von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 26. September 2021

49 Mrd. US-Dollar. Auf diesen Wert wird allein die Marke "Mercedes-Benz" geschätzt. Daimler ist heute mit etwa 100 Mrd. US-Dollar an der Börse bewertet.

Daimler befindet sich im Umbau. Das Ziel: Die vollständige Umstellung auf Elektroantriebe bis Ende des Jahrzehnts und marktführende Software, im Kern zu autonomen Fahren, anzubieten.

Das sind große Herausforderungen - und die Bewertung an der Börse drückt eine gewisse Skepsis aus. Aber: Darin stecken auch einige Chancen. Die Bewertung ist günstig wie lange nicht mehr, Daimler macht Fortschritte und der Wandel birgt Umsatzpotenziale, die Automobilhersteller in der Vergangenheit nicht hatten.

Ich sehe drei Gründe, warum die Aktie aktuell spannend ist:

  1. 💰 Hohe Profitabilität: Über 13 Mrd. Euro Gewinn und über 17 Mrd. Euro Cashflow stehen über die letzten 12 Monate zu Buche. Daimler fährt gerade also hohe Gewinne und Kapitalzuflüsse ein.
  2. 🔋 Umbruch & Wandel: Der Wandel in Richtung Elektroauto und Software steht an. Dieser birgt viele Gefahren, aber auch einige Chancen. Dazu kommt konzerninterner Umbau mit der Abspaltung der LKW-Branche.
  3. 📊 Günstige Bewertung: Das KGV von Daimler liegt bei 5,5 bis 6 und einem KUV von knapp 0,5, was - gerade in einem Umfeld historisch hoher Bewertungsniveaus - ziemlich günstig ist. Andere E-Auto-Hersteller notieren zu einem Vielfachen.

Mehr als genug Gründe also, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Daimler Aktie zu riskant? Oder sollte man gerade jetzt Daimler Aktien kaufen? Diesen Fragen versuchen wir uns zu nähern.

Dabei erfährst du, wie die aktuelle Strategie aussieht (und was gut funktioniert, was nicht), woraus der Burggraben wirklich besteht, wer die Konkurrenten sind und ob die Aktie heute attraktiv bewertet ist oder nicht. Viel Spaß!

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Überblick: Das steckt hinter Daimler


Das Unternehmen

Die Geschichte von Daimler beginnt vermutlich 1883. Damals wurde das Unternehmen "Benz & Cie." gegründet, das 1926 mit der "Daimler-Motoren-Gesellschaft" fusioniert wurde. Es entstand: Die Marke Mercedes-Benz. Die zentrale Marke, die heute in der Daimler AG gebündelt ist.

CEO ist seit 2019 der Schwede Ola Källenius. Heute erzielt Daimler über 170 Mrd. Euro Umsatz und beschäftigt weltweit knapp 300.000 Mitarbeiter.

Produkt & Geschäftsmodell

Daimler verkauft im Wesentlichen PKWs, LKWs und Finanz- und Mobilitätsdienste.

Zum PKW-Segment zählen Marken wie Mercedes-Benz, Smart, Maybach und AMG. In der LKW-Branche werden LKW unter der Marke Mercedes-Benz und LKW unter unterschiedlichen Submarken vertrieben. Im "Daimler Mobility" Segment werden Leasing- und Finanzierungsangebote, Management von Fuhrparks und Mobilitätskonzepte wie Carsharing (Share Now) gebündelt.

Aktienkurs

Der Aktienkurs hat sich zuletzt wieder stark erholt, nachdem er viele Jahre seitwärts und bis zur Coronapandemie stark abwärts lief:

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet, 'YoY' = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: Deutschland
  • Branche: Automobilhersteller
  • Marktkapitalisierung: 90 Mrd. EUR
  • Umsatz: 171 Mrd. EUR
  • Ergebnis: 13,4 Mrd. EUR
  • Free Cashflow: 17,8 Mrd. EUR

Bewertung

  • KUV: 0,45
  • KGV: 5,7
  • KGVe: 6
  • KCV: 3
  • PEG-Ratio: 0,3

Qualität & Wachstum

  • Verschuldungsgrad: 200%
  • Bruttomarge: 38%
  • Nettomarge: 8%
  • Umsatzwachstum: ca. 0%

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert


Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Unternehmensentwicklung

Daimlers Umsätze:

  • 2016: 153 Mrd.
  • 2017: 164 Mrd.
  • 2018: 167 Mrd.
  • 2019: 173 Mrd.
  • 2020: 154 Mrd.
  • TTM: 171 Mrd.

