von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 30. Dezember 2020

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Fragestellung: Welche Auswirkungen hat die aktuelle Geldpolitik? Droht eine Hyperinflation?

Quellen: Eigenes VWL-Studium, Interviews von Ökonomen und Statements der EZB.

Geldpolitik: Was passiert da überhaupt?

  • Ziel der EZB: Preisstabilität. Das bedeutet: Inflationsziel von knapp 2 %, um eine Deflation (sinkende Preise) zu vermeiden.
  • Deflation birgt Gefahr, dass Konsum stark zurückgeht und Wirtschaft dadurch in Negativspirale kommt.
  • Inflation hilft Schuldnern (bspw. Staaten) und schadet Gläubigern (bspw. Kreditgebern).
  • Wichtigstes Instrument der Notenbanken: Der Leitzins.
  • Seit Jahren haben wir einen negativen Leitzins. Dadurch ist es einfach möglich Geld aufzunehmen, also Schulden zu machen. Vor allem gilt das seit der Finanzkrise, um die Wirtschaft anzukurbeln

Wie wirkt der Zins auf die Wirtschaft?

  • Anreize zum Investieren, sowohl für Unternehmen als auch Privatpersonen, da die Finanzierungskosten geringer sind.
  • Wirkung in der Theorie: Niedriger Zins → mehr Investitionen → geringere Arbeitslosigkeit → Lohnforderungen der Arbeitnehmer steigen → Lohnkosten müssen auf Preise umgelegt werden →  Preise steigen (= Inflation)
  • Ebenfalls theoretischer Zusammenhang: Wenn die Geldmenge größer ist, die Anzahl der Güter aber gleich, muss der Preis je Gut steigen.
  • Geldillusion: Viele achten nicht auf Unterschied zwischen Real- und Nominalzins
    • Nominalzins kennen wir alle, Realzins = Nominalzins - Inflationsrate
    • Der Realzins ist der wirklich relevante Zins
    • Geldillusion: Nur auf Nominalzins achten, nicht auf den Realzins.
    • Der Realzins ist über die letzten 60 Jahre in Deutschland leicht negativ, nicht nur in den letzten Jahren.
  • Nicht nur EZB ist verantwortlich: Wenn der Zins niedrig ist, die Rahmenbedingungen aber nicht stimmen, wird das Geld trotzdem nicht abgerufen
    • Es gibt Gleichgewichtszins, der i.d.R. leicht über dem der EZB liegt, der aus Angebot und Nachfrage entsteht. Der Zins ist der Preis für das Leihen von Geld. EZB kann Angebot steuern, aber nicht die Nachfrage.
    • Nachfrage wird durch Politik oder auch gesellschaftliche Stimmung erzeugt. Beispiele, die Nachfrage drücken: Berliner Mietendeckel, Tech-Monopolisierung etc.

Heutige Auswirkungen der Geldpolitik

  • Problem: Inflationsrate steigt nicht wirklich, dadurch Deflationsgefahr. Mögliche Ursachen:
    • Durch Digitalisierung werden Lohnkosten weniger wichtig.
    • Energiepreise sinken (bspw. Ölpreis)
    • Kurzfristige gegenläufige Effekte wie MwSt.-Senkung
    • Investitionen hängen nicht nur von Finanzierungskosten (Zinsen) ab, sondern auch von Rechtssicherheit, Zukunftserwartungen etc.
    • Lohnsteigerungen wurden durch Globalisierung verhindert, da Menschen aus Niedriglohnländern auch in und für Industrieländer arbeiten konnten
    • aber: Berechnung der Inflationsrate findet anhand eines durchschnittlichen Warenkorbs statt, der individuell abweicht und auch hinterfragt werden kann
  • Asset-Price Inflation: Nahezu alle Anlageklassen (Aktien, Immobilien, Gold, Bitcoin) sind im Preis gestiegen, da die Alternativen fehlen
  • Verschuldung steigt: Niedriger Zins ist Anreiz zum Schulden machen statt Eigenkapital einzusetzen. Dadurch wird es wiederum schwerer, den Zins anzuheben, wenn Unternehmen und Privatpersonen dadurch ihre Zinskosten nicht mehr tragen können.
  • Stumpfes Schwert: Eines der sonst wichtigsten Instrumente der Geldpolitik verliert an Bedeutung, das Schwert ist heute relativ stumpf. Was machen die Notenbanken also in einer Krise?
    • Alternative: Heute setzt die EZB auch auf Anleihenkäufe. Indikator: Bilanzsumme. Je größer diese ist, desto expansiver ist die Geldpolitik der EZB.
  • Positive Effekte auf Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit, die Studien signalisieren, wenn auch nicht so stark wie gewünscht.

