von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 29. September 2022

Heute ist Microsoft eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Aber so stark war das Unternehmen und der Aktienkurs nicht immer. Gehen wir 15 Jahre zurück: Der Kurs ist vom Allzeithoch Ende der 90er-Jahre um 75% gefallen, die Zukunft fraglich. Microsoft galt in dieser Phase als veraltet, langweilig und nicht mehr innovativ - und sogar als böse.

Microsoft stand vor der Zerschlagung, die schon gerichtlich beschlossen war. Bill Gates trat zurück. Das Internet wurde größer und schuf neue Megamärkte, die an Microsoft vorbeigingen. Der Such-Werbemarkt, soziale Netzwerke, Audio - und, für Microsoft besonders schmerzhaft, der Internet-Browser und der Smartphone-Markt.

Heute ist Microsoft ein ganz anderes Unternehmen als noch vor einem Jahrzehnt. Ein Großteil des danach eingetretenen Erfolgs wird mit dem "Nadella-Moment" verbunden, einer ganz neuen Philosophie und neuen Geschäftsfeldern.

Wie konnte Microsoft in so eine Schieflage rutschen? Wie ernst war es wirklich? Wie gelang dann der Turnaround? Und was lässt sich daraus aus Anlegersicht lernen? Darauf gehe ich hier, ergänzend zur Microsoft Aktienanalyse, ein.

1980er: Microsofts Aufstieg zum Weltmarktführer

Microsoft Logo auf einem Gebäude

1975 wurde Microsoft von Bill Gates und weiteren Programmieren gegründet. 1980 schlossen sie eine wichtige Partnerschaft mit IBM und entwickelten ein erstes Betriebssystem für Computer. Der Umsatz wuchs.

Microsoft war in den Anfangsjahren sparsam. Statt Weihnachtsgeschenke zu kaufen, wurden Aktienanteile verschenkt. Diese hatten nur den Wert von ein paar hundert Dollar, machten die Mitarbeiter einige Jahre später aber schon zu Millionären.

Dabei wäre Microsoft vielleicht nie so erfolgreich und Bill Gates nie der reichste Mensch der Welt geworden, wenn er nicht auf das Netzwerk seiner Eltern hätte zurückgreifen können. Seine Mutter Mary war im Vorstand der Wohltätigkeitsorganisation "United Way" und hatte darüber Kontakt zu niemand geringerem als dem IBM-Präsidenten John Opel. So konnte sie den Kontakt herstellen und Bill Gates, wenn auch anfangs zögernd, den IBM-Deal eintüten.

In der Folge entwickelte Microsoft immer neue Betriebssysteme, löste sich Anfang der 90er-Jahre von IBM und brachte Lösungen, die erstmals auch in der Breite in Privathaushalten ankamen.

Wie Microsoft Apple rettete

In den 80er-Jahren war auch Apple aktiv. Eine technische Neuerung war, Kommandos nicht über die Tastatur eingeben zu müssen, sondern eine grafische Oberfläche nutzen zu können. Apple war der Meinung, hier von Microsoft kopiert worden zu sein und klagte wegen Urheberrechtsverletzung, auch gegen das im Jahr 1995 erschienene Windows 95.

Apple war in einer schwächeren Verhandlungsposition, da es finanziell für sie nicht gut aussah. Es kam zu einer Einigung zwischen beiden Parteien: Microsoft kaufte stimmrechtlose Aktien von Apple und zahlte eine unbekannte Summe, wodurch Apple überleben konnte. Apple zog dafür die Klage zurück.

Unfair, aber erfolgreich

Microsofts Image ist heute gut. Dabei war der Ruf lange Zeit ähnlich schlecht wie heute der von Meta und der Weg zum Erfolg ist von zweifelhaften Aktionen geprägt.

Eines der ersten Betriebssysteme, das Microsoft auch an IBM verkauft hat, war eine modifizierte Version von CP/M, das wiederum Digital Research entwickelt hatte. Microsoft hatte es abgeändert und MS-DOS genannt. CP/M Programme konnten unter MS-DOS ausgeführt werden, umgekehrt aber nicht. IBM zahlte 800.000 Dollar an Digital Research, damit es auf rechtliche Schritte verzichtete.

