Adobe habe ich 2020 in mein Depot aufgenommen. Die Aktie ist hochprofitabel, wächst konstant und hat ein zukunftsgerichtetes Geschäftsmodell, wie die Analyse zeigt.
In 2021 ist die Aktie stark gestiegen, dann allerdings mit dem allgemeinen Marktdruck gefallen. Nun wurden am 15. September neue Quartalsergebnisse veröffentlicht und eine 20 Mrd. Dollar schwere Akquisition von Figma. Die Reaktion vom Markt: -16%, knapp 30 Mrd. Dollar verlorener Börsenwert.
In diesem Kurzupdate möchte ich diese neuesten Ereignisse einordnen. Für ein tiefes Verständnis des Geschäftsmodells sowie der Risiken und Chancen von Adobe empfehle ich dir die komplette Adobe Aktienanalyse.
Zahlen aus Q3 '22 im Check
Die Zahlen von Adobe wurden weitestgehend so erwartet. Durch das Abo-Geschäft sind die Erträge recht stabil und damit besser prognostizierbar. Die Zahlen gegenüber dem Vorjahresquartal:
- Umsatzwachstum: +13% (währungsbereinigt 15%)
- Operatives Ergebnis: +3%
- Nettoergebnis: -6%
Der Umsatz wächst langsamer als im Vorjahr, aber er wächst noch. Mit 13% liegt die Wachstumsrate exakt auf der letzten Erwartung im Renditerechner. Wie bei vielen anderen Unternehmen sind die Kosten etwas gestiegen, weshalb die Nettomarge leicht zurückgegangen ist.
Nach wie vor ist die Profitabilität enorm hoch. Die operative Marge liegt bei 33%, die Nettomarge bei 26%. Vor einem Jahr lag die Nettomarge noch bei 37%. Vor einem Jahr hat die Pandemie für Sonderkonjunktur gesorgt, nun dämpfen Rezession und Inflation die Margen.
Insgesamt finde ich die Zahlen erwartbar und gut. Auch Analysten scheinen das so zu sehen. Der Grund für den Kurssturz liegt demnach woanders: In der Figma-Akquisition.
Figma-Akquisition: Ein Fehler?
We’re excited to share our intent to acquire @Figma. Together, we will usher in a new era of collaborative creativity. Key info: https://t.co/9wDSHPhyvE pic.twitter.com/U5SduJUVvc
— Adobe (@Adobe) September 15, 2022
Figma ist ein Software-Unternehmen, das es Teams ermöglicht kollaborativ an Entwürfen und Designs zu arbeiten. Adobe legt nun 20 Mrd. Dollar auf den Tisch um Figma zu kaufen. Gezahlt wird mit Cash und in eigenen Aktien, der Deal soll 2023 über die Bühne gehen.
Der Preis erstaunt mich. Angeblich hat Figma im Juni 2021 eine Finanzierungsrunde abgeschlossen, wo es mit 10 Mrd. Dollar bewertet wurde. Seitdem sind Bewertungen im Markt tendenziell gefallen, Adobe zahlt nun aber den doppelten Preis.
Im Earnings Call wurden die Zahlen von Figma geteilt:
Figma is expected to add approximately $200 million in net new ARRAnnual Run Rate. Bezeichnet den jährlichen Umsatz, der v.a. bei Abo-Modellen basierend auf dem letzten Quartal hochgerechnet wird. More this year, surpassing $400 million in total ARRAnnual Run Rate. Bezeichnet den jährlichen Umsatz, der v.a. bei Abo-Modellen basierend auf dem letzten Quartal hochgerechnet wird. More exiting 2022, with greater than 150 percent net dollar retention rate. With a total addressable market of ~$16.5 billion by 2025, Figma is just getting started.
400 Mio. Dollar an jährlichen Umsätzen bedeuten: Adobe zahlt etwa das 50-fache des jährlichen Umsatzes. Solche Bewertungsniveaus sieht man heute an der Börse kaum, selbst Aktien wie Cloudflare, Datadog oder Crowdstrike sind "nur" im Bereich 20+, einzig Snowflake ist da konkurrenzfähig.
Immerhin: Sigma scheint den Umsatz in diesem Jahr zu verdoppeln, kaum eines der genannten Unternehmen wächst so stark. Die Bruttomarge liegt bei ~90%, der operative Cashflow ist positiv.
