SAP ist eines der wertvollsten Unternehmen Deutschlands und das mit Abstand erfolgreichste Technologie-Unternehmen. Aber: Einige Konkurrenten holen mit schnellen Schritten auf und haben SAP im Wert teilweise schon überholt. SAP muss sich weiterentwickeln.
Ende 2020 ist die Aktie überraschend um über 30% abgestürzt. Kurz danach hat ein Insider ca. für 250 Mio. Euro (!) SAP-Aktien gekauft. Der Kurs hat sich dann erholt, ist aber wieder auf das Niveau von Ende 2020 gefallen. Der CEO eines Konkurrenten äußert sich kritisch, genau wie das Manager Magazin, das sich auf Unternehmensinsider beruft.
Wie steht es also um SAP? Bietet sich hier eine günstige Kaufgelegenheit in Deutschlands stärkstes Tech-Unternehmen?
- Cloud-Transformation: Das Geschäft soll mit aller Macht auf ein Cloud-Modell umgestellt werden, statt dem bisherigen On-PremiseBezeichnet das lokale Installieren von Software, bspw. auf dem eigenen Rechner oder Server. Der andere Weg ist das Installieren in der Cloud, um von überall darauf zuzugreifen. More Vertrieb. Das bedeutet hohe Investitionen und langfristig hoffentlich höhere Margen. Kann die Rechnung aufgehen?
- Deutschlands Tech-Hoffnung: SAP ist mit über 100 Mrd. Euro eines der wertvollsten Unternehmen Deutschlands und der mit Abstand größte Tech-Konzern.
- Seitwärtsbewegung: SAP liegt etwa auf dem Kursniveau von vor fünf Jahren, obwohl Technologie insgesamt wichtiger wurde. Kann es bald wieder bergauf gehen?
- 💰 Insiderkäufe mit Beigeschmack: Kaum ein Unternehmen in Deutschland hat so starke Insiderkäufe wie SAP - aber dabei gibt es einen faden Beigeschmack.
Mehr als genug Gründe, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Die Quellen der Analyse sind u.a.:
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Überblick, Entwicklung & Zahlencheck
Überblick
SAP ist ein 1972 von Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector gegründeter Software-Konzern, der heute das größte Unternehmen im DAX ist. SAP steht dabei für "Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung".
Im Kern verkauft SAP Softwarelizenzen zur Abwicklung und Abbildung aller Prozesse eines Unternehmens. Dieses Geschäftsmodell besteht vor allem aus einem sogenannten ERP-System (Enterprise-Resource-Planning), das alle geschäftsrelevanten Beziehungen und Daten abbildet.
Die eigene Strategie beschreibt SAP so:
Die SAP-Strategie soll dabei helfen, jedes Unternehmen in ein intelligentes Unternehmen zu verwandeln. SAP unterstützt Menschen und Unternehmen dabei, fundiertes Wissen über ihre Organisationen zu gewinnen, fördert die Zusammenarbeit und hilft so, dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein. Wir vereinfachen Technologie für Unternehmen, damit sie unsere Software nach ihren eigenen Vorstellungen einfach und reibungslos nutzen können.
SAP ist mit über 100.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von >29 Mrd. Euro und einem Börsenwert von zeitweise über 150 Mrd. Euro der wertvollste deutsche börsennotierte Konzern. Aktuell liegt der Wert etwa bei 110 Mrd. Euro.
Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt, hat allerdings zuletzt durch die Corona-Krise, ein schlechtes Q3 2020 (mehr dazu gleich) und den Marktdruck der letzten Monate Rückschläge erlitten:
Ich habe die Aktie zuletzt Ende 2020 analysiert, nachdem sie 30% in kurzer Zeit aufgrund enttäuschender Earnings gefallen ist. Die Aktie ist danach leicht gestiegen, heute aber wieder auf ähnlichem Niveau. Damals war mein Fazit:
Insgesamt [...] kein Bild, das SAP gerade zum Super-Schnäppchen, sondern eher zu einer fair bis leicht unterbewerteten Aktie macht.
Zahlencheck
Der Umsatz ist im jüngsten Quartal, Q2 '22, um 13% gestiegen. Der Cloud-Umsatz ist überproportional mit 34% gewachsen. Der Cloud-Backlog, also bereits unterschriebene, aber noch nicht bilanzierte Verträgen ebenfalls mit 34%.
