In der Börsenwelt hat sich einiges getan. Heute:
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Storys der Woche
Das ist am Aktienmarkt passiert
Die neuesten Finanzmarkt-Updates:
🙈 Northern Data: Erinnerungen an Wirecard?
Wirecard-Vergleiche sind immer unfair, zeigen aber schnell, um was für Probleme es geht. Bei Northern Data sind es konkret die veröffentlichten Zahlen und die Umstände, wie sie veröffentlicht wurden.
Hinter Northern Data steckt ein Unternehmen, das die Infrastruktur, also bspw. Server- und Rechenzentren, für Hochleistungscomputer und -anwendungen liefert. Genauer: Vor allem in Zukunft liefern möchte.
Das Unternehmen ist also eine Tech-Wachstumshoffnung aus Deutschland.
Problem 1: Timing. Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 wurden erst nach 9 Monaten vorgelegt (und sind noch nicht testiert).
Problem 2: Die Zahlen. Umsatz von 16 Mio. Euro, Verlust von 12 Mio. Die Marktkapitalisierung (ohne Finanzbeteiligungen an Riot Blockchain Aktien): Etwa 1 Mrd. Euro. Das entspricht dann einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von über 60 bei tiefroten Zahlen.
Das ist zudem weit weg von der Prognose aus März 2020 für das Geschäftsjahr. Dort wurden 120 bis 140 Mio. Euro Umsatz bei einem EBITDA von 45 bis 60 Mio. Euro in Aussicht gestellt.
Für 2021 erwartet Northern Data einen Umsatz von 300 bis 400 Mio. Euro bei 100 bis 125 Mio. Euro EBITDA. Die Prognose stammt aus Dezember 2020.
Problem 3: Die Bafin. Die Finanzaufsicht hat nun nämlich wegen mutmaßlicher Marktmanipulation Anzeige gegen Northern Data erstattet.
Der Aktienkurs ist mit Veröffentlichung der Zahlen und der Bafin-Anzeige um 20% gefallen. Ohne tief ins Geschäft eingestiegen zu sein: In meinen Augen wird das dem Umfang der Probleme nicht gerecht. Vor allem wenn wir uns gleich anschauen, welche andere Aktie in einem anderen Kontext ebenfalls um 20% abgestraft wurde.
🚛 Rivian Börsengang: 80 Mrd. USD wert bei 0 USD Umsatz?
Rivian ist ein 2009 gegründeter US-amerikanischer Hersteller von Elektroautos (vor allem Pick Ups und Lieferwagen), der nun an die Börse strebt. In der Vergangenheit haben Amazon und Ford Rivian in Form von Investitionen unterstützt.
Die angestrebte Bewertung soll bei etwa 80 Mrd. US-Dollar liegen. Der Umsatz bis heute? 0 USD. Daraus wird für das erste Halbjahr 2021 ein Nettoverlust von knapp 1 Mrd. USD, ähnlich wie im gesamten Jahr 2020.
Die Auslieferung von Fahrzeugen soll jetzt starten. Auch Amazon wird elektrische Lieferwagen von Rivian abnehmen - stolze 100.000 Stück bis 2030. (Ein ähnliches Kunden-und-Investor-Verhältnis hat Amazon auch mit Plug Power umgesetzt.)
⌚️ Chronext Börsengang abgesagt
Chronext ist eine Uhrenhandelsplattform aus der Schweiz, vor allem im gehobenen und Luxussegment. Anfang September hat diese offiziell bekannt gegeben, einen IPO anstreben zu wollen.
Nun wurde das wieder zurückgezogen. Die Rahmenbedingungen an der Börse seien aktuell ungünstig, heißt es.
Ohnehin gab es von Experten einige Kritik an der angestrebten Bewertung. Diese soll wohl bei bis zu 1 Mrd. Euro gelegen haben, die platzierten neuen Aktien sollen ein Volumen von 250 Mio. Franken gehabt haben.
Die Zahlen hinter Chronext: 100 Mio. Euro Umsatz bei 18% Wachstum in 2020. Für 2021 werden +40% angepeilt. Der Umsatz ist wohl darüber hinaus der Außenumsatz (also vermittelter Umsatz), der eigene erzielte Innenumsatz liegt wohl nur bei 10 - 20 Mio. Euro. Entsprechend ambitioniert (einige sagen auch völlig überzogen) wäre die Bewertung gewesen.
Unabhängig davon zeigt der Rückzug wieder: Unternehmen gehen am liebsten dann an die Börse, wenn sie den maximalen Preis dafür bekommen. Für Anleger bedeutet das, dass man umso vorsichtiger sein sollte.
📊 Facebook-Ausfall, Salesforce & About You heben Prognose, Bitcoin auf Höchststand
Inspiration
🏆 Zahl des Tages
12,35 Mio. Menschen
... in Deutschland investieren zurzeit in Aktien. Das ist der höchste Stand seit 2001. 🏆
Aktiencheck
🥴 TeamViewer Update: Erwartungen gesenkt, Aktie stürzt ab - und jetzt?