Durch Kartellverfahren wurde einiges an internem Schriftverkehr von Microsoft publik. Ein Highlight: 1991 wurde in Windows 3.1 eine vorgetäuschte Fehlermeldung angezeigt, wenn Windows auf dem Betriebssystem des Konkurrenten installiert werden sollte. Digital Research war wieder leidtragend, aber so abhängig von Microsoft, dass es auf eine Klage verzichtete (die dann jemand anderes nach Kauf der Rechte erfolgreich durchführte).

Schon vorher wurden Entwickler verpflichtet, wenn sie vorab wissen wollten, wie die neuen Windows-Schnittstellen aussehen, dass sie drei Jahre lang nicht für Konkurrenzsysteme entwickeln dürfen. PC-Hersteller erhielten Rabatte, wenn sie auch Lizenzgebühren für PCs mit fremden Betriebssystem zahlten.

Microsoft verpflichtete sich dann, davon Abstand zu nehmen. In anderen Fällen gab es Geldstrafen. Man kann sagen: Microsoft hat alles getan, um das eigene Betriebssystem erfolgreich zu machen und sich dabei oft am Rande der Legalität bewegt.

1995: Microsoft vor der Aufspaltung

Foto von Microsoft Windows Tastatur

Die Computer-Revolution war gelungen, Windows 95 draußen und ein voller Erfolg. Microsoft erzielte 1995 einen Jahresumsatz von knapp 6 Mrd. Dollar, hatte diesen über die letzten Jahre mehr als verdoppelt und erzielte 25% Nettomarge. Nun kam das Internet.

Browserkrieg gegen Netscape

Microsoft hatte das Internet bis 1995 weitestgehend ignoriert. Das ermöglichte es anderen Unternehmen wichtige Tools bereitzustellen - wie Netscape Communications, das mit dem Netscape Navigator den führenden Browser bereitstellte.

Netscape war recht offen: Es gab Schnittstellen für Programmierer, die damit neue Programme entwickeln konnten. Es beruhte auf der Programmiersprache Java, die großen Anklang fand. Es war auf allen Betriebssystem nutzbar, auch auf Windows-PCs. Die Gefahr: Wenn die möglicherweise relevanteste Schnittstelle nicht mehr bei Microsoft liegt, sondern bei Netscape, könnte das die eigene Position bedeutend schwächen.

Also musste 1995 ein eigener Browser her: Der Internet Explorer.

Hier hatte Microsoft zwei strategische Vorteile gegenüber Netscape: Erstens, deutlich mehr Geld und damit auch Entwickler. Zweitens, die standardisierte Einbettung in das marktführende Betriebssystem Windows 95 - was zugleich ein Dorn im Auge der Wettbewerbshüter war.

Auch operativ hat Netscape wohl einige Fehlentscheidungen getroffen und neue, nicht benötigte Features eingebaut statt Bugs in Kernfunktionen zu beheben. Das Ergebnis: Von 1995 bis 2003 verschwand Marktführer Netscape in der Bedeutungslosigkeit, der Internet Explorer hatte 95% Marktanteil.

Eigene Softwarestandards & Monopolisten-Gehabe

Microsofts Weg zum Erfolg ging nicht nur über technische Weiterentwicklung.

Um den Internet Explorer zu etablieren wurde die eigene Macht genutzt und PC-Hersteller unter Druck gesetzt, als Standard nicht Netscape zu installieren, da Microsoft die Partnerschaft sonst kündigen könnte. Bill Gates und andere Microsoft-Mitarbeiter behaupteten vor dem Gericht, dass der Internet Explorer nicht vom Betriebssystem losgelöst werden konnte, was sich als Lüge herausstellte.

Außerdem bildeten sich Softwarestandards, von denen Microsoft immer wieder bewusst abwich. Es hat eine eigene Abwandlung der Programmiersprache Java entwickelt, die nur auf Windows funktioniert, die sich bis heute aber nicht durchgesetzt hat.