Dabei hat SAP vom stärken US-Dollar profitiert: Währungsbereinigt liegt das Umsatzwachstum nur bei 5%, das Cloud-Wachstum bei 24%.
~41% des Umsatzes entfallen auf Cloud-Umsätze, Tendenz steigend. ~6% sind Software-Lizenzen, 40% Software-Support. 80% des Umsatzes fasst SAP als "more predictable revenue", also als "besser vorhersehbaren Umsatz" zusammen. Kein klassischer Abo-Umsatz, aber mit ähnlichen Charakteristiken.
SAP ist ein kontinuierlicher Dividendenzahler. Seit 2011 steigt sie Jahr für Jahr, wenn um Sonderdividenden bereinigt wird.
Produkt & Geschäftsmodell
SAP teilt das eigene Geschäfte auf zwei Segmente (in den vorherigen Geschäftsberichten noch vier) auf:
- Applications, Technology & Services (96% Umsatzanteil): Dieses umfasst das Hauptgeschäft von SAP inklusive ERP-System, HXM und weiterer Software. Zuletzt mit 4% währungsbereinigt gewachsen.
- Qualtrics (4% Umsatzanteil): Akquisition, die sich auf den Bereich Experience Management (XM) konzentriert. Zuletzt mit 39% währungsbereinigt gewachsen.
Speziell das große Segment besteht aus unterschiedlichen Software-Lösungen:
- ERP (Enterprise-Resource-Planning): System für nahezu alle geschäftsinternen Prozesse von Controlling über Finanzplanung bis zur Lagerverwaltung
- HCM (Human Capital Management): Personalmanagementsystem
- SCM (Supply Chain Management): Alles rund um Lieferungen & Logistik
- Procurement: Einkaufsprozesse
- CRM (Customer Relationship Management): Managen von Kontakten und Koordinieren des Sales-Prozesses. Der Marktführer im Segment CRM ist übrigens Salesforce, auch HubSpot mischt hier mit.
Factsheet
Sofern nicht anders angegeben in jeweiliger Heimatwährung und TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More (= letzte 12 Monate). 3J = 3-Jahres-Durchschnitt. 'e' = erwartet. 'YoY' = im Jahresvergleich.
Die Eckdaten
- Land: Deutschland
- Branche: Software
- Marktkapitalisierung: 109 Mrd. EUR
- Umsatz: 29,4 Mrd. EUR
- Ergebnis: 4 Mrd. EUR
- Free Cashflow: 4,3 Mrd. EUR
Bewertung
- KUV: 3,7
- KGV: 27
- KGVe: 19
- KCV: 21
- PEG-Ratio: 2
Qualität & Wachstum
- Verschuldungsgrad: 60%
- Bruttomarge: 70%
- Operative Marge: 15% TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More, 21% 5J.
- Nettomarge: 13% TTMTrailing twelve months. Bezeichnet die jeweils letzten 12 Monate, unabhängig vom Kalenderjahr. More, 17% 5J.
- operatives Gewinnwachstum: -3% p.a.
- Umsatzwachstum: 4% p.a. (3J.)
Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.
Geschäftsmodell, Burggraben & Strategie
Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.
Die Strategie ist dabei geprägt vom letzten Quartalsbericht, der Anlass zum jüngsten Kurssturz gegeben hat. Es lohnt sich also, einen speziellen Blick auf diesen zu werfen.
Marktanalyse
Der Markt hat ein Volumen von 670 Mrd. Dollar bis 2025. Bis dahin soll das jährliche Wachstum bei 12% liegen.
Das ist ein angenehmer Rückenwind. Heißt aber auch: Wenn SAP, wie zuletzt, unter 12% wächst, verliert es Marktanteile. Noch ist es in vielen Bereichen der größte Anbieter.
Strategie-Update: SAP will in die Cloud
SAP verdient bisher vor allem Geld durch den Verkauf von Softwarelizenzen ("On-Premise"). Diese werden in der Regel auf den Servern der Kunden installiert und einmalig bezahlt, wobei eine laufende Servicegebühr erhoben wird. Nun möchte SAP in die Cloud. Die Software wird also in der Cloud aufgesetzt und über eine laufende, monatliche Gebühr abgerechnet.
