Jeder Anleger sollte sich vor dem Investieren fragen, ob in dem jeweiligen Markt adverse Selektion herrscht.
Das Prinzip dahinter geht u.a. auf Akerlof und das sogenannte "Lemons-Problem" von 1970 zurück, wofür er und seine Kollegen mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurden.
Also, was genau ist jetzt adverse Selektion und was sind die Gefahren für Anleger?
Was ist adverse Selektion konkret?
Als adverse Selektion versteht man Prozesse, die dadurch, dass Teilnehmer unterschiedliche Informationen und oft unterschiedliche Anreize haben, systematisch schlechte Ergebnisse entstehen. Es kann sogar zu Marktversagen kommen.
Adverse Selektion beruht auf Informationsasymmetrie. Heißt: Eine von zwei Parteien hat mehr Informationen zur Verfügung als die andere. Beispielsweise hat der Verkäufer mehr Informationen als der Käufer, ein Bewerber mehr als das Unternehmen, der Unternehmer mehr als der Investor.
Das Lemons-Problem stammt aus dem Gebrauchtwagen-Markt. Schauen wir es uns genauer an.
Beispiel 1: Gebrauchtwagen
Nehmen wir an, jemand möchte einen gebrauchten VW Golf kaufen und schaut sich zehn unterschiedliche Autos an. Würde man die Qualität der Autos berücksichtigen, lägen diese bei Werten zwischen 15.000 und 25.000 Euro. Der Käufer kennt die Qualität nicht, alle Verkäufer preisen ihr Auto aber als einwandfrei an.
Der Käufer würde für mehr Qualität mehr zahlen, weiß aber, dass die Qualität der Autos variiert und er nicht beurteilen kann, welches Auto jetzt wirklich die bessere Qualität aufweist. Also ist er maximal bereit den Durchschnittspreis von 20.000 Euro zu zahlen.
Für so einen Preis wollen aber die Verkäufer nicht verkaufen, deren Autos qualitativ top und damit mehr wert sind. Dadurch verschwinden die hochqualitativen Modelle vom Markt, da diese Qualität den Käufern nicht transparent gemacht werden kann. Das ist eine Form des Marktversagens.
Es gibt Mittel, dem entgegenzuwirken: Eine starke Marke aufbauen, Garantien und Gewährleistungen geben ("Signaling"), Siegel (bspw. vom TÜV).
Beispiel 2: Unternehmensverkauf & Börsengänge (IPOs)
Nehmen wir an, ein großer Private Equity Fonds, der unterschiedliche Firmen besitzt, möchte Firmen verkaufen. Tendenziell wird er die Unternehmen verkaufen, die er selbst aktuell für teuer hält. Vielleicht auch die Unternehmen, bei denen noch nicht in den Zahlen sichtbare Probleme aufgetaucht sind, um diese noch zu versilbern.
Die gleiche Logik gilt auch bei Börsengängen! Bisherige Eigentümer polieren Zahlen oft möglichst gut auf und bringen Unternehmen zu einem für sie günstigen (= teuer für Anleger) Zeitpunkt an die Börse, Investoren haben dagegen weniger Einblick.
Das beschreibt adverse Selektion: Der Prozess führt dazu, dass der Käufer davon ausgehen muss, dass ihm tendenziell vor allem schlechte (= teure) Unternehmen angeboten werden.
Beispiel 3: Crowdfunding
Einige Start Ups wählen mit Crowdfunding einen recht neuen Weg zur Finanzierung. Hier wird nicht über einen Bankkredit oder einen Investor finanziert, sondern über viele Privatpersonen.
Die Frage ist hier: Welche Start Ups nehmen so etwas tendenziell in Anspruch?
Die Zinsen sind beim Crowdfunding oft höher, das Reporting an so viele Anleger aufwendiger. Warum sollten sie also freiwillig mehr Zinsen zahlen und Aufwand in Kauf nehmen? Bekommen sie womöglich keinen Bankkredit und alle Investoren haben bisher abgelehnt?
Das hieße, dass tendenziell die Gründungen nach Crowdfunding suchen, die geringere Überlebenschancen haben. Start Up Experte Sven Schmidt hat dazu mal gesagt:
[...] mit jedem VC, mit dem ich spreche: Keiner möchte in eine Firma investieren, die vorher Crowdinvesting gemacht hat”
Beispiel 4: Immobilienportale
Wenn eine Immobilie auf einem der großen Immobilienportale zum Verkauf landet, kann das aus vielen unterschiedlichen Gründen passieren. Gerade, wenn der Anbieter ein etablierter Makler ist, kann man aber davon ausgehen: Bevor er diese Immobilie inseriert hat, hat er sie schon seinem Kundenstamm oder bestehenden Interessenten angeboten, die wohl alle abgelehnt haben.
Hier führt adverse Selektion dazu, dass die guten Deals direkt weggekauft werden und nur die schlechteren Deals überhaupt auf einer Immobilienplattform landen.