Beim Internet Explorer wich Microsoft ebenfalls von offiziellen Standards ab, sodass Webentwickler eher für diesen programmierten und die Konkurrenzbrowser diese Seiten nicht korrekt darstellen konnten.

Mit WMA wurde auch ein eigenes Audioformat als Konkurrenz zum MP3-Format entwickelt. Ähnliches bei E-Mails.

Drohende Aufteilung in mehrere "Baby-Bills"

Immer wieder hatte Microsoft seine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt und Konkurrenten verdrängt. So auch Netscape.

Das Problem aus wettbewerbsrechtlicher Sicht: Technologie und Marktanteile entwickeln sich schnell. Durch unlauteres Verhalten können Unternehmen so schnell wachsen, das einige Konkurrenten schon bedeutungslos sind, bis es ein Urteil gibt.

Im Zuge einer Antitrust-Klage, vor allem durch die Browser Wars ausgelöst, wurde 1998 Microsofts Vorgehen und eine Aufspaltung diskutiert. Aus dem großen Konzern sollten mehrere "Baby-Bills" (angelehnt an Bill Gates) werden. Vorschlagen wurde unter anderem die Aufteilung in ein Internet-Unternehmen, 3 Betriebssystem-Unternehmen und ein Software-Unternehmen (inkl. Office und Internet-Explorer). Auch renommierte Ökonomen sprachen sich dafür aus.

Im Juni 2000 gab es das erste Urteil: Microsoft solle sich in zwei separate Unternehmen für Betriebssysteme und Anwendungssoftware aufspalten.

Aber es kam anders.

George W. Bush wurde 2001 zum US-Präsidenten. Seine Wahlkampfagentur war eng mit Microsoft verknüpft und es wurde ein neuer Leiter des Kartellamts ernannt. Er bestätigte die Vorwürfe gegen Microsoft, nahm jedoch die geforderte Aufteilung zurück.

Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, (a) wie forsch die Vorschläge zur Aufspaltung waren und (b) dass ein politischer Wechsel so einen Einfluss haben kann.

Es fühlt sich nicht fair an, wie Microsoft hier gewonnen hat. Erstaunlich ist aber auch, dass auch ganz ohne Spaltung danach andere Unternehmen gewannen und Microsoft ernsthafte Probleme bekam.

Rekorddividende durch juristische Einsparungen

Microsoft hatte viel Geld für die juristischen Auseinandersetzungen zurückgelegt. Da diese nun nicht gebraucht wurden, wurde das Geld im Dezember 2004 als Sonderdividende ausgeschüttet. Insgesamt 34,4 Mrd. Dollar gingen an Aktionäre, was eine Rekordsumme darstellte.

2005: Microsoft im Krisenmodus

Microsoft - PC-Screenshot "I was the future once"

Der Aktienkurs von Microsoft fiel von 1999 bis 2009 um 75%. Wer 1998 investierte hatte zwischenzeitlich kurz Gewinne, bei Haltedauer bis 2013 aber keine Kursperformance erzielt.

Dafür gab es mehrere Gründe: Ein Hochpunkt der Bewertung zu Beginn der Dotcom-Blase, die Finanzkrise 2008, einen Führungswechsel und verpasste Chancen in einer digitalen Welt.

Bill Gates tritt zurück

Bill Gates war als Gründer federführend für Microsofts Entwicklung verantwortlich. 2006 zog er sich erstmals als Leiter der Software-Entwicklung zurück. Sein letzter voller Arbeitstag bei Microsoft war im Juni 2008. Bis 2014 blieb er Aufsichtsratsvorsitzender, war dann nur noch technischer Berater.

Finanzkrise 2008

Ab Ende 2007 begann die Finanzwelt zu bröckeln. Auch Kurse an der Börse stürzten in einem starken Ausmaß ein.

Microsoft erlebte im Geschäftsjahr 2008/2009 erstmals einen Rückgang von Umsatz und Gewinn. 5.000 Mitarbeiter wurden entlassen. Der Aktienkurs fiel um 50%.