Im Factsheet schreibt SAP dazu:
Wir verfügen über die starke Kombination von schnell wachsenden Cloud-Umsätzen und solidem Kerngeschäft. Zusammen mit den Wartungserlösen, werden die Cloud-Erlöse den Anteil besser planbarer Umsätze am Gesamtumsatz weiter steigern. Wir erwarten, dass der Anteil der Cloud-Subskriptionen und Supportumsätze zusammen mit den Wartungsumsätzen in 2023 bis zu 80 % erreicht.
Die Grafik (und alle folgenden aus dem Strategy Update Q3 '20, auf das SAP sich noch heute oft bezieht) zeigt, was das langfristig bedeutet:
Kurzfristig sinken Umsätze, die dafür langfristig und wiederkehrend höher ausfallen. Der Gesamtumsatz wird höher angepeilt, findet dafür aber etwas später statt.
CEO Klein hat auch zuletzt wieder die Bedeutung der Cloud für SAP-Kunden betont:
„Für Unternehmen ist der Umstieg in die Cloud, verbunden mit einer echten Neuausrichtung ihres Geschäfts, unerlässlich geworden. Denn nur so können sie widerstandsfähiger werden und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie gestärkt aus der Krise hervorgehen können.“
Außerdem ist die Bruttomarge im Cloud-Geschäft geringer. Das macht die Transition für SAP so schmerzhaft: Sie ist absolut sinnvoll, um auch in Zukunft marktfähig zu bleiben. Kurzfristig wird aber Umsatz, der vom bisherigen Lizenzmodell zum Cloud-Modell geht, Umsatz (a) nach hinten verlagern und (b) eine geringere Bruttomarge haben.
Hier zeigt SAP den Vergleich der Bruttomargen nach Segment vor dem großen Umschwung auf die Cloud-Strategie: Die Bruttomarge der Cloud liegt bei 70%, im bisherigen Geschäft bei stolzen 88%. Der Trend in den Bruttomargen ist ingesamt positiv.
Nach Bekanntgabe des Quartalsbericht Q3 in 2020 ist die Aktie um 20% gefallen, was einer der größten Tagesverluste für SAP war. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, die mittelfristigen Gewinnerwartungen gesenkt, da die Cloud-Transformation teurer werde.
Bewährungsprobe: Kurssturz Ende 2020
CEO Christian Klein hat dazu unter anderem gesagt:
„Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge“.
Eine völlig vernünftige und nachvollziehbare Aussage, die an das Credo von Jeff Bezos über die letzten 20 Jahre erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass die Amazon wohl nie so stark gewesen wäre, wenn geringere Margen aber ein höherer Cashflow verkündet worden wäre.
Im Grunde ist es genau das, was SAP braucht: Weniger Fokus auf kurzfristige Profitabilität, sondern höhere Investitionen, um mit der US-amerikanischen Konkurrenz Schritt halten zu können.
Interessant ist, dass es danach zu einigen Insiderkäufen bei SAP kam:
- Der SAP-Mitgründer Hasso Plattner hat für ca. 250 Millionen Euro SAP-Aktien gekauft
- CEO Christian Klein hat ca. 200.000 Euro investiert
- Finanzvorstand Luka Mucic hat ca. 75.000 Euro investiert
- "Kleinere" Käufe von Managern in Höhe von 20 - 25.000 Euro
Auf der anderen Seite hat sich der CEO vom Konkurrenten Salesforce zu Wort gemeldet und SAP kritisiert. Er sagt unter anderem, dass SAP die Chancen der Cloud nicht genutzt habe und die Probleme von SAP in der Branche recht einzigartig seien.
Außerdem spricht er die häufigen Managementwechsel der letzten Zeit und die gewachsene Kundenunzufriedenheit an:
„Der Übergang läuft einfach nicht rund und ihre Kunden sagen das auch. Nun spiegelt ihre Umsatzentwicklung das auch wider.“
Die Cloud-Strategie seit 2020
Durch die beschriebenen Probleme wurde die Umsatzerwartung in der Cloud für die nächsten Jahre gesenkt:
Doch dann kommt der Stupser, der die Kurse in ein paar Jahren anhebt und ein wunderbares Wachstum erzeugt:
Die dahinterliegende These teile ich: Die Cloud wird nur wichtiger für die Kunden und durch höhere Investitionen, die SAP jetzt vornimmt, sollte langfristig der Umsatz stärker steigen als bisher angepeilt. Die eingezeichnete Kurve wirkt für mich angesichts der starken Konkurrenz und der aktuell im eigenen Konzern vorhandenen Probleme doch recht optimistisch.