Befürchtung: Kommt es zur Hyperinflation?

  • Befürchtung: Hohe Inflation oder sogar Hyperinflation. Hat sich bisher allerdings noch nicht eingestellt.
  • Horrorszenario Hyperinflation in den 1920er-Jahren:
    • Kaiserreich hatte sich viel Geld geliehen für 1. Weltkrieg und musste Reparationszahlungen an die Sieger des Kriegs zahlen.
    • Franzosen besetzten 1923 das Ruhrgebiet, als die Rückzahlungen ausblieben.
    • Steuern fielen dadurch weg, Bürger mussten zusätzlich versorgt werden.
    • Die Folge: Schulden wurden durch Drucken von Geld zurückgezahlt.
    • Auf dem Höhepunkt Ende 1923 kostete ein einziges Ei 320 Milliarden Reichsmark, ein Dollar über vier Billionen. Erst die Einführung einer neuen Währung machte dem Spuk ein Ende.
    • Konsequenz: Bestehendes Bargeld wurde komplett entwertet, Sachwerte erhielten zumindest teilweise den Wert.
  • Ursache der damaligen Hyperinflation: Koppelung von Geldpolitik mit Staatsfinanzierung, die danach bis heute verboten wurde. Heute ist der Vorwurf "indirekte Staatsfinanzierung".
  • Teilweise wird dieses Risiko von nahezu allen Crash-Propheten seit 2010 immer wieder genannt und zahlreiche Prognosen dazu sind schon daneben gegangen. Einige renommierte Experten haben heute aber auch Inflationssorgen.
  • Thomas Mayer von Flossbach von Storch ggü. Focus Money:
"Wenn das zusätzlich geschaffene Geld auf das gleiche oder ein niedrigeres Angebot trifft, müssen die Preise steigen. Nur so werden das reale Angebot und die reale Nachfrage wieder ausgeglichen. Das bedeutet also höhere Inflation.

MONEY: Worauf müssen sich Sparer konkret einstellen?

Mayer: Folglich wird es wohl darauf hinauslaufen, dass wir dieses neu geschaffene Geld durch höhere Inflation entwerten. Ich vermeide aber den Begriff Hyperinflation, denn diese entstand in Deutschland in einer ganz spezielle Situation."
  • Prof. Heiner Flassbeck, ehem. Chefökonom der UNO, zur Frage, was er zu den Hyperinflation-Thesen einiger Ökonomen sagt (im Punkt.Preradovic Podcast #43):
"Also diese Menschen möchte ich nicht als Kollegen bezeichnet wissen, also das geht wirklich zu weit (lacht). [...] Also ich weiß ja, es hat sich gerade Thomas Mayer geäußert (früher Deutsche Bank, jetzt Flossbach von Storch), also Leute, die durchaus einen Namen haben, die man kennt in der Szene. Es gibt dann natürlich noch ganz wirre Inflationsvorhersager wie Herrn Krall und was weiß ich wie die alle heißen. [...] Es ist immer noch vollkommen absurd, es ist immer noch absoluter Unsinn. Wenn ich jetzt einen von denen mir gegenübersitzen hätte, würde ich sofort Wetten anbieten in der Größenordnung 10.000, 100.000 Euro, völlig egal, kann man mit Sicherheit wetten."