Daimler steuert also tatsächlich gerade auf den höchsten Jahresumsatz der Firmengeschichte zu, nachdem 2019 den vorläufigen Höhepunkt markierte.

Im aktuellen Quartal hat der Umsatz im Jahresvergleich um 44% zugelegt, das EBIT ist von -1,7 Mrd. Euro auf 5,2 Mrd. Euro gestiegen. Auch der Free Cashflow war mit 2,6 Mrd. Euro deutlich positiv.

Wie verdient das Unternehmen Geld?

Wie schlagen sich die drei Segmente - Cars & Vans, Trucks & Buses, Mobility - im direkten Vergleich? Basis ist das erste Halbjahr 2021:

  • Mercedes-Benz Cars & Vans: EBIT von 7,5 Mrd. Euro, im Vorjahr noch leicht negativ
  • Daimler Trucks & Buses: EBIT von 1,9 Mrd. Euro, im Vorjahr ebenfalls leicht negativ
  • Daimler Mobility: EBIT von 1,7 Mrd. Euro, ca. 500% mehr als im Vorjahr (wo gerade Mobilitätsdienstleistungen pandemiebedingt weniger nachgefragt wurden)

Die verkauften Einheiten im ersten Halbjahr:

  • 1,25 Mio. PKWs & Vans (+21% YoY)
  • 220.000 LKW & Busse (+38% YoY)

Das Segment Trucks & Buses wird in naher Zukunft vom Hauptkonzern abgespalten. Zum 1.1.2022 geht diese dann separat an die Börse. 35% der Aktien möchte Daimler selbst halten, 65% gehen an die Daimler-Aktionäre: Für je zwei Daimler-Aktien gibt es eine Aktie von Daimler Truck. Auch das Mobility-Segment teilt sich dann auf beide Konzerne auf.

Das Ziel: Mehr Fokus. Jedes Unternehmen soll sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, statt beides unter einem Mischkonzern zu vereinen.

Die Elektroauto- und Software-Fortschritte

Die ganze Branche setzt auf Elektroantriebe und Software, vor allem autonomes Fahren. Die Auswirkungen und Thesen sind vielfältig (und eher in einer separaten Analyse gut aufgehoben). In Kürze mögliche Effekte:

  • Bei autonomen Fahren müssen Automobilhersteller selbst Versicherungen anbieten, was Umsätze steigern könnte.
  • Einige Unternehmen arbeiten an eigenen Ladenetzen oder beteiligen sich daran. Auch das könnte Umsätze steigern, da Automobilhersteller bisher nichts mit Tankstellen zu tun haben.
  • Software im Auto kann als monatlicher Service angeboten werden, bspw. bestimmte Funktionen oder Updates für 10€ im Monat angeboten werden.

Das Elektro-Flaggschiff von Daimler ist der Mercedes EQS. Tatsächlich lesen sich viele Testberichte in Fachzeitschriften und Videos auf YouTube ziemlich positiv.

Der Akku hat eine Reichweite für bis zu 780 Kilometer Reichweite. Das Cockpit hat einen riesigen Bildschirm, der quer von links nach rechts verbaut ist. Dazu kommt das für Mercedes typische Premium-Feeling.

Im Bereich des autonomen Fahrens wird Daimler eine recht gute Leistung nachgesagt. Das Handelsblatt behauptet sogar, dass der stufenweise Ansatz der deutschen Autobauer schneller zum Ziel führen könnte als der Robotaxi-Wunsch von Waymo & Co.