Am 6.10. musste TeamViewer den Ausblick erneut nach unten korrigieren, was die Aktie auf Talfahrt schickte. Ich selbst habe vorher nach der Aktienanalyse investiert.
Klar ist: Garantien gibt es nie. Wer in steigende Aktien investieren will, wird zwangsläufig auch in fallende investieren müssen. Trotzdem lohnt es sich, bei solchen Ereignissen ein Investment kritisch zu prüfen.
Wie sehen die Zahlen jetzt aus?
Schauen wir uns daher zuerst die Fakten an.
- Der Umsatz lag im Q3 '21 um 18% höher als im Vorjahr - was mehr ist als im Q2 '21, aber unter der Prognose von mind. 20%
- Die Adj.Bei "adjusted" Kennzahlen wird eine nach Standard-Richtlinien (GAAP) berechnete Kennzahl um Sondereffekte bereinigt, wird dann zur "Non-GAAP" Kennzahl. Diese Sondereffekte können aktienbasierte Vergütungen, Restrukturierungskosten oder Währungsschwankungen sein. Sie können einen besseren Vergleich ermöglichen, aber... More EBITDA-Marge liegt nur noch bei 34% für das Quartal (durch höhere Kosten und geringer als erwartet ausgefallene Umsätze), 48% für die neun Monate des bisherigen Geschäftsjahres 2021
- NRRNRR steht für "Net Revenue Retention". Sie gibt an, wieviel Umsatz durch Kunden erzielt wird, die vor einem Jahr schon Kunden waren. Über 100% heißt, dass Kunden abzüglich Kündigungen mehr ausgeben. More im Quartalsvergleich von 88% auf fast 100% verbessert, über die letzten 12 Monate liegt der Wert bei 96%
- Das Großkundengeschäft ist langsamer gewachsen als erwartet
- Zum Ende des Quartals hat sich das Billings-Wachstum wieder verbessert
TeamViewer nennt unterschiedliche Gegenwinde, die dazu geführt haben: Weniger Innovationsgeschwindigkeit, Großkundengeschäft-Akquise teurer als gedacht, vorgezogenes Wachstum durch Covid-Effekte, China-Programm verlangsamt sich nach vielversprechendem Start und mehr Konkurrenz im Niedrigpreissegment.
Ebenfalls spannend: TeamViewer vermutet, dass die Effekte eher dauerhaft als temporär einzuschätzen sind. Entsprechend wurde auch der langfristige Ausblick gesenkt, mehr dazu gleich.
Der neue Ausblick
Die Prognose vorher: Auf 2021 sollen ca. 30% dazu kommen und bis 2023 die Milliarde-Marke geknackt werden. Bis 2023 entspräche das ebenfalls einem jährlichen Wachstum von etwa 30%.
Diese Ziele scheinen mittlerweile nicht mehr ganz erreichbar. TeamViewer hat den Ausblick angepasst und erwartet Billings zwischen 535 und 555 Mio. EUR für das Geschäftsjahr 2021. Außerdem wird eine angepasste EBITDA-Marge zwischen 44 und 46% erwartet, vorher waren es 49 - 51%.
Langfristig peilt TeamViewer nur noch ein Wachstum im hohen 10er-Prozentbereich an, vorher waren es über 25%. Bei den Margen wird immer noch von einer Verbesserung ausgegangen.
Hätte man rückblickend Warnzeichen erkennen können?
Wie gesagt: Es gibt nie Garantien beim Investieren in Aktien, weshalb Verluste normal sind. Trotzdem können sie Lehren bereithalten.
Lehre #1: Wir können die Zukunft nie vollständig vorhersehen. Es gibt immer Ereignisse und Faktoren, die wir heute nicht kennen. Mit dieser Ungewissheit müssen wir als Anleger umgehen, auch wenn es manchmal schwer fällt.
Lehre #2: Deshalb sollte nie alles auf eine Karte gesetzt werden. Ein Depot sollte aus mehreren Aktien mit hoher Überzeugung bestehen, nicht aus wenigen, die den Großteil des Depots ausmachen. Wer 20 Aktien mit je 5% hält, verliert durch einen unerwarteten 20%-Verlust einer Aktie nur 1% auf Depotebene.
Lehre #3: Verluste beschäftigen uns emotional mehr als Gewinne, laut Studien um den Faktor 2,5. Das heißt: Rational gleichen 100€ Gewinn einen 100€ Verlust aus, emotional brauchen wir 250€ Gewinn. Wer investiert ist und das hier liest, wird das womöglich wiedererkennen.
Aber abseits der allgemeinen Grundsätze, die aus solchen Ereignissen resultieren: Haben sich die Gewinnwarnungen bei TeamViewer rückblickend in der Form abgezeichnet?
