In der Börsenwelt hat sich einiges getan. Heute:
Viel Spaß!
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💰 Earnings Season! Meta, PayPal, Amazon, Apple, Intel, Spotify & mehr
Die neuesten Finanzmarkt-Updates:
Der Großteil der Verlierer kommt also aus dem E-Commerce. Liefer- und Logistikschwierigkeiten, Inflation, das eingeläutete Ende der Lockdowns und starke Vergleichsquartale ziehen quasi überall die Zahlen runter.
Kurzcheck
🖥 Hyperscaler im Vergleich
Viel Augenmerk bei den Earnings liegt auf den großen Public CloudEine Cloud-Lösung ist ein Produkt, das online abrufbar und nutzbar ist. Die größten Anbieter von Public Clouds sind Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud. Beispiel: Wenn du Daten auf einem Laptop speicherst, kannst... More Anbietern Amazon, Microsoft und Google. Ein kurzer Vergleich des Umsatzwachstums (YoYYear-over-Year. Bezeichnet den Vergleich einer Kennzahl im Vergleich zum Vorjahr (bspw. Quartal 4 des aktuellen Jahres zu Q4 des Vorjahres). More) und der Profitabilität (operative Marge):
- Amazon AWS: +37%, 30% Marge
- Microsoft Azure: +29%, 43% Marge (etwas ungenauer, da nicht einzeln ausgewiesen)
- Google Cloud: +44%, -16% Marge
Wachstum kann sich erkauft werden indem ein Unternehmen Preise senkt und die Profitabilität weiter weg schiebt. Genau das sehen wir bei Google, weshalb das Wachstum am höchsten ist. Gleichzeitig ist Azure wohl am profitabelsten, wächst aber am langsamsten.
Beeindruckend finde ich den Vergleich von AWS zur Google Cloud: Nur 7 Prozentpunkte Wachstumsunterschied, obwohl AWS 3x so groß ist und die die operative Marge etwa 45 Prozentpunkte höher liegt.
Meinung
📉 Jeff Bezos: 4 Lektionen aus dem Crash der Wachstumsaktien
Auf Twitter hat Jeff Bezos den aktuellen Crash kurz kommentiert sowie und die Ausführungen von Investor Bill Gurley dazu empfohlen, den er für einen der schlausten Köpfe hält.
Bill is without doubt one of the smartest people I know and always worth listening to. Most people dramatically underestimate the remarkableness of this bull run. Such things are unstoppable … until they aren’t. Markets teach. The lessons can be painful. https://t.co/4DjgEvr0tg
— Jeff Bezos (@JeffBezos) April 30, 2022
Jeff Bezos sagt: Die meisten Menschen unterschätzen die Besonderheit des langen Bullenmarkts, den wir erlebt haben. Solche Dinge sind so lange unaufhaltsam, bis sie es irgendwann doch sind. Der Markt erteilt Lektionen, die schmerzvoll sein können.
Was sagt Bill Gurley zur aktuellen Situation?
Eine ganze Generation an Gründern & Tech-Investoren hat ihre ganze Perspektive auf die Märkte in der zweiten Hälfte eines 13-jährigen Bullenmarktes aufgebaut. Es kann schmerzhaft werden, hier einige Dinge "zu entlernen", also aktiv vergessen zu müssen. (Das ist übrigens ein wissenschaftlich nachgewiesenes Phänomen, das ich schon vor Jahren hier und gerade erst in der Podcast-Folge "5 Fehler, die Anleger heute machen" besprochen haben.)
Außerdem teilt er vier Lektionen für diese Generation:
- Vorherige Allzeithochs sind irrelevant. Nur weil etwas mal 70% höher stand ist es heute nicht zwangsweise günstig. Vergiss, dass es diese Preise gab. (Mein Kommentar: Stimmt soweit. Immerhin zeigt so ein Allzeithoch aber, dass es Anleger gab, die deutlich optimistischer waren.)