Hier arbeitet Daimler mit Nvidia zusammen:

Mercedes-Benz und NVIDIA, der weltweit führende Anbieter von GPU-beschleunigtem Computing, beabsichtigen, bei der Entwicklung eines fahrzeuginternen Computersystems sowie einer KI-Computing-Infrastruktur zu kooperieren. Ab 2024 soll die neue Technologie über alle Mercedes-Benz Baureihen eingeführt werden, um Fahrzeuge der nächsten Generation mit upgrade-fähigen, automatisierten Fahrfunktionen auszustatten.

Konkret möchte Mercedes-Benz in naher Zukunft mit autonomen Fahren der Stufe 3 starten. Der Fahrer gibt dabei zeitweise die Kontrolle an das Fahrzeug ab, muss aber selbst jederzeit eingreifen können.

Bewertung des Geschäftsmodells

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt's hier und hier.

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

Es gibt quasi keine wiederkehrenden Umsätze, auch wenn es Gedankenspiele gibt für einige Fahrservices (bspw. autonomes Fahren oder Entertainment bei Ladezeiten) Gebühren zu verlangen, sodass auch nach dem Kauf noch Umsatz erzielt wird.


Netzwerkeffekte

Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?

Je mehr Nutzer es gibt, desto besser wird die Ladeinfrastruktur, desto mehr Nutzer gibt es wiederum etc. Es gibt daher Netzwerkeffekte bei der Elektromobilität, die aber weniger speziell für Daimler gelten. Die eigenen Netzwerkeffekte sind daher gering.


Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger?

Als einer der größten Automobilhersteller genießt Daimler Skaleneffekte: Zum einen im Materialeinkauf, zum anderen beim Entwickeln von Software und Ladeinfrastruktur, also Aspekte der Elektromobilität, die immer wichtiger werden. Ob Software für 20 oder 2 Mio. Autos gebaut wird, ist egal, senkt für Daimler die anteiligen Kosten aber deutlich. Andere Unternehmen wie VW und Toyota liegen hier aber leicht vorne.


Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

Daimler hat mittlerweile eigene Technologie (sowohl Software als auch Batterietechnologie), die allerdings noch nicht auf dem Stand ist wie bspw. bei Tesla. Teslas Software ist umfangreicher, funktioniert noch besser und auch die Reichweiten sind höher. Tesla besitzt darüber hinaus das wohl beste Netz an Ladeinfrastruktur. Technologisch holt Daimler auf, ist aber hier noch deutlich im Nachteil.


Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

Daimler hat mit Mercedes-Benz eine starke Marke, die höhere Preise und auch höhere Gewinnmargen ermöglicht.


Geschäftsmodell-Bewertung: 13 / 25

Zukunft: Burggraben, Strategie & Wachstumsperspektiven


Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir in die Zukunft. Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

Konkurrenz

Es gibt zwei Kategorien von Konkurrenten:

  • Reine Elektroautohersteller: Allen voran Tesla fokussiert sich auf Elektroautos und ist darin der Marktführer. Auch andere Unternehmen wie Nio oder chinesische Unternehmen sind dort aktiv.
  • Traditionelle Hersteller, die sich wandeln: Genau wie Daimler befinden sich viele Autohersteller in einem Transformationsprozess, Dazu zählen VW, BMW, Toyota und weitere.

Einige Herausforderungen betroffen vor allem die Unternehmen wie Daimler, die jetzt aufholen müssen:

  • Verkauf online statt nur im Autohaus
  • Umschulungen oder Entlassungen in bestehender Belegschaft
  • Aufbau von Ladenetzen und Know-how für Batteriezellentechnik

Das Center of Automotive Management hat eine Liste der innovationsstärksten Unternehmen im Bereich der Elektromobilität aufgestellt. Daimler landete hier 2020 auf einem mittelmäßigen 11. Platz, hat es in der aktuellsten Liste aber auf Platz 2 geschafft - hinter Volkswagen, vor Tesla.

