von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 13. September 2020

Delivery Hero ist das Unternehmen, das den freigewordenen Platz von Wirecard im DAX einnehmen durfte. Damit bekommt der Essenslieferdienst nun eine ganz besondere Aufmerksamkeit.

Und: Die Aktienbewertung fällt überraschend positiv für Delivery Hero aus und verspricht tatsächlich einiges an Potential.

Zuletzt ist Delivery Hero, das ursprünglich Marken wie pizza.de und Lieferheld in Deutschland aufgebaut hat, stark gewachsen und ist eines der größten Unternehmen weltweit im Bereich der Essenslieferdienste.

Grund genug, dass wir uns die Aktie genauer anschauen und herausfinden, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Unter anderem erfährst du in dieser Analyse:

  • Wie gut steht Delivery Hero wirtschaftlich aktuell da? (Spoiler: Die Daten auf den meisten Finanzwebseiten sind irreführend)
  • Wie funktioniert das Geschäftsmodell? Wer verdient wie viel in der Wertschöpfungskette?
  • Was ist das Ziel, auf das nahezu alle Online-Lieferdienste mit hohen Investitionen hin arbeiten?
  • Welche 6 Phasen durchläuft Delivery Hero - und in welcher steckt es gerade?
  • Stärken, Schwächen, Chancen & Risiken von Delivery Hero gegenübergestellt (u.a. die Skalen- und Netzwerkeffekte, die Delivery Hero nutzen will)
  • Abschließende Bewertung inkl. Scorecard: Ist die Delivery Hero Aktie aktuell kaufenswert? Welchen Börsenwert prognostiziert der Lieferheld-Gründer und ehemalige CEO?

Tipp: Am Ende gibt's die neue Bewertung in der StrategyInvest Scorecard.

More...

1. Aktienanalyse: Was macht das Unternehmen überhaupt?

Überblick

Verschaffen wir uns zuerst einen Überblick über das Unternehmen.

Hard Facts

Delivery Hero wurde erst 2011 in Berlin gegründet. Heute wird es vom CEO Niklas Östberg geleitet.

Geschäftsmodell

Delivery Hero vermittelt Essenslieferungen, die über Webseiten oder Apps in unterschiedlichen Ländern an die Restaurants übermittelt werden.

Größe & Kennzahlen

Delivery Hero ist heute fast 20 Mrd. Euro wert und erzielt einen Umsatz von knapp 2 Mrd. Euro.

2. Fakten und Kennzahlen zur Aktie

Factsheet

Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre stark entwickelt:

Das Factsheet zur Aktie:

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet.

Die Eckdaten

  • Land: Deutschland
  • Branche: Online-Essenslieferdienst
  • Marktkapitalisierung: 19 Mrd. EUR
  • Umsatz: 2 Mrd. EUR (Hinweis: Hier zeigen viele Finanzwebseiten nicht den wirklichen TTM-Wert, sondern nur den 2019er Wert von 1,2 Mrd. EUR an)
  • erw. Umsatz 2020: 2,4 - 2,6 Mrd. EUR
  • Gewinn: 0,2 Mrd. EUR
  • Free Cashflow: -0,5 Mrd. EUR

Bewertung

  • KUV: 10
  • KGV: -
  • KGVe: -
  • KCV: -
  • PEG-Ratio: -

Qualität & Wachstum

  • Verschuldungsgrad: 2 %
  • Bruttomarge: 25 % (davor auch schon > 60%)
  • Nettomarge: 19 % (durch Einmaleffekt, sonst negativ)
  • Gewinnwachstum (letzte 3 Jahre): -
  • Umsatzwachstum (letzte 3 Jahre): 62 % p.a.

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

3. Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert

Business Breakdown

Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Umsatz-, Gewinn- und Cashflow-Entwicklung

Die folgende Grafik zeigt die Umsatz-, Gewinn- und Cashflow-Entwicklung.