So drastisch, wie die Schlagzeilen damals waren, sahen die Zahlen aber nicht wirklich aus: Der Umsatz lag 3% unter Vorjahr. Die Nettomarge betrug immer noch starke 25%, die Bilanz war sauber.

Die Sorge war womöglich, dass der Operating Leverage gegen Microsoft läuft. Wäre der Umsatz weiter zurückgegangen, könnten die Fixkosten (die bei Software hoch sind) stabil bleiben, die variablen Kosten sinken kaum. Dann geht nicht nur der Umsatz zurück, sondern die Marge schmilzt auch.

Als Rechenbeispiel: Wenn der Umsatz über drei Jahre um insgesamt 15% zurückgeht und die Marge stabil bleibt, ist der Gewinn 15% niedriger. Wenn die Marge, durch hohe Fixkosten, allerdings zusätzlich von 25% auf 15% sinkt, also um 40% fällt, hat sich der Gewinn insgesamt halbiert.

Bekanntlich kam es so nicht. Aber: Oft sieht das erst im Rückblick so klar aus.

Verpasste Chancen: Smartphone, Browser, Suche & Social Media

Nach der Dotcom-Blase gab es viel Ernüchterung für Internetunternehmen. Gerade in diesem Bereich wurden nach der Finanzkrise allerdings die wertvollsten Unternehmen der heutigen Welt geboren.

Microsoft wagte auch einige Vorstöße, die allerdings scheiterten. Andere Chancen verpasste es völlig. Die operativen Verluste im damaligen Internet-Segment wurden immer größer.

Microsofts operativer Verlust im Online-Segment weitet sich aus

Smartphones: Windows Phone scheitert

Zentral mit dem iPhone ist Apple eines der wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Dabei dachten viele Beobachter, dass Microsoft diesen Markt beherrschen wird. Stattdessen scheiterte Microsoft trotz großer Akquisitionen (u.a. Nokia) und Anstrengungen.

2007 reagierte Microsoft CEO Steve Ballmer noch so auf die Einführung des iPhones:

"500 Dollar? Subventioniert durch einen Mobilfunkvertrag? Das ist das teuerste Telefon der Welt. Und es spricht keine Geschäftskunden an, weil es keine Tastatur hat und daher nicht gut geeignet ist um E-Mails zu schreiben."

2010 brachte Microsoft dann doch ein eigenes Betriebssystem raus. Es wurde auf Nokias installiert und teilweise auch bei Samsung, HTC und Huawei. Der Markt war bis dahin beherrscht von iOS und Android. Gerade Android wollte Microsoft Marktanteile abjagen.

2011 hat das renommierte Marktforschungsinstitut IDC eine Studie dazu veröffentlicht. Demnach würde Windows Phone das Betriebssystem iOS von Apple bis 2015 überholt haben, vor allem durch Microsofts Partnerschaft mit Nokia. Androids Marktanteil würde dafür zurückgehen.

Obwohl Microsoft starke Partnerschaften und viel Geld hatte, klappte das nicht. Android war 2005 von Google gekauft worden und entsprechend auch gut ausgestattet, ging außerdem 2008 an den Markt und hatte etwas Vorsprung.

Vermutlich gelang es Microsoft auch deshalb nicht, da es sich ähnlich von Drittentwicklern abgeschottet hat wie Apple, ohne aber die gleiche Marktmacht zu haben. Dadurch gab es ein deutlich geringeres Angebot an Apps.

2015 lag Microsofts Marktanteil im einstelligen Prozentbereich, Android hatte über 80% und iOS, je nach Berechnungsmethode, 15 bis 20%. BlackBerrys Betriebssystem, vorher ebenfalls relevant, war kaum noch erwähnenswert. 2016 gab Microsoft mehr oder weniger auf und zog sich zurück, 2017 wurde der Support eingestellt.

Steve Ballmer hat Jahre später aus seiner Sicht erklärt, was er heute anders machen würde.