Das könnte ein Ergebnis der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen sein:

  • Volkswagen: 14 Mrd. Euro
  • Daimler: 8,6 Mrd. Euro
  • BMW: 6,5 Mrd. Euro
  • SAP: 4,5 Mrd. Euro (nur zum Vergleich der Größenordnung)
  • Tesla: 1,5 Mrd. Dollar

Volkswagen investiert hier das 10-fache im Vergleich zu Tesla, Daimler mehr als das 5-fache. Schon vor Jahren war daher meine These, dass die deutschen Automobilhersteller dadurch aufholen - was zugegebenermaßen deutlich länger gedauert hat als gedacht.

Strategie-Update Juli '21

Daimler hat im Juli 2021 ein Strategy Update veröffentlicht, in welchem die Elektrostrategie vorgestellt wird.

Bis 2022 soll in jedem Segment eine elektrische Option verfügbar sein. Bis 2025 möchte Daimler zu jedem Modell eine vollwertige elektrische Alternative anbieten und den Marktanteil von teil- oder vollständig elektrisch angetriebenen Autos bei 50% liegen. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der Fokus ausschließlich auf Elektroautos (BEV) liegen.

In H1 2021 sind elektrische und Plug-In-Antriebe um 300% gestiegen und machen nun über 10% des gesamten Umsatzes aus. 2022 sollen vor allem SUV-Versionen bisheriger Elektromodelle an den Markt gehen.

Das zeigt schon: Einheitliche Architekturen liegen den Elektromodellen zugrunde. Für mittelgroße und große Autos, für die Performance-Schiene (AMG) und Vans und andere kommerziell gefahrene Autos.

Auch das Ladenetz (mit einer Premium-Ladeerfahrung) möchte Daimler deutlich ausbauen. Auch in Batteriezellen soll investiert werden. 200 Gigawattstunden an Kapazität sollen durch 8 Batteriezellen erzeugt werden.

Aber: Das Manager Magazin (08/21) beschreibt, dass Daimler recht spät dran ist bzw. lange keinen Partner gefunden hat, um die Batteriezellen in gewünschter Kapazität (und ohne teure Aufpreise) produzieren zu können. Dort heißt es unter anderem:

Mal waren andere vor ihm da, mal gefiel Källenius die angebotene Qualität nicht recht. Der Daimler-Boss fand keine Partner. Das Ergebnis: Der Strom fehlt.

Da eigene Batterien nicht rechtzeitig fertig werden und weiter aus China bezogen werden muss, werden allein über die Modellreihe EQS geschätzt 1 Mrd. Dollar mehr an Kosten anfallen.

Finanzielle Ziele

Für den gesamten Markt erwartet Daimler 2021 übergreifend höheres Wachstum als erwartet:

Für Daimler selbst bedeutet das: Auch die eigenen Erwartungen werden angehoben, der Free Cashflow wird etwas niedriger erwartet.

Bis 2025 möchte Daimler die Fixkosten um 20% gegenüber 2019 reduzieren. Auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben sollen um 20% reduziert werden.

Bewertung der Strategie

Chancen durch die Strategie

Die Automobilindustrie geht klar in Richtung der E-Mobilität. Um zu bestehen, muss Daimler diesen Weg mit gehen. Software wird immer mehr ein Differenzierungsmerkmal von Autos. Durch diesen Wandel kann die Nachfrage kurzfristig erhöht werden und das Auto ein attraktiveres Verkehrsmittel werden mit weiteren Erlösmöglichkeiten (Software monatlich verkaufen, nachrüstbare Updates, eigene Ladesäulen und Versicherungen).

Warum es klappen könnte:

  • Daimler investiert weltweit mit am meisten Geld
  • Mercedes EQS mit starker Reichweite und positiven Testberichten zeigt Möglichkeiten
  • Daimler hat eine der stärksten Automarken der Welt

Warum es scheitern könnte:

  • Tesla hat aktuell deutlichen Vorsprung bei E-Reichweite und Software im Mittelpreissegment
  • Daimler könnte in Engpässe bei der Batteriebeschaffung laufen
  • Absatzmarkt in China angesichts von staatlichen Eingriffen risikobehaftet

SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert


Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Fassen wir die Stärken zusammen, die wir im Geschäftsmodell identifizieren konnten.