Werden die Ziele erreicht?
Ich messe das Management und Unternehmen gern an den Zielen, die sie selbst ausrufen. Zumindest teilweise können wir das auch bei SAP.
Die folgende Grafik zeigt die langfristige Vision aus Ende 2020. Diese Ziele können wir schon teilweise mit der eingetretenen Realität (fett markiert) abgleichen.
- Die Umsätze sollten mit 4,5 % p.a. wachsen, dann aber etwa ab 2023 wieder anziehen und dann im zweistelligen Prozentbereich wachsen. Hat bisher geklappt.
- Der Cloud-Umsatz sollte jährlich ab sofort mit > 20 % p.a. wachsen und damit einen immer größeren Anteil am Gesamtgeschäft einnehmen. Das Cloud-Wachstum liegt heute bei 25%, lag 2021 aber unter 20%.
- Beim operativen Gewinn wird über die nächsten Jahre ein leichter Rückgang erwartet, ehe er dann ab 2023 wieder steigen sollte. Ja, Gewinn ist zurückgegangen.
Diese Ziele hat SAP zuletzt bestätigt.
Wo möchte SAP 2025 stehen?
- Anteil des Cloud-Umsatzes von 60% (2020: 25%, 2022: 41%)
- Anteil des planbaren Umsatzes von 85% (2020: 72%, 2022: 78%)
- Bruttomarge in der Cloud von 80% (2020: 70%, 2022: 70%)
- Operatives Gewinnwachstum von > 10 % p.a. ab 2023 (bis 2020 etwa +3 % p.a., von 2019 bis 2022 -6%)
SAP selbst macht an alle Wachstumsziele einen Haken. Zumindest das deckt sich mit meiner Einschätzung. Das Cloud-Wachstum ist on track, auch wenn es Anfang 2021 schlecht aussah. Allerdings fängt jetzt die Periode mit deutlich ambitionierteren Wachstumszielen an.
Der operative Gewinn war zuletzt eher leicht rückläufig. Ich sehe noch nicht, wie er dann von 2023 bis 2025 bei 13% pro Jahr liegt. Die Profitabilität der Cloud ist nicht gestiegen, diese verharrt bei 70% statt den angepeilten 80%.
Ich halte die Ziele der nächsten Jahre für ambitioniert und sehe da Enttäuschungspotenzial, wobei dies wohl auch teilweise vom Markt eingepreist ist.
Wie gut ist das Geschäftsmodell?
Geschäftsmodell-Bewertung
Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In
Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?
Der Wandel in die Cloud läuft und entsprechend wird der Anteil wiederkehrender Umsätze größer. Der Lock-In ist recht stark, da SAP in Kernfunktionen von Unternehmen integriert ist und ein Wechsel hohe Aufwände mit sich bringt.
Netzwerkeffekte
Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?
Durch die recht hohe Verbreitung von SAP haben viele Mitarbeiter Kenntnisse darüber. Es gibt Agenturen, die bei der Implementierung helfen.
Skaleneffekte (Economies of Scale)
Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger? Wachsen Umsätze stärker als Kosten?
Normalerweise sind Software-Geschäftsmodelle enorm skalierbar. Das ist bei SAP größtenteils der Fall, allerdings bedarf es auch einer größeren Gruppe an Beratern und Entwicklern, die bei der Integration helfen. SAP ist also größtenteils Software, aber auch zu einem kleinen Teil Agentur.
Proprietäre Technologie
Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?
SAP besitzt eigene Technologie, die aber nicht als besonders ausgeklügelt wahrgenommen wird. Sie ist mächtig und komplex, andere Anbieter gelten aber oft als moderner und flexibler.
Marke (Branding)
Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?
SAP ist durchaus bekannt, das Image ist okay, aber auch mit mangelnder Innovationskraft behaftet. Allgemein schätze ich den Faktor "Marke" hier im B2B-Segment eher untergeordnet ein.
Geschäftsmodell-Bewertung: 14 / 25
SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken
Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.
Stärken
Beginnen wir mit den Stärken. Was zeichnet SAP aktuell aus?