- Multiples (also Vielfache von Gewinn, Umsatz o.Ä.) sind eine Annäherung, wenn auch gefährlich. Wenn du sie benutzt, sollte das 10-fache das Maximum sein, darüber hinaus wäre es dumm. (Mein Kommentar: Ist etwas verallgemeinert. Gerade in Zeiten von Nullzinsen sind auch höhere Bewertungen durchaus okay, wenn die Fundamentalzahlen stimmen.)
- Anleger werden wieder verstärkt nach Gewinnen und Free Cashflow, nicht nur nach Umsatz, bewerten. (Mein Kommentar: Genau das mache ich hier deshalb auch von Beginn an.)
- Nicht absoluter Umsatz und Gewinn, sondern Qualität von diesen, zählen. Er verlinkt noch einen Beitrag von sich aus 2011, der 10 Faktoren aufzählt, die die Umsatzqualität kennzeichnen - und du alle aus den Aktienanalysen auf StrategyInvest kennen wirst. (Mein Kommentar: Sehe ich genau so. Beide sind nur dann etwas wert, wenn sie auch dauerhaft so erzielt werden können - und dafür muss man sich oft das zugrundeliegende Geschäftsmodell anschauen.)
Kurzanalyse
📊 So viel ist Amazon heute wirklich wert (Sum-of-the-Parts Bewertung)
Amazon ist gerade etwas deutlicher gefallen. Deshalb möchte ich im Rahmen der Sum-of-the-Parts Bewertung die einzelnen Bestandteile bewerten und anhand dessen einen fairen Wert für Amazon errechnen. Diese Methode habe ich hier ausführlicher beschrieben.
Kurz gesagt: Für die einzelnen Segmente schaue ich mir Wachstum und Profitabilität, also die Attraktivität des Segments an, wenn es alleinstehend an der Börse wäre. Das ist immer nur eine Schätzung, bietet sich aber bei Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen an.
Amazons 6 Geschäftsbereiche
Bei Amazon haben wir sechs Segmente. Ich habe errechnet, wie hoch die Umsätze der letzten 12 Monate sind, mit Umsatzanteil und währungsbereinigter Wachstumsrate auf Basis des aktuellsten Quartals Q1 '22:
- E-Commerce, das bekannte Online-Handelsgeschäft von Amazon: 220 Mrd. Dollar (46%), -1%
- Physische Geschäfte, v.a. Whole Foods: 18 Mrd. Dollar (4%), +16%
- Services für dritte Verkäufer, v.a. Lagerung & Logistik durch Amazon für Dritte: 105 Mrd. Dollar (22%), +9%
- Abo-Services, v.a. Amazon Prime (inkl. Video, Music): 33 Mrd. Dollar (7%), +13%
- Werbung (Advertising), die Amazon auf der eigenen Website ausspielt: 33 Mrd. Dollar (7%), +25%
- AWS (Cloud), über die Rechenzentren und Server für andere betrieben werden: 67 Mrd. Dollar (14%), +37%
Wir kennen die operativen Margen nur ungenau. Amazon schlüsselt sie nach USA, Rest der Welt und AWS auf. Die operativen Margen:
- Bis Q1 '21: USA 4%, International 2%, AWS 30%
- Bis Q1 '22: USA 1%, International -3%, AWS 31%
Wir können allerdings ähnliche Geschäftsmodelle heranziehen und die Margen schätzen.
Bewertung der Segmente
Welches Segment wird am besten, sprich mit dem höchsten Vielfachen auf den aktuellen Umsatz, bewertet? Ich schätze:
- AWS: Es wächst am stärksten, ist gleichzeitig mit über 30% Marge hochprofitabel und vermutlich das profitabelste Segment.
- Werbung: Wächst am zweitschnellsten, in den letzten Quartalen sogar zwischen 50 und 90%. Dazu verspricht es nach AWS die höchsten Margen.
- Abo-Services: Diese sind vorrangig Software-Umsätze, gleichzeitig wiederkehrend.
