Auf 97 Seiten fasst die US-amerikanische Investmentbank JP Morgan den Aktienmarkt in Zahlen, Daten und Fakten unter dem Titel "Guide to the Markets" zusammen. Eine gute Gelegenheit, neben all den Aktienanalysen einen Schritt nach hinten zu gehen und aus der Vogelperspektive zu schauen, wo wir gerade stehen.
Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung, Inflation, Value- und Wachstumsaktien, große und kleine Aktien, Bewertungsniveaus, Zyklen, Renditeerwartungen und vieles mehr.
Ich habe mich durch alle 97 Seiten gewühlt und die 12 interessantesten Fakten und Denkanstöße hier für dich zusammengefasst.
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Guide to the Markets
Wenn du den gesamten "Guide to the Markets" lesen möchtest, kannst du das hier tun.
Die Inflation bleibt rar
Die Inflation ist ein reales Risiko für Anleger, vor allem aber für Sparbuch-Sparer. Sie ist aber auch ein Schreckensgespenst, dass immer wieder medial und von Börsengurus befeuert wird. Im Podcast habe ich das Hyperinflationsrisiko schon genauer beleuchtet.
In der Praxis sehen wir aktuell trotz der Geldpolitik kaum Inflation, teilweise sogar in Europa in einigen Ländern deflationäre Tendenzen.
Steigende Staatsverschuldung weltweit
Auch die Staatsverschuldungen sind immer wieder ein Thema. Wenn das Geld günstig ist, ist es eine fast logische Konsequenz, dass auch Staaten sich mehr verschulden.
Die folgende Grafik zeigt zwei Dinge: Im Verhältnis zum BIP gab es sowohl bei Industrie-, als auch bei Schwellenländern nie zuvor eine so hohe Verschuldung. Die Zinslast ist vermutlich trotzdem geringer als in einigen Perioden vorher.
Die Schwellenländer sind darüber hinaus im Durchschnitt weniger stark verschuldet als die Industrienationen.
Die Bilanz der Zentralbank wächst
Die Zentralbanken mischen mit und kaufen u.a. weiter Staatsanleihen auf. Dadurch wächst die Bilanz seit 2007 stetig, durch die Corona-Pandemie wurde die Bilanz der Zentralbank allerdings noch deutlich stärker aufgebläht.
Produktivät und Bevölkerungswachstum
Reales Wirtschaftswachstum entsteht durch (a) mehr Beschäftigte und (b) einem Anstieg in der Produktivität von jedem Beschäftigten.
Die linke Seite zeigt, dass die USA dauerhaft durch beide Faktoren wächst, dieses Wachstum aber unter dem historischen Durchschnitt ist. Die rechte Seite zeigt die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung im weltweiten Vergleich.
Niedrigzinsen: Gekommen um zu bleiben
Die Zinsen sind niedrig - und das scheinen sie auch zu bleiben. Laut den Markterwartungen können sich die Experten sogar noch eine ganz leichte Senkung vorstellen.
Auf absehbare Zeit werden dadurch weiter reale Assets wie Aktien oder Immobilien vermutlich die wichtigsten Anlageklassen für Anleger bleiben.
Schwellenländer wachsen unaufhörlich
Die Schwellenländer, vor allem China und Indien, holen rasant auf. Sie nehmen einen immer größer werdenden Anteil an der Weltwirtschaft ein, während die Eurozone und sogar die USA, trotz ihrer zuletzt starken Entwicklung, anteilsmäßig verliert.
Die rechte Seite zeigt, wie stark die Mittelschicht bis 2030 in den Schwellenländern sein wird.
Die Bewertungsniveaus der Welt steigen - aber nicht alle
Zurück an den Aktienmarkt.
Rechts ist das aktuelle Bewertungsniveau im Vergleich zur Historie (Durchschnitt und Gesamtspanne) angegeben. Je höher das Bewertungsniveau, desto teurer der Markt.
