Umsatz an?
  • Wie profitabel ist ein Unternehmen bei jedem Produktverkauf?

Schauen wir uns bspw. die Bruttomargen in der Praxis im Vergleich an, sehen wir direkt die Unterschiede im Geschäftsmodell: Facebook liegt bei 82 %, Spotify bei 25 % und Volkswagen bei 10 %.

Die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammengefasst:

  • Durch die richtigen Kennzahlen – in den aktuellen Kontext eingeordnet – kannst du Geschäftsmodelle besser verstehen.
  • Digitale Geschäftsmodelle bieten eine so nie dagewesene Skalierbarkeit, die vor allem durch minimale Grenzkosten entsteht.
  • Die Art des Geschäftsmodells hat große Auswirkungen darauf, welche Strategie bei welchem Unternehmen besser funktioniert.
  • Einige Strategien erfordern vorübergehende Verluste, die allerdings oft notwendig sind und einem höheren Potential gegenüber stehen.

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #13: Wir widerlegen unsere eigenen Ideen.

Gute Ideen hat jeder. Die wenigsten schaffen es aber, eigene Ideen selbst zu widerlegen und die Gegenseite einzunehmen. Wir fragen uns: Was spricht gegen meine These? Warum könnte ich falsch liegen? 

„Du musst dich zwingen, gegensätzliche Argumente zu erwägen. Besonders, wenn sie deine liebsten Ideen in Frage stellen.“ - Charlie Munger

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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