Das Umsatzwachstum ist stark. Zuletzt stand auch ein Nettogewinn zu Buche (v.a. durch den Verkauf des Deutschlandgeschäfts), der freie Cashflow ist allerdings negativ und die Bruttomarge eher rückläufig. Auch der operative Gewinn war negativ.

Die Bestellungen und der Umsatz haben sich zuletzt auf Jahresbasis fast verdoppelt. Der Außenumsatz, also der insgesamt vermittelte Umsatz über die Plattform, ist um 66 % gestiegen. Die Differenz zwischen dem Wachstum vom Außenumsatz zum Umsatzwachstum zeigt, dass Delivery Hero einen größeren Teil am Außenumsatz einbehalten hat.

Mechanismen des Geschäftsmodells

Ausführlicher habe ich den gesamten Markt der Essenslieferdienste hier bereits analysiert.

So stellt Delivery Hero in der Investorenpräsentation das eigene Geschäftsmodell dar: Der Nutzer sucht, bestellt, das Restaurant erhält die Bestellung, bereitet das Essen zu, liefert sie aus (entweder über Lieferanten von Delivery Hero oder dem Restaurant selbst) und am Ende isst der Käufer sein Essen.

Bei jeder gebuchten Essensbestellung behält Delivery Hero einen Anteil des Bestellwerts, die sogenannte Take Rate.

Diese liegt in der Regel bei ca. 15 - 25 %. In Deutschland wurde diese nach dem Verkauf des Deutschlandgeschäfts von Delivery Hero an JustEat Takeaway sogar von 20 % auf 30 % erhöht.

Dabei gibt es noch Unterschiede: In einigen Fällen sind die Lieferanten direkt bei dem jeweiligen Essenslieferdienst angestellt (bspw. JustEat Takeaway bietet das an), in den anderen - und häufigsten Fällen - wird die Lieferung vom Restaurant selbst durchgeführt und die Bestellung nur vermittelt.

Die Bruttomarge der Unternehmen im Markt variiert naturgemäß, liegt im Mittel aber etwa bei 55 - 70 %. Das bedeutet: Vom Anteil, den der Essenslieferdienst an einer Bestellung erhält (= Take Rate), geht nochmal etwa ein Drittel an direkten Kosten für die Bestellungsabwicklung ab.

Die durchschnittliche Bestellgröße liegt übrigens bei etwa 20 - 25 Euro bzw. US-Dollar.

Wie entwickelt sich der Markt heute?

Der weltweite Food-Markt wird auf 7,5 Billionen Euro geschätzt. Etwa 10 - 15 % davon sind schätzungsweise Umsätze, die potentiell in den Bereich der Essenslieferungen fallen (vgl. 1). Uber schätzt den relevanten Markt für Essenslieferdienste auf 2,8 Bio. US-Dollar. Andere Studien sehen den Markt etwas kleiner:

"Der Weltmarkt für digitale Essenslieferungen hat nach einer eher vorsichtigen Studie des Datenportals Statista derzeit ein Volumen von 109 Milliarden Euro und soll in den kommenden Jahren jährlich um 7,5 Prozent wachsen. Schätzungen von Unternehmensberatungen und Investmentbanken gehen teils deutlich darüber hinaus." - Wirtschaftswoche

So sieht Delivery Hero den Markt, aufgeteilt in den gesamten Essensmarkt (grau), Essensservices (gelb), der Markt für Essenslieferungen (grün) und dem aktuellen Außenumsatz von Delivery Hero (rot).

Aktuell werden etwa 10 % der Essensbestellungen weltweit online getätigt. Diese Quote wird weiter zunehmen. Insgesamt wird das Wachstum des Markts für Online-Essensbestellungen je nach Studie um ca. 7,5 - 10 % pro Jahr wachsen und hat durch die Corona-Krise einen Schub erhalten.

