In der Börsenwelt hat sich einiges getan. Heute:
Viel Spaß!
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🚀 17% Renditeerwartung: Der Expectation-Gap
Natixis hat 8.500 Investoren aus 24 Ländern befragt, welche Rendite diese über die nächsten 5 Jahre erwarten.
Die Tabelle zeigt, welche Rendite Privatanleger erwarten (blau), welche Rendite professionelle Anleger erwarten (grau) und die Spanne dazwischen (violett).
Investoren erwarten im Durchschnitt eine Rendite von 13% pro Jahr. Die professionellen Investoren erwarten etwa 4 - 6% pro Jahr. Die Spanne beträgt also 7 - 9% pro Jahr, die beide Werte auseinanderliegen.
In Deutschland ist die Spanne tatsächlich am geringsten, was vor allem daran liegt, dass die Erwartungen der Anleger am vorsichtigsten sind.
Diese Umfrage sieht methodisch okay aus, ist aber auch - wie fast jede Umfrage - mit etwas Vorsicht zu genießen. Die Tendenzen scheinen mir nachvollziehbar.
Über den Zeitverlauf, speziell seit 2014, sind die Renditeerwartungen immer weiter von 9% auf 13% pro Jahr gestiegen.
Das verdeutlicht ein Schema: Je besser die Renditen zuletzt waren, desto höher schrauben Anleger ihre Renditeerwartungen. Die Fallhöhe wird dadurch höher. Richtiger wäre das Gegenteil: Je teurer die Aktienmärkte werden, desto niedriger sollte die Renditeerwartung sein.
Finanzprofessor Christopher Bloomstran zieht eine Parallele zum Jahr 1999, in welchem die Dotcom-Blase kurz bevor stand. Dort haben Anleger eine Rendite von 17% pro Jahr erwartet, kurz danach kam der Einbruch. Seitdem wurde eine nominale Rendite von 8% pro Jahr erzielt.
I’d add that return assumption surveys at the end of the 1982-2000 bull market were also 17%. Since yearend 1999 the S&P 500 compounded at 7.6% nominal and 5.4% real. It’s taken the returns of the past few years to get up to these numbers. Most of the past two decades were lower. https://t.co/clbu2ZBhYk
— Christopher Bloomstran (@ChrisBloomstran) June 26, 2021
📊 Das ist am Aktienmarkt passiert
Die neuesten Finanzmarkt-Updates:
💬 Amazon kauft Messenger-Dienst
Amazon hat überlegt, die Messaging-App Signal zu kaufen. Nun ist die Wahl - freiwillig oder unfreiwillig - auf einen anderen Dienst gefallen: Wickr.
Hinter Wickr steckt ein verschlüsselter Nachrichtendienst, der bspw. bei den US-Regierungsbehörden beliebt ist. Also vereinfacht gesagt ein WhatsApp mit hoher Sicherheit.
Was könnten Überlegungen hinter dem Deal sein? Amazon möchte sich womöglich direkteren Kundenzugang sichern und den Messaging-Dienst enger an das eigene E-Commerce Geschäft binden. Eine andere Chance besteht darin, weitere Business-Services mit der Cloud zu verknüpfen und so auch Regierungen oder andere Unternehmen mit hohen Sicherheitsanforderungen besser als Kunden gewinnen zu können.
🧑⚖️ Facebook gewinnt Wettbewerbsklage
Facebook musste sich einer Wettbewerbsklage von der US-Kartellbehörde FTC stellen. Der Vorwurf: Facebook habe eine Monopolstellung auf dem Markt für soziale Medien.
Die FTC hat Facebook vorgeworfen Wettbewerber systematisch verfolgt und Konkurrenz durch Übernahmen von Instagram (2012) und WhatsApp (2014) frühzeitig unterbunden zu haben. Die Nutzer seien dadurch benachteiligt.
Facebook hat mit unterschiedlichen Argumenten dagegen argumentiert. U.a. mit anderen Anbietern, die auf dem Markt sind (YouTube, TikTok,...), zum anderen damit, dass bspw. Instagram zum Kaufzeitpunkt weit von der heutigen Größe entfernt und mehr Photo-App als soziales Netzwerk war.
Die Klage wurde nun abgewiesen. Der Richter Boasberg sagte:
"Diese Anschuldigungen - die nicht einmal eine geschätzte tatsächliche Zahl oder Bandbreite für Facebooks Marktanteil zu irgend einem Zeitpunkt in den vergangenen zehn Jahren bieten - zeigen am Ende nicht plausibel, dass Facebook Marktmacht hat."
