Die Deutsche Post klingt nach einem langweiligen Unternehmen – dabei verbirgt sich dahinter die Infrastruktur des E-Commerce Booms der letzten Jahre und ein internationaler Logistik-Marktführer.
Neben dem E-Commerce Geschäft verbergen sich weitere Geschäftsbereiche in der Unternehmensgruppe, die die Margen erhöhen und mehrere Säulen aufbauen.
Die Erträge konnten stark gesteigert werden, die langfristigen Trends sehen positiv aus. Kurzfristig droht Gegenwind im E-Commerce und die gestiegenen Lieferkosten, die für die Deutsche Post DHL Group die Gewinne erhöhen, könnten sich wieder normalisieren.
Drei spannende Punkte zur Aktie, die wir gleich vertiefen werden:
- 💰 Dauerhaft profitabel: Die Deutsche Post DHL Group liefert keine riesigen Margen, ist aber kontinuierlich seit Jahren profitabel und schüttet diese zum Teil an Aktionäre aus.
- 📦 Profiteur vom E-Commerce: Der E-Commerce Boom der Pandemie hat den Umsatz um über 20% nach oben befördert. Das wird jetzt wieder leicht zurückgehen, langfristig profitiert die Deutsche Post DHL Group aber vom Trend zu mehr Onlinehandel.
- 📊 Günstige Bewertung: Die Aktie ist heute nur mit einem KGV von 9 bewertet. Möglicherweise ein interessanter Einstieg bei einem recht konstanten Geschäft.
Finden wir also heraus, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Aktie überbewertet? Oder kann man jetzt Aktien kaufen und damit langfristig profitieren? Diesen Fragen werden wir uns hier nähern.
Die Analyse beruht u.a. auf folgenden Quellen & Einschätzungen:
- Aktuellste Finanzkennzahlen bis zum letzten Quartal
- Geschäftsbericht, Investorenpräsentation & letzte Earnings Calls
- Interviews & Aussagen der Führungsebene
Viel Spaß!
Überblick: Das steckt hinter dem Unternehmen
Das Unternehmen
Die Deutsche Post sitzt in Bonn und ging 1995 aus der Privatisierung der vorherigen Behörde namens „Deutsche Bundespost“ hervor. Seit 2015 ist der offizielle Name „Deutsche Post DHL Group“. National werden die Marken „Deutsche Post“ und „DHL“ genutzt, letztere auch international. CEO ist Frank Appel.
Produkt & Geschäftsmodell
Die Deutsche Post bietet Liefer- und Logistikleistungen an. Wenn Pakete oder Briefe geliefert werden, verdient die Post durch eine Gebühr der Lieferung. Aber das Geschäftsmodell geht noch etwas tiefer.
Deutsche Post weist fünf unterschiedliche Segmente aus:
- DHL Express: Internationale Premium-Logistik bei zeitkritischen Lieferungen, zu denen eine feste Lieferzeit festgelegt wird. Hier ist Deutsche Post nach eigener Aussage globaler Marktführer. Dafür werden >320 Flugzeuge an über 500 Flughäfen betrieben.
- DHL Global Forwarding, Freight: Luftfracht (38%), Seetransport (31%) und Straßentransport (21%) wird hier gebündelt, also nationale und internationale Logistik in großen Mengen. Bei der Luftfracht ist DHL Marktführer, bei Seefracht die #2 hinter Kuehne + Nagel.
- DHL Supply Chain: DHL kümmert sich um die Lieferketten von Kunden, also Lagerung, Transport, Retourenmanagement, Verpackungen und mehr. Hier ist DHL Marktführer mit knapp 6% Marktanteil.
- DHL eCommerce Solutions: DHL liefert hier in der letzten Meile, also bis Haustür, aus, vor allem in Europa (53%) und Amerika (35%).
- Post & Parcel Germany: Das Deutschlandgeschäft der Post- und Paketzustellungen wird hier gebündelt. Der Marktanteil bei Post liegt bei 60%, bei Paketen bei >40%.
Aktienkurs
Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre bis Jahrzehnte stark entwickelt. Der starke Anstieg in der Pandemie wurde zuletzt durch den Kursrückgang, speziell auch den Gegenwind im E-Commerce, abgeschwächt:
Außerdem gab es zuletzt einige Insiderkäufe: Aufsichtsrat von Bomhart hat im Juni ’22 für über 500.000€ Aktien gekauft. Davor auch schon im Mai im niedrigen 6-stelligen Bereich, genau wie der CEO Frank Appel und Vorstand Tim Schwarwath.