  • Hohe Profitabilität: Stolze 17 Mrd. operativer Gewinn, 13 Mrd. Nettogewinn und 18 Mrd. Free Cashflow stehen für die letzten 12 Monate zu Buche. Das ist eine Profitabilität, die Daimler so seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
  • Hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben: Im Vergleich der Automobilhersteller ist Daimler unter denen mit den höchsten Ausgaben.
  • (Mittlerweile) Hohe Innovationsgeschwindigkeit: Die gute Wahrnehmung des EQS, Rankings und Einschätzungen zu autonomen Fahren deuten darauf hin, dass die Ausgaben von Daimler mittlerweile auch in der Praxis Früchte zeigen. Es gibt nun Angebote für E-Autos, die schon deutlich besser funktionieren als noch vor einigen Jahren.

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Fassen wir die Schwachstellen des Unternehmens zusammen.

  • Autohäuser: Stärke oder Ballast? Im Gegensatz zu Tesla hat Daimler eine breite Landschaft an Werkstätten und Autohäusern. Aber sind diese zeitgemäß? Sie kosten Gewinnmarge, da diese mitverdienen wollen und die digitale Welt macht Autos auch online erlebbarer und bestellbarer. Ob die Autohäuser Stärke oder Ballast sind wird sich zeigen. Ich denke, dass sie beides zeitgleich sind, sie aber schrittweise zurückgehen werden.
  • Kapitalintensives Geschäftsmodell: Autos herzustellen ist schon immer kapitalintensiv und hat geringe Margen. Wirkliche Alleinstellungsmerkmale gab es lange kaum, wodurch auch immer Kostendruck der Konkurrenz da ist.
  • Später Einstieg in Batteriefabriken: Die Pläne zur Batteriezellenproduktion sind da, die praktische Umsetzung nach exaktem Zeitplan ist aber noch unklar. Solange ist Daimler auf Zulieferer, vor allem aus China, angewiesen. Das heißt aber auch: Teurere Preise und mehr Abhängigkeit.
  • Rückstand ggü. Tesla: Braucht es dazu noch viele Worte? Bessere Software, mehr Reichweite, höhere Bewertung (die günstige Kapitalbeschaffung ermöglicht). Aber: Tesla ist natürlich um ein Vielfaches teurer bewertet.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

  • Technologischer Sprung kann Nachfrage fördern: Der Automobilmarkt ist jahrzehntelang stetig, aber langsam, gewachsen. Ein technologischer Sprung wie jetzt - durch eine neue Antriebsform, bessere Software, (teil-)autonomes Fahren - kann einen Anreiz zum Neukauf geben und damit Nachfrage ankurbeln.
  • Klimawandel: Der Klimawandel ist weder wünschenswert noch für Daimler ein Segen gewesen, da es zu langsam darauf reagiert hat. Nun kommt es aber für einen politisch gewollten Wandel zu sauberer Mobilität. Das bedeutet eine schmerzhafte Umstellung, die wir bereits gesehen haben, kann aber auch einen großen Austausch von alten zu neuen Autos fördern, was wiederum neue Nachfrage für Automobilhersteller bedeutet. Anders formuliert: Wenn wir klimafreundliche, individuelle Mobilität ermöglichen wollen, werden Automobilhersteller nur wichtiger (und nicht unwichtiger).
  • Wachstum in der Elektromobilität: Daimler stellt (mittlerweile) aggressiv auf Elektroautos um. Für Daimler geht es erstmal vor allem darum, den bestehenden Marktanteil im PKW-Markt zu halten und nicht den Anschluss zu verpassen, möglicherweise wird der Markt aber auch neue Chancen schaffen - gerade für die Unternehmen, die sich als Gewinner vortun werden.
  • Wachsender Wohlstand in Schwellenländern: Schon jetzt ist der asiatisch-pazifische Raum für Daimler einer der größte Absatzmärkte. Durch eine günstige Demografie und wachsenden Wohlstand wird dieser Trend vermutlich noch verstärkt werden. Gerade Premium-Marken werden im asiatischen Raum überdurchschnittlich stark nachgefragt.
  • Abspaltung des Truck-Segments: Aktionäre bekommen durch die Abspaltung der LKW-Sparte Aktien des neu abgespaltenen Unternehmens ins Depot gelegt. Ziel: Zwei Unternehmen, die jeweils fokussiert an ihrem Kerngeschäft arbeiten statt ein großer Mischkonzern.