Er würde demnach früher ins Hardware-Geschäft einsteigen, um auch stärker im Smartphone-Geschäft positioniert zu sein. Microsoft wurde als profitabelstes Unternehmen zeitweise ausgerechnet von zwei Smartphone-Herstellern, Apple und Samsung, überholt.

Warum wurde es nicht gemacht? In Microsofts DNA steckt Software. Und damit lief es hervorragend. Bill Gates sagte immer wieder: "We are software-guys!" Entsprechend schwer fiel es, hier selbst Geräte und Hardware herzustellen.

Zweiter Browserkrieg: Niedergang des Internet Explorers

Der Internet Explorer war auf Windows-Geräten vorinstalliert und hatte damit die beherrschende Stellung unter den Browsern, nachdem es den Browserkrieg gegen Netscape gewonnen hatte. 2003 lag der Marktanteil bei 95%. Heute ist allerdings Google Chrome der klare Marktführer, der Internet Explorer quasi irrelevant und inaktiv, der Nachfolger Edge liegt bei ~3% Marktanteil.

Wie konnte das passieren?

Regulatorisch war Microsoft vermehrt gezwungen, Alternativen zum Internet Explorer zu erlauben. Und diese wurden vermehrt entwickelt, wie Mozilla Firefox, Google Chrome oder Opera. Auch Apple konnte Marktanteile im PC-Markt gewinnen, wo es Safari als Standardbrowser platziert hat.

Im Vergleich zeigte sich, dass die anderen Browser besser waren. Nutzer wollten nicht mehr den altbackenen, langsamen Internet Explorer nutzen. Dieser wurde nur selten aktualisiert, Firefox und Chrome hatten viel mehr Updates und neue Features. Im Internet Explorer wurden Sicherheitslücken bekannt und immer mehr Menschen, auch Programmierer, unterstützten vor allem Mozilla Firefox.

Google startete 2008 und hat viel ins Marketing für Chrome investiert, anders als Microsoft. Es war sich womöglich zu sicher in der eigenen Position oder hat die Bedeutung für die Zukunft nicht erkannt.

Schrittweise stiegen Nutzer also um und gewöhnten sich an neue Browser. Dazu nutzten immer mehr Menschen Smartphones, wo ebenfalls Safari und Chrome die zentralen Lösungen waren und Microsoft keine Rolle spielte.

Neue Megamärkte - und Microsoft sieht nur zu

Google ist nicht nur beim Browser führend, sondern auch quasi Monopolist im Such-Werbemarkt. Der Konkurrent vor 15 Jahren war Yahoo, das damals eines der größten Internetunternehmen war.

Yahoo arbeitete mit Microsoft zusammen, um eine eigene Suche anzubieten. Bekanntlich kam diese qualitativ nie an die von Google heran und konnte sich nicht in der Breite durchsetzen. Im Internet Explorer war die Microsoft-Suche als Standard definiert, was einerseits den Browser nicht besser machte, andererseits die Suche weiter schwächte, als der Browser an Bedeutung verlor.

Ein anderer Riesenmarkt waren soziale Medien. Hier hat Facebook bekanntlich den größten Erfolg gehabt und ein Imperium erschaffen. 

Schon 2003 hat Bill Gates erkannt, wie stark Apple auch mit dem iPod im Musikmarkt positioniert ist. Aber eine Lösung hatte er auch nicht, auch wenn danach - nicht erfolgreich - Microsoft Zune als Konkurrent ins Rennen geschickt wurde:

“We are going to be so late with a music service we are going to be behind others almost forever it seems like”

Missglückte Übernahmen: Yahoo, Nokia & Skype

Yahoo sollte 2007 gekauft werden. Nachdem das erste Angebot abgeblockt wurde, bot Microsoft 2008 - wohlgemerkt in der Finanzkrise - knapp 45 Mrd. Dollar. Auch das lehnte Yahoo ab. Microsoft drohte mit einer feindlichen Übernahme, zu der es dann aber nicht kam.

Nokia wurde 2014 für 7 Mrd. Dollar gekauft. Der Relevanz im Smartphone-Markt half es nicht.