Zahlencheck & Business Breakdown
Ab in die Zahlen-Corner. Wie sieht das Geschäft zahlenseitig aus?
Ertragsentwicklung & Wachstum
In 2021 wurde ein Rekordumsatz von 82 Mrd. Euro erzielt, der über 20% über dem Vorjahr liegt. Ursächlich war vor allem der E-Commerce Boom. Auch davor ist der Umsatz stetig gewachsen, allerdings nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Auch die Rentabilität ist 2020 und 2021 gestiegen. Die Eigenkapitalquote lag zuletzt bei 30%. Außerdem wurde in jedem Jahr eine Dividende in Höhe von 40 bis 60% des Gewinns ausgeschüttet.
Am 3. Mai 2022 wurden die Ergebnisse für das Q1 ’22 veröffentlicht. So haben sich die Segmente darin entwickelt (jeweils im Vorjahresvergleich):
- DHL Express: 6,4 Mrd. Euro Umsatz (+16%), 1 Mrd. Euro EBIT (+1%)
- DHL Global Forwarding: 7,4 Mrd. Euro Umsatz (+55%), 600 Mio. Euro EBIT (+178%)
- DHL Supply Chain: 3,8 Mrd. Euro Umsatz (+18%), 200 Mio. Euro EBIT (+23%)
- DHL eCommerce Solutions: 1,4 Mrd. Euro Umsatz (-1%), 100 Mio. Euro EBIT (-13%)
- Post & Parcel Germany: 4,2 Mrd. Euro Umsatz (-7%), 350 Mio. Euro EBIT (-36%)
Von den ~80 Mrd. Euro Jahresumsatz stammt etwas mehr als die Hälfte aus den USA. Etwa jeweils 20% stammen aus Amerika und dem asiatisch-pazifischen Raum.
Profitabilität
So sehen die eher dünnen, aber positiven Margen aus (2019 / TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More):
- Bruttomarge: 16% / 19%
- Operative Marge: 5% / 9%
- Nettomarge: 4% / 6%
Die Margen sind über die letzten Jahre ziemlich stabil, im Durchschnitt eher auf dem 2019er Niveau. In der Pandemie sind die Margen leicht gestiegen, vermutlich durch den E-Commerce Boom befeuert.
Factsheet
Factsheet
Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More (= letzte 12 Monate). Zusatz ‚e‘ = erwartet, ‚YoY‘ = im Jahresvergleich.
Die Eckdaten
- Land: Deutschland
- Branche: Lieferung und Logistik
- Marktkapitalisierung: 42 Mrd. EUR
- Umsatz: 82 Mrd. EUR
- Ergebnis: 5 Mrd. EUR
- Free Cashflow: 4 Mrd. EUR
Bewertung
- KUV: 0,6
- KGV: 9
- KGVe: 10
- KCV: 4
Qualität & Wachstum
- Eigenkapitalquote: 30%
- Bruttomarge: 16%
- Operative Marge: 5%
- Nettomarge: 4%
- Umsatzwachstum: 3% (2019)
Analyse von Geschäftsmodell, Strategie & Markt
Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht. Außerdem: Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?
Blick auf die Geschäftsbereiche
Schauen wir genauer auf die einzelnen Segmente.
Post & Parcel Germany
Das Postvolumen in Deutschland ist im Q1 ’22 um 7% ggü. Vorjahr gestiegen, das Paketvolumen 19% zurückgegangen. Das liegt vor allem am starken Vorjahresvolumen im E-Commerce.
Der strukturelle, langfristige Trend ist eher umgekehrt: Weniger Post, mehr Pakete. Gerade in der Corona-Pandemie wurde dieser Trend beschleunigt.
DHL Supply Chain
Die Logistiklösung für andere Unternehmen ist zuletzt organisch mit 13% gewachsen und hat eine positive EBIT-Marge von >5%. Die Marge ist zuletzt überproportional gestiegen. Auch hier ist wohl der E-Commerce Effekt der größte Treiber.