Komplette Antwort mit Begründung

"Nein, es wird nicht eintreten, es gibt keine Anzeichen dafür. Es gibt einen ganz klaren engen empirischen Zusammenhang der bisher nicht aus der Welt geschafft wurde und das ist der zwischen Löhnen und Inflation. Wenn die Löhne zu stark steigen im Verhältnis zur Produktivität eines Landes, dann gibt es Inflation. Davon sind wir auf der ganzen Welt unendlich weit entfernt, die Löhne steigen eher zu wenig. [...] Und seit 30 Jahren gibt es solche Leute, die ich wie gesagt nicht als Volkswirte bezeichnen würde, die etwas vorhersagen, und sie liegen seit 30 Jahren falsch. [...] Diese Ökonomen machen einen grandiosen Fehler: Geld ist für Hyperinflation und all sowas immer die notwendige Bedingung. Es kann in der Tat keine Hyperinflation geben, wenn nicht viel Geld gedruckt wird. Das ist vollkommen richtig. Aber das ist nicht die hinreichende Bedingung. Das muss man unterscheiden. Hinreichend ist Geld noch niemals gewesen. Hinreichend ist etwas anders, nämlich dass es eine allgemeine Dynamik von Lohn- und Preisspirale gibt [...] und das wird dann von der Geldpolitik finanziert. Dadurch, dass Geld ins System geworfen wird, in dieser Weise, wie es Zentralbanken tun, ist ja kein Geld, also ich hab immer noch keins gekriegt. [...] Also dass Geld ins Bankensystem gegeben wird hat mit Inflation nichts zu tun, absolut nichts zu tun."

  • Problem: Noch ist nichts von der Inflation in der realen Wirtschaft eingetreten, obwohl wir schon seit Jahren expansive Geldpolitik haben. Sind Befürchtungen wahr, aber sehr verzögert oder die Thesen einfach falsch?

Meine Kritik an der Kritik

  • EZB ist nicht allein verantwortlich (und auch nicht Mario Draghi).
  • Es gibt auch Nachteile, wenn Zinsen angehoben werden.
  • Fehlende Unterscheidung von Nominalzins und Realzins.
  • Argumentation mit politischen Maßnahmen von vor 100 Jahren ("Auch damals wurde enteignet!")
  • Monokausale Argumentation ist ziemlich realitätsfern.
    • Beispiel: Drohende Zombifizierung der Wirtschaft und Abwärtsspirale
    • These: Unternehmen werden pleite gehen, halten sich nur durch niedrige Zinsen am Leben. Banken haben Kredite vergeben, diese fallen aus, Banken gehen pleite.
    • Wird als 100 % gültige Wahrheit verkauft.
    • Was ignoriert wird: Gehen die Unternehmen wirklich Pleite? Könnte der Staat diese auffangen oder die Kredite decken, vllt. auch nur teilweise? Wie entwickelt sich das Bankengeschäft außerhalb der Kreditvergabe? Wurden Kredite schon abgeschrieben, sodass Effekte tlw. schon berücksichtigt sind? Fallen alle zeitgleich oder verzögert aus? Fallen die Kredite komplett aus oder können bspw. 50 % trotzdem getilgt werden?
    • Monokausale Argumentationsketten klingen gut und verlockend, weil sie so eindeutig und widerspruchsfrei sind, das hat mit der Realität aber wenig zu tun. In der Realität gibt es oft Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken, und diese gilt es abzuwägen und darauf basierend zu entscheiden.
  • Falsche Rechnungen. Bspw. würde Zinserhöhung nicht direkt die kompletten Schulden eines Staates betreffen, wenn dieser noch 30-jährige Anleihen hat
  • Die Schuld des einen sind das Guthaben des anderen: Schulden und Guthaben sind ein Nullsummenspiel.

Was sind die Konsequenzen daraus?

  • Wichtig: Risiken sind zumindest teilweise eingepreist, sonst wären Bewertungen nicht so viel niedriger als bspw. in den USA
  • In Sachwerte investieren, v.a. Aktien
    • EZB Direktorin Isabel Schnabel investiert auch in einzelne Aktien und Aktien-ETFs
  • International investieren
  • Inflationsschutz nicht nur dann ernst nehmen, wenn vor einer Inflation gewarnt wird, sondern immer ein wichtiges Instrument einer Geldanlage.
    • Aber: Inflationsschutz ist gerade heute durch Geldpolitik wichtig.
Tags: Zinsen | Aktien:

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #14: Wir stellen die richtigen Fragen.

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"Der Investor von heute profitiert nicht von dem Wachstum von gestern." - Warren Buffett

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