Overcommitment Bias: Wie dir zu viel investierte Zeit schadet

von Jannes Lorenzen

Gründer, Investor, Strategie-Lead & Ökonom

Lange und ausführliche Analysen sind besser als kurze und oberflächliche Analysen. Wirklich? Nicht unbedingt. Denn eine große psychologische Verzerrung, die dabei auftritt, ist der Overcommitment Bias.

Was ist der Overcommitment Bias?

Der Overcommitment Bias (deutsch: Eskalierendes Commitment) ist eng verwandt mit der Sunk-costs-fallacy und dem Bestätigungsfehler. Warum das so ist, verrate ich dir gleich.

Er beschreibt vereinfacht gesagt: Je mehr Zeit dem Prüfen einer Entscheidung gewidmet wird, desto eher tendiert die Antwort zu einem "Ja".

Am Ende wird meist nicht nur Zeit investiert, sondern auch Nerven, Emotionen oder Geld.

Das heißt in konkreten Beispielen:

  • Je länger du dir Videos und Artikel zu einem Auto anschaust, desto eher wirst du es am Ende auch kaufen.
  • NBA-Spieler, die als Erstes gedraftet werden (also zu einem Team neu dazu stoßen), erhalten danach - unabhängig von ihrem Spielerfolg - mehr Spielzeit und werden seltener verkauft. Wohl deshalb, weil das initiale Commitment ("diesen Spieler holen wir als Erstes!") weiter durchgezogen wird.
  • Je mehr du dich mit einer Aktie beschäftigst, desto eher kaufst du sie am Ende auch. Charlie Munger beschreibt, dass die Aktien, in denen Fondsmanager mit höchster Überzeugung investieren die sind, in die sie die meiste Zeit gesteckt haben.

Woran liegt das?

Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze zum Overcommitment Bias.

  • Selbstrechtfertigung: Die investierte Zeit soll nicht umsonst gewesen sein.
  • Self-presentation theory: Die investierte Zeit soll nicht vor anderen als umsonst investiert gelten. Ist bspw. bei Konzernen zu beobachten, bei denen neue Führungskräfte Projekte suchen, mit denen sie Aufmerksamkeit erzielen können.
  • Sturheit vs. Rationalität: Es gilt oft als lobenswert, an einem Kurs strikt festzuhalten und ihn gegen jegliche Kritik zu verteidigen. Auch wenn das wohl wenig mit der Realität zu tun hat, ist ein konsistentes Bild nach außen besser als ein Ändern der eigenen Entscheidung.

Auch andere kognitive Verzerrungen können bei der Begründung eine Rolle spielen.

Zusammenhang zu anderen kognitiven Verzerrungen

Nach der Sunk-costs-fallacy fällt es uns schwer bereits angefallene finanzielle Kosten von der Entscheidungsfindung zu trennen. Der Overcommitment Bias spiegelt das bei den zeitlichen und emotionalen Aufwänden wider.

Der Bestätigungsfehler sagt aus, dass wir gezielter nach Infos suchen, die unsere These bestätigen und andere ignorieren. Wer also schon glaubt, eine Aktie kaufen zu wollen und dann auch mehr Zeit investiert, wird am Ende immer Gründe finden, die eigene Ausgangsthese zu bestätigen - ohne, dass das dann auf einem rationalen Weg beruht.

5 Learnings für Aktionäre

Einen ausführlichen Talk darüber hat auch Investor Mohnish Pabrai bei Google mit dem Titel "Stock Research Impacts Financial Health" gehalten, in welchem er u.a. Gespräche mit Warren Buffetts Investmentpartner Charlie Munger dazu beschreibt. Ich zeige dir hier die wichtigsten Erkenntnisse daraus.

Aus dem Overcommitment Bias lernen wir:

  1. Es ist völlig okay, sogar notwendig, seine Meinung zu ändern, wenn es dazu einen Anlass gibt.
  2. Immer mehr Zeit in eine Aktie, Branche oder Region zu investieren kann irgendwann in negative Effekte umschlagen, ab denen jede investierte Stunde mehr und mehr die Scheuklappen aufsetzt. Genau wie du eine Mindestzeit in eine Analyse stecken solltest, macht wohl eine Maximalzeit genauso Sinn.
  3. Einige Investoren fokussieren sich - und das ist gut. Niemand kann Experte für alles sein. Man sollte sich allerdings nicht in diese fokussierten Regionen oder Branchen verlieben, sondern sie immer noch objektiv beurteilen. Fondsmanager haben diesen Anlagedruck, wenn diese sich auf Nischen spezialisieren. Du als Privatanleger nicht: Du kannst einfach nichts tun oder auch woanders investieren.
  4. Unabhängig von der Überzeugung zu einem Investment sollte eine einzelne Position nie zu groß werden.
  5. Stell dir die Frage: Wie könnte die Aktie fallen? Was könnte schief gehen? Was denken Shortseller über die Aktie? Das zwingt dich, auch die Schwächen & Risiken zu sehen.

Learnings für StrategyInvest Analysen

Diese Learnings fließen tatsächlich stark in die Analysen auf StrategyInvest ein:

  • Sie sind ausführlich und fokussieren sich auf die wichtigsten und kritischsten Fragen und Faktoren, aber nicht auf jedes Detail.
  • Jede Woche kommt eine neue Analyse zu einem neuen Unternehmen, nicht jede Woche eine neue News zu demselben Unternehmen (wie bspw. oft in der Tesla-Community zu beobachten).
  • Jede Analyse enthält kritische Elemente, wie bei der Geschäftsmodell-Bewertung, dem Zahlencheck, der Konkurrenz oder den Schwächen & Risiken in der SWOT-Analyse.
  • Mohnish Pabrai sagt: "Just say no quickly". Einige Aktien landen deshalb gar nicht erst in der Analyse, wenn sie auf den ersten Blick völlig instabile Geschäftsmodelle und Zahlen haben oder nur von Hypes getragen werden.

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