Bei Bekanntgabe stieg der Aktienkurs um vier bis fünf Prozent und Facebook kratzte erstmals an der 1 Bio. Dollar Marke beim Börsenwert.
💬 Kundenkommunikation über WhatsApp wieder möglich
Facebook hat mit WhatsApp eine App mit über 1 Mrd. Nutzern weltweit, die bisher kaum monetarisiert wird. Nun kommt Bewegung in die Sache. Basicthinking schreibt:
Als WhatsApp am 7. Dezember 2019 ankündigte, dass der proaktive, automatische Versand von WhatsApp-Nachrichten ab sofort verboten ist, war der Aufschrei groß. Schließlich bedeutete die neue Regelung de facto das Ende für WhatsApp-Newsletter von Unternehmen.
Genau hier vollzieht der Messenger jetzt eine Kehrtwende. Unter dem Begriff der „Non-transactional Notifications“ dürfen Unternehmen jetzt wieder proaktiv informative und werbliche Nachrichten an Kund:innen verschicken.
WhatsApp wird also stärker für Business-Zwecke positioniert, sodass Unternehmen WhatsApp in Richtung ihrer Kunden und Interessenten nutzen können. Kauferinnerungen für Warenkorb-Abbrecher, "Wieder auf Lager" Erinnerungen, Terminbuchungen oder Produktempfehlungen werden dadurch möglich.
In jedem Fall muss in Europa der Datenschutz gewahrt werden. WhatsApp selbst möchte außerdem Spam vermeiden und schränkt daher die Gestaltungsmöglichkeiten und Frequenzen noch ein.
Es zeigt: Bei WhatsApp und Facebook herrscht Bewegung. In naher Zukunft werde ich mir das in einer frischen Aktienanalyse genauer anschauen.
🛢 ExxonMobil hat ein Lobby-Problem
Der Ölkonzern hat es in Anbetracht der angestrebten Klimawende, bei der intensiv auf andere Energiequellen als Öl gesetzt wird, nicht leicht. Der Aktienkurs notiert etwa 40% unter dem Allzeithoch von Ende 2017.
Nun hat Greenpeace dem Konzern eine Falle gestellt. Keith McCoy, Lobbyist von Exxon, dachte, er spricht mit einem Headhunter. Tatsächlich war es aber jemand von Greenpeace.
Dabei hat McCoy einige Dinge ausgeplaudert, die aufgezeichnet wurden und ExxonMobil in ein schlechtes Licht rücken: Er bezeichnet die CO2-Steuer als Show, dass sie gegen wissenschaftliche Evidenz angekämpft hätten und dafür auch auf "dubiose Schattengruppen" zurückgegriffen hätten.
Ein Wortlaut:
“Did we aggressively fight against some of the science? Yes. Did we join some of these shadow groups to work against some of the early efforts? Yes. …
We were looking out for our investments. We were looking out for our shareholders.”
Alles "im Sinne der Aktionäre (Shareholder)". Ob die das genau so sehen?
👨👧👦 Shopify plant ein "Audience Network"
Es sind Screenshots aufgetaucht, die darauf hindeuten, dass die E-Commerce Software Shopify die Einführung eines Audience Networks plant.
Es ist nicht klar, was dahinter steckt. Es wird aber wohl um den Austausch von Daten gehen, die die Millionen Shops auf Shopify-Basis haben. Womöglich stecken Produktempfehlungen, Querverlinkungen oder effizientere Marketingmöglichkeiten (bspw. in der Shop App von Shopify) dahinter.
Ich bleibe natürlich dran. In jedem Fall zeigt es: Shopify hat noch viele Entwicklungsmöglichkeiten.
💧 Plug Power mit neuen Quartalszahlen
Eine der größten Wasserstoff-Hoffnungen ist Plug Power. Die Aktie macht auch in vielen Indizes zu erneuerbaren Energien einen der größten Anteile aus. In der Analyse war ich optimistisch fürs Wachstum, pessimistisch angesichts der knapp 20 Mrd. Dollar Bewertung. Nun gab es neue Quartalszahlen.
Die Eckdaten:
- 71 Mio. Dollar Umsatz in Q1 (+76% ggü. Vorjahr).
- Es wurde u.a. eine Partnerschaft mit SK Group verkündet, die gleichzeitig Investoren sind (was sich in bisherige Deals einreiht und diese etwas komplex macht, da nicht klar ist, was hier das Hauptmotiv ist).
- Die Bruttomarge liegt im negativen Bereich bei -20%, was recht selten ist. Das heißt: Aktuell verliert Plug Power mit jedem zusätzlich verkauften Produkt Geld.