Trotzdem wird klar, dass die Börse den Preis zu hoch findet.
Warum es strategisch sinnvoll ist
Figma gilt als sehr beliebtes Produkt, das eine breite Kundenbasis hat und teilweise auch eine Alternative zu Adobe-Produkten aus der Creative Suite darstellt.
Strategisch finde ich den Kauf durchaus sinnvoll. Es wird Synergien zwischen den Produkten geben und Adobe hat einen Konkurrenten weniger, der das Imperium angreifen könnte. Viele Kriterien werden erfüllt und es gab zumindest einige Akquisitionen in der Geschichte, die teuer erschienen, durch Synergien aber enorm wertstiftend waren (Instagram, YouTube,...).
Amal Dorai hat selbst ein Kollaborations-Tool für Microsoft Office entwickelt und an Microsoft verkauft. Er sagt: Es ist ein kluger Schachzug von Adobe, da Adobe selbst es nie geschafft hätte, aus den eigenen Software-Applikationen ein kollaboratives Multi-User-Tool zu machen.
I'm not surprised that Adobe is acquiring Figma for $20B, nor that Wall Street doesn't understand it and $ADBE stock is down more than $20B today. It's a smart move for Adobe because it's nearly impossible to make legacy software applications multi-user collaborative. Thread:
— Amal Dorai (@amaldorai) September 15, 2022
Die Gründe sind vielfältig und technischer Natur. Demnach basieren beide auf einer völlig unterschiedlichen Architektur. Herkömmliche Software basiert auf speicherbaren Dateien mit spezifischer Endung (.psd für Photoshop). Wenn mehrere Nutzer gleichzeitig daran arbeiten funktioniert das Dateien-Konzept nicht. Der Zugang muss jederzeit online, für alle zugänglich und änderbar sein.
Weitere Probleme, die er anspricht: Enorm schwierige Rückwärtskompatibilität für ältere Versionen, wenn neuere technisch umgestellt werden. Je nach Arbeitsweise (alleine an Datei vs. zusammen online) unterscheiden sich die angebotenen Features. Möglicherweise verprellte Kundengruppen, die den Umbrauch nicht mögen.
Er fasst zusammen, dass es klüger ist solche Tools auf Figma aufzusetzen, statt Adobes Architektur umzubauen:
In short, Adobe would have never caught up to Figma. It's genuinely easier and cheaper for them to use Figma's architecture to rebuild all of their existing applications than to try to make any of their existing apps as delightfully multiplayer as Figma.
Chancen
Risiken
Kritik an Adobe
Eine Aufgabe des Managements ist die kluge Verwendung des Gewinns. Das macht HelloFresh in meinen Augen gut (Aktienrückkäufe nach besonders erfolgreichem Jahr, wenn Kurs gefallen ist), PayPal eher schlecht (Akquisitionen und Aktienrückkäufe bei Höchstkursen).
Adobe hat, wie in der Analyse gezeigt, immer wieder andere Unternehmen akquiriert. Dabei ist die Erfolgshistorie von Magento (~2 Mrd. Dollar in 2018) und Marketo (~5 Mrd. Dollar in 2018) bisher überschaubar, auch wenn die Käufe zumindest strategisch zusammenpassen.
Der Kauf jetzt verdeutlicht etwas das Bild, dass Adobe bei Akquisitionen durchaus mal etwas zu viel Geld ausgibt. Um es zu verdeutlichen:
When making a $ADBE DCF, be aware that the cash flow won't return to you, the shareholder, but rather used to make great M&A like Marketo, Magento and Figma. pic.twitter.com/dejC4G75vE
— MetaCritic Capital (@MetacriticCap) September 15, 2022
Was mache ich mit meiner Adobe-Position?
Die kurze Antwort: Nichts. Die langfristige Vision sehe ich unverändert, der Kursrückgang wäre daher für mich eher ein Nachkauf- als ein Verkaufsgrund.
Die Reaktion der Börse scheint mir übertrieben: Ja, der Preis ist auch für mich zu hoch. Aber Adobe nun mit 30 Mrd. Dollar weniger zu bewerten, wenn die Akquisition nur 20 Mrd. Dollar umfasst, ist rein rechnerisch eher eine Übertreibung. Wenn der Preis der Akquisition also zu hoch ist, ist er nun schon mehr als vollständig eingepreist.