HelloFresh ist in der Pandemie enorm gewachsen und hat Höchststände erreicht. Zu Beginn der Pandemie in 2020 habe ich selbst investiert. Heute steht die Aktie über 80% unter dem Allzeithoch, 15% unter dem Tief im März 2020 und etwa auf dem Kursniveau von 2019.
Dabei ist HelloFresh heute ein Vielfaches größer und leicht profitabel. Schauen wir also einmal genauer auf die jüngste Zahlenentwicklung, die im Geschäftsbericht 2022 offengelegt wurde. Viel Spaß!
Unternehmensentwicklung
In der HelloFresh Aktienanalyse hat sich ein starkes Geschäftsmodell gezeigt. Es wird im Vergleich zum normalen Supermarkteinkauf günstiger, hat durch eine vollintegrierte Lieferkette hohe Bruttomargen und hat in den USA sogar den dortigen Platzhirschen verdrängt, was wenig anderen Start Ups in anderen Branchen gelungen ist.
Seit 2019 wurde der Umsatz um +321%, die Bestellungen je Kunde um +14% gesteigert. Auch die längerfristige Entwicklung (siehe Aktienanalyse) sieht gut aus.
Entwicklung in 2022
Was sagen nun die aktuellen Zahlen?
- Ausgelieferte Mahlzeiten: +8,5% (2022), +1% (Q4)
- Durchschnittlicher Bestellwert: +19% (2022 sowie Q4). Währungsbereinigt 10 - 12%. Es wurden also Preise angesichts der Inflation angehoben.
- Umsatz: +27% (2022), +19% (Q4). Währungsbereinigt +18% (2022) und +11% (Q4).
- Contribution Margin: Gleichgeblieben (2022), +2 Prozentpunkte in Q4.
- Marketing- und Logistikkosten prozentual am Umsatz leicht gestiegen.
Unterm Strich bleibt ein gutes Wachstum, das zum Großteil auf (a) Wechselkurseffekte und (b) Preiserhöhungen zurückgeht und die Contribution Margin leicht erhöht. Das Problem der beiden Wachstumstreiber ist, dass diese eher temporärer Natur sind. Auch eine Verlangsamung des Wachstums ist erkennbar.
Verwunderlich ist das wohl nicht. HelloFresh ist eine höherpreisigere Lösung. In einer Zeit von Inflation und geringerem Haushaltseinkommen ist das eine der Ausgaben, an der schnell gespart werden kann. Dafür finde ich die Zahlen sogar recht stark.
Auch die Kündigungsraten von HelloFresh sind weiter niedrig, auch trotz dieser Effekte und der Preiserhöhungen. HelloFresh Kunden zeigen also eine hohe Loyalität, was in Kombination mit dem Abo-Modell wünschenswert ist.
Etwas ernüchternd ist der Japan-Exit. HelloFresh wollte dort Fuß fassen, hat es aber wohl nicht geschafft bzw. laut eigener Aussage war dort nicht die gewünschte Rentabilität erreicht. Der CFO im Earnings Call dazu:
Now on our Japan exit, this is in line with what Dominik had referred to in terms of us being ROI driven organization and being disciplined with how we spend capital.
Profitabilität
HelloFresh weist gern das AdjustedBei "adjusted" Kennzahlen wird eine nach Standard-Richtlinien (GAAP) berechnete Kennzahl um Sondereffekte bereinigt, wird dann zur "Non-GAAP" Kennzahl. Diese Sondereffekte können aktienbasierte Vergütungen, Restrukturierungskosten oder Währungsschwankungen sein. Sie können einen besseren Vergleich ermöglichen, aber... More EBITDA aus, welches ich zuletzt schon bei Hims & Hers zerlegen musste. Schauen wir auch hier genauer hin.
Die AEBITDA-Marge liegt 2022 bei 6,3%, 2021 lag sie bei 8,8%. Auch der operative Cashflow ist deutlich positiv.
Mir erschließt sich aber nicht, warum Abschreibungen und die aktienbasierte Vergütung unberücksichtigt bleiben sollten. Das unbereinigte EBIT ist hier schon besser. Auch dieses ist immerhin deutlich positiv: 2021 bei 6%, 2022 bei 3%. Würde man andere Sondereffekte rausrechnen, die wohl tatsächlich welche sind, würden die Margen noch einen halben Prozentpunkt steigen.
Die Nettomarge lag 2020 bei 2%. 2020 lag sie schon bei knapp 10%, 2021 bei 4%. Das spiegelt wohl gut die Lage in den jeweiligen Jahren wieder: 2020 gab es massiven Pandemie-Rückenwind, 2022 makroökonomischen Gegenwind. Beides ist wohl nicht der Dauerzustand.
Halten wir fest: HelloFreshs ist und bleibt profitabel, auch trotz des schwierigen Umfelds, wenn auch gerade nicht so stark wie in den letzten Jahren.