Kundenzugang
SAP hat viele der größten Unternehmen der Welt als Partner, aber auch als Kunden. Das ist ein Vorteil und ein gewisser Burggraben gegenüber anderen Unternehmen, die sich diesen Zugang hart erarbeiten müssen und SAP hilft, auch andere Lösungen an bestehende Kunden zu verkaufen.
SAP-Ökosystem
SAP arbeitet mit vielen namhaften Partnern und Beratungen zusammen:
Dazu kommt, dass "SAP-Berater" ein eigener Berufszweig ist. Wenn ich auf der Jobsuchmaschine stepstone nach "SAP Berater" suche, bekomme ich allein für die letzten 7 Tage 600 Stellengesuche. Als Kompetenz ist nach "SAP" filterbar.
Das zeigt: SAP ist ein System, für das ein großes Ökosystem herrscht. Das hilft, da Unternehmen dadurch die Integration eines solchen Systems hilft und es weniger Probleme gibt bei anderen Systemen, die noch nicht entsprechend geschultes Personal haben.
Essentielle Produkte & Zukunftsbranche
Die Produkte, die SAP anbietet, sind essentiell für Kunden. Sie sind das Betriebssystem vieler Unternehmen. Gerade in der Zukunft, in der Daten, Prozesse und die Analyse von diesen immer wichtiger wird, werden auch strukturierte Systeme wie von SAP wichtiger.
Im Factsheet schreibt SAP:
Im digitalen Zeitalter sind Daten die „neue Währung“in der Geschäftswelt. Unternehmen, die das Potenzial ihrer Daten schneller und effektiver als ihre Mitbewerber nutzen können, werden von der Digitalisierung profitieren. Als Marktführer für Geschäftssoftware unterstützen wir Unternehmen jeder Größe und Branche dabei, ihre Ziele bestmöglich zu erreichen: 77 % der weltweiten Transaktionserlöse durchlaufen SAP-Systeme.
Die Wachstumsraten in den Märkten, in denen SAP im Kern unterwegs ist, zeigt die Wichtigkeit. Auch der Umzug in die Cloud verspricht weiteres Potential und entspricht den Anforderungen des Marktes.
Kundenzufriedenheit als KPI
Mir gefällt, dass SAP den Net Promoter Score als Kennzahl für die Kundenzufriedenheit erhebt und öffentlich ausweist. Das ist selten und recht mutig, zeigt aber das Commitment, das Produkt und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Über die letzten Jahre konnte der NPS schrittweise verbessert werden. Aber: Die Kennzahl ist auch recht fälschungsanfällig und nicht ansatzweise standardisiert in der Erhebung.
Cloud-Transformation geht voran
Die Cloud-Transformation ist nicht einfach. Sie kostet Zeit und Geld. Auch die Margen kommen noch nicht hinterher. Aber: Zumindest das Wachstum sieht gut aus und entspricht den Wachstumsplänen von SAP aus 2020. Zuletzt hat sich das Wachstum der Cloud-Branche beschleunigt.
Schwächen
Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Schauen wir auf die Schwachstellen des Unternehmens.
Langsames Wachstum
Die Zahlen sprechen für sich: SAP liefert deutlich weniger Wachstum als andere Tech-Unternehmen in den gleichen Segmenten. Das Wachstum ist mit 4% in den letzten Jahren eher enttäuschend. Zumindest teilweise liegt es an der Cloud-Transformation, durch die Umsätze nach hinten geschoben werden. Das aktuelle Quartal liegt bei +13%, währungsbereinigt aber auch nur bei +5%. Damit verliert SAP tendenziell leicht Marktanteile.
Unfähiges Management?
Von 2010 bis Ende 2019 war Bill McDermott der CEO von SAP. Dann haben sich Jennifer Morgan und Christian Klein die Geschäftsführung geteilt. Schon im April musste Morgan wieder gehen, weil es nach der Meinung von Aufsichtsratschef Hasso Plattner zu viele lähmende Diskussionen gegeben hatte. Nun ist Christian Klein alleiniger CEO. In den letzten Jahren gab es also wenig Konstanz.