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Hier geht's nun viel mehr darum: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

  • Kompetitiver Automobilmarkt: Der Markt war schon immer umkämpft, jetzt drängen aber viele neue Unternehmen (Tesla, Nio, ggf. Apple,...) in den Markt, die auch Marktanteile für sich beanspruchen und sie von den etablierten Unternehmen holen wollen.
  • Klimawandel: Der Klimawandel ist Chance, aber auch Bedrohung. Je schärfer die Ziele und Vorgaben, desto höher müssen Ausgleichszahlungen getätigt werden, können weniger Verbrenner gekauft werden oder werden durch geringere Nachfrage weniger Verbrenner gekauft. Ich glaube, dass dieses Risiko zu großen Teilen bereits im Daimler-Aktienkurs eingepreist ist, ein Risiko bleibt aber in jedem Fall.
  • Weniger Autos? Konzepte wie Carsharing (das Daimler selbst mit Share Now anbietet) möchten weniger Autos auf den Straßen nutzen, die dafür weniger rumstehen. Autos werden jüngeren Generationen (zumindest in Industrienationen) als Statussymbol unwichtiger. Tesla denkt an Robotaxi-Flotten. Diese Trends könnten eher einen Rückgang der Nachfrage einläuten. Auf der anderen Seite: Das Carsharing würde vermutlich genauso viele gefahrene Kilometer produzieren, die Autos also öfter ausgetauscht werden müssen, wodurch die Nachfrage stabil bleibt. Durch technologische Innovation (autonomes Fahren, klimafreundlich, Assistenzsysteme) können Autos außerdem für zukünftige Generationen attraktiver werden.

Aktienbewertung: Der faire Wert der Aktie


Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Der faire Wert der Aktie

Für die Ermittlung des fairen Werts (alle Erläuterungen dazu über diesen Link) habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

#1 Umsatzwachstum

Das Umsatzwachstum nähert sich in der Berechnung vom kurzfristigen schrittweise an das langfristige Wachstum über 10 Jahre an.

  • Umsatzwachstum zuletzt: Um die 0%. Tatsächlich steuert Daimler aber gerade auf den höchsten Umsatz der Geschichte zu.
  • Analystenerwartung: +6,7% auf 199 Mrd. USD für 2021, +7,2% für 2022 auf 213 Mrd. US-Dollar. 
  • Meine kurzfristige Annahme: Ich gehe kurzfristig im Mittel von +5% aus.
  • Meine langfristige Annahme: +3% p.a., also leicht über der Inflation. Die Annahme ist eher vorsichtig gewählt. Durch neue Marktpotenziale (Serviceumsätze, Versicherungen & Ladenetz) gibt es erstmal, bei gleichbleibendem Marktanteil, umsatzsteigernde Effekte.

#2 Nettomarge

Die Nettomarge lag lange bei zwischen 5 und 6%. 2019 und 2020 lag sie durch höhere Investitionen niedriger. Langfristig gehe ich von ca. 6% aus.

#3 Bewertungsniveau

Daimler wurde historisch immer etwas günstiger bewertet, das KGV lag üblicherweise bei 7 - 10. Andere E-Auto-Unternehmen sind heute deutlich teurer bewertet. Ich gehe daher davon aus, dass Daimler langfristig ein KGV von 9 zusteht.

Meine Renditeerwartung

Renditerechner-Tool

Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: DAI.