4. Strategie & Ziele: Das sind die Wachstumspläne

Strategie

Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir, welche strategischen Pläne aktuell vom Management geschmiedet werden. Schließlich beteiligst du dich an dem Unternehmen der Zukunft, nicht der Vergangenheit.

Delivery Hero stellt in der Investorenpräsentation sinnbildlich für die gesamte Branche die Schritte da, die aufeinander folgen:

  1. Online gehen
  2. Markt für Essenslieferungen transformieren
  3. Technologie entwickeln und Innovation vorantreiben
  4. Take Rate verbessern (für Delivery Hero auf > 18 %)
  5. Gewinnmargen verbessern (für Delivery Hero auf EBITDA-Margen von > 50 %)
  6. (aktuell) Industrie-Konsolidierung

Der Markt ist in den letzten Monaten und Jahren geprägt von Akquisitionen und Übernahmen:

  • Delivery Hero hat Ende 2018 das Deutschlandgeschäft (Lieferheld, pizza.de und Foodora) an JustEat Takeaway verkauft.
  • JustEat Takeaway entstand aus der Übernahme im Juli 2019 vom britischen Unternehmen Just Eat durch Takeaway.com (u.a. Lieferando).
  • Im Juni 2020 hat Just Eat Takeaway auch die Übernahme von Grubhub angekündigt.
  • Im Juli 2020 hat Uber die Übernahme von Postmates angekündigt.

Was ist der Hintergrund dessen?

Solange mehrere Unternehmen in einem Markt unterwegs sind, konkurrieren diese um die gleichen Kunden. Das sorgt zum einen für Preisdruck auf der Angebotsseite (den Restaurants), auf der anderen Seite für hohe Marketingausgaben auf der Nachfrageseite (um Kunden zu gewinnen, teilweise auch durch Rabattcodes).

Durch diese Aufkäufe werden beide Probleme eliminiert und das Geschäftsmodell deutlich profitabler. Der Markt wird also voraussichtlich langfristig in der Hand weniger Anbieter liegen, die sich regional unterscheiden.

Delivery Hero fokussiert sich dabei auf Nordafrika, den Mittleren Osten und tlw. Europa.

Das Jahresziel wurde zuletzt in Q2 auf 2,6 Mrd. bis 2,8 Mrd. Euro angehoben. Die angepasste EBITDA-Marge wird voraussichtlich bei -14 % bis -18 % liegen.

5. SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert

SWOT-Analyse

Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Beginnen wir mit den Stärken. Was zeichnet Delivery Hero aktuell aus?

Hohes Umsatzwachstum

Delivery Hero ist zuletzt mit ca. 60 % gewachsen. Im Jahresvergleich hat sich der Umsatz sogar verdoppelt.

Schlankes Geschäftsmodell

Prinzipiell ist das gesamte Geschäftsmodell (mit Ausnahme der eigenen Lieferfahrer) ziemlich schlank: Es gibt eine App und Webseite, über die Restaurants und Kunden zusammengeführt werden. Delivery Hero verdient als Plattform eine Provision.

Nützliches und sinnvolles Produkt

Bringt Delivery Hero den Kunden einen Mehrwert? Ja, durch Bewertungen, Transparenz und Einfachheit.

Bringt Delivery Hero den Restaurants einen Mehrwert? Größtenteils ja, durch neue Kunden und eingesparte eigene Marketinggelder. Natürlich entsteht aber auch eine mögliche Abhängigkeit.

In Summe ist Delivery Hero ein sinnvolles Produkt, das nicht auf einem kurzfristigen Trend beruht und dann wieder verschwindet. Es ist eine Innovation in einem bewährten Markt, was eine attraktive Kombination darstellt.

Beteiligung an JustEat Takeaway

Im Zuge der Übernahme des Deutschlandgeschäfts von Delivery Hero durch JustEat Takeaway hat Delivery Hero u.a. Aktien an JustEat Takeaway erhalten. Dadurch ist Delivery Hero heute mit ca. 10 % an JustEat Takeaway beteiligt und profitiert damit auch in anderen Ländern als den eigenen.