Skype wurde 2011 für 8,5 Mrd. Dollar gekauft. Obwohl heute die Zeit für ein Produkt wie Skype wäre, das damals als führend galt, spielt es heute keine Rolle mehr.

2014: Der Nadella-Moment, der alles änderte

Microsofts Smartphone Apps - Screenshot

In den Jahren 2010 bis 2014 lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei nur 10 bis 15, was unter dem Marktdurchschnitt lag und unter den sonst gewohnten Werten. Das drückte den Pessimismus der Börse aus.

Danach sollte es aber steil bergauf gehen.

Seit Anfang 2014 hat sich die Microsoft, Dividenden eingerechnet, mehr als verzehnfacht. Der Startpunkt: Ein CEO-Wechsel, den viele heute als "Nadella-Moment" bezeichnen.

Microsoft - Aktienkurs All-time

Ein folgenschwerer CEO-Wechsel

CEO Steve Ballmer erklärte seinen Rücktritt. Auch Bill Gates trat als Chairman zurück, blieb aber technischer Berater. Satya Nadella war vorher für das Cloud-Computing-Segment zuständig und hatte nun die mächtigste Position inne. Er ist damit wohlgemerkt erst der dritte Microsoft-CEO.

In seinem ersten Brief an die Aktionäre in 2014 schrieb er:

We will be the productivity and platform company for this mobile-first and cloud-first world. We will empower every person and every organization on the planet to do more and achieve more. And we will accomplish this by building incredible Digital Work and Life Experiences, supported by our Cloud Operating System, the Device Operating System and Hardware platforms.

Das wichtigste Wort: Cloud.

Cloud-Computing

Noch unter Steve Ballmer wurde das Cloud-Geschäft von Microsoft aufgesetzt. Es sollte das nächste Geschäftsfeld werden, in welchem Microsoft mal wieder zu den großen Gewinnern zählte. Amazons AWS war damals noch nicht so erfolgreich und profitabel wie heute, zeigte aber schon das Potenzial.

Nadella war vorher für das Cloud-Geschäft zuständig und ihn als CEO einzusetzen war ein Zeichen, wie wichtig dieses Geschäft für das gesamte Unternehmen sein würde. Es hat sich ausgezahlt: Heute macht das Cloud-Geschäft rund um Azure etwa 40% des Gesamtumsatzes aus, ist das am stärksten wachsende Segment und gilt als hochprofitabel.

Neben dem Anbieten von Cloud-Computing-Diensten hat Microsoft selbst eigene Dienste in die Cloud gebracht. Die Office-Suite ist kollaborativ nutzbar. Die Kernprodukte rund um PowerPoint, Excel und Word wurden erweitert. Es gibt Data Analytics Tools wie Power BI, (Video-)Kommunikationstools wie Microsoft Teams und vieles mehr.

Viele dieser Anwendungen werden heute im Segment "Productivity and Business Processes" zusammengefasst und machen knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes aus.

Mehr Umsatz, höhere Margen

Die starke Entwicklung von Microsoft zeigt sich auch in den Zahlen. Hochprofitabel war Microsoft schon immer. Die hohe Marge konnte gehalten und in den letzten Jahren wieder leicht ausgebaut werden. Der Umsatz stieg kontinuierlich weiter.

in Mrd.

Umsatz

Operatives Ergebnis

Operative Marge

2000

23 $

11 $

48%

2005

40 $

14,6 $

37%

2010

62,5 $

24 $

38%

2015*

93,6 $

27 $

29%

2020

143 $

53 $

37%

* um Sondereffekte, v.a. Abschreibungen im Phone-Geschäft, bereinigt

Zoomen wir in die letzten Jahre hinein sehen wir den starken Umsatz- und Margenanstieg seit 2017:

in Mrd.

