von Jannes Lorenzen

Gründer, Strategie-Lead & Investor

veröffentlicht: 19. Dezember 2021

Die Lufthansa ist eines der großen deutschen Traditionsunternehmen. Gerade dieses ist in der Coronapandemie, davor ohnehin schon geschwächt, in starke Schieflage geraten. Die Folge: Der Aktienkurs ist weiter abgestürzt und der Staat musste eingreifen.

Entsprechend am Boden liegt das Unternehmen, auch wenn erste Lichtblicke erfolgen: Die Pandemie ist nicht vorbei, aber ein mögliches Ende globaler Lockdowns in Sicht. Die Hilfe vom Bund konnte vorzeitig zurückgezahlt werden.

Nichtsdestotrotz bleibt die Lufthansa-Aktie vor allem eine Wette darauf, ob die Lufthansa zu alter Stärke zurückfindet oder diese Krise womöglich nicht überlebt.

Genau das ist aber der Grund, warum die Lufthansa-Aktie interessant sein könnte: Der Turnaround. ✈️

Die Lufthansa-Aktie liegt 75% unter dem Allzeithoch. Das Geld vom Bund konnte vorzeitig zurückgezahlt werden. Mit einem sich erholenden Geschäft könnte auch die Aktie wieder steigen. Die Aktie wird aktuell mit weniger als der Hälfte des Umsatzes bewertet, im Vergleich zum 2019er-Umsatz sogar nur mit etwa einem Fünftel.

Finden wir also heraus, ob sich eine Investition aktuell lohnen könnte. Ist die Lufthansa Aktie zu teuer? Oder sollte man gerade jetzt Lufthansa Aktien kaufen? Diesen Fragen versuchen wir uns zu nähern.

Dabei erfährst du, wie das Geschäftsmodell funktioniert und wie gut es ist, wie es um die Zahlungsfähigkeit von Lufthansa steht, wie die aktuelle Strategie aussieht, wie die Chancen von dieser sind und wo auch die Risiken liegen. Viel Spaß!

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Überblick: Das steckt hinter Lufthansa


Das Unternehmen

Die Lufthansa Group ist die Aktiengesellschaft, die rund um die Lufthansa bzw. eigentlich die "Deutsche Lufthansa" aufgebaut. Die Lufthansa ist die größte deutsche Fluggesellschaft mit dem bekannten Kranich-Logo und wurde 1953 gegründet.

1955 nahm die Lufthansa den Flugbetrieb auf. Bis 1963 war der einzige Eigentümer der deutsche Staat, seit 1997 ist die Lufthansa komplett privatisiert.

Produkt & Geschäftsmodell

In der Lufthansa AG sind heute unterschiedliche Geschäftsmodelle gebündelt.

  • Airlines: Deutsche Lufthansa, Swiss International Air Lines, Brussels Airlines, Eurowings und weitere (vor allem in Europa ansässig, weltweit aktiv)
  • Luftfracht & Logistik: Lufthansa Cargo AG
  • Flugzeugwartung & Catering: u.a. Lufthansa Technik AG

Aktienkurs

Der Aktienkurs hat sich über die letzten Jahre ziemlich schlecht entwickelt und liegt ca. 75% unter dem Allzeithoch von 2018:

Schauen wir noch weiter zurück: Seit 1996 ist die Achterbahnfahrt der Normalzustand der Lufthansa-Aktie.

Factsheet

Factsheet

Alle Zahlen, sofern nicht anders angegeben, in der jeweiligen Heimatwährung und TTM (= letzte 12 Monate). Zusatz 'e' = erwartet, 'YoY' = im Jahresvergleich.

Die Eckdaten

  • Land: Deutschland
  • Branche: Airline
  • Marktkapitalisierung: 7 Mrd. EUR
  • Umsatz: 13,6 Mrd. EUR (2019: 36,4 Mrd.)
  • Ergebnis: -3 Mrd. EUR (2019: 1,2 Mrd.)
  • Free Cashflow: -1,5 Mrd. EUR (2019: 0,3 Mrd.)

