Bilanz: So liest du sie richtig (inkl. 5 Praxisbeispiele)

von Jannes Lorenzen

Gründer, Investor, Strategie-Lead & Ökonom

Die Bilanz wird regelmäßig von Unternehmen, neben der Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Cashflow-Statement, veröffentlicht.

Wie ist der Aufbau einer Bilanz? Wie liest du eine Bilanz und was kannst du daraus schlussfolgern? Hier bekommst du Antworten auf diese Fragen.

Was ist eine Bilanz überhaupt?

Eine Bilanz (im engl. "balance sheet) ist die Vermögensaufstellung eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag. Anders als bspw. die Gewinn- und Verlustrechnung, die einen Zeitraum abbildet und damit eine "Stromgröße" ist, wird die Bilanz nur zu einem bestimmten Tag erstellt. Sie ist also eine Bestandsgröße.

Eine Bilanz besteht grundlegend aus zwei Teilen: Aktiva und Passiva.

Die Aktiva-Seite gibt an, in welche Vermögenswerte das Vermögen des Unternehmens investiert ist. Dazu gehören Kassenbestände, Wertpapiere, Maschinen oder Forderungen an andere Unternehmen. Dazu zählen aber auch immaterielle Vermögenswerte, wie bspw. Patente, Entwicklungskosten für Software oder Kundenbeziehungen.

Die Passiva-Seite gibt an, woher dieses Geld stammt: Ist es Eigenkapital, das von Gründern oder Aktionären eingelegt oder durch Gewinne erzielt wurde, oder ist es Fremdkapital, das bspw. aus Bankkrediten stammt?

Die Aktiva- und die Passiva-Seite müssen immer gleich groß sein. Diese Summe wird auch als Bilanzsumme bezeichnet.

So sieht die Bilanz von Apple aus dem Q2 2020 aus (gelb = Bilanzsumme, FK = Fremdkapital):

Was kannst du aus einer Bilanz lesen? 5 Praxisbeispiele

Eine Bilanz kann interessante Einblicke in Unternehmen geben. Diese kurzen Beispiele sollen das verdeutlichen.

Verschuldungsgrad

Der Verschuldungsgrad ist eine der häufigsten Kennzahlen bei Aktienanalysen. Er gibt das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital an, dass wir aus der Passiv-Seite einer Bilanz entnehmen können.

Oft wird auch bei der Verschuldung nur die langfristige Verschuldung betrachtet oder von der Gesamtverschuldung der vorhandene Cash-Bestand abgezogen.

Je höher der Verschuldungsgrad, desto höher das Risiko, das ein Unternehmen beim Erzielen zusätzlichen Wachstums eingeht.

Goodwill aus Firmenübernahmen

Der Goodwill auf der Aktiva-Seite beschreibt üblicherweise den Aufpreis, den Unternehmen bei der Übernahme eines anderen Unternehmens gegenüber dem Marktpreis zahlen.

Das bedeutet: Unternehmen A möchte Unternehmen B kaufen. Unternehmen B ist an der Börse 1 Mrd. Euro wert, Unternehmen A zahlt 1,5 Mrd. Euro. Dann wurden 0,5 Mrd. Euro Goodwill gezahlt, die entsprechend bilanziert werden. In der Praxis habe ich das bspw. in der Salesforce Aktienanalyse festgestellt und diskutiert.

Das erhöht die Bilanzsumme, ist aber erstmal eine Hoffnung auf einen Wert in der Zukunft. Wenn das nicht eintritt und dieser Goodwill abgeschrieben werden muss, führt das zu einmaligen Verlusten.

Negatives Eigenkapital

Es ist möglich, dass Unternehmen ein negatives Eigenkapital aufweisen. Aktuell ist das bspw. bei McDonalds oder Starbucks der Fall. Was steckt dahinter und wie kann das sein?

Negatives Eigenkapital kann dann entstehen, wenn ein Unternehmen überschuldet ist: Wenn also die Aktivseite nur aus Vermögenswerten von 1 Mrd. Euro besteht, allerdings Verbindlichkeiten in Höhe von 1,5 Mrd. Euro, ist das Eigenkapital mit -0,5 Mrd. Euro negativ.

Bei McDonalds waren die Gründe Aktienrückkäufe: Durch das Zurückkaufen eigener Aktien sinkt das Eigenkapital. Für McDonalds war es wirtschaftlich interessanter, das verdiente Geld in die eigenen Aktien zu stecken, als bspw. Schulden mit geringer Verzinsung zu tilgen.

Kurzfristige Liquidität

Eine sinnvolle Kennzahl ist gerade bei Unternehmen, die operative Probleme haben, zu schauen, wie gut die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch Kassenbestände oder durch Cashflow gedeckt werden können.

Eine Kennzahl dafür ist der Liquiditätsgrad (Current Ratio), der die liquiden Mittel ins Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten setzt.

Auch das EBITDA oder der Cashflow kann sinnvoll sein, um herauszufinden, ob und wie gut kurzfristige Verbindlichkeiten durch den operativen Cashflow gedeckt werden können.

Kapitaleffizienz

Die Bilanzsumme zeigt, wie viel Kapital ein Unternehmen braucht, um zu arbeiten. Im Verhältnis zum Gewinn können wir also sehen, wie hoch die Kapitaleffizienz ist.

Kennzahlen, die das verdeutlichen, sind bspw. die Eigenkapitalrendite (Return on Equity) oder die Gesamtkapitalrendite (Return on Assets). Aber auch die Bruttoprofitabilität nach Novy & Marx (Bruttogewinn / Bilanzsumme), die ich in meiner Scorecard berücksichtige, ist hier eine wissenschaftlich fundierte Kennzahl.

Je höher diese Kennzahlen, desto besser ist ein Unternehmen darin, mit dem Kapital des Unternehmens oder speziell dem Eigenkapital zu arbeiten.

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