Umsatz

Operatives Ergebnis

Operative Marge

2014

87 $

27,8 $

32%

2015*

93,6 $

27 $

29%

2016

91 $

26 $

29%

2017

97 $

29 $

30%

2018

110 $

35 $

32%

2019

126 $

43 $

34%

2020

143 $

53 $

37%

2021

168 $

70 $

42%

Microsoft: Ertragsentwicklung ab 2014

Die Umsatzverteilung in 2014:

  • Licensing (Betriebssysteme und Software wie Windows, Microsoft Office, Windows Phone): 50%
  • Computing and Gaming Hardware (v.a. Xbox): 25%
  • Phone Hardware: 5%
  • Sonstiges (App Stores auf Xbox und Smartphones, Werbung,...): 19%

Dabei machte das Lizenzgeschäft 86% des Bruttogewinns aus.

Die Umsatzverteilung der Segmente heute:

  • Intelligent Cloud (Cloud-Serverdienste wie Microsoft Azure): 40%
  • Productivity and Business Processes (Office, LinkedIn, Dynamics): 32%
  • More Personal Computing (Windows, Xbox, Suchwerbung, Surface): 28%

Der Mythos vom Nadella-Moment

Ein Großteil des Erfolgs wird Satya Nadella zugesprochen. Aber: Die Cloud-Sparte wurde schon jahrelang unter Steve Ballmer aufgebaut und war dort profitabel. Auch Umsatz und Ergebnis stiegen noch unter ihm. Lediglich der Aktienkurs hat das erst unter Nadella widergespiegelt.

Satya Nadella hatte aber viele andere, positive Effekte:

Die Ausstrahlung von Microsoft war eine andere. Ballmer war extrovertiert und konfrontativ, Nadella zurückhaltend. Das verbesserte das weltweite Ansehen, auch unter Partnern und den Behörden. Microsoft wandte sich Open Source Initiativen zu und unterstützte diese, nachdem es sie viele Jahre ablehnte. Die Office-Produkte durften auf iOS und Android installiert werden. Nadella stand nach innen und außen für das Cloud-Geschäft und setze so den Fokus. Und er setzte die Ziele operativ hervorragend um.

Fünf Lehren für Anleger

  1. Langweilig ist nicht unrentabel. Microsoft war selbst dann, als es als langweilig galt, 75% im Kurs gefallen und quasi ein Jahrzehnt lang keine Rendite gebracht hat. Aber: Immer noch wachsend und profitabel.
  2. Die großen Börsengeschichten brauchen auch Glück. Microsoft hatte es an mehreren Stellen, sei es bei der ersten Kooperation mit IBM oder der Aufhebung des Urteils zur Aufspaltung 2001.
  3. Wachstumsraten sind enormer Werttreiber. In guten Jahren werden sie oft positiv fortgeschrieben (wie jetzt), in schlechten negativ (wie 2009). Das kann Unternehmenswerte enorm beeinflussen - und für Anleger Chancen bieten, wenn diese zu pessimistisch sind.
  4. Strategische Vorteile sind wichtig, aber keine Garantie für Erfolg. Den Internet Explorer konnte Microsoft durch strategische Vorteile (mehr Geld, Bündelung mit Betriebssystem) erfolgreich machen. Im Smartphone-Markt ist das allerdings nicht gelungen, obwohl die Chancen gut standen. Auch Timing und operative Ausführung ist dann entscheidend.
  5. Es gibt selten Genies, die im Alleingang richtig liegen. Selbst Bill Gates hatte an vielen Stellen Glück und hat sich auch mal verkalkuliert. Auch Nadella ist nicht das alleinige Cloud-Genie, sondern profitierte von der Arbeit seiner Vorgänger.

Tipp: Wenn du Microsoft heute verstehen willst und ob die Aktie attraktiv ist oder nicht, empfehle ich dir die Microsoft Aktienanalyse.

Tags: Microsoft | Aktien: Microsoft

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #1: Wir vertrauen auf die Aktienmärkte.

Aktien sind seit Beginn der Finanzmärkte die renditestärkste aller Anlageklassen. Sie haben Weltkriege, Wirtschaftskrisen, Hyperinflationen, unterschiedlichste politische Regime und mehr überstanden. Aktienmärkte steigen langfristig zu 99,9% - und darauf vertrauen wir.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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