Bewertung

  • KUV: 0,35
  • KGV: -
  • KGVe: 36
  • KCV: 2,2
  • KBV: 2

Qualität & Wachstum

  • Eigenkapitalquote: 4%
  • Bruttomarge: 1% (2019: 16%)
  • Nettomarge: -22% (2019: 3%)
  • Umsatzwachstum: 0 - 5% p.a. bis 2019

Schauen wir uns nun an, was hinter diesen Zahlen steckt.

Business Breakdown: Geschäftsmodell analysiert


Schauen wir uns einmal an, wie das Geschäftsmodell aussieht.

Unternehmensentwicklung

Lufthansas Fundamentalzahlen sind durch die Pandemie stark unter Beschuss.

  • 2016: 31,6 Mrd. Euro Umsatz
  • 2017: 35,6 Mrd. Euro Umsatz (+13%)
  • 2018: 35,5 Mrd. Euro Umsatz (-0,3%)
  • 2019: 36,4 Mrd. Euro Umsatz (+3%), 2 Mrd. Euro Adj. EBIT
  • 2020: 13,6 Mrd. Euro Umsatz (-63%), -5,4 Mrd. Euro Adj. EBIT

Im neuen Quartalsbericht Q3 2021 werden die ersten 9 Monate von 2021 und 2020 verglichen. Die Umsätze sind tatsächlich ziemlich identisch bei ca. 12 Mrd. Euro. Der Verlust wurde von 5,6 Mrd. auf 1,9 Mrd. Euro reduziert.

Die prozentualen Gewinnmargen sind auf einem weitestgehend konstanten, leicht positiven Trend.

Der Umsatz teilt sich auf mehrere Segmente auf. In den ersten neun Monaten 2021 ist vor allem das Airline-Geschäft (dunkelblau hinterlegt) pandemiebedingt negativ beeinflusst.

  • Airline-Segment: 51% des Umsatzes
  • Logistik: 23%
  • Technik: 19%
  • Catering: 7%

Wie gesund ist die Lufthansa?

Wie sieht Lufthansas Bilanz aus? Eher schlecht.

Die Eigenkapitalquote ist von 24% (2019) auf 3,5% (2020) gesunken. Zuletzt (Q3 2021) lag sie bei 9%. Das heißt im Klartext, dass bei der Bilanzsumme von ca. 40 Mrd. Euro nur ein kleiner Teil Eigenkapital ist.

Dieses Polster ist so schnell geschmolzen, dass die Bundesrepublik Deutschland eingesprungen ist. Insgesamt hat der Staat ca. 3,8 Mrd. Euro in die Hand genommen. 3,5 Mrd. Euro als Darlehen, mit 300 Mio. Euro wurden Lufthansa-Aktien gekauft, womit die Bundesrepublik bis heute etwa 14% der Anteile hält.

Vor kurzem, im November 2021, hat die Lufthansa die Darlehen des Bunds vorzeitig zurückgezahlt:

Die Deutsche Lufthansa AG hat am Freitag alle verbliebenen Stillen Einlagen der Bundesrepublik Deutschland zurückgeführt beziehungsweise gekündigt. Die Rückzahlung erfolgte deutlich früher als ursprünglich geplant. Ermöglicht wurde dies primär durch die steigende Nachfrage nach Flugreisen, die schnelle Restrukturierung und Transformation der Lufthansa Group und das Vertrauen der Kapitalmärkte in das Unternehmen.

Vertrauen der Kapitalmärkte heißt hier: Die Lufthansa konnte eine neue Anleihe über die Börse herausgeben.

Zum Stand des letzten Quartalsberichts sieht die Bilanz so aus und verdeutlicht die hohe Verschuldung:

  • Eigenkapital: 3,7 Mrd. Euro (9% EK-Quote)
  • Kurzfristige Schulden: 15 Mrd. Euro
  • Langfristige Schulden: 23 Mrd. Euro
  • Nettokreditverschuldung: 9 Mrd. Euro (inkl. Pensionsrückstellungen: 16 Mrd.)
  • Kurzfristig verfügbares Kapital: 7,3 Mrd. Euro

Um das ins Verhältnis zu setzen: 2020 hat Lufthansa 6,7 Mrd. Euro verloren, in den ersten 9 Monaten 2021 bisher 2 Mrd. Euro. Das letzte Quartal lief immerhin im Ergebnis nur noch minimal negativ, im Cashflow leicht positiv.