In meinen Augen nicht oder kaum. Die Zahlen sahen durchweg positiv aus. Die Intensität des Kursverlustes zeigt, wie überraschend es für alle Marktteilnehmer kam.
Zum Vergleich: TeamViewer selbst hat vorher knapp 50% Umsatzwachstum p.a. erzielt, 30% für die nächsten Jahre (inkl. 2021 bis 2023) erwartet, danach langfristig >25% p.a. angepeilt. Die Analysten gingen von 28 - 31% p.a. für die nächsten Jahre aus, selbst im August noch von 27 - 28% Umsatzwachstum p.a.
Ich selbst bin in die Analyse vorsichtiger gegangen, habe bspw. langfristig "nur" 10% p.a. erwartet, kurzfristig aber natürlich mehr als die aktuellen 18%. Das pessimistische Szenario lag bspw. bei erwarteten 20% Wachstum, also in der Nähe des jetzt eingetretenen Wachstums.
Die Gegenwinde, die dazu geführt haben, klingen nachvollziehbar, aber im Einzelnen kaum prognostizierbar und sind wohl - laut Management, aber auch nach meiner Wahrnehmung - unabhängig voneinander entstanden und separat betrachtet überschaubare Effekte, die nun aber zusammengekommen sind und die Zahlen entsprechend drastisch verändern.
Trotzdem verwunderlich, wie schnell aus einer Prognose von 30% kurzfristigem und 25% langfristigem Wachstum seitens des Managements eine Prognose von 15 bis 20% pro Jahr wird.
Wie geht's jetzt weiter?
Klar ist: Durch so eine Gewinnwarnung sollte TeamViewer gedanklich eine Risikostufe höher eingestuft werden. Die historischen Zahlen lassen sich aktuell nicht mehr aufrechterhalten.
TeamViewer ist keine High-Growth-Aktie mehr und wird es kurzfristig wohl auch nicht werden. Die Gewinnwarnungen waren kein Ausrutscher, sondern eher eine dauerhafte Korrektur auf niedrigere Wachstumsniveaus. Es ist nach wie vor ziemlich profitabel und wächst im zweistelligen Bereich.
Auch Wachstumschancen bestehen weiterhin. TeamViewer nennt sechs strategische Schwerpunkte:
- Neue innovative Lösungen, v.a. im AR-Bereich
- Neue strategische Partner (SAP, Siemens Healthineers,...)
- Mehr Großkundengeschäft
- Ausbau des US-Geschäfts
- Markenbekanntheit (u.a. durch Trikotsponsorschaft, mehr dazu gleich)
- Stabil bei kleineren bis mittleren Unternehmen
Nun ist die Frage: War die Höhe des Kursverlustes gerechtfertigt? Wenn TeamViewer jetzt auf niedrigem Niveau weiter wächst, ist es dann attraktiv?
Das KGVe von unter 35 ist ziemlich günstig angesichts dessen, dass TeamViewer immerhin noch mit 18% p.a. wächst und sehr profitabel ist. Du findest die aktualisierte, ausführliche Aktienbewertung inkl. Renditeerwartung für unterschiedliche Szenarien wie gewohnt am Ende der TeamViewer Aktienanalyse.
Das Ergebnis sieht positiv aus. Deshalb halte ich die TeamViewer Aktie oder kaufe ggf. in kleinem Umfang nach. Wer fürchtet, dass die Zahlen sich noch weiter verschlechtern sollten, sollte mit höherer Sicherheitsmarge kalkulieren und sich bspw. eher am pessimistischen Szenario orientieren.
Tipp: Vorher die komplette Analyse lesen, um auch das Geschäftsmodell, die langfristigen Chancen und Risiken zu verstehen. Die Zahlen dort sind aktualisiert.
Kurzzusammenfassung & meine Einschätzung
- Sollten die Erwartungen dauerhaft runtergeschraubt werden oder war es nur ein einmaliger Ausrutscher? Eher ersteres, die vorherigen Prognosen sind vermutlich nicht aufrechtzuerhalten.
- War der Absturz jetzt vorhersehbar? In der Form denke ich nicht, auch wenn immer bewusst sein muss, dass es nicht vorhersehbare Risiken gibt.
- Ist die TeamViewer-Aktie jetzt riskanter geworden? Ja, da der historisch starke und positive Trend jetzt deutlich abgeflacht ist.
- Ist die TeamViewer-Aktie jetzt attraktiv bewertet? Unterm Strich finde ich die Bewertung angesichts der immer noch guten Fundamentalzahlen attraktiv, sie unterliegt aber etwas mehr Risiko.
Inspiration
Börsenweisheit des Tages
„Gewinnen kann man, verlieren muss man!“ - André Kostolany
Das war es mit dem heutigen Briefing. Danke, dass du dabei bist!