Ausblick
2023 möchte HelloFresh bei konstanten Wechselkursen mit 2 - 10% pro Jahr wachsen. Das ist deutlich niedriger als in den letzten Jahren. Zur zweiten Jahreshälfte soll sich das Wachstum etwas beschleunigen. Die Analysten erwarten in 2023 +7%, in 2024 dann wieder +10%.
Das AEBITDA soll bei 460 - 540 Mio. Euro liegen, also im Mittel bei 500 Mio. Das ist auch etwa der Mittelwert von 2021 (das höher lag) und 2022 (das niedriger lag).
Im Earnings Call wurde weiter am Ziel festgehalten, bis 2025 auf 10 Mrd. Euro Jahresumsatz zu kommen.
Analyst:
"The 10 billion 2025 ambition, is that still intact?"
Christian Gartner (CFO):
"Yes, that those mid-term target defense, when you think about that implies effectively for touch above a 10% CAGR for both 2024 and 2025 for us, which we're comfortable with."
Auch auf dem Capital Markets Day kurz danach wurde das Ziel bestätigt. Gleichzeitig soll die AEBITDA-Marge um etwa 4 Prozentpunkte verbessert werden.
Ab 2023 sollen die Investitionen, die gerade 2022 hochgeschnellt sind, schrittweise zurückgefahren werden. Wenn der Umsatz etwas wächst, Investitionen und wohl auch Kosten etwas zurückgehen, könnten sich die Margen wieder etwas verbessern.
HelloFresh hat neben den Kochboxen auch das Ready-to-eat Segment aufgebaut. Gut dargestellt wurde kürzlich, wo die einzelnen Segmente und Regionen stehen. Je größer das Segment, desto profitabler, aber auch desto langsamer das Wachstum.
Schrittweise werden sie weiteren Segmente einen etwas größeren Umsatzanteil einnehmen und, so meine Erwartung, auch in die Profitabilität gedreht werden.
Meine aktualisierte Renditeberechnung
Das KGV liegt heute, ohne alle Bereinigungen, bei 25. Es ist also leicht über dem Marktdurchschnitt. Das KUV bei 0,4.
Im Kern nehme ich für die Schätzung einer Renditeerwartung die Annahmen der letzten Analyse. Der Börsenwert liegt heute niedriger, der Umsatz höher. Die Wachstums- und Profitabilitätsannahmen können abweichen.
- Schon zuletzt habe ich mit recht vorsichtigen Schätzungen der Nettomarge von kurzfristig 2% und langfristig 6% gearbeitet. Dabei würde ich im mittleren Szenario sogar bleiben, nehme aber langfristig vorsichtigere 5% an.
- Das Umsatzwachstum nehme ich nun kurzfristig kürzer an, glaube aber auch an eine leichte Erholung, wenn das Umfeld besser wird. HelloFresh will weiter 10 Mrd. Euro Umsatz in 2025 erreichen, in 3 Jahren läge meine Kalkulation bei 9,3 Mrd. Euro.
- HelloFresh zahlt jetzt schon durch den positiven Cashflow Geld an Aktionäre per Aktienrückkaufprogramm zurück. Das inkludiere ich nur vorsichtig, da das auch aus den starken Jahren 2020 und 2021 resultiert. Erst langfristig sollte das relevanter werden.
Renditerechner-Tool
Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: HFG.
Status Quo » Die Zahlen heute
Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung
Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Keine Garantie für die Zukunft.
Fortgeschrittene Optionen einblenden +Mein Fazit
Ich bin in HelloFresh investiert und werde es bleiben. Selbst mit Annahmen, die unter denen der Analysten liegen, ergibt sich noch eine positive Renditeerwartung. Die Aktie scheint gerade enorm unattraktiv zu sein, was womöglich zu einer so günstigen Bewertung (KUV von 0,4) führt.
Auf der anderen Seite gibt es immer noch das Risiko, fundamental falsch zu liegen. Ich bin selbst investiert und könnte meine eigene These zu optimistisch sehen. Ich versuche diese allerdings gezielt kritisch zu hinterfragen, sehe dabei bisher aber nicht das große Abwärtsrisiko. HelloFresh wächst und ist profitabel, was die größten Risiken ausmerzt. Auch große Konkurrenten sind nicht in Sicht.
Was passieren könnte: Das Wachstum verlangsamt sich demnächst stärker als erwartet oder dreht ins Negative. Die Marge bleibt über die nächsten Jahre eher bei Null. Dann würde sich ein Investment wohl nicht lohnen, auch dann sollte das Abwärtsrisiko durch die günstige Bewertung aber begrenzt sein. Auch durch den aktuellen negativen Trend muss einkalkuliert werden, dass es kurzfristig ungemütlich bleiben kann.
Auch die ausführliche Aktienanalyse empfehle ich. Dort sind in meinen Augen naheliegende Wachstumschancen ersichtlich: Internationale Expansion, eigene Produkte anbieten, fertige Mahlzeiten, Kosten weiter senken und dadurch weitere Kundengruppen erschließen. Das sollte kein Hexenwerk sein.