Die Current Ratio liegt bei 0,85. Diese setzt kurzfristiges Vermögen mit kurzfristigen Verbindlichkeiten ins Verhältnis. Unter 1 heißt, dass kurzfristig noch etwas Geld fehlt und Zuflüsse nötig sind.

Die Cash Ratio verfährt ähnlich, setzt allerdings Cash und Cash-ähnliche Vermögenswerte (siehe "Kurzfristig verfügbares Kapital") mit kurzfristigen Forderungen ins Verhältnis. Hier liegt die Lufthansa mit 0,15 ebenfalls bei einem recht schlechten Wert.

Es zeigt aber auch: Noch ein Jahr wie 2020 wurde Lufthansa womöglich nicht überleben.

Tieferer Blick in die Geschäftszahlen

Das Problem Lufthansas in der Krise verdeutlichen die Leistungsdaten. In 2020 gab es 75% weniger Fluggäste, 77% weniger verkaufte Sitzkilometer und eine Auslastung von 63% statt vorher 83%. Auch das Frachtvolumen ist um 30 bis 40% zurückgegangen, auch wenn die Auslastung pro Flug leicht besser war.

Die Lufthansa verweist nun auf sich erholende Zahlen. Für das Geschäftsjahr 2022 wird eine Erholung im Privatkunden-Segment auf 85% des 2019er Niveaus, 60% bei den Geschäftskunden.

Auf Wochenebene wurde zuletzt 80% des Vorkrisenniveaus erreicht.

Bewertung des Geschäftsmodells

Wie schneidet das Unternehmen in der Geschäftsmodell-Bewertung der Scorecard ab? Tiefergehende Erklärungen zu den Kriterien gibt's hier und hier.

Geschäftsmodell-Bewertung

Wiederkehrende Umsätze mit Lock-In

Wird wiederkehrender Umsatz mit hohen Wechselkosten erzielt?

Es gibt quasi keine wiederkehrenden Umsätze und auch keinen Lock-In Effekt. Jeder Kunde kann jederzeit aufhören Lufthansa zu nutzen oder die Airline wechseln. Einzig über Sammeln von Meilen entsteht ein Bestandskundenprogramm.


Netzwerkeffekte

Wird das Produkt besser, je mehr Kunden es nutzen?

Die Netzwerkeffekte sind eher negativ: Je weniger Kunden im Flieger, desto besser für mich.


Skaleneffekte (Economies of Scale)

Wird das Geschäftsmodell mit zunehmender Größe widerstandsfähiger?

Je größer die Airline, desto besser die Abdeckung, desto eigenständiger die Wartung und Service und desto flexibler kann auf Engpässe reagiert werden (bspw. durch Ersatzflieger). Aber: Auf Basis einer Strecke (bspw. Frankfurt nach New York) sind die Vorteile, ob eine kleine oder große Airline diese mit dem gleichen Flugzeug fliegt, marginal.


Proprietäre Technologie

Besitzt das Unternehmen eigene Technologie oder Patente, die nicht einfach kopiert werden können?

Ich sehe nicht, dass die Lufthansa sich technologisch abhebt - genau wie sie allerdings nicht von anderen technologisch abgehängt wird. 


Marke (Branding)

Hat das Unternehmen eine starke Marke, die das Geschäftsmodell nach vorne bringt?

Die Lufthansa hat ein Premium-Image, auch wenn dies nicht zuletzt durch die finanziellen Schwierigkeiten einige Kratzer bekommen hat und andere Airlines aus dem Ausland mit hohen Qualitätsstandards aufholen.


Geschäftsmodell-Bewertung: 10 / 25

Zukunft: Burggraben, Strategie & Wachstumsperspektiven


Bevor wir gleich in die SWOT-Analyse gehen, schauen wir in die Zukunft. Wie sieht die Strategie aus? Wie ist die Konkurrenzsituation und der eigene Burggraben gegenüber der Konkurrenz? Welche Wachstumsperspektiven gibt es?

Konkurrenz & Burggraben

Die Konkurrenz ist vielfältig. Es gibt weltweit unzählige Airlines, die gleiche Strecken wie die Lufthansa fliegen.