Das üblicherweise gut informierte, in der Regel kritische Manager Magazin hat in der Juli 2022 Ausgabe die Führungsebene von SAP und die Rolle von Hasso Plattner kritisch beleuchtet. Die Vorwürfe im Kern:
- CEO Klein und Großaktionär Plattner fahren immer wieder aus der Haut, sodass niemand sich traut, ihnen ihre ehrliche Meinung zu sagen
- CEO Klein betreibt Mikromanagement, was Mitarbeiter demotiviert und Prozesse bremst
- Das Vertrauen ins Management der Mitarbeiter ist von von 80% in 2021 auf 74% in April 2022 gesunken
- Hasso Plattner befördert angeblich seine Lieblinge. Auch der Leiter seiner Familienstiftung wurde in den Aufsichtsrat gebracht. Obwohl er nach den Regeln zu alt ist, ließ er sich als Aufsichtsratsvorsitzender wählen. Auch andere Compliance-Regeln habe Plattner nicht ernst genommen.
Ich glaube: Kein Unternehmen ist fehlerfrei. Der Wahrheitsgehalt lässt sich nicht abschließend prüfen. Aber es zeigt, dass die Konstellation von SAP nicht ganz einfach ist.
Vergleichsweise niedrige Ausgaben für Forschung & Entwicklung
Die R&D-Ausgaben (Forschung und Entwicklung) von SAP lagen über die letzten Jahre durchschnittlich bei 12 - 15% vom Umsatz. Die überwiegend US-amerikanische Konkurrenz liegt hier eher bei 20 - 25% und mehr. Hier ist SAP deutlich vorsichtiger, was die kurzfristige Profitabilität steigert, aber auch die jüngsten Entwicklungen im Aktienkurs erklärt.
Ungeliebtes Produkt
Jeder, der mit SAP gearbeitet hat oder arbeitet (mich eingeschlossen), wird mal jemanden über das SAP-System fluchen gehört haben. Das steht sinnbildlich für etwas, was tatsächlich ein Problem ist: Die niedrige Kundenzufriedenheit. Um das mit Fakten zu untermauern:
Der NPS (Net Promoter Score) misst auf einer Skala von -100 bis 100, wie groß der Anteil an Personen, die ein Produkt weiterempfehlen würden, den Anteil an Personen, die ein Produkt nicht weiterempfehlen würden, überwiegt. Wie sieht der NPS bei SAP aus?
Das Handelsblatt fasst es so zusammen:
Dass weiterhin viel zu tun ist, kann man dem Report ein paar Seiten weiter entnehmen: Der Net Promoter Score (NPS), der die Weiterempfehlungsbereitschaft der Anwender misst, ist weiter gesunken. 2019 lag die Kennzahl bei minus 6 und damit noch einen Punkt schlechter als 2018. Damit verfehlte SAP das eigene Ziel, den Wert auf plus 1 zu steigern.68 Prozent der Kunden sind zwar grundsätzlich zufrieden, aber nur 26 Prozent würden SAP und seine Produkte weiterempfehlen. Dagegen sehen 32 Prozent das Unternehmen kritisch. Das Ergebnis ist alarmierend: Wirtschaftswissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen Loyalität und Wachstum – das Unternehmen verweist selbst auf entsprechende Studien.
Auch SAP selbst hat das erkannt. In den Geschäftsberichten seit 2012 wird immer wieder betont, dass das Kundenerlebnis verbessert werden soll und in jedem Quartalsbericht auf die Entwicklung hingewiesen. Zuletzt konnte immerhin ein positiver Trend ausgewiesen werden.
Mit Sicherheit ist es dabei kein einfacher Job, solch komplexe Systeme hinzustellen und diese komplett fehlerfrei zu betreiben. Trotzdem öffnet eine schlechte Wahrnehmung in den Augen der Kunden die Tür für Disruption, Konkurrenz und neue Lösungen, die mit offenen Armen empfangen oder sogar gesucht werden.
Chancen
Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?
Wandel zu Cloud- und Subscription-Geschäft
SAP will mit aller Macht weiter Richtung Cloud und möglichst wiederkehrenden Umsätzen. Das Vorhaben ist sinnvoll: Cloud-Dienste bergen viele Vorteile, etablieren sich in nahezu allen anderen B2B-Segmenten ebenfalls und genießen an der Börse höhere Bewertungen. Auch wiederkehrende Umsätze helfen bei der Planbarkeit und können Saleskosten reduzieren.
Die erste Frage ist: Gelingt SAP dieser Wandel?