Skalen- und Netzwerkeffekte bei der Zustellung

Bei den Lieferungen, die durch Fahrer von Delivery Hero ausgeliefert werden, können in Zukunft Skaleneffekte entstehen, die das Unternehmen stärker und schwer angreifbar machen.

Je mehr Restaurants und Kunden ein Anbieter wie Delivery Hero hat, desto effizienter und günstiger kann geliefert werden: Statt 20 Minuten zum nächsten Restaurant zu fahren, kann das nächste Restaurant schon in 2 Minuten vom letzten Kunden angefahren werden. Statt eine Lieferung auszuliefern, können drei Lieferungen in die gleiche Straße zusammen ausgeliefert werden.

Bei Uber greifen die gleichen Effekte, die sich so visualisieren lassen:

Die Umsätze steigen dann langfristig, die Kosten steigen aber durch die gesteigerte Effizienz nur schwächer. Das Ergebnis: Höhere Gewinnmargen und/oder ein günstigeres Angebot für Restaurants und Kunden und als Konsequenz ein schwer anzugreifendes Geschäftsmodell für andere Unternehmen.

Typischerweise tendieren solche Märkte dazu, dass einige Unternehmen stark investieren und die Gewinner später in einem Markt, der einem Monopol gleicht, hohe Gewinne abschöpfen können.

Außerdem könnte es weitere Restaurants anziehen: Bevor fünf Restaurants aus der gleichen Straße alle einzeln Fahrer anstellen, die einen mal eine Stunde Leerlauf haben, die anderen nicht hinterherkommen, könnte ein zentraler Lieferdienst viel effizienter ausliefern. Dadurch könnte ein zentraler Lieferdienst viele Restaurants gewinnen, die bisher selbst liefern. Auch das ist ein Grund, warum dieses bisher verlustbringende Segment der eigenen Kuriere weiter durchgeführt wird.

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Schauen wir auf die Schwachstellen des Unternehmens.

Erlöse aus wirtschaftlich unsichereren Regionen

Der Konkurrent JustEat Takeaway konzentriert sich vor allem auf Mitteleuropa. Uber Eats ist in einigen Hauptstädten und den USA führend. Delivery Hero ist vor allem in Schwellenländern stark vertreten.

Das birgt einige Chancen, zu denen ich gleich komme, aber auch Nachteile: Die Länder sind oft instabiler, die Bevölkerung noch ländlicher und weniger digital. Die Eroberung dieser Märkte kann also länger dauern als in Industrienationen.

Abnehmende Bruttomarge

Ich habe alle Geschäfts- und Quartalsberichte durchforstet und leider keine eindeutige Antwort darauf gefunden, warum die Bruttomarge über die letzten Jahre von 80 % auf zuletzt 25 % gesunken ist.

Meine Vermutung: Neue Märkten und Akquisitionen werden gerade zum Start zu geringeren Margen bedient, um zu wachsen. U.a. dadurch, dass zuletzt bspw. das Deutschlandgeschäft verkauft wurde, dominieren aktuell mehr Regionen mit geringeren Bruttomargen.

Ich gehe davon aus, dass Delivery Hero die Margen langfristig erhöhen können wird. Erstmal ist das aber eine Hoffnung und kurzfristig drücken die niedrigeren Bruttomargen die Profitabilität.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

Natürliches Wachstum durch Digitalisierung

Je digitalisierter die Welt wird, desto mehr Menschen nutzen auch digitale Wege um Essen zu bestellen und desto mehr Restaurants werden sich einer digitalen Lösung anschließen. Durch die nicht aufzuhaltende Digitalisierung profitiert Delivery Hero also auf natürlichem Wege.

Marktkonsolidierung

Durch eine Konsolidierung, bei der sich wenige Anbieter auf unterschiedliche Märkte aufteilen, sinken vor allem die Marketingausgaben und die Gewinnmargen steigen.