- Der Gesamtverlust ist von -31 Mio. Dollar auf -60 Mio. Dollar gestiegen.
Das Wachstum geht also weiter und Fabriken werden gebaut. Die finanziellen Zahlen (nur 71 Mio. Dollar Umsatz, daraus 60 Mio. Dollar Verlust und negative Bruttomarge) sehen immer noch schwierig aus.
🔎 Depotupdate: Zwei Käufe im Juni
Im Juni gab es zwei Updates in meinem Depot:
Zum einen habe ich die ServiceNow Aktie gekauft. Dahinter steckt ein Unternehmen, das Software zur Prozessautomatisierung und -optimierung anbietet. Die Zahlen und das Geschäftsmodell sind ziemlich stark, weshalb ich trotz höherer Bewertung gekauft habe. Seit Kauf ist die Aktie mit 12% im Plus.
Außerdem habe ich über einen Multi-Faktor ETF in europäische Aktien investiert. Der Hintergrund: Europäische Aktien sind im Vergleich zu US-Aktien günstiger bewertet, was auch dazu führt, dass sie in großen Indizes, die nach Börsenwert gewichten, einen recht geringen Anteil ausmachen (und die USA fast 70%). Daher habe ich hiermit etwas gegengesteuert, um das Klumpenrisiko der US-Aktien etwas zu reduzieren.
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🛒 Quick Commerce: Lebensmittel in 10 Minuten
Gerade in Großstädten gibt es immer mehr Dienste, die Lebensmittel in 10 Minuten liefern. Viele Unternehmen sind in kürzester Zeit zu einer Milliardenbewertung aufgestiegen, auch in Deutschland. Das entspricht schon dem Niveau einiger MDAX-Unternehmen.
Werfen wir daher einen Blick auf das "Quick Commerce" Modell, die Chancen, Probleme, relevante Unternehmen und Börseninvestments.
Wie soll das funktionieren?
Viele schauen erstmal skeptisch auf das Modell: Wie soll eine Lieferung so schnell und für den Anbieter profitabel funktionieren?
Ob es klappt, wird sich zeigen müssen. Die These dahinter:
Kostenseitig: Die Lager können effizienter gebaut werden, da sie nicht für Kunden optimiert sein müssen. Es wird weniger Fläche als bei einem Supermarkt benötigt, was Geld spart.
Umsatzseitig: Es gibt die Gewinnmarge der Produkte. Dazu können Werbeflächen vermarktet werden (wie Aussteller in Supermärkten). Auch eine Liefergebühr wird in der Regel erhoben. Die These: Menschen verbringen viel Zeit in Supermärkten, gerade Familien. Durch die Lieferung kann viel Zeit gespart werden. Außerdem kann durch die Geschwindigkeit der Lieferung schnell das Projekt "Haushaltseinkauf" abgehakt werden, statt mehrere Stunden zuhause sein und warten zu müssen.
Was sind Schwierigkeiten des Geschäftsmodells?
- Die Größe der Warenkörbe. Im Supermarkt werden große Einkäufe getätigt, im Quick Commerce bisher eher kleinere. Bei großen Einkäufen müssen mehr Fahrer liefern, dadurch steigen wiederum Kosten.
- Kampf um Fahrer: Durch den Aufstieg des Quick Commerces konkurrieren die Unternehmen um die Fahrer. Das kann Lohnkosten in die Höhe treiben oder in einigen Gebieten die Mitarbeiterfindung schwierig macht.
- Hohe Konkurrenz: Viele Anbieter drängen auf den Markt, was einen gegenseitigen Kampf um Margen und durch Marketing-Budgets bedeutet.
Was sind die relevanten Unternehmen?
- Delivery Hero & JustEat Take Away: Die Restaurant-Lieferdienste haben eine bestehende Infrastruktur an Fahrern, steigen aber auch stärker in den Quick Commerce Bereich ein. Beide Unternehmen sind börsennotiert.
- Gorillas, Flink und weitere: Lieferdienste, die Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs in der Regel in 10 Minuten liefern.
- Picnic: Ein Dienst aus der Niederlande, der vor allem in Kleinstädten aktiv ist und auf selbst gebaute Transporter setzt.
- Flaschenpost & Durstexpress: In erster Linie Getränkelieferdienste, die beide mittlerweile zu Dr. Oetker gehören, mittlerweile neben Getränken noch weitere Produkte liefern.
💭 Börsenweisheit des Tages
"Wenn man billig einkauft, muss man Geduld mitbringen und abwarten, bis der Markt einem zustimmt." - Benjamin Graham
✌️ Das war es mit dem heutigen Briefing. Danke, dass du dabei bist!