Demnach notiert die USA stark überdurchschnittlich, Europa leicht überdurchschnittlich. Japan liegt unter dem Durchschnitt, der aber möglicherweise durch Extremwerte nach oben verzerrt ist. Schwellenländer sind weitestgehend "normal" bewertet.
Sektoren: Wachstum vs. Substanz
Es gibt den ewigen Kampf zwischen Value-Aktien und Growth-Aktien. Substanz vs. Wachstum, Bestehendes vs. Neues.
Spannend ist zu sehen, welche Sektoren in welcher Kategorie stärker vertreten sind.
Value-Anleger investieren heute relativ gesehen stärker in Unternehmen der Sektoren Finanzen, Industrie, Versorger und Energie. Wachstumsanleger fokussieren IT, zyklische Konsumgüter und Kommunikationsdienstleister.
Aktienmarktfaktoren: Quality, Value & Growth
Wenn wir schon bei den Faktoren sind, nehmen wir noch einen dritten hinzu: Qualität.
Aktien, die nach gängigen Qualitätsmaßstäben (v.a. Aspekten wie geringerer Verschuldung, stabilere Gewinne) besser abschneiden, konnten seit 1990 auch besser als der Gesamtmarkt abschneiden. Das zeigt die linke Grafik. Die relative Performance war - wenig verwunderlich - gerade in den Krisenphasen 2008 - 2009 und zur Corona-Pandemie am besten.
Auch Wachstumsaktien haben gut abgeschnitten und besser als die Value-Gruppe, zumindest im letzten Jahrzehnt. Ob Value-Investing tot ist habe ich im verlinkten Beitrag bereits diskutiert.
Die rechte Grafik zeigt, wie sich die Bewertungsniveaus beider Gruppen entwickelt haben. Auffällig ist hier, wie weit die Spanne heute auseinander liegt und wie eng sie im Vergleich dazu von 2007 bis 2017 zusammen lag.
Bären- und Bullenmärkte: Es geht wieder los
Wer steigende Kurse erleben will, muss auch fallende Kurse erleben. Wer über ein Jahr dabei ist, hat es selbst erlebt - und hoffentlich die Chance für mutige Anleger im Corona-Crash genutzt, die ich damals im März 2020 hier beschrieben habe.
Die Grafik ist beeindruckend und eine gute Erinnerung für die Zyklen der Aktienmärkte. Nach jedem Aufschwung kommt der Abschwung und umgekehrt.
Jetzt stehen wir wieder am Anfang, nach dem kürzesten Bärenmarkt der Finanzmarktgeschichte der letzten 70 Jahre (oder sogar noch länger).
Wo gibt's noch Rendite?
Niedrigzinsumfeld, gestiegene Bewertungsniveaus. Wo gibt's also noch Renditen?
In die Zukunft schauen kann niemand. Anhand der Bewertungsniveaus lässt JP Morgan sich allerdings zu Schätzungen hinreißen.
Die Anlagen, die über die nächsten 10-15 Jahre demnach die höchsten Renditen versprechen:
- Schwellenländer (auch ich gewichte den Schwellenländer-Anteil in meinem Depot daher schon länger etwas höher)
- Asien
- Große Aktien der Eurozone
- Japan
- Europäische Immobilien
Mutmacher: Loslegen, Investieren und Reinvestieren
Bei all den Informationen ist eins immer wichtig: Loslegen und investieren lohnt sich.
Wer 5.000 Euro im Jahr anlegt und realistische 5% Rendite pro Jahr erzielt, landet bis zur Rente bei 354.000 Euro Endvermögen (beim Start mit 35) oder bei 639.000 Euro Endvermögen (beim Start mit 25).
Selbst mit einem in der Vergangenheit schwachen Investment in einen europäischen Aktienindex wäre eine gute Wertsteigerung entstanden. Aus 5.000 Euro in 1986 wären bis heute 28.000 Euro geworden, wenn die Dividende jedes Jahr verjubelt worden wäre. Mit einer reinvestierten Dividende hätte sich das Vermögen auf 80.000 Euro gesteigert und damit ver-16-facht.
In diesem Sinne: Volle Fahrt voraus!