Status Quo » Die Zahlen heute

Möglichst der letzten 12 Monate, also TTM (Trailing Twelve Months), um die aktuellsten Daten zu nutzen.
Anteil am Gewinn, der als Dividende ausgeschüttet, per Aktienrückkauf oder per Schuldentilgung an Aktionäre zurückgeführt wird. Bei Wachstumsunternehmen oft 0%.

Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung

Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.

↘︎
↗︎
Wachstum
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
Wachstum
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
Nettomarge
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
Nettomarge
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
KGV
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Umsatz
Marktkapitalisierung
Wertsteigerung
Shareholder Yield
Gesamtrendite
Fairer Aktienkurs
Margin of Safety

Keine Garantie für die Zukunft.

Fortgeschrittene Optionen einblenden +

Wie hoch ist das Abwärtsrisiko?

Natürlich gibt es auch das Risiko, dass Daimler komplett scheitert und in die dauerhafte. Unprofitabilität rutscht. Das sehe ich aktuell nicht als realistisch, ist aber möglich.

In einem solchen Fall würde die Marke (geschätzt auf ca. 49 Mrd. US-Dollar) und Fabriken höchstwahrscheinlich in einen anderen Konzern übergehen, sodass immer ein gewisser Wert bestehen sollte. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis liegt aktuell knapp über 1, das heißt, dass der Börsenwert aktuell etwa dem Eigenkapital entspricht.

Die Scorecard

Die Scorecard zeigt: Mittelmäßiges Ergebnis, bestehend aus sehr günstiger Bewertung bei sonst durchschnittlichen Kennzahlen.

Pro, Contra & Fazit: Daimler Aktie jetzt kaufen?


Pro

  • Fundamental gute Zahlen mit hoher Profitabilität und historisch höchstem Umsatz
  • Sehr günstiges Bewertungsniveau
  • Fortschritte im Wandel zu Software und E-Mobilität
  • Starke Marke mit einem hohen Markenwert (ca. 50 Mrd. USD schätzungsweise)
  • Wandel im Markt bietet Potenziale für Umsätze, die bisher nicht erschlossen wurden

Contra

  • Große Herausforderungen im Bereich Software und E-Mobilität (vor allem Batteriezellenbeschaffung)
  • Allgemein kapitalintensives Geschäftsmodell mit hohem Konkurrenzdruck

Fazit

Bei all den Risiken und Schwächen, die Daimler über die letzten Jahre offenbart hat: Ich habe den Eindruck, dass der Wandel aktuell auch einige Chancen mit sich bringt, Daimler dieser Wandel gelingen kann und die aktuelle Bewertung das nicht wirklich einpreist.


Unterm Strich schaue ich daher mittelfristig optimistisch auf die Daimler-Aktie, da die Bewertung im Vergleich zu den Fundamentalzahlen und den Chancen recht günstig ist. Langfristig bleiben Automobilhersteller schwierige Investments: Hoher Kapitalbedarf, geringe Margen und - meiner Vermutung nach - abseits der Marke auch mit wenig Differenzierungsmerkmalen, wenn alle Anbieter das Thema Reichweite und Software weitestgehend gelöst haben werden.


Ich persönlich bleibe bei Daimler investiert, sehe es daher aber eher als kurz- bis mittelfristiges Investment.

Tags: Daimler | Aktien: Daimler

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Wo ich Aktien & ETFs kaufe: Meine Empfehlungen →

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #4: Wir legen mittel- und langfristig an.

Die Finanzwissenschaft weiß längst: Je mehr getradet und je öfter ins Depot geschaut wird, desto schlechter die Rendite. Market Timing, also Einschätzen kurzfristiger Marktbewegungen, funktioniert nicht und richtet mehr Schaden als Nutzen an.Langfristig anlegen ist erfolgversprechender und entspannter. Und: Es ist der einzige Anlagehorizont, der logisch zu einer fundamentalen Bewertung, an die sich der Aktienkurs mit der Zeit im Optimalfall annähert, passt.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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