In Deutschland gibt es ein gutes Beispiel dafür: JustEat Takeaway hat das Deutschlandgeschäft (Lieferheld, pizza.de,...) von Delivery Hero übernommen. Vorher haben sich beide in Deutschland eine Marketingschlacht geliefert.

2018 haben die Marketingausgaben von JustEat Takeaway in Deutschland 86 % (!) des Umsatzes betragen. 2019 "nur" noch 40 %. In der Niederlande liegt der Wert bei 13 %. Das ist ein enormer Unterschied.

Einstieg in Lieferung von Lebensmitteln?

Nikita Fahrenholz, der ehemalige und nicht mehr operativ tätige Mitgründer von Delivery Hero, vermutet im OMR-Podcast #305, dass Delivery Hero in die Lieferung von Lebensmitteln einsteigt.

"Könnte sein, dass sie vielleicht sogar ins Grocery-Business (Lebensmittelhandel) einsteigen, da sie natürlich Delivery (Logistik) komplett verstanden haben."

Schwellenländer bieten Potential

Trotz der Nachteile der Regionen, in denen Delivery Hero aktiv ist: Die Schwellenländer bieten langfristig durch bessere Demografie und Digitalisierung noch mehr Potential als andere Länder, das nicht kurzfristig, aber langfristig voraussichtlich zur Geltung kommt. Außerdem ist der Zugang zu Arbeitskräften oft einfacher und günstiger.

Corona-Krise

So absurd es klingt: Es gibt Profiteure von der Corona-Krise und Delivery Hero ist einer davon, wie ich bereits während der Krise festgestellt habe. Wenn Restaurants geschlossen haben, bestellen mehr Menschen Essen und Restaurants sind stärker auf Lieferdienste angewiesen. Die Coronakrise, die für viele Unternehmen ein Risiko darstellen, ist hier eher eine Chance. 

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Jetzt analysieren wir aber: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

Viel Konkurrenz

Delivery Hero ist gemessen am Börsenwert der größte Essenslieferdienst, gemessen am Außenumsatz nach Uber Eats der zweitgrößte. Mehr zum Vergleich der Unternehmen hier. Uber Eats wächst aggressiv und auch JustEat Takeaway kauft aggressiv andere Unternehmen auf. Auch Delivery Hero hat bereits eine mittlere zweistellige Anzahl an Unternehmen akquiriert.

Es ist ein harter Kampf um Marktanteile. Ich gehe davon aus, dass sich alle drei Unternehmen halten können und werden, aber dass der Konkurrenzkampf gerade kurzfristig noch Geld kosten wird.

Kritik zur Behandlung der Fahrer

In Deutschland gab es immer wieder Kritik zur Bezahlung und der Behandlung der Fahrer. Hier stellen, je größer das Unternehmen wird, also auch regulatorische Risiken eine mögliche Bedrohung dar. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass das Geschäftsmodell dadurch signifikant beeinträchtigt werden würde, zumal Delivery Hero sich gerade bspw. aus Deutschland zurückzieht und in vielen Ländern der Welt aktiv ist, die unterschiedliche und oft schwächere Regularien haben.

Fazit: Delivery Hero Aktie kaufen?

Fazit

Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Aktienbewertung: Delivery Hero

Für die Ermittlung des fairen Werts habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

#1 - Umsatzwachstum

Delivery Hero liegt aktuell bei einem Umsatzwachstum von ca. 60 % im Jahr. Dieses Wachstum wird nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden können. Ich gehe daher davon aus, dass über die nächsten 5 Jahre ein Umsatzwachstum von 26 % erzielt wird. Ich kann mir auch ein höheres Wachstum von bspw. 30 % durchaus vorstellen, da allerdings etwas Wachstum durch die Corona-Krise vorgezogen sein worden könnte, gehe ich hier etwas vorsichtiger vor. In den 5 Folgejahren nehme ich noch 16 % p.a. an.