- Alle anderen Retail-Segmente. Die Wachstumsraten sollten sich wieder ausbalancieren, da Geschäfte wieder öffnen sieht E-Commerce im Jahresvergleich etwas schlechter aus als physische Geschäfte. Die Margen sollten ähnlich sein.
Finden wir passende Multiples!
- AWS: Es gibt keinen direkten Vergleichskandidaten, da die großen Cloud-Konkurrenten Google und Microsoft ebenfalls sehr diverse Geschäftsmodelle haben. Microsoft als Ganzes hat ein KUV von 12, ist etwas profitabler, wächst aber langsamer als AWS. Adobe wächst deutlich schwächer, ist aber etwas profitabler und hat ein KUV von 12. Salesforce wächst halb so stark und ist nur halb so profitabel, das KUV liegt bei 6,5. Ich denke, dass AWS daher mindestens ein KUV von 10 verdient.
- Werbung: Amazon ist nach Alphabet und Meta der drittgrößte Werbeanbieter, daher haben wir gute Vergleichskandidaten. Alle haben eigene Werbeflächen, sind also nicht nur Vermittler, und rein digital. Alphabet hat ein KUV von 6, das Wachstum ist ähnlich. Meta ist mit einem KUV von 5 bewertet, wächst aber deutlich langsamer (~7% vs. 25% von Amazons Werbegeschäft). Ich nehme daher ein KUV von 6 an.
- Abo-Services: Die Abo-Services sind divers, von Gaming-Streaming (Twitch) über Musik- und Videostreaming (Amazon Music & Prime Video) bis zur Lieferflatrate (Amazon Prime) und mehr. Spotify liegt bei einem KUV von 2, Netflix bei 3. Amazons Abo-Services wachsen schneller als Netflix, aber langsamer als Spotify. Ich nehme ein KUV von 2,5 an.
- Alle anderen Retail-Segmente: Walmart: 0,8. Zalando: 1. Wayfair: 0,7. Der Einfachheit halber nehme ich hier ein KUV von 1 an.
Das Ergebnis: So viel ist Amazon wert
Daraus ergeben sich folgende Werte der Bestandteile:
- AWS: 670 Mrd. Dollar
- Retail-Segmente (E-Commerce, physische Geschäfte und Services für Dritte): 343 Mrd. Dollar
- Werbung: 198 Mrd. Dollar
- Abo-Services: 83 Mrd. Dollar
Das macht in Summe einen Wert von knapp 1,3 Bio. Dollar. Amazon ist heute tatsächlich 1,26 Bio. Dollar wert.
Dadurch, dass die Bewertungen an der Börse zuletzt deutlich zurückgegangen sind, liegt auch der ermittelte Wert heute niedriger als noch vor einigen Monaten.
So hätte man AWS vor einigen Monaten wohl problemlos mit einem 15er KUV ansetzen können, auch heute wäre sicherlich ein KUV höher als 10 vertretbar. Das ist die Schwäche der Bewertung: Sie ermittelt keinen eigenen Wert, sondern sagt, was es heute - gemessen am Marktumfeld - wert wäre.
Dafür bringt es uns mehr Transparenz, was eigentlich die Werttreiber bei Amazon sind. Es hilft uns einzuschätzen, ob nun das Wachstum im E-Commerce bedenklich ist oder AWS dafür entschädigt.
Daraus ergeben sich für mich drei Erkenntnisse:
- Amazon ist heute, gemessen am Marktumfeld, fair bis etwas günstiger bewertet.
- AWS ist das dominierende Geschäft, auch das Werbegeschäft ist mittlerweile bedeutend.
- Das E-Commerce Geschäft macht nur etwa 30% des Wertes für Amazon aus.
Inspiration
Börsenweisheit des Tages
"Es gibt entweder gute Nachrichten oder billige Aktienkurse, aber nicht beides gleichzeitig." - Lumiere Capital
Das war es mit dem heutigen Briefing. Danke, dass du dabei bist!