Ja, davon gehe ich stark aus. Der Markt ist bereit für solche Lösungen. Die wichtigere Frage ist, zu welchem Preis und wann SAP diese Lösung hat. Hier hakt es etwas, wie der zuletzt gesenkte Ausblick gezeigt hat. Aber: Der Wille ist da, die finanzielle Kraft ebenfalls und die Investitionen wurden schon angekündigt.
Eintrittswahrscheinlichkeit: hoch | Wirkung bei Eintreten: hoch
Digitalisierung
SAP ist ein Digitalisierungsgewinner. Durch das Digitalisieren von Unternehmen und Prozessen hat SAP also einen Rückenwind, der das Geschäft weiter antreiben sollte. Das Marktwachstum wird auf 12% pro Jahr geschätzt.
Eintrittswahrscheinlichkeit: hoch | Wirkung bei Eintreten: niedrig
Bedrohungen
Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Jetzt analysieren wir aber: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?
Konkurrenz
SAP ist natürlich nicht alleine im B2B-Geschäft: Auch andere Großkonzerne wie Salesforce (bisher vor allem im CRM), Adobe, Oracle, Microsoft oder ServiceNow (geführt vom ehemaligen SAP CEO Bill McDermott) mischen im Markt mit. Gerade Salesforce (~25% p.a.) und ServiceNow (~30% p.a.) wachsen schnell im Umsatz in direkten SAP-Segmenten.
Und auch wenn SAP wie ein Riese wirkt: Die meisten dieser Unternehmen sind mittlerweile wertvoller als SAP oder dicht dran - Microsoft (1,5 Bio. USD), Salesforce (> 180 Mrd. USD), Adobe (> 190 Mrd. USD) und ServiceNow (ca. 100 Mrd USD).
In der von Experten und Marktinsidern zusammengestellten Liste der meist bewundertsten Unternehmen der Welt von Fortune liegt SAP im Sektor "Computer Software" von acht Unternehmen auf Platz 7. Die genannten Konkurrenten besetzen die Plätze 1 bis 4.
Auch Start-Ups wie Personio treten mit modernen Lösungen an und erzielen enormes Wachstum. Sie haben neue Technologie, sind flexibel, effizient und haben keine Altlasten.
Eintrittswahrscheinlichkeit: hoch | Wirkung bei Eintreten: hoch
Hoher Goodwill in Bilanz
SAP hat durch vergangene Akquisitionen einiges an Goodwill in der Bilanz aufgebaut. Aktuell liegt dieser bei ca. 33 Mrd. Euro und entspricht damit 45% der Bilanzsumme. Das Risiko besteht in Abschreibungen, die drohen und den Gewinn einmalig belasten können, wenn sich herausstellt, dass Firmen deutlich überteuert gekauft wurden. Gerade in einer Abwärtsphase bei den Bewertungen drohen solche Abschreibungen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: niedrig | Wirkung bei Eintreten: mittel
Aktienbewertung & Investment-These
Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.
Erwartung für 2022
SAP will 7,6 - 7,9 Mrd. Euro operativen Gewinn nach Non-IFRS in 2022 erzielen, was währungsbereinigt 4 - 8% unter Vorjahr liegt. Darin stecken auch Effekte durch den Rückzug aus Russland.
Der Free Cashflow soll mindestens 4,5 Mrd. Euro betragen, 2021 waren es 5 Mrd.
Außerdem wurde die Ziele bestätigt, die im Quartalsbericht Q3 2020 ausgerufen wurden, inklusive einem zweistelligen Wachstum des operativen Ergebnisses von 2023 bis 2025.
Der faire Wert der Aktie
Für die Ermittlung des fairen Werts habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:
Umsatzwachstum
- Zuletzt: ~4% pro Jahr
- SAPs Prognose: 7% bis 2025, damit >36 Mrd. Euro
- Analystenerwartung: 0% (2022), 7% (2023)
- Meine kurzfristige Erwartung: 5% p.a., also auf dem Niveau der letzten Jahre.
- Meine langfristige Erwartung: 6% p.a. Sobald die Cloud-Transformation durch ist sollten (a) die Produkte von SAP besser sein und (b) die Verschiebung von Umsätzen nach hinten keine Rolle mehr spielen.
Damit liegt meine Umsatzschätzung bis 2025 mit 34 - 36 Mrd. Euro leicht unter der von SAP selbst.