Dadurch ergäbe sich ein Umsatz von 13 Mrd. Euro in 10 Jahren. Eine Zahl, die ich angesichts (a) einem potentiellen Markt in den aktuell von Delivery Hero belieferten Ländern von 70 Mrd. Euro (was bei einer Take Rate von 25 % etwa 18 Mrd. Euro Umsatz für Essenslieferdienste entspricht) und (b) weiterem Wachstum in den Märkten und (c) neuen bis dahin erschlossenen Märkten für realistisch halte.

#2 - Nettomarge

Bei den Essenslieferdiensten gibt es kaum dauerhaft profitable Unternehmen, zumal die meisten noch im Wachstum sind. Das macht das Abschätzen einer potentiellen Nettomarge schwierig.

Ein paar Vergleichspunkte:

  • Delivery Hero lag 2019 bei 18 % Nettomarge, dies liegt jedoch nicht am operativen Geschäft, sondern an Einmaleffekten durch den Verkauf des Deutschlandgeschäfts. Der Wert ist daher nicht aussagekräftig.
  • Die meisten Unternehmen des Segments erreichen Bruttomargen zwischen 60 und 80 %.
  • JustEat Takeaway erreicht in einem sehr entwickelten Markt, der Niederlande, eine angepasste EBITDA-Marge von ca. 50 %. Dies könnte langfristig das Potential aufzeigen. Auch Delivery Hero peilt EBITDA-Margen von > 50 % in den Kernländern an. Zur Erinnerung: Vom EBITDA gehen "nur noch" Zinsen, Abschreibungen und Steuern ab.

Ich gehe daher davon aus, dass langfristig - sobald die Märkte weiter digitalisiert, konsolidiert und monopolähnliche Strukturen entstanden sind - eine Nettomarge von 22 % durchaus realistisch ist.

#3 - Bewertungsniveau

Auch Kurs-Gewinn-Verhältnisse gibt es bisher kaum. Ich gehe davon aus, dass Delivery Hero - sollten die anderen Annahmen so grob stimmen - mit einem leicht über dem Marktdurchschnitt liegenden KGV von 25 bewertet sein würde.

Der faire Wert der Delivery Hero Aktie

Wo liegt also der faire Wert der Aktie?

Basierend auf meinen Annahmen sieht die Delivery Hero durchaus attraktiv aus. Die erwartete Rendite liegt aktuell bei ca. 14,6 % pro Jahr auf Sicht der nächsten 10 Jahre. Für mich intuitiv überraschend, basierend auf den Annahmen aber nach wie vor realistisch. In meinem "sehr pessimistischen" Szenario würde die Bewertung über 10 Jahre weitestgehend stagnieren.

Was sagt der Gründer und Ex-CEO?

Im OMR-Podcast #305 äußert sich einer der Gründer von Delivery Hero, der nun nicht mehr operativ tätig, aber durch seine Gründung noch beteiligt ist, auch zu Delivery Hero.

Er sagt unter anderem:

"Also ich glaube tatsächlich, dass das Potential vom globalen Markt gerade mal bei einem Zehntel ist von dem, was da abschöpfbar ist. Wenn überhaupt, vielleicht ist es auch nur 1/50. Ich glaube Delivery Hero wird mal eine Firma, die über 100 Mrd. Euro wert ist. Ich bin da sehr sehr bullish."

Er betont außerdem die Vorteile des Geschäftsmodells: Der Prozess, von der Abwicklung und der Logistik, ist in jedem Land der gleiche. Delivery Hero müsse dies nur ausrollen und möglichst zum Monopolisten werden. Ein Großteil der Kunden ist wiederkehrend.

Tatsächlich sieht er also die Chancen in den ähnlichen Faktoren, der Skalierung und der Konsolidierung. Den potentiellen Wert von "über 100 Mrd. Euro" sieht er dann höher als ich, es ist aber in den optimistischeren Szenarien greifbar. Ich liege bei potentiell 73 Mrd. Euro im erwarteten Szenario über 10 Jahre.