Auf Basis des 2019er Umsatzniveaus ist die Lufthansa die 12. größte Airline der Welt. Davor liegen vor allem US-amerikanische und chinesische Airlines, aber auch bspw. Ryanair. Hinsichtlich des Frachtumsatzes lag die Lufthansa auf Platz 14.

Einen richtigen Burggraben gibt es nicht. Die Produkte sind weitestgehend austauschbar. Lufthansas größte Alleinstellungsmerkmale, die allerdings auch leicht zurückgegangen sind, sind das Premium-Image und die Größe.

Strategie & Chancen

Auf StrategyInvest schaue ich oft auf Unternehmen, bei denen sich die Frage stellt, wie sie ihr Wachstum möglichst lange aufrechterhalten können. Bei Lufthansa geht es viel mehr darum wieder auf das alte Umsatzniveau zu kommen und ausreichend Profitabilität zu gewährleisten.

Es fehlen auch große Treiber für Umsatzsprünge:

  • Der Luftverkehr steigt nicht sprunghaft, sondern nur langsam an
  • Aus Klimagründen könnten Einschnitte drohen
  • Es gibt aktuell keinen großen technologischen Sprung, mit dem man sich von der Konkurrenz absetzen könnte

Im November 2021 hat Lufthansa eine Investorenpräsentation veröffentlicht. Die Eckpunkte darin:

Die Bilanz soll gestärkt werden. Maßnahmen: Wieder Kapitalüberschüsse erzielen, Kapitelerhöhungen und Investitionen veräußern.

Außerdem sollen Kosten eingespart werden, konkret durch geringere Personalkosten, Vereinfachung von Prozessen und Modernisierung und Standardisierung der Flotte. 3,5 Mrd. Euro an Kosten sollen so im Vergleich zu 2019 eingespart werden. Ob das einfach so und ohne Umsatzeinbußen klappt? Unklar.

Gerade Investitionen mit langfristigem Nutzen und kurzfristigen Kosten werden in Krisen gespart. So auch bei Lufthansa. Unter dem Punkt der Flottenmodernisierung wird ausgeführt, dass statt Käufen vor allem auf Leasing von Flugzeugen gesetzt wird. Entsprechend sinken die Investitionen deutlich.

Das ist kurzfristig für die Profitabilität gut. Langfristig könnte das aber Nachteile bedeuten und höhere Kosten, die kurzfristig eingespart wurden.

Mit der Transformation der Lufthansa Gruppe sollen unterschiedliche Chancen genutzt werden. Diese lesen sich aber vorsichtig. Beispielsweise der Punkt "Marktchancen zu nutzen" hat vor allem das Ziel Marktanteil in strategisch wichtigen Märkten zu sichern.

Finanzielle Ziele

Die Lufthansa geht davon aus, dass das Volumen bis 2024 auf 90 bis 95% des Vorkrisenniveaus zurückkehrt. Dadurch soll am Ende der Umsatz im niedrigen einstelligen Prozentbereich niedriger liegen, allerdings auch die Kosten reduziert sein. Mindestens 8% Adj. EBIT-Marge wird angepeilt.

Was erwarten die Analysten?

  • 2022: 26 Mrd. Euro Umsatz, 130 Mio. Euro Gewinn
  • 2023: 30 Mrd. Euro Umsatz, 800 Mio. Euro Gewinn

Damit hätte die Lufthansa 2023 etwa wieder das Niveau von 2019 erreicht.

SWOT-Analyse: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken analysiert


Bewerten wir nun das Geschäftsmodell und schauen auf die Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen.

Stärken

Fassen wir die Stärken zusammen, die wir im Geschäftsmodell identifizieren konnten.

  • Etabliertes Geschäft: Aktuell ist das Geschäft geschädigt, aber prinzipiell ist das Fliegen ein Angebot, das nicht weggehen wird. Es wird auch in Zukunft definitiv eine Nachfrage danach geben.
  • Unterstützung des Staats: Unabhängig vom Geschäftsmodell und der Sinnhaftigkeit ist ein Vorteil, dass der deutsche Staat gewissermaßen dafür gesorgt hat, dass die Lufthansa überlebt. Das ist ein essenzieller Faktor, der finanzielle Risiken bis zur Insolvenz abfedert.
  • Diversifiziertes Geschäftsmodell: Hinter der Lufthansa Group steckt nicht nur die Lufthansa als Airline. Dazu gehören weitere Airlines und Segmente wie Logistik, Technik und Catering, die das Geschäftsmodell weiter diversifizieren.