Profitabilität
Die operative Marge liegt bei 15 - 21%, die Nettomarge bei 13 - 17%. Zuletzt war die Marge eher am unteren Ende. SAP erwartet bis 2025 einen deutlichen Anstieg der Marge. Ich glaube auch, dass die aktuelle Phase für SAP die schwierigste ist (wegfallendes Russland-Geschäft, höhere Investitionen, Marktdruck), die Margen sich danach etwas normalisieren werden. Einen deutlichen Anstieg nach oben sehe ich aber noch nicht.
Ich gehe daher langfristig von 16% Nettomarge aus. SAP schüttet fleißig Dividenden aus, die Ausschüttungsquote liegt bei ~50%.
Bewertung
Aktuell ist das KGV bei 27, das KGVe bei 19. Über die letzten 5 Jahre lag das KGV im Durchschnitt bei 25 bis 30, das KGVe bei 20 bis 23. Das Bewertungsniveau ist heute also etwa im Durchschnitt, tendenziell leicht darunter.
Langfristig sehe ich keine starken Gründe für eine Bewertung deutlich über dem Marktniveau. SAP wächst nicht stark, das Geschäftsmodell ist gut, aber nicht überragend. Die Marge ist solide, das Geschäft hat zumindest Rückenwind. Ich nehme langfristig ein KGV von 17 an.
Renditeberechnung
Renditerechner-Tool
Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: SAP.
Status Quo » Die Zahlen heute
Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung
Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Keine Garantie für die Zukunft.
Fortgeschrittene Optionen einblenden +Insiderkäufe
Bei SAP gibt es massive Insiderkäufe. Seit April 2022 hat in jedem Monat ein Insider zugegriffen, das Volumen lag jeweils im 5-stelligen bis 6-stelligen Volumen.
Und dann gibt es jemanden, der im Februar für 100 Mio. Euro und im Mai für knapp 6 Mio. Euro zugeschlagen hat: Großaktionär und Gründer Hasso Plattner. Schon nach dem Kurssturz Ende 2020 hat er für ca. 250 Millionen Euro SAP-Aktien gekauft.
Insiderkäufe sind ein positives Signal und würde es auch hier so werten. Der fade Beigeschmack entsteht dadurch, dass Plattner dadurch großen Einfluss nimmt, der nach Aussagen des Manager Magazins für einige zu groß ist - siehe oben.
Scorecard
StrategyInvest Scorecard
Je Kategorie bis zu 25 Punkte. Insgesamt 20+ Kriterien.
Qualität
Profitabilität, Bilanz & Risiken
Geschäftsmodell
Burggraben, Alleinstellung & Preismacht
Wachstum
Umsatz, Gewinne & Rule of 40Die Rule of 40 berechnet sich aus der Summe von Umsatzwachstum und EBITDA-Marge (oder Free Cashflow Marge). Wenn der Wert über 40 liegt, gilt das als kapitaleffizientes Wachstum. More
Bewertung
KUV, KGV & weitere
Gesamtscore
Gut 🙂
Pro, Contra & Fazit: Aktie jetzt kaufen?
Pro
Contra
Fazit
SAP hat definitiv mit einigen Problemen - langsamem Wachstum, starker Konkurrenz, höheren Investitionen - zu kämpfen. Aber: Es ist in einer attraktiven Branche unterwegs, unternimmt in meinen Augen die richtigen Schritte und ist durch den letzten Kurssturz unter mein faires Bewertungsniveau gerutscht.
Insgesamt also kein Bild, das SAP gerade zum Super-Schnäppchen, sondern in meinen Augen eher zu einer fair bewerteten Aktie macht. Mir persönlich ist die Renditeerwartung mit meinen Annahmen zu niedrig.
Insgesamt sind es die Eigenschaften, die in den Lehrbüchern der Value-Investoren stehen: Prinzipiell funktionierende und profitable Geschäftsmodelle, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft existieren und gebraucht werden, aber kurzfristige Probleme haben und dadurch "unsexy" sind.
Genau das sind übrigens auch Eigenschaften, mit denen Microsoft und Apple vor ca. 10 Jahren zu kämpfen hatten und kritisiert wurden. Beide, vor allem Microsoft, hatten aber einen besonderen Wandel in der Mentalität und dem Geschäftsmodell. Bei SAP scheint mir der zündende Moment noch zu fehlen.