Pro

  • Enorm hohes Wachstum und natürliches Wachstum durch Digitalisierung
  • Aussicht auf ein profitables Geschäftsmodell
  • Konsolidierung und Wachstum sollte Fundamentalzahlen stark verbessern
  • In vielen Ländern bereits Marktführer mit möglichen Skaleneffekten als Burggraben und Chance für hohe Margen

Contra

  • Aufgrund der Wachstumsphase des gesamten Marktes schwer zu bewerten, wo der Markt und Delivery Hero langfristig stehen werden
  • Starke Konkurrenz durch Uber Eats, JustEat Takeaway und bspw Domino's

Fazit

Ich finde die Delivery Hero Aktie sehr interessant, da das Geschäftsmodell Potential hat. Auch die Aktienbewertung zeigt, dass noch viel möglich ist. Die Scorecard zeigt aber auch, dass vor allem fundamental, aufgrund der bisher kaum operativ vorhandenen Gewinne und damit einhergehend auch der nur schwer möglichen Bewertung, wir hier eher eine riskante Aktie vor uns haben.


Auch andere Unternehmen wie Uber (mit Uber Eats) oder JustEat Takeaway können interessant sein, wenn du dich in diesem Markt beteiligen möchtest, wobei Delivery Hero selbst mit 10 % an JustEat Takeaway beteiligt ist und dadurch ein umfassenderes Investment ist.


In jedem Fall scheint Delivery Hero aber ein aussichtsreicher Kandidat für den DAX zu sein und für dein Depot dann, wenn du bereit bist ein höheres Risiko einzugehen.

Tags: Delivery Hero | Aktien: Delivery Hero

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

Für deinen Wissensaufbau: Alle Know How Beiträge | Videokurs | Anlagestrategie in 20 Punkten

Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

Online-Kurs zur Aktienbewertung: Aktienbewertung-Masterclass →

Wo ich Aktien & ETFs kaufe: Meine Empfehlungen →

Ähnliche und verwandte Beiträge:
Neueste Beiträge:
Update zur Amazon-Aktie: Wieder auf Allzeithoch – wie weit kann es noch gehen?
Ein wichtiges Update
Sixt Aktienanalyse: Von familiengeführter Autovermietung zur digitalen Mobilitätsplattform
About You Aktienanalyse: Das Ende der deutschen Wachstumsstory – oder der Neubeginn?
Tonies Aktienanalyse: Die Audio-Box für Kinder aus Deutschland will die Welt erobern
PayPal Aktienanalyse: Payment-Riese fällt und fällt – könnte jetzt aber endlich attraktiv sein
Adidas Aktienanalyse: Ist die größte deutsche Sportmarke kaufenswert?
Nike Aktienanalyse: 40% unter Allzeithoch – Einstiegschance beim Branchenprimus?
ASML Aktienanalyse: Die Maschinen der Halbleiterwelt – 27% unter Allzeithoch mit erster Bewährungsprobe
LVMH Aktienanalyse: Luxusgigant endlich wieder günstiger – aber auch schon kaufenswert?
Adyen Aktienanalyse: Europas Tech-Hoffnung & Payment-Champion nach 75%-Absturz kaufenswert?
Fortinet Aktienanalyse: Das ist mein Favorit unter vielen starken Cybersecurity-Aktien

Auszug aus dem Manifest:

Regel #15: Wir bleiben Realisten.

Wenn's schlecht läuft, dürfen wir optimistisch sein. Und wenn es gut läuft, sollten wir demütig sein. Die Börse ist ein Auf und Ab und wird es bleiben. Niemand wird dauerhaft überragen und Wunderrenditen erzielen, einige Trends werden bleiben, andere vergehen. Wir bleiben auf dem Boden und realistisch in unserer Erwartungshaltung.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}