Schwächen

Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Fassen wir die Schwachstellen des Unternehmens zusammen.

  • Kaum differenziertes Geschäftsmodell: Das Produkt der Lufthansa ist enorm austauschbar. Die beiden einzigen Alleinstellungsmerkmale, die Größe und die Marke, haben zuletzt eher abgenommen.
  • Kapitalintensives Geschäft: Die Bilanz von 40 Mrd. Euro ist ziemlich groß gegenüber dem aktuellen Umsatz von 7 Mrd. Euro bzw. den 30 Mrd. Euro von 2019. Eine Fluggesellschaft zu betreiben ist ein ziemlich kapitalintensives Geschäft.
  • Dünne Margen: Im Jahr 2019 hat die Lufthansa mit 16% die höchste Bruttomarge seit langem erzielt. Das ist allerdings immer noch ein Wert, der deutlich unter anderen Branchen liegt.

Chancen

Wo liegen die Chancen für das Unternehmen, um zu wachsen und den Unternehmenswert zu steigern?

  • Erholung auf Vorkrisenniveau: Die Lufthansa-Aktie liegt aktuell ca. 50% unter dem Niveau von 2019. Die Auslastungszahlen werden vermutlich kurzfristig bei ca. 70% des 2019er Niveaus liegen. Sollten sich die Zahlen wieder erholen, bietet sich auch eine Rückkehr zu alten Kursniveaus an - wobei die Krise auch dann noch Geld gekostet hat.
  • Stärkung durch Krise: Krisen können Unternehmen stärken. Sie stellen Prozesse in Frage, erfordern Fokus auf profitable Geschäftsmodelle und verschlanken das Unternehmen. So können einige Unternehmen, möglicherweise auch Lufthansa, besser aus der Krise kommen.

Bedrohungen

Es gibt bei jedem Unternehmen Risiken wie eine schwächelnde Wirtschaft, operative Fehlentscheidungen, politische Eingriffe und andere. Hier geht's nun viel mehr darum: Was könnte speziell das hier gezeigte Geschäftsmodell gefährden oder das Wachstum hemmen?

  • Globale Konkurrenz mit niedrigeren Löhnen: Der Luftverkehr ist per Definition international und in der Regel global, sodass die Konkurrenz global ist. Auch Gehaltsniveaus konkurrieren damit, wo die Lufthansa im Nachteil sein könnte.
  • Ernsthafte finanzielle Risiken: Bei Lufthansa gibt es existenzielle finanzielle Risiken. Der Staat ist nicht ohne Grund eingestiegen. Das schlimmste scheint aktuell abgewendet, es zeigt aber auch, dass Lufthansa auch in den nächsten Jahren noch am Rand der Solvenz operieren wird.
  • Coronapandemie: Die Coronapandemie trifft vor allem den Tourismus und damit auch Airlines. Je länger die Pandemie dauert, desto schlechter für Lufthansa.
  • Öl- und Gaspreise: Die Lufthansa hängt, wie die gesamte Luftfahrtindustrie, von Rohstoffpreisen ab. Erneuerbare Energien sind hier noch deutlich weiter entfernt als bei anderen Transportmitteln. Das schafft eine Abhängigkeit, die gerade zuletzt durch gestiegene Preise teuer werden kann.
  • Kostenersparnis nimmt Zukunftsfähigkeit: In der Krise werden Ausgaben stark reduziert. Vor allem Investitionen in die Zukunft, die kurzfristig nur Kosten verursachen, sind dabei im Fokus. Das könnte Lufthansa langfristig zum Nachteil werden. Aber: Es trifft auch alle Mitbewerber ähnlich, ist daher relativ zum Markt eher kein Nachteil.

Aktienbewertung: Der faire Wert der Lufthansa Aktie


Wir haben uns jetzt ein umfangreiches Bild des Unternehmens verschafft. Schauen wir abschließend auf die Aktie, bringen Qualität und Bewertung zusammen und ziehen ein Fazit.