Auch langfristig geht die Group davon aus, dass mehr und mehr Unternehmen aufgrund der steigenen Komplexität ihre Logistik auslagern und damit für Wachstum sorgen werden.
Der Ansatz: Physische Güter mit digitalen Möglichkeiten kombinieren und den Kunden zugänglich machen. Die Deutsche Post hier mehr als 2x so groß wie der nächstinnovative Konkurrent laut Researchunternehmen Gartner.
DHL Global Forwarding, Freight
Luftfracht ist um 3% im Volumen gewachsen, Seefracht gleichgeblieben. Erstaunlich ist aber: Der Bruttogewinn pro transportierter Einheit ist um 65% bzw. 90% gestiegen. Der Hauptgrund dafür sind die Logistikengpässe, die vor allem dadurch entstehen, dass das Angebot noch reduziert ist, was wiederum für die bestehenden Anbieter bessere Preise ermöglicht.
DHL Express
Schnelle und zeitkritische Lieferungen haben im Jahresvergleich organisch um 12% zugelegt. Die EBIT-Marge liegt hier bei starken 15%, damit ist es das profitabelste Segment der Gruppe.
DHL eCommerce Solutions
Die sonstigen eCommerce Lösungen machen noch einen vergleichsweise geringen Umsatzanteil aus, sind zuletzt leicht zurückgegangen, da das Vorjahr sehr stark war. Die EBIT-Marge liegt bei >7%, deutet also gute Profitabilität an.
Produktportfolio im Vergleich
Die Deutsche Post DHL Group operiert in unterschiedlichen Segmenten. Das „DHL Global Forwarding, Freight“ (DGFF) Segment ist am unabhängigsten vom Wirtschaftswachstum, der E-Commerce und sogar der Post-Bereich am abhängigsten.
Das größte Wachstumspotenzial sieht die Deutsche Post im E-Commerce, danach im DHL Supply Chain Bereich. Die eigenen Stärken bestehen einerseits aus der Größe und Position als Marktführer, andererseits im Markenportfolio. Gleich bewerte ich das Geschäftsmodell, worin ich nur einen der beiden Faktoren wirklich sehe.
Strategie & Chancen
Einige Dinge, die sich die Deutsche Post auf die Fahne schreibt, klingen für mich nach 0815-Marketing. Unternehmenszweck? „Menschen verbinden, Leben verbessern“. Unsere Werte? „Respekt & Resultate“.
Die Vision ist schon greifbarer: „Wir sind DAS Logistikunternehmen für die Welt“. Leider auch noch zu wenig konkret, ob es das größte sein möchte, das profitabelste (wie Sixt bei Autovermietungen), das beste oder das beliebteste. Aber es wird klar, dass wir hier auch in Zukunft über einen globalen Marktführer sprechen wollen.
Das Fundament dafür stellt die Digitalisierung dar. Das Geschäftsmodell wird außerdem um den profitablen Kern aufgebaut.
Insgesamt finde ich die Strategie zu vage und zu PR-lastig. Sie gibt kaum konkrete Leitplanken vor, weder für Investoren noch für Mitarbeiter – einer der größten Kritikpunkte an Strategien, die Richard Rumelt in seinem Buch „Good Strategy/Bad Strategy“ beschreibt.
Immerhin: An anderer Stelle in der Investorenpräsentation werden noch konkretere Digitalisierungsprozesse erwähnt.
Risiken durch Inflation
Die Inflation sorgt für schmalere Geldbeutel, Liefer- und Logistikengpässe treffen Unternehmen wie die Deutsche Post DHL Group sofort. Je länger diese Situation andauert, desto schwerer die Effekte für die Deutsche Post.
Wie gehen sie damit um?
Einerseits soll die Kostenbasis flexibel gestaltet werden. In einigen Bereichen werden womöglich Preise erhöht – was durchaus klappen könnte, da bspw. in Deutschland ein monopolähnlicher Status besteht.
Auch die Kosten für Treibstoff sind ein Kostentreiber. Hedging, das vorher stattgefunden hat, kann hier helfen, aber nicht dauerhaft und nicht dann, wenn es zu spät ist.
Meine Bewertung des Geschäftsmodells
Ein starkes Geschäftsmodell ermöglicht Wachstum, einen Burggraben und damit Differenzierbarkeit von der Konkurrenz, höhere Gewinnmargen und Preismacht.
Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt’s hier und hier.
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