Dafür kalkuliere ich drei Szenarien: Ein pessimistisches, ein optimistisches und das Szenario, das ich im Mittel erwarte. Ausreißer nach unten und oben sind naturgemäß auch immer möglich.

worst case

pessimistisch

erwartet

optimistisch

best case

Der faire Wert der Aktie

Für die Ermittlung des fairen Werts (alle Erläuterungen dazu über diesen Link) habe ich folgende Annahmen über einen Zeithorizont von 10 Jahren getroffen:

#1 Umsatzwachstum

Das Umsatzwachstum nähert sich in der Berechnung vom kurzfristigen schrittweise an das langfristige Wachstum über 10 Jahre an.

  • Umsatzwachstum zuletzt: Bis 2019 ca. 0 bis 5% pro Jahr.
  • Analystenerwartung: Analysten erwarten (Stand: Oktober 2021) kurzfristig eine Rückkehr auf das alte Umsatzniveau. Das entspricht von 2022 auf 2023 einem Anstieg von ca. 30%. Da die Pandemiesorgen teilweise zurückgekehrt sind, sind die Prognosen heute vermutlich etwas niedriger.
  • Meine kurzfristige Annahme: Ich nehme an, dass der Umsatz kurzfristig auf 23 Mrd. Euro ansteigen wird (leicht unter 2022 Analystenziel) und dann mit 6% weiter wächst, ehe sich das Wachstum noch langsam abflacht.
  • Meine langfristige Annahme: Langfristig gehe ich von 3% Wachstum p.a. aus, also minimal über dem Inflationsausgleich. Insgesamt glaube ich: Eine Rückkehr auf das alte Umsatzniveau ist mittelfristig realistisch, dann ist das Wachstumspotenzial aber stark begrenzt.

#2 Nettomarge

Die Nettomarge lag 2019 bei 3%. Hier halte ich langfristig daher auch 3% für realistisch.

#3 Bewertungsniveau

Die Lufthansa-Aktie ist traditionell aufgrund des schwierigen Geschäftsmodells unterdurchschnittlich bewertet. Ich gehe hier langfristig von einem KGV von 13 aus.

Meine Renditeerwartung

Renditerechner-Tool

Berechnung der Renditen in drei Szenarien. Erklärung hier. Zahlen in Heimatwährung. Aktienticker: LHA.

Status Quo » Die Zahlen heute

Möglichst der letzten 12 Monate, also TTM (Trailing Twelve Months), um die aktuellsten Daten zu nutzen.
Anteil am Gewinn, der als Dividende ausgeschüttet, per Aktienrückkauf oder per Schuldentilgung an Aktionäre zurückgeführt wird. Bei Wachstumsunternehmen oft 0%.

Zukunft » Annahmen zur Wertentwicklung

Die kurzfristigen Werte nähern sich über einen 10-Jahres-Horizont an die langfristigen an.

↘︎
↗︎
Wachstum
kurzfristig, in % Wie stark ist das Umsatzwachstum im nächsten Jahr?
Wachstum
langfristig, in % Wie hoch wird das Umsatzwachstum in 10 Jahren erwartet?
Nettomarge
kurzfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz heute?
Nettomarge
langfristig, in % Wie hoch ist der Nettogewinn im Verhältnis zum Umsatz in 10 Jahren? Indikatoren: Heutige Nettomarge, EBIT-Marge & Free Cashflow Marge.
KGV
langfristig Wie hoch wird das Unternehmen in 10 Jahren - auch beruhend auf den anderen Annahmen - fair bewertet sein? Je stärker die Zahlen & das Geschäftsmodell, desto höher die mögliche Bewertung.
Umsatz
Marktkapitalisierung
Wertsteigerung
Shareholder Yield
Gesamtrendite
Fairer Aktienkurs
Margin of Safety

Keine Garantie für die Zukunft.

Fortgeschrittene Optionen einblenden +

Welches Potenzial gibt's kurzfristig?

Neben der Renditeberechnung könnte eine Überlegung folgende sein:

Der Aktienkurs der Lufthansa lag 2019 etwa doppelt so hoch wie heute. Heute ist sie 7 Mrd. Euro wert, 2019 etwa 14 Mrd. Euro. Eine Rückkehr aufs alte Niveau würde also +100% Rendite bedeuten. Wenn die Erholung drei Jahre dauert, wäre das etwa eine jährliche Rendite von 25%.

Aber: Die Krise hat die Lufthansa viel Geld gekostet und ggf. die Zukunftsfähigkeit eingeschränkt. 2019 hatte Lufthansa ein Eigenkapital von 10 Mrd. Euro, 2020 nur noch etwas über 1 Mrd. Euro. Die Lufthansa wäre also auch in drei Jahren noch finanziell etwas angeschlagener, hat also etwas weniger Vermögen (und etwas mehr Schulden), als noch 2019.

Nehmen wir an, die Lufthansa hat sich bis 2024 in der Ertragslage erholt, aber 5 Mrd. Euro weniger Vermögen als 2019. Dann läge der Börsenwert nicht bei 14 Mrd. Euro, sondern etwa bei 8 - 10 Mrd. Euro. Das entspräche aus heutiger Sicht einer jährlichen Rendite von 5 - 13% pro Jahr.

Die Scorecard

Die Scorecard spiegelt die Probleme von Lufthansa klar wider.

Pro, Contra & Fazit: Lufthansa-Aktie jetzt kaufen?


Pro

  • Turnaround-Chance: Bei Erholung winken direkte Kursgewinne durch günstiges Bewertungsniveau
  • Krise als Chance: Lufthansa ist gezwungen Prozesse und Strukturen zu überdenken, die für die Zukunft hilfreich sein könnten
  • Das Schlimmste scheint überwunden und erste Zeichen in Richtung Wachstums mit Kapitalüberschuss gegeben

Contra

  • Langfristig ziemlich schwieriges Geschäftsmodell mit austauschbarem Produkt
  • Hohe Risiken durch schlechte Finanzsituation, andauernde Coronapandemie und steigendem Klimaschutz
  • Ernsthafte Gefahr einer finanziellen Schieflage bis zur Zahlungsunfähigkeit

Mein Fazit

Die entscheidende Frage beim Beurteilen der Lufthansa-Aktie ist, vor welchem Hintergrund man Lufthansa kauft.


Um die Aktie 10 Jahre und länger zu halten? Halte ich für schwierig. Dafür finde ich das Geschäftsmodell zu schwierig: Austauschbares Produkt, zurückgehende Alleinstellungsmerkmale (falls es die vorher gab), große Unsicherheiten.


Um kurzfristig auf eine Erholung zu spekulieren? Das kann durchaus klappen.


Nach den Prognosen der Analysten liegt die Lufthansa 2023 wieder auf dem 2019er-Niveau. Das wäre dann aus heutiger Sicht ein KGV von 10, ein KUV von 0,3. Wenn das so kommt wäre die Aktie also sehr günstig bewertet.

Tags: Lufthansa | Aktien: Lufthansa

Disclaimer: Die Inhalte stellen keine Anlageberatung, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen dar, sondern spiegeln nur meine persönliche Meinung wider. Jede Investition ist mit Risiken verbunden, die du selbst prüfen musst. Es gibt keine Garantien. Ich kann selbst in besprochene Aktien investiert sein. * Bei Partnerlinks erhalte ich ggf. eine Provision.

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Ich bin Jannes, Jahrgang 1993 und Gründer von StrategyInvest. Seit 2011 investiere ich an der Börse. Damals habe ich mein VWL-Studium mit Finanzschwerpunkt erfolgreich absolviert und bin nun seit mehreren Jahren in der Digital- und Techbranche aktiv, aktuell als Product & Strategy Lead. Ich kenne daher Investieren, Technologie und Unternehmertum aus wissenschaftlicher Sicht, aber auch aus der Praxis. Die Erkenntnisse daraus teile ich hier.

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Wo ich Aktien & ETFs kaufe: Meine Empfehlungen →

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Auszug aus dem Manifest:

Regel #9: Wir schätzen Tiefe.

Wir brauchen nicht noch mehr News, Kursticker, Alertings oder Geheimtipps. Das brauchen nur Medien. Wir brauchen mehr durchdachte Informationen, fundiertes Know-how und klare Gedanken. Mehr Tiefe, weniger ablenkendes Börsengeschrei.

zum kompletten